Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 12 RA 606/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 130/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Klägerin werden gerichtliche Verschuldenskosten in Höhe von 1.000 EUR auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die am XXXXX 1960 geborene Klägerin erlernte vom 1. September 1978 bis 31. August 1979 den Beruf einer Verkäuferin für Uhren und Schmuck und schloss diese Ausbildung XXXXX 1980 erfolgreich ab. In diesem Beruf arbeitete sie bis zum Mai 1997. Danach war sie aufgrund Schließung des Beschäftigungsbetriebes arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs. Vom 1. bis 15. April 1999 ging sie einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung nach. Danach war sie nicht mehr erwerbstätig.
Bei einem Sturz mit ihrem Motorroller im August 1999 erlitt sie eine laterale Tibiakopfimpressionsfraktur des rechten Kniegelenks (Schienbeinkopffraktur) mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbands sowie eine subcapitale Humerusfraktur (Oberarmkopfbruch) rechts. Die Knieverletzung wurde ostheosynthetisch, die Schulter konservativ versorgt. Wegen fortdauernder Beschwerden im rechten Kniegelenk wurde dieses im April 2001 endoprothetisch ersetzt. Vom 4. bis 24. Mai 2001 fand eine Anschluss-Rehabilitationsbehandlung in der Rheuma-Klinik B. statt. Im Abschlussbericht der Klinik vom 6. Juni 2001 heißt es, grundsätzlich bestehe ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Zu vermeiden sei das häufige Bücken, das Arbeiten in Zwangshaltungen sowie das schwere Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten. Tätigkeiten mit verstärkter Beugung im rechten Kniegelenk könnten nicht durchgeführt werden, die Gehstrecke sei vermindert. Die schmerzfreie Gehstrecke habe während der Heilbehandlung zuletzt 2 bis 3 km betragen. Auf der Grundlage dieses Leistungsbildes ergebe sich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden. Im Übrigen bestehe ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr.
Am 17. November 2001 beantragte die Klägerin die vorliegend streitige Rente. Die Beklagte ließ sie durch den Orthopäden Dr. H. untersuchen, der in seinem Gutachten vom 2. März 2002 zu der Einschätzung gelangte, dass die Klägerin in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf nur noch unter 3 Stunden täglich tätig sein, leichte Tätigkeiten jedoch 6 Stunden täglich und mehr verrichten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2002 die begehrte Rente ab. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, nicht mehr in der Lage zu sein, mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach einer Belastung von einer halben Stunde müsse sie pausieren und ihr Knie hochlegen. Sie habe massive Schmerzen, die sich bei Belastung verstärkten. Mit Blick auf die Schmerzangabe ließ die Beklagte die Versicherte neurologisch-psychiatrisch durch Dr. S. untersuchen. Dr. S. vermochte ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ebenso wenig festzustellen, wie Dr. Nowc aufgrund erneuter orthopädischer Untersuchung am 2. Juni 2003. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar könne die Klägerin ihren letzten Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben, jedoch könne sie mehr als 6 Stunden täglich als Telefonistin oder aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.
Zur Begründung ihrer daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, eine Verweisung auf eine ungelernte Tätigkeit komme nicht in Betracht. Vielmehr genieße sie aufgrund ihrer Ausbildung Berufsschutz. Deshalb sei weder eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch als Telefonistin sozial zumutbar. Auch werde von der Beklagten verkannt, dass sie aufgrund Verstärkung der Schmerzen und Verschlechterung des Krankheitsbildes nach einer Belastung von jeweils einer halben Stunde das Bein hochlegen müsse. In dem Gutachten des Dr. H. würden zudem die zunehmend starken Schmerzen im Schultergelenk nicht hinreichend berücksichtigt. Auch der Befund am Knie habe sich weiter verschlimmert, so dass eine neue Prothese einzusetzen sei.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. N ... Dieser hat die Klägerin am 9. März 2005 untersucht und in seinem schriftlichen Gutachten vom 25. August 2005 die Diagnosen "fortbestehende Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks nach endoprothetischem Ersatz bei regelrechten Implantaten, Arthrose des linken oberen Sprunggelenks, endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks sowie chronisch-rezidivierendes HWS-Syndrom" gestellt. Bei der klinischen Untersuchung habe sich eine 44 Jahre alte, 168 cm große und 110 kg schwere, somit deutlich übergewichtige Frau in sonst gutem körperlichen Allgemeinzustand gezeigt. Das Gangbild sei unter Einsatz eines links geführten Gehstocks mit Schuhwerk auf dem Stationsflur flott und sicher gewesen. Die Belastung der Beine sei gleichmäßig erfolgt, ein Hinken nicht erkennbar gewesen. In der Untersuchungssituation beim Barfußgang sei demgegenüber ein geringfügiges rechtseinseitiges Schon- und Entlastungshinken geboten worden. Gleichwohl sei auch unter diesen Bedingungen das Gangbild sicher und gut fördernd. Zusammenfassend hat der medizinische Sachverständige festgestellt, dass den in erheblichem Umfang geklagten subjektiven Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks weder klinisch-funktionell, noch röntgenologisch, noch nuklearmedizinisch ein adäquates Korrelat gegenübergestellt werden könne. Das vorgefundene Gangbild sowie auch die dem Grunde nach seitengleiche Entwicklung der Ober- und Unter¬schenkel-muskulatur beidseits schließe auch einen schmerzbedingten wesentlichen Mindereinsatz des rechten Beins aus. Deshalb sei insbesondere auch die Wegefähigkeit gegeben, d.h. die Klägerin könne viermal täglich 500 m in jeweils 20 min zurücklegen. Die Beschwerden im Schultergelenk ließen einen Einsatz der Hände etwa im Rahmen so genannter leichter Produktionstätigkeiten zu. Eine neurotische Störung oder psychische Fehlhaltung von Krankheitswert liege nach seinem Eindruck nicht vor. Zusammenfassend hat der medizinische Sachverständige festgestellt, dass die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, überwiegend im Sitzen, ohne das Heben und Tragen mittelschwerer und schwerer Lasten, ohne lang anhaltende Tätigkeiten im Gehen und Stehen, ohne Tätigkeiten im Knien und Hocken bzw. auf Leitern und Gerüsten, ohne Tätigkeiten, die den häufigen und anhaltenden Einsatz des linken Arms über der Horizontalen erforderten, ohne überwiegend witterungsexponierte Tätigkeiten und solche unter erhöhtem Zeitdruck, ohne Akkord-und Nachtarbeit bei erhaltener Wegefähigkeit regelmäßig vollschichtig mit betriebsüblichen Pausen verrichten könne. Auf das schriftliche Gutachten wird ergänzend Bezug genommen.
Die Beklagte hat eine berufskundliche Stellungnahme Ihrer Grundsatzabteilung Berufskundlicher Dienst vom 7. Oktober 2005 vorgelegt. Dort heißt es, die Klägerin sei als Verkäuferin zu beurteilen. Bei dieser Tätigkeit handele es sich um einen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren. Auszunehmen von dieser Bewertung seien lediglich Fachverkäuferinnen im Nahrungsmittelhandwerk, deren Ausbildung im Gegensatz zu diejenigen der allgemeinen Verkäuferin drei Jahre dauere. Hiervon ausgehend sei die Klägerin unter Berücksichtigung des in der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas auch auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisbar. Lediglich einfachste Arbeiten seien auszuschließen. Da die Klägerin nur noch überwiegend sitzende Tätigkeiten verrichten dürfe, komme ein Einsatz im unmittelbaren Warenverkauf nicht mehr in Betracht. Sie sei aber sozial zumutbar etwa auf die Tätigkeit einer Telefonistin zu verweisen.
Die Klägerin ist dem Gutachten des Dr. N. entgegengetreten. Nicht erfasst habe dieser einen nicht behandelten Kapselriss im rechten Ringfinger, welcher ebenfalls bei dem Unfall im August 1999 entstanden sei. Auch sei im orthopädischen Befund unrichtig, dass kein Hinken bestanden habe. Vielmehr sei dies durchgehend der Fall. Nicht einverstanden sei sie schließlich mit der Einschätzung der Wegefähigkeit. Sie können nicht in 20 min Fußweganteile von jeweils über 500 m zurücklegen. Allenfalls schaffe Sie die Hälfte der Strecke.
Dr. N. hat eine ergänzende Stellungnahme vom 31. August 2006 hierzu abgegeben. Soweit die Klägerin angebe im Jahre 1999 einen Kapselriss im Bereich eines Ringfingergelenks erlitten zu haben, stehe dies der von ihm getroffenen Feststellung, dass sämtliche Fingergelenke äußerlich unauffällig und frei beweglich gewesen seien, nicht entgegen. Auch handele es sich insoweit um eine vergleichsweise banale Verletzung, die in aller Regel folgenlos ausheile. Soweit er Beschwerden zu einem Kapselriss nicht erfasst habe, liege dies daran, dass die Untersuchte bei der Schilderung ihrer Beschwerden dieses nicht angegeben habe. Das Gangbild habe sich genauso dargestellt, wie er es in seinem Gutachten beschrieben habe. Auch habe er seine Beobachtungen außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation machen können, als er zufällig auf dem Stationsflur des Krankenhauses auf dem Weg zu seinen Untersuchungsräumen einige Meter hinter der Klägerin hergegangen sei. Dabei habe sie auch die Treppe vom zweiten in den dritten Stock zu den Untersuchungsräumen mühelos und zügig bewältigen können. Dies sei eine Beschreibung des zu diesem Zeitpunkt tatsächlich von ihm festgestellten Sachverhalts. Insoweit verweise er auf seinen Sachverständigeneid. Wenn im Übrigen die Klägerin mit der durch ihn den Sachverständigen getroffenen Einschätzung der Wegefähigkeit sowie auch mit der getroffenen Einschätzung, dass zumutbare Arbeiten noch regelmäßig vollschichtig mit betriebsüblichen Pausen möglich seien, nicht einverstanden sei, dann sei das mit Blick auf ihren Rentenantrag nachvollziehbar. Bei der Beurteilung des Leistungsvermögens komme es jedoch auf die subjektive Einschätzung durch den jeweiligen Versicherten nicht an. Vielmehr habe der medizinische Sachverständige anhand der objektiv nachzuweisenden Gesundheitsstörungen ein positives und negatives Leistungsbild zu entwerfen. Dieses habe er in seinem Gutachten getan und die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten gäben ihm keine Veranlassung, die Leistungsfähigkeit der Klägerin nunmehr abweichend zu beurteilen.
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2007 Dr. N. ergänzend vernommen. Dieser hat zur Behauptung der Klägerin, dass sie zusätzlich auch durch die Verletzung eines Ringfingers beeinträchtigt sei, erklärt, dass sich aus dem stattgefundenen Strecksehnenausriss keine relevanten Leistungseinschränkungen ergäben. Hier sei nur das Endglied eines Fingers beeinträchtigt und die Versicherte sei in der Lage Gegenstände zu greifen und zu tragen.
Durch am selben Tage verkündetes Urteil hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, auch nicht auf eine solche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nachdem die Klägerin nur eine zweijährige Ausbildung absolviert habe, könne sie sozial zumutbar auf die Gruppe der Angelernten verwiesen werden. Danach könne sie noch als Telefonistin arbeiten oder aber in der gewerblichen Produktion tätig sein und dort Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf-, Etikettier- und Kommissionierungsarbeiten ausführen. Hierbei handele es sich um leichte körperliche Arbeiten, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit die Körperhaltung zu wechseln, ausgeübt werden könnten und einer Einarbeitungszeit von zwei bis zehn Wochen unterlägen. Für den Raum Hamburg bestehe insoweit ein offener Arbeitsmarkt. Die Entscheidung – auf die ergänzend Bezug genommen wird – ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. Juni 2007 zugestellt worden.
Mit ihrer am 23. Juli 2007, einem Montag, eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr auf die Gewährung einer Rente gerichtetes Begehren weiter. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe es zu Unrecht unterlassen, ein nervenärztliches Gutachten einzuholen, obwohl sie – die Klägerin – laufend in schmerztherapeutischer bzw. psychiatrischer Behandlung stehe. Unabhängig hiervon lägen bei ihr jedenfalls die Voraussetzungen für eine Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Sie könne aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben. Auf eine Tätigkeit als Telefonistin könne sie nicht verwiesen werden, da sie nicht hinreichend lange sitzen könne. Zudem habe sich das Sozialgericht zu Unrecht auf eine zwei Jahre alte Einschätzung des berufskundlichen Sachverständigen M1 gestützt. Da der Arbeitsmarkt einem ständigen Wandel unterliege, könne diese Einschätzung nichts zu der jetzigen Situation sagen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbs¬minderung ab dem 1. Dezember 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und ihren Bescheid. Einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung habe es unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. N. nicht bedurft. Aus berufskundlicher Sicht sei festzuhalten, dass die benannte Verweisungstätigkeit leidensgerecht und sozial zumutbar sei und es auf dem gesamtdeutschen Arbeitsmarkt ausreichend entsprechende Stellen gebe.
Das Berufungsgericht hat Befundberichte des Schmerztherapeuten Dr. K. und der Psychotherapeutin N1 beigezogen und die Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H1 untersuchen und begutachten lassen. Dr. H1 ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 16. Mai 2008 zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leide unter einer leichten depressiven Störung. Eine Posttraumatische Belastungsstörung, wie von Dr. S. und Frau N2 diagnostiziert, liege mit Sicherheit nicht vor. Unter Berücksichtigung der auf orthopädischem Fachgebiet festgestellten Leistungseinschränkungen könne sie noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Auf den Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Berufungsgericht den Nervenarzt Dr. F. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat nach Verhängung dreier Ordnungsgelder und Androhung einer polizeilichen Vorführung sein Gutachten vom 16. Februar 2011 eingereicht, in welchem er zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne ihren bisherigen Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben. Auf den weiteren Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Professor Dr. Diplom-Psychologe M. die Klägerin untersucht und begutachtet. In seinem schriftlichen Gutachten vom 3. April 2012 gelangt auch er zu dem Ergebnis, dass bei der Versicherten keine Posttraumatische Belastungsstörung, sondern lediglich eine Dysthymie vorliegt und sie noch in der Lage ist, vollschichtig leichte Arbeiten zu verrichten.
Der medizinische Sachverständige Prof. Dr. M. ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Der Klägerin steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) nicht zu.
Nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin hat einen solchen Anspruch nicht, weil sie nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) gewonnenen Überzeugung des Senats noch immer ein in dem beschriebenen Sinne vollschichtiges, d.h. mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen besitzt, mit welchem sie erwerbstätig sein kann. Dies schließt die Annahme von Erwerbsminderung aus (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Zutreffend ist zunächst das Sozialgericht auf der Grundlage des Ergebnisses der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die Klägerin auch nicht wenigstens teilweise erwerbsgemindert war, weil alle gehörten medizinischen Sachverständigen sie für in der Lage hielten, wenigstens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten in der Produktion mit bestimmten qualitativen Einschränkungen auszuüben und weil es für Tätigkeiten, die dem vom Sozialgericht so festgestellten Restleistungsvermögen entsprechen, einen offenen Arbeitsmarkt gibt. Zutreffend ist das Sozialgericht ebenfalls davon ausgegangen, dass die Klägerin auf diese Tätigkeiten sozial zumutbar verwiesen werden kann, weil ihr letzter Beruf von seiner Wertigkeit her (lediglich) einer Anlerntätigkeit entspricht, er in Ermangelung einer dreijährigen Ausbildung keinen so genannten Berufsschutz im Sinne des § 240 SGB VI vermittelt. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, welche der Senat sich zu eigen macht, wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Soweit die Klägerin meint, die vom Sozialgericht hierzu verwandte berufskundliche Stellungnahme sei infolge Zeitablaufs nicht zu verwerten, kann sie hiermit nicht gehört werden. Der erkennende Senat geht vielmehr aufgrund fortlaufend eingeholter (zuletzt am 25. September 2012 in der Sache L 3 R 15/11) berufskundlicher Stellungnahmen davon aus, dass in Hamburg ein offener Arbeitsmarkt für besonders leichte angelernte Tätigkeiten mit einer nennenswerten Anzahl eingerichteter Arbeitsplätze besteht, wie sie in der vom Sozialgericht beigezogenen berufskundlichen Stellungnahme beschrieben werden. Auf diesen Umstand hat der Senat die Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung und erneut in dieser hingewiesen. Namentlich die Klägerin hat hiergegen in der mündlichen Verhandlung keine Einwände vorgebracht, so dass der Senat diese Erkenntnis auch für den vorliegenden Fall seiner Entscheidung zugrunde legt.
Der Klägerin ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil sie eine Arbeitsstelle nicht mit zumutbarem Aufwand erreichen könnte. Soweit sie nämlich unter Hinweis auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. N. behauptet, ihr fehle, anders als von Dr. N. eingeschätzt, die erforderliche Wegefähigkeit, übersieht sie, dass Dr. N. lediglich eine Einschränkung der "Gehfähigkeit" sieht, und zwar nur, soweit Strecken über 1000 m zurückgelegt werden müssen. Jedoch wird bei der Prüfung der Wegefähigkeit, bei der erforderlichen Entscheidung über die Frage, ob ein üblicher Weg zur Arbeitsstätte zurückgelegt werden kann, die Grenze der Zumutbarkeit erst bei einem Zeitaufwand gezogen, der mehr als 20 Minuten für 500 m beträgt. Dass die Klägerin eine solche Strecke in maximal 20 Minuten viermal täglich zurücklegen kann, haben aber sowohl Dr. N. als auch Prof. Dr. M. ausgeführt und sich hierbei sowohl auf die bei der Klägerin festgestellten funktionellen Defizite als auch das natürliche im Gefühl fehlender Beobachtung gezeigte Gangbild berufen. Dieser Einschätzung folgt deshalb der Senat.
Der Senat hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Die Klägerin hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihr und ihrem Bevollmächtigten von dem Vorsitzenden die Mißbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung ausführlich dargelegt worden ist und beide auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sind. Die Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren ist missbräuchlich gewesen, weil angesichts der übereinstimmenden Einschätzungen aller medizinischen Sachverständigen, gegen welche die Klägerin durchgreifende Argumente nicht vorbringen konnte, die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos gewesen ist.
Der Senat hat die Verschuldenskosten auf den pauschalen Betrag von 1000 Euro festgesetzt, der schätzungsweise durch die Absetzung und Zustellung des Urteils unter Beteili-gung von drei Richtern sowie weiteren Mitarbeitern des Gerichts entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die am XXXXX 1960 geborene Klägerin erlernte vom 1. September 1978 bis 31. August 1979 den Beruf einer Verkäuferin für Uhren und Schmuck und schloss diese Ausbildung XXXXX 1980 erfolgreich ab. In diesem Beruf arbeitete sie bis zum Mai 1997. Danach war sie aufgrund Schließung des Beschäftigungsbetriebes arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs. Vom 1. bis 15. April 1999 ging sie einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung nach. Danach war sie nicht mehr erwerbstätig.
Bei einem Sturz mit ihrem Motorroller im August 1999 erlitt sie eine laterale Tibiakopfimpressionsfraktur des rechten Kniegelenks (Schienbeinkopffraktur) mit knöchernem Ausriss des vorderen Kreuzbands sowie eine subcapitale Humerusfraktur (Oberarmkopfbruch) rechts. Die Knieverletzung wurde ostheosynthetisch, die Schulter konservativ versorgt. Wegen fortdauernder Beschwerden im rechten Kniegelenk wurde dieses im April 2001 endoprothetisch ersetzt. Vom 4. bis 24. Mai 2001 fand eine Anschluss-Rehabilitationsbehandlung in der Rheuma-Klinik B. statt. Im Abschlussbericht der Klinik vom 6. Juni 2001 heißt es, grundsätzlich bestehe ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Zu vermeiden sei das häufige Bücken, das Arbeiten in Zwangshaltungen sowie das schwere Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten. Tätigkeiten mit verstärkter Beugung im rechten Kniegelenk könnten nicht durchgeführt werden, die Gehstrecke sei vermindert. Die schmerzfreie Gehstrecke habe während der Heilbehandlung zuletzt 2 bis 3 km betragen. Auf der Grundlage dieses Leistungsbildes ergebe sich für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden. Im Übrigen bestehe ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr.
Am 17. November 2001 beantragte die Klägerin die vorliegend streitige Rente. Die Beklagte ließ sie durch den Orthopäden Dr. H. untersuchen, der in seinem Gutachten vom 2. März 2002 zu der Einschätzung gelangte, dass die Klägerin in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf nur noch unter 3 Stunden täglich tätig sein, leichte Tätigkeiten jedoch 6 Stunden täglich und mehr verrichten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. März 2002 die begehrte Rente ab. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, nicht mehr in der Lage zu sein, mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach einer Belastung von einer halben Stunde müsse sie pausieren und ihr Knie hochlegen. Sie habe massive Schmerzen, die sich bei Belastung verstärkten. Mit Blick auf die Schmerzangabe ließ die Beklagte die Versicherte neurologisch-psychiatrisch durch Dr. S. untersuchen. Dr. S. vermochte ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ebenso wenig festzustellen, wie Dr. Nowc aufgrund erneuter orthopädischer Untersuchung am 2. Juni 2003. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar könne die Klägerin ihren letzten Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben, jedoch könne sie mehr als 6 Stunden täglich als Telefonistin oder aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.
Zur Begründung ihrer daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, eine Verweisung auf eine ungelernte Tätigkeit komme nicht in Betracht. Vielmehr genieße sie aufgrund ihrer Ausbildung Berufsschutz. Deshalb sei weder eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch als Telefonistin sozial zumutbar. Auch werde von der Beklagten verkannt, dass sie aufgrund Verstärkung der Schmerzen und Verschlechterung des Krankheitsbildes nach einer Belastung von jeweils einer halben Stunde das Bein hochlegen müsse. In dem Gutachten des Dr. H. würden zudem die zunehmend starken Schmerzen im Schultergelenk nicht hinreichend berücksichtigt. Auch der Befund am Knie habe sich weiter verschlimmert, so dass eine neue Prothese einzusetzen sei.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. N ... Dieser hat die Klägerin am 9. März 2005 untersucht und in seinem schriftlichen Gutachten vom 25. August 2005 die Diagnosen "fortbestehende Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks nach endoprothetischem Ersatz bei regelrechten Implantaten, Arthrose des linken oberen Sprunggelenks, endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks sowie chronisch-rezidivierendes HWS-Syndrom" gestellt. Bei der klinischen Untersuchung habe sich eine 44 Jahre alte, 168 cm große und 110 kg schwere, somit deutlich übergewichtige Frau in sonst gutem körperlichen Allgemeinzustand gezeigt. Das Gangbild sei unter Einsatz eines links geführten Gehstocks mit Schuhwerk auf dem Stationsflur flott und sicher gewesen. Die Belastung der Beine sei gleichmäßig erfolgt, ein Hinken nicht erkennbar gewesen. In der Untersuchungssituation beim Barfußgang sei demgegenüber ein geringfügiges rechtseinseitiges Schon- und Entlastungshinken geboten worden. Gleichwohl sei auch unter diesen Bedingungen das Gangbild sicher und gut fördernd. Zusammenfassend hat der medizinische Sachverständige festgestellt, dass den in erheblichem Umfang geklagten subjektiven Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks weder klinisch-funktionell, noch röntgenologisch, noch nuklearmedizinisch ein adäquates Korrelat gegenübergestellt werden könne. Das vorgefundene Gangbild sowie auch die dem Grunde nach seitengleiche Entwicklung der Ober- und Unter¬schenkel-muskulatur beidseits schließe auch einen schmerzbedingten wesentlichen Mindereinsatz des rechten Beins aus. Deshalb sei insbesondere auch die Wegefähigkeit gegeben, d.h. die Klägerin könne viermal täglich 500 m in jeweils 20 min zurücklegen. Die Beschwerden im Schultergelenk ließen einen Einsatz der Hände etwa im Rahmen so genannter leichter Produktionstätigkeiten zu. Eine neurotische Störung oder psychische Fehlhaltung von Krankheitswert liege nach seinem Eindruck nicht vor. Zusammenfassend hat der medizinische Sachverständige festgestellt, dass die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, überwiegend im Sitzen, ohne das Heben und Tragen mittelschwerer und schwerer Lasten, ohne lang anhaltende Tätigkeiten im Gehen und Stehen, ohne Tätigkeiten im Knien und Hocken bzw. auf Leitern und Gerüsten, ohne Tätigkeiten, die den häufigen und anhaltenden Einsatz des linken Arms über der Horizontalen erforderten, ohne überwiegend witterungsexponierte Tätigkeiten und solche unter erhöhtem Zeitdruck, ohne Akkord-und Nachtarbeit bei erhaltener Wegefähigkeit regelmäßig vollschichtig mit betriebsüblichen Pausen verrichten könne. Auf das schriftliche Gutachten wird ergänzend Bezug genommen.
Die Beklagte hat eine berufskundliche Stellungnahme Ihrer Grundsatzabteilung Berufskundlicher Dienst vom 7. Oktober 2005 vorgelegt. Dort heißt es, die Klägerin sei als Verkäuferin zu beurteilen. Bei dieser Tätigkeit handele es sich um einen Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren. Auszunehmen von dieser Bewertung seien lediglich Fachverkäuferinnen im Nahrungsmittelhandwerk, deren Ausbildung im Gegensatz zu diejenigen der allgemeinen Verkäuferin drei Jahre dauere. Hiervon ausgehend sei die Klägerin unter Berücksichtigung des in der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas auch auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisbar. Lediglich einfachste Arbeiten seien auszuschließen. Da die Klägerin nur noch überwiegend sitzende Tätigkeiten verrichten dürfe, komme ein Einsatz im unmittelbaren Warenverkauf nicht mehr in Betracht. Sie sei aber sozial zumutbar etwa auf die Tätigkeit einer Telefonistin zu verweisen.
Die Klägerin ist dem Gutachten des Dr. N. entgegengetreten. Nicht erfasst habe dieser einen nicht behandelten Kapselriss im rechten Ringfinger, welcher ebenfalls bei dem Unfall im August 1999 entstanden sei. Auch sei im orthopädischen Befund unrichtig, dass kein Hinken bestanden habe. Vielmehr sei dies durchgehend der Fall. Nicht einverstanden sei sie schließlich mit der Einschätzung der Wegefähigkeit. Sie können nicht in 20 min Fußweganteile von jeweils über 500 m zurücklegen. Allenfalls schaffe Sie die Hälfte der Strecke.
Dr. N. hat eine ergänzende Stellungnahme vom 31. August 2006 hierzu abgegeben. Soweit die Klägerin angebe im Jahre 1999 einen Kapselriss im Bereich eines Ringfingergelenks erlitten zu haben, stehe dies der von ihm getroffenen Feststellung, dass sämtliche Fingergelenke äußerlich unauffällig und frei beweglich gewesen seien, nicht entgegen. Auch handele es sich insoweit um eine vergleichsweise banale Verletzung, die in aller Regel folgenlos ausheile. Soweit er Beschwerden zu einem Kapselriss nicht erfasst habe, liege dies daran, dass die Untersuchte bei der Schilderung ihrer Beschwerden dieses nicht angegeben habe. Das Gangbild habe sich genauso dargestellt, wie er es in seinem Gutachten beschrieben habe. Auch habe er seine Beobachtungen außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation machen können, als er zufällig auf dem Stationsflur des Krankenhauses auf dem Weg zu seinen Untersuchungsräumen einige Meter hinter der Klägerin hergegangen sei. Dabei habe sie auch die Treppe vom zweiten in den dritten Stock zu den Untersuchungsräumen mühelos und zügig bewältigen können. Dies sei eine Beschreibung des zu diesem Zeitpunkt tatsächlich von ihm festgestellten Sachverhalts. Insoweit verweise er auf seinen Sachverständigeneid. Wenn im Übrigen die Klägerin mit der durch ihn den Sachverständigen getroffenen Einschätzung der Wegefähigkeit sowie auch mit der getroffenen Einschätzung, dass zumutbare Arbeiten noch regelmäßig vollschichtig mit betriebsüblichen Pausen möglich seien, nicht einverstanden sei, dann sei das mit Blick auf ihren Rentenantrag nachvollziehbar. Bei der Beurteilung des Leistungsvermögens komme es jedoch auf die subjektive Einschätzung durch den jeweiligen Versicherten nicht an. Vielmehr habe der medizinische Sachverständige anhand der objektiv nachzuweisenden Gesundheitsstörungen ein positives und negatives Leistungsbild zu entwerfen. Dieses habe er in seinem Gutachten getan und die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten gäben ihm keine Veranlassung, die Leistungsfähigkeit der Klägerin nunmehr abweichend zu beurteilen.
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2007 Dr. N. ergänzend vernommen. Dieser hat zur Behauptung der Klägerin, dass sie zusätzlich auch durch die Verletzung eines Ringfingers beeinträchtigt sei, erklärt, dass sich aus dem stattgefundenen Strecksehnenausriss keine relevanten Leistungseinschränkungen ergäben. Hier sei nur das Endglied eines Fingers beeinträchtigt und die Versicherte sei in der Lage Gegenstände zu greifen und zu tragen.
Durch am selben Tage verkündetes Urteil hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, auch nicht auf eine solche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nachdem die Klägerin nur eine zweijährige Ausbildung absolviert habe, könne sie sozial zumutbar auf die Gruppe der Angelernten verwiesen werden. Danach könne sie noch als Telefonistin arbeiten oder aber in der gewerblichen Produktion tätig sein und dort Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf-, Etikettier- und Kommissionierungsarbeiten ausführen. Hierbei handele es sich um leichte körperliche Arbeiten, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit die Körperhaltung zu wechseln, ausgeübt werden könnten und einer Einarbeitungszeit von zwei bis zehn Wochen unterlägen. Für den Raum Hamburg bestehe insoweit ein offener Arbeitsmarkt. Die Entscheidung – auf die ergänzend Bezug genommen wird – ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. Juni 2007 zugestellt worden.
Mit ihrer am 23. Juli 2007, einem Montag, eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr auf die Gewährung einer Rente gerichtetes Begehren weiter. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe es zu Unrecht unterlassen, ein nervenärztliches Gutachten einzuholen, obwohl sie – die Klägerin – laufend in schmerztherapeutischer bzw. psychiatrischer Behandlung stehe. Unabhängig hiervon lägen bei ihr jedenfalls die Voraussetzungen für eine Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Sie könne aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben. Auf eine Tätigkeit als Telefonistin könne sie nicht verwiesen werden, da sie nicht hinreichend lange sitzen könne. Zudem habe sich das Sozialgericht zu Unrecht auf eine zwei Jahre alte Einschätzung des berufskundlichen Sachverständigen M1 gestützt. Da der Arbeitsmarkt einem ständigen Wandel unterliege, könne diese Einschätzung nichts zu der jetzigen Situation sagen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbs¬minderung ab dem 1. Dezember 2001 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und ihren Bescheid. Einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung habe es unter Berücksichtigung der Ausführungen des Dr. N. nicht bedurft. Aus berufskundlicher Sicht sei festzuhalten, dass die benannte Verweisungstätigkeit leidensgerecht und sozial zumutbar sei und es auf dem gesamtdeutschen Arbeitsmarkt ausreichend entsprechende Stellen gebe.
Das Berufungsgericht hat Befundberichte des Schmerztherapeuten Dr. K. und der Psychotherapeutin N1 beigezogen und die Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H1 untersuchen und begutachten lassen. Dr. H1 ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 16. Mai 2008 zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin leide unter einer leichten depressiven Störung. Eine Posttraumatische Belastungsstörung, wie von Dr. S. und Frau N2 diagnostiziert, liege mit Sicherheit nicht vor. Unter Berücksichtigung der auf orthopädischem Fachgebiet festgestellten Leistungseinschränkungen könne sie noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten. Auf den Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Berufungsgericht den Nervenarzt Dr. F. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat nach Verhängung dreier Ordnungsgelder und Androhung einer polizeilichen Vorführung sein Gutachten vom 16. Februar 2011 eingereicht, in welchem er zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin könne ihren bisherigen Beruf als Verkäuferin nicht mehr ausüben. Auf den weiteren Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Professor Dr. Diplom-Psychologe M. die Klägerin untersucht und begutachtet. In seinem schriftlichen Gutachten vom 3. April 2012 gelangt auch er zu dem Ergebnis, dass bei der Versicherten keine Posttraumatische Belastungsstörung, sondern lediglich eine Dysthymie vorliegt und sie noch in der Lage ist, vollschichtig leichte Arbeiten zu verrichten.
Der medizinische Sachverständige Prof. Dr. M. ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Der Klägerin steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) nicht zu.
Nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin hat einen solchen Anspruch nicht, weil sie nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) gewonnenen Überzeugung des Senats noch immer ein in dem beschriebenen Sinne vollschichtiges, d.h. mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen besitzt, mit welchem sie erwerbstätig sein kann. Dies schließt die Annahme von Erwerbsminderung aus (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Zutreffend ist zunächst das Sozialgericht auf der Grundlage des Ergebnisses der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass die Klägerin auch nicht wenigstens teilweise erwerbsgemindert war, weil alle gehörten medizinischen Sachverständigen sie für in der Lage hielten, wenigstens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten in der Produktion mit bestimmten qualitativen Einschränkungen auszuüben und weil es für Tätigkeiten, die dem vom Sozialgericht so festgestellten Restleistungsvermögen entsprechen, einen offenen Arbeitsmarkt gibt. Zutreffend ist das Sozialgericht ebenfalls davon ausgegangen, dass die Klägerin auf diese Tätigkeiten sozial zumutbar verwiesen werden kann, weil ihr letzter Beruf von seiner Wertigkeit her (lediglich) einer Anlerntätigkeit entspricht, er in Ermangelung einer dreijährigen Ausbildung keinen so genannten Berufsschutz im Sinne des § 240 SGB VI vermittelt. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, welche der Senat sich zu eigen macht, wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Soweit die Klägerin meint, die vom Sozialgericht hierzu verwandte berufskundliche Stellungnahme sei infolge Zeitablaufs nicht zu verwerten, kann sie hiermit nicht gehört werden. Der erkennende Senat geht vielmehr aufgrund fortlaufend eingeholter (zuletzt am 25. September 2012 in der Sache L 3 R 15/11) berufskundlicher Stellungnahmen davon aus, dass in Hamburg ein offener Arbeitsmarkt für besonders leichte angelernte Tätigkeiten mit einer nennenswerten Anzahl eingerichteter Arbeitsplätze besteht, wie sie in der vom Sozialgericht beigezogenen berufskundlichen Stellungnahme beschrieben werden. Auf diesen Umstand hat der Senat die Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung und erneut in dieser hingewiesen. Namentlich die Klägerin hat hiergegen in der mündlichen Verhandlung keine Einwände vorgebracht, so dass der Senat diese Erkenntnis auch für den vorliegenden Fall seiner Entscheidung zugrunde legt.
Der Klägerin ist der Arbeitsmarkt auch nicht deshalb verschlossen, weil sie eine Arbeitsstelle nicht mit zumutbarem Aufwand erreichen könnte. Soweit sie nämlich unter Hinweis auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. N. behauptet, ihr fehle, anders als von Dr. N. eingeschätzt, die erforderliche Wegefähigkeit, übersieht sie, dass Dr. N. lediglich eine Einschränkung der "Gehfähigkeit" sieht, und zwar nur, soweit Strecken über 1000 m zurückgelegt werden müssen. Jedoch wird bei der Prüfung der Wegefähigkeit, bei der erforderlichen Entscheidung über die Frage, ob ein üblicher Weg zur Arbeitsstätte zurückgelegt werden kann, die Grenze der Zumutbarkeit erst bei einem Zeitaufwand gezogen, der mehr als 20 Minuten für 500 m beträgt. Dass die Klägerin eine solche Strecke in maximal 20 Minuten viermal täglich zurücklegen kann, haben aber sowohl Dr. N. als auch Prof. Dr. M. ausgeführt und sich hierbei sowohl auf die bei der Klägerin festgestellten funktionellen Defizite als auch das natürliche im Gefühl fehlender Beobachtung gezeigte Gangbild berufen. Dieser Einschätzung folgt deshalb der Senat.
Der Senat hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Die Klägerin hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihr und ihrem Bevollmächtigten von dem Vorsitzenden die Mißbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung ausführlich dargelegt worden ist und beide auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sind. Die Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren ist missbräuchlich gewesen, weil angesichts der übereinstimmenden Einschätzungen aller medizinischen Sachverständigen, gegen welche die Klägerin durchgreifende Argumente nicht vorbringen konnte, die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos gewesen ist.
Der Senat hat die Verschuldenskosten auf den pauschalen Betrag von 1000 Euro festgesetzt, der schätzungsweise durch die Absetzung und Zustellung des Urteils unter Beteili-gung von drei Richtern sowie weiteren Mitarbeitern des Gerichts entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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