Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 326/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 72/12 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Es wird festgestellt, dass die Berufung durch Rücknahme erledigt ist. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld, wobei vorrangig darüber zu entscheiden ist, ob die Berufung als zurückgenommen gilt.
Der 1969 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Zum 1. Januar 2006 nahm er zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung als Zeitschriftenzusteller auf. Es besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Der Kläger war zunächst bei der D. BKK krankenversichert. Diese lehnte seinen Antrag auf Gewährung von Krankengeld mit Bescheiden vom 13. und 20. November 2008, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2009, ab. Die Bescheide sind bestandskräftig, vgl. Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Juli 2009 – S 28 KR 1314/08; Urteil des Landessozialgericht Hamburgs vom 28. April 2010 – L 1 KR 36/09; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 15. Juni 2010 – B 1 KR 74/10 B.
Seit dem 1. Juni 2010 ist der Kläger bei der Beklagten krankenversichert. Dort beantragte er am 30. Juni 2010 die Gewährung von Krankengeld, was die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2010 ablehnte. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2011 zurück.
Am 29. März 2011 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15. August 2011 abgewiesen hat. Als Versicherter, dessen Krankenversicherung auf dem Arbeitslosengeld II-Bezug gründe, habe der Kläger nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld und es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die maßgebenden gesetzlichen Vorschriften für den Fall des Klägers unvereinbar mit höherrangigem Recht seien.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 19. August 2011 zugestellt worden. Am 12. September 2011 hat er dagegen Berufung eingelegt, die zunächst unter dem Geschäftszeichen L 1 KR 112/11 geführt worden ist. Da die von ihm angekündigte Berufungsbegründung trotz Erinnerung ausgeblieben ist, hat die seinerzeit zuständige Berichterstatterin den Kläger mit Betreibensaufforderung vom 20. Januar 2012, die am 24. Januar 2012 zugestellt worden ist, aufgefordert, das Berufungsverfahren zu betreiben, indem er innerhalb von drei Monaten eine Berufungsbegründung einreicht. Auf die Rechtsfolge des § 156 Abs. 2 SGG ist er dabei hingewiesen worden. Da kein weiterer Eingang zu verzeichnen gewesen ist, hat die Berichterstatterin mit Beschluss vom 10. Mai 2012 festgestellt, dass die Berufung gemäß § 156 Abs. 2 SGG als zurückgenommen gilt. Der Beschluss ist dem Kläger am 15. Mai 2012 zugestellt worden.
Der Kläger hat vorgebracht, bereits am 16. März 2012 ein Fax an das Gericht gesandt zu haben. Er hat dazu die Kopie eines Schriftsatzes vom 13. März 2012 sowie einen Fax Sendebericht vom 16. März 2012 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Aus seiner Sicht habe er damit die "Einleitung einer weiteren Klagebegründung" vorgelegt, die er mangels einer Antwort des Gerichts nicht weiter ergänzt habe. Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2012 hat der Kläger "die Wiederaufnahme des Verfahrens" beantragt. Die Berufung wird seitdem unter dem Geschäftszeichen L 1 KR 72/12 WA geführt.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich sinngemäß der Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 30. Juni 2010 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen und hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung gilt die Berufung als zurückgenommen. Im Übrigen hält sie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg für zutreffend.
Durch Beschluss vom 1. August 2012 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte in diesem Verfahren und im Verfahren S 28 KR 1314/08=L 1 KR 36/09 sowie den Inhalt der Akte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 21. März 2013 gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen hat.
II. Bei verständiger Würdigung seines Vorbringens wird der Schriftsatz des Klägers vom 30. Mai 2012 als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens verstanden. Entsteht wie hier Streit über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, ist das Berufungsverfahren zur Klärung deren Voraussetzungen fortzusetzen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 156 Rn. 4a, m.w.N.).
III. Das Gericht ist an einer Sachentscheidung gehindert. Die Berufung gilt gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung sind am 20. Januar 2012 gegeben gewesen. Insbesondere haben sachlich begründete Anhaltspunkte vorgelegen, die den späteren Eintritt der Fiktion auch im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz als gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. zu diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal BVerfG 17.9.2012 – 1 BvR 2254/11 – Juris – m.w.N.). Der Kläger beantragte bei der Beklagten Krankengeld, unmittelbar nachdem seine zuvor gegen die D. BKK angestrengte Klage auch in der Revisionsinstanz erfolglos geblieben war. Ihm war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich bekannt, nach geltendem Recht keinen Anspruch auf Krankengeld zu haben. Der Kläger bestand gleichwohl auf der Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids, weil er sich im anschließenden Rechtsmittelverfahren eine für ihn günstige Gesetzesänderung erhoffte (vgl. sein Schreiben vom 12. August 2010). Während des Klageverfahrens hat er im Wesentlich nur auf die erstrebte Gesetzesänderung verwiesen, die er über eine Bundesverfassungsbeschwerde oder eine von ihm seinerzeit erst angekündigte Petition erreichen wollte (vgl. seine Schriftsätze vom 25. Juni 2011 und 3. August 2011). Eine mögliche rechtliche Beschwer, die Anlass für eine gerichtliche Überprüfung des streitbefangenen Bescheids gegeben hätte, ist weder seinem Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren zu entnehmen noch sonst ersichtlich gewesen. Nachdem auch das Sozialgericht das Bestehen eines Krankengeldanspruch unter Verweis auf die geltende Gesetzeslage verneint hatte, hat es daher für den Kläger nahe gelegen, mit seiner Berufung entweder zu einer aus seiner Sicht gegebenen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vorzutragen oder eine nach seiner Auffassung gegebene Verfassungswidrigkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB geltend zu machen. Er hat seine Berufung jedoch bis zum Erlass der Betreibensaufforderung überhaupt nicht begründet, trotz entsprechender Ankündigung und trotz Erinnerung des Gerichts. Das SGG enthält zwar für die Berufungsbegründung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung der Berufungsführer sich beschwert fühlt, keine zwingenden Vorschriften; in § 151 Abs. 3 SGG heißt es lediglich, die Berufungsschrift "soll" diese Angaben enthalten. Das Berufungsgericht hat die Beteiligten aber nach §§ 153 Abs. 1 i.V.m. 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG bei der Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen (vgl. BSG 1.7.2010 – B 13 R 58/09 R – Juris, m.w.N.). In diesem Einzelfall ist die fehlende Berufungsbegründung jedenfalls in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der Kläger sich zu keinen Zeitpunkt zur – letztlich von ihm selbst nicht behaupteten – Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids eingelassen hat, ausreichender Anlass gewesen, ernstlich am Fortbestand seines Rechtsschutzinteresses zu zweifeln.
2. Der Kläger ist vom Gericht klar und eindeutig zur Vorlage einer Berufungsbegründung aufgefordert worden. Dabei ist er, wie von § 156 Abs. 2 Satz 2 SGG gefordert, unmissverständlich auf die Folgen eines Nichtbetreibens hingewiesen worden. Die Betreibensaufforderung weist auch die erforderliche Form auf. Insbesondere ist sie von der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet worden. Auch die an den Kläger zugestellte Ausfertigung lässt durch Wiedergabe ihres vollen Namens erkennen lassen, dass die Betreibensaufforderung von der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin stammt (vgl. zu dieser Anforderung BSG 1.7.2010 – B 13 R 58/09 R – Juris, m.w.N.). 3. Der Kläger hat das Berufungsverfahren binnen drei Monaten nach Zugang der Betreibensaufforderung, mithin bis zum 24. April 2012, nicht betrieben. Er hat weder eine Berufungsbegründung vorgelegt noch sonst zu erkennen gegeben, dass er das Berufungsverfahren weiterhin durchführen wolle. Das gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass er am 16. März 2012 seinen Schriftsatz vom 13. März 2012 per Fax an das Gericht abgesandt hat und wegen des Fax-Sendeberichts, der eine fehlerfreie Übermittlung bescheinigt, keinen Anlass zu der Annahme gehabt hat, sein Schriftsatz werde nicht in den Machtbereich des Gerichts gelangen. Denn der Kläger hat sich auch in diesem Schriftsatz nicht ansatzweise mit dem angegriffenen Bescheid der Beklagten oder dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg auseinander gesetzt. Insbesondere hat er weiterhin nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids behauptet. Er hat nur ganz allgemein verlangt, das Berufungsverfahren in ein von ihm betriebenes Verfahren vor dem Arbeitsgericht Lübeck "Zu integrieren " sowie eine von ihm angestrebte Petition "zu unterstützen", um "eine Umfassende Rechtfertigung in allen bisherigen gelaufenen KG-Prozessen zu bekommen". Seine Ankündigung, ohne Verbindung mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren "ziehe ich auch dieses verfahren definitiv Zurück" unterstreicht im Gegenteil den Eindruck, er habe das Interesse an der Durchführung der Berufung verloren. Dass der Kläger nach Ablauf der Dreimonatsfrist vorgerbacht hat, keine Verbindung mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren mehr zu erstreben (vgl. seinen Schriftsatz vom 28. Mai 2012), gibt zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass.
IV. Ergänzend wird angemerkt, dass die mithin als zurückgenommen geltende Berufung bei Eintritt der Rücknahmefiktion keine Aussicht auf Erfolg gehabt hat und auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gehabt hätte. Der Senat hätte die Berufung daher als unbegründet zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die uneingeschränkt Bezug genommen wird, abgewiesen. Wie ausgeführt stellt der Kläger selbst nicht in Abrede, dass ihm unter dem geltenden Recht kein Anspruch auf Krankengeld zukommt, setzt er sich doch unter anderem über eine nach eigenem Vorbringen inzwischen eingelegte Petition für eine Gesetzesänderung ein.
V. Sollte der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 30. Mai 2012 nicht die Fortsetzung, sondern die förmliche Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens erstrebt haben, wäre die darin liegende Wiederaufnahmeklage unzulässig. Sie wäre jedenfalls deswegen nicht statthaft, weil der Kläger keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579f. Zivilprozessordnung oder § 179 Abs. 2 SGG schlüssig dargelegt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BSG 10.7.2012 – B 13 R 53/12 B – Juris – m.w.N., st. Rspr.).
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG gegeben ist.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld, wobei vorrangig darüber zu entscheiden ist, ob die Berufung als zurückgenommen gilt.
Der 1969 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Zum 1. Januar 2006 nahm er zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung als Zeitschriftenzusteller auf. Es besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Der Kläger war zunächst bei der D. BKK krankenversichert. Diese lehnte seinen Antrag auf Gewährung von Krankengeld mit Bescheiden vom 13. und 20. November 2008, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2009, ab. Die Bescheide sind bestandskräftig, vgl. Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Juli 2009 – S 28 KR 1314/08; Urteil des Landessozialgericht Hamburgs vom 28. April 2010 – L 1 KR 36/09; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 15. Juni 2010 – B 1 KR 74/10 B.
Seit dem 1. Juni 2010 ist der Kläger bei der Beklagten krankenversichert. Dort beantragte er am 30. Juni 2010 die Gewährung von Krankengeld, was die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2010 ablehnte. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2011 zurück.
Am 29. März 2011 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15. August 2011 abgewiesen hat. Als Versicherter, dessen Krankenversicherung auf dem Arbeitslosengeld II-Bezug gründe, habe der Kläger nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld und es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die maßgebenden gesetzlichen Vorschriften für den Fall des Klägers unvereinbar mit höherrangigem Recht seien.
Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 19. August 2011 zugestellt worden. Am 12. September 2011 hat er dagegen Berufung eingelegt, die zunächst unter dem Geschäftszeichen L 1 KR 112/11 geführt worden ist. Da die von ihm angekündigte Berufungsbegründung trotz Erinnerung ausgeblieben ist, hat die seinerzeit zuständige Berichterstatterin den Kläger mit Betreibensaufforderung vom 20. Januar 2012, die am 24. Januar 2012 zugestellt worden ist, aufgefordert, das Berufungsverfahren zu betreiben, indem er innerhalb von drei Monaten eine Berufungsbegründung einreicht. Auf die Rechtsfolge des § 156 Abs. 2 SGG ist er dabei hingewiesen worden. Da kein weiterer Eingang zu verzeichnen gewesen ist, hat die Berichterstatterin mit Beschluss vom 10. Mai 2012 festgestellt, dass die Berufung gemäß § 156 Abs. 2 SGG als zurückgenommen gilt. Der Beschluss ist dem Kläger am 15. Mai 2012 zugestellt worden.
Der Kläger hat vorgebracht, bereits am 16. März 2012 ein Fax an das Gericht gesandt zu haben. Er hat dazu die Kopie eines Schriftsatzes vom 13. März 2012 sowie einen Fax Sendebericht vom 16. März 2012 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Aus seiner Sicht habe er damit die "Einleitung einer weiteren Klagebegründung" vorgelegt, die er mangels einer Antwort des Gerichts nicht weiter ergänzt habe. Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2012 hat der Kläger "die Wiederaufnahme des Verfahrens" beantragt. Die Berufung wird seitdem unter dem Geschäftszeichen L 1 KR 72/12 WA geführt.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich sinngemäß der Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 30. Juni 2010 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen und hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung gilt die Berufung als zurückgenommen. Im Übrigen hält sie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg für zutreffend.
Durch Beschluss vom 1. August 2012 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte in diesem Verfahren und im Verfahren S 28 KR 1314/08=L 1 KR 36/09 sowie den Inhalt der Akte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 21. März 2013 gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen hat.
II. Bei verständiger Würdigung seines Vorbringens wird der Schriftsatz des Klägers vom 30. Mai 2012 als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens verstanden. Entsteht wie hier Streit über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Rücknahmefiktion, ist das Berufungsverfahren zur Klärung deren Voraussetzungen fortzusetzen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 156 Rn. 4a, m.w.N.).
III. Das Gericht ist an einer Sachentscheidung gehindert. Die Berufung gilt gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung sind am 20. Januar 2012 gegeben gewesen. Insbesondere haben sachlich begründete Anhaltspunkte vorgelegen, die den späteren Eintritt der Fiktion auch im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz als gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. zu diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal BVerfG 17.9.2012 – 1 BvR 2254/11 – Juris – m.w.N.). Der Kläger beantragte bei der Beklagten Krankengeld, unmittelbar nachdem seine zuvor gegen die D. BKK angestrengte Klage auch in der Revisionsinstanz erfolglos geblieben war. Ihm war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich bekannt, nach geltendem Recht keinen Anspruch auf Krankengeld zu haben. Der Kläger bestand gleichwohl auf der Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids, weil er sich im anschließenden Rechtsmittelverfahren eine für ihn günstige Gesetzesänderung erhoffte (vgl. sein Schreiben vom 12. August 2010). Während des Klageverfahrens hat er im Wesentlich nur auf die erstrebte Gesetzesänderung verwiesen, die er über eine Bundesverfassungsbeschwerde oder eine von ihm seinerzeit erst angekündigte Petition erreichen wollte (vgl. seine Schriftsätze vom 25. Juni 2011 und 3. August 2011). Eine mögliche rechtliche Beschwer, die Anlass für eine gerichtliche Überprüfung des streitbefangenen Bescheids gegeben hätte, ist weder seinem Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren zu entnehmen noch sonst ersichtlich gewesen. Nachdem auch das Sozialgericht das Bestehen eines Krankengeldanspruch unter Verweis auf die geltende Gesetzeslage verneint hatte, hat es daher für den Kläger nahe gelegen, mit seiner Berufung entweder zu einer aus seiner Sicht gegebenen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vorzutragen oder eine nach seiner Auffassung gegebene Verfassungswidrigkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB geltend zu machen. Er hat seine Berufung jedoch bis zum Erlass der Betreibensaufforderung überhaupt nicht begründet, trotz entsprechender Ankündigung und trotz Erinnerung des Gerichts. Das SGG enthält zwar für die Berufungsbegründung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung der Berufungsführer sich beschwert fühlt, keine zwingenden Vorschriften; in § 151 Abs. 3 SGG heißt es lediglich, die Berufungsschrift "soll" diese Angaben enthalten. Das Berufungsgericht hat die Beteiligten aber nach §§ 153 Abs. 1 i.V.m. 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG bei der Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen (vgl. BSG 1.7.2010 – B 13 R 58/09 R – Juris, m.w.N.). In diesem Einzelfall ist die fehlende Berufungsbegründung jedenfalls in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der Kläger sich zu keinen Zeitpunkt zur – letztlich von ihm selbst nicht behaupteten – Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids eingelassen hat, ausreichender Anlass gewesen, ernstlich am Fortbestand seines Rechtsschutzinteresses zu zweifeln.
2. Der Kläger ist vom Gericht klar und eindeutig zur Vorlage einer Berufungsbegründung aufgefordert worden. Dabei ist er, wie von § 156 Abs. 2 Satz 2 SGG gefordert, unmissverständlich auf die Folgen eines Nichtbetreibens hingewiesen worden. Die Betreibensaufforderung weist auch die erforderliche Form auf. Insbesondere ist sie von der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet worden. Auch die an den Kläger zugestellte Ausfertigung lässt durch Wiedergabe ihres vollen Namens erkennen lassen, dass die Betreibensaufforderung von der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin stammt (vgl. zu dieser Anforderung BSG 1.7.2010 – B 13 R 58/09 R – Juris, m.w.N.). 3. Der Kläger hat das Berufungsverfahren binnen drei Monaten nach Zugang der Betreibensaufforderung, mithin bis zum 24. April 2012, nicht betrieben. Er hat weder eine Berufungsbegründung vorgelegt noch sonst zu erkennen gegeben, dass er das Berufungsverfahren weiterhin durchführen wolle. Das gilt selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass er am 16. März 2012 seinen Schriftsatz vom 13. März 2012 per Fax an das Gericht abgesandt hat und wegen des Fax-Sendeberichts, der eine fehlerfreie Übermittlung bescheinigt, keinen Anlass zu der Annahme gehabt hat, sein Schriftsatz werde nicht in den Machtbereich des Gerichts gelangen. Denn der Kläger hat sich auch in diesem Schriftsatz nicht ansatzweise mit dem angegriffenen Bescheid der Beklagten oder dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg auseinander gesetzt. Insbesondere hat er weiterhin nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids behauptet. Er hat nur ganz allgemein verlangt, das Berufungsverfahren in ein von ihm betriebenes Verfahren vor dem Arbeitsgericht Lübeck "Zu integrieren " sowie eine von ihm angestrebte Petition "zu unterstützen", um "eine Umfassende Rechtfertigung in allen bisherigen gelaufenen KG-Prozessen zu bekommen". Seine Ankündigung, ohne Verbindung mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren "ziehe ich auch dieses verfahren definitiv Zurück" unterstreicht im Gegenteil den Eindruck, er habe das Interesse an der Durchführung der Berufung verloren. Dass der Kläger nach Ablauf der Dreimonatsfrist vorgerbacht hat, keine Verbindung mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren mehr zu erstreben (vgl. seinen Schriftsatz vom 28. Mai 2012), gibt zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass.
IV. Ergänzend wird angemerkt, dass die mithin als zurückgenommen geltende Berufung bei Eintritt der Rücknahmefiktion keine Aussicht auf Erfolg gehabt hat und auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gehabt hätte. Der Senat hätte die Berufung daher als unbegründet zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die uneingeschränkt Bezug genommen wird, abgewiesen. Wie ausgeführt stellt der Kläger selbst nicht in Abrede, dass ihm unter dem geltenden Recht kein Anspruch auf Krankengeld zukommt, setzt er sich doch unter anderem über eine nach eigenem Vorbringen inzwischen eingelegte Petition für eine Gesetzesänderung ein.
V. Sollte der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 30. Mai 2012 nicht die Fortsetzung, sondern die förmliche Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens erstrebt haben, wäre die darin liegende Wiederaufnahmeklage unzulässig. Sie wäre jedenfalls deswegen nicht statthaft, weil der Kläger keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne von § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579f. Zivilprozessordnung oder § 179 Abs. 2 SGG schlüssig dargelegt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BSG 10.7.2012 – B 13 R 53/12 B – Juris – m.w.N., st. Rspr.).
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG gegeben ist.
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