L 2 R 173/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 49 R 1049/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 173/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für die Inanspruchnahme einer selbst beschafften Rehabilitationsmaßnahme.

Die am xxxxx 1948 geborene Klägerin wurde am 16. Juni 2010 im A. Westklinikum in H.- R. (im Folgenden: A1) zur stationären Behandlung ihrer seit Jahren zunehmenden Hüftbeschwerden aufgenommen. Am Folgetag unterzog sie sich einer Hüftoperation mit Implantation eines künstlichen Hüftgelenks rechts.

Am Nachmittag des 22. Juni 2010 ging bei der Beklagten ein Telefax des Entlassungsmanagements des A1 ein, das aus einem von der Klägerin unterschriebenen und an die Beklagte adressierten Antragsformular auf Anschlussrehabilitation (Anschlussheilbehandlung, im Folgenden: AHB) vom 16. Juni 2010 sowie einem Befundbericht des A1 vom 18. Juni 2010 bestand, aus dem hervorging, dass es der Wunsch der Klägerin sei, eine stationäre AHB in der D. N.-Klinik "G." in S. (im Folgenden: D1) in Anspruch zu nehmen. Die Aufnahme dort könne am 2. Juli 2010 erfolgen. Eine Entlassung der Klägerin aus dem A1 sei für den 23. Juni 2010 vorgesehen.

Bereits am Vormittag des 22. Juni 2010 war bei der Beklagten ein Telefax des Ehemannes und zugleich Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dem formlosen Antrag auf Gewährung einer AHB eingegangen. Die Klägerin werde bereits am 23. Juni 2010 aus dem A1 entlassen und es sei beabsichtigt, die AHB in der D1 durchzuführen. Die AHB könne dort schon am 24. Juni 2010 beginnen. Eine alternative Unterbringung im W.-Klinikum H1 in S. sei frühestens ab dem 8. Juli 2010 möglich. Die Klägerin wolle die AHB so schnell wie möglich beginnen und deshalb nach der Entlassung aus der Rehabilitationsklinik in ihr Wochenendhaus in W1 (bei S.) ziehen, um von dort aus zusätzlich ambulant Reha-Maßnahmen zwecks schnellstmöglicher Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit durchzuführen. Beantragt werde deshalb, die AHB in der D1 zu genehmigen, obwohl die Beklagte keinen Vertrag mit dieser Klinik haben solle. Der dort tätige leitende Chefarzt Dr. K. habe erklärt, dass die Beklagte im Rahmen von Einzelfallentscheidungen die Behandlung in seiner Klinik bereits in der zurückliegenden Zeit bei einigen Patienten genehmigt habe. Weil die Sache eilbedürftig sei, werde um kurzfristige, ggf. auch telefonische Rückäußerung und Bestätigung gebeten. Unmittelbar nach Zugang dieses Schreibens hatte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin fernmündlich mitgeteilt, dass noch ein besonderes Formular auszufüllen sei, welches für die Prüfung der Sache notwendig sei. Wahrscheinlich werde die Prüfung aber nicht bis zum 23. Juni 2010 abgeschlossen sein. Die Beklagte hatte zudem erklärt, dass die Durchführung und Unterbringung nur in einer Rehabilitationsklinik erfolgen könne, mit welcher sie einen gesonderten Vertrag geschlossen habe. Vorgeschlagen würden die Rehabilitationskliniken in M., D2, B. sowie die Rehabilitationsklinik N1 in S ... Daraufhin hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem weiteren Telefax vom Mittag des 22. Juni 2010 nochmals um Genehmigung der beantragten AHB gebeten. Eine Aufnahme in der Rehabilitationsklinik N1 in S. sei mangels Kapazität nicht vor dem 8. Juli 2010 möglich. Auch eine Unterbringung entsprechend dem Vorschlag der Beklagten in M., D2 oder B. sei nicht ab dem 23. Juni 2010 möglich, sondern frühestens acht bis zehn Tage später. Der sofortige Beginn der AHB sei medizinisch notwendig, auch wegen der Absicht, so schnell wie möglich wieder arbeitsfähig zu werden sowie aufgrund der häuslichen Nähe zu W1, von wo aus weitere Reha-Maßnahmen nach Entlassung aus der Klinik durchgeführt werden sollten. Da der Tagessatz in der D1 185,00 EUR betrage und die von der Beklagten vorgeschlagenen Kliniken kaum preiswerter sein dürften, schlage die Klägerin vor, dass sie die Differenzkosten zwischen den Tagessätzen der Vertragskliniken und der D1 tragen würde, sodass aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit bestehe, den vorgesehenen Klinikaufenthalt in S. ab dem 23. Juni 2010 nicht zu genehmigen.

Ohne dass ein weiterer Kontakt zwischen den Beteiligten erfolgt war, reiste die Klägerin am Folgetag, dem 23. Juni 2010, nach Entlassung aus dem A1 nach S. und wurde dort in der D1 stationär zur Durchführung der AHB aufgenommen, die bis zum 14. Juli 2010 andauerte. Hierfür wurden der Klägerin von der D1 insgesamt 2.391,90 EUR in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit Bescheid vom 13. Juli 2010 ab. Die Klägerin habe eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Anspruch genommen, ohne vorher einen Antrag gestellt bzw. nach der Antragstellung die Entscheidung der Beklagten abgewartet zu haben. Die Beklagte entscheide nach Antragstellung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit über Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 16 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I), § 13 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI)). Eine nachträgliche Kostenübernahme für eine selbst begonnene und durchgeführte Rehabilitationsleistung sei nicht möglich, da es für die Beklagte keine Möglichkeit der Entscheidung mehr gegeben habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27. Juli 2010 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, dass sie die Leistung zur medizinischen Rehabilitation nicht in Anspruch genommen habe, ohne vorher einen Antrag gestellt bzw. nach Antragstellung die Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet zu haben. Die von der Beklagten reklamierte Entscheidung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit über Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation habe die Klägerin für die Beklagte getroffen, da es ihr nicht zumutbar gewesen sei, die ungewöhnlich lange Bearbeitungszeit der Beklagten hinzunehmen, nachdem die Beklagte definitiv erklärt habe, die Kosten nicht zu übernehmen und eine gelegentliche Bearbeitung des Negativbescheides angekündigt habe. Unmittelbar im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt sei der sofortige Antritt der Rehabilitationsmaßnahme medizinisch notwendig gewesen. Im Übrigen wiederholte und vertiefte die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Antrag. Die Klägerin forderte die Beklagte zudem auf, den geforderten Betrag von 2.391,90 EUR bis zum 6. August 2010 zu erstatten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Unter Wiederholung der Ausführungen im Bescheid führte die Beklagte zur Begründung ergänzend aus, dass sie weder Kosten erstatten noch Zuschüsse leisten könne für von Versicherten selbst bzw. von anderer Stelle ganz oder teilweise finanzierte medizinische oder sonstige Leistungen zur Rehabilitation. Der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden.

Am 18. November 2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens hat die Klägerin die Erstattung der Rechnungssumme zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2010 begehrt und vorgetragen, dass allein die Tatsache, dass die Beklagte mit der D1 keinen gesonderten Vertrag abgeschlossen habe, sie nicht von ihrer Verpflichtung entbinde, die Voraussetzungen für eine Durchführung der AHB in der dortigen Klinik zeitnah zu prüfen und zu genehmigen, zumal die Beklagte wiederholt solche Maßnahmen in der D1 genehmigt und bezahlt habe. Die Beklagte hätte bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens der Kostentragung unverzüglich zustimmen müssen, zumal die Klägerin erklärt habe, dass sie eventuelle Differenzkosten zwischen Vertragskliniken und der gewählten Klinik persönlich übernehmen werde. Auf dieses Angebot sei die Beklagte treuwidrigerweise nicht eingegangen. Die Tatsache, dass nur noch eine nachträgliche Kostenübernahme in Betracht gekommen sei, habe ihre ausschließliche Ursache im Hause der Beklagten. Nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus sei die zeitnahe Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme dringend notwendig gewesen. Im Rahmen eines am 30. Mai 2011 durchgeführten Erörterungstermins hat die Klägerin erklärt, dass sie jahrelang unter Schmerzen in der Hüfte gelitten habe. Etwa ein Jahr vor der Operation habe sie gewusst, dass es so nicht mehr weitergehen könne und dass eine Operation unvermeidlich sein würde. Nach ihrer Einschätzung treffe es zu, dass ihr behandelnder Hausarzt, Herr S1, die Überweisung nach R. (A1) am 1. Juni 2010 ausgestellt habe. Den AHB-Antrag habe die Klägerin am Tag ihrer Aufnahme in R. ausgefüllt und unterschrieben. Vom Entlassungsmanagement der Klinik sei ihr gesagt worden, dass eine Behandlung in Vertragskliniken der Beklagten in S. wohl kaum vor Mitte Juli 2010 möglich sein werde. Seit 37 Jahren hätten sie und ihr Ehemann ein Ferienhaus in W1, in etwa 10 km Entfernung von S ... Die Klägerin habe den ihnen persönlich bekannten Chefarzt der D1 kontaktiert. Dieser habe zugesagt, dass eine zeitnahe Aufnahme in seiner Klinik möglich sei. Zuerst habe der Chefarzt in Aussicht gestellt, dass eine Aufnahme an dem auf die Entlassung aus R. folgenden Montag erfolgen könne, sodass sie das Wochenende in ihrem Wochenendhaus hätte verbringen können. Es habe sich dann jedoch kurzfristig die Möglichkeit ergeben, bereits am Tag der Entlassung aus dem Klinikum R. in die D1 aufgenommen zu werden. Sie sei dann direkt mit einem Taxi von R. in die D1 gefahren.

Die Beklagte hat ihre angefochtenen Bescheide verteidigt. Es habe keine spezielle Indikation für die Belegung der Klinik in S. gegeben, zumal zahlreiche Kliniken mit der gegebenen Indikation (Zustand nach Hüft-TEP-Implantation) und schneller Aufnahmemöglichkeit zur Verfügung gestanden hätten. Entgegen den Ausführungen der Klägerseite hätte eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in einer geeigneten Vertragseinrichtung schnellstmöglich bewilligt und begonnen werden können. Für die Durchführung der Rehabilitation in einer Nichtvertragseinrichtung aus Termingründen auf eigene Veranlassung und ohne Absprache mit der Beklagten habe daher keine Notwendigkeit bestanden.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht einen Befundbericht des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin S1 vom 27. Februar 2011 sowie die Entlassungsberichte des A1 sowie der D1 eingeholt. Auf diese Unterlagen wird Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2011 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 2.391,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 1. August 2010. Eine Kostenerstattung für die in Anspruch genommene Leistung der medizinischen Rehabilitation in der D1 komme nach dem hier allein maßgeblichen § 15 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) nicht in Betracht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IX habe der Rehabilitationsträger einem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mitzuteilen, wenn über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 SGB IX genannten Frist – drei Wochen – entschieden werden könne. Erfolge diese Mitteilung nicht oder liege ein zureichender Grund nicht vor, könnten Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschafften. Welche Frist als angemessen anzusehen sei, sei dabei im Einzelfall zu entscheiden. Als Richtgröße sei jedoch analog § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 SGB IX eine Frist von mindestens zwei Wochen anzusetzen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX sei der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der gesetzten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschafften. Die Erstattungspflicht bestehe damit erst nach Fristablauf. Das Risiko der richtigen Einschätzung einer nachträglichen Übernahmefähigkeit der Kosten einer voreilig selbstbeschafften Leistung trage trotz des Zwecks von § 15 Abs. 1 SGB IX, eine Stärkung der Stellung des betroffenen Rehabilitanden zu bewirken, der die Leistung Begehrende. Dieses Risiko habe hier die Klägerin zu tragen. Die Voraussetzungen einer Erstattungsfähigkeit nach den vorgenannten Maßstäben lägen hier nicht vor. Die Klägerin habe sich dafür entschieden, die von ihr gewählte Klinik zur AHB aufzusuchen, ohne zuvor eine Entscheidung der Beklagten abgewartet zu haben. Dies habe die Klägerin in ihrem Widerspruchsschreiben vom 27. Juli 2010 selbst eingeräumt. Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Antragsformulars habe die Klägerin ihren Antrag auf AHB erst am 22. Juni 2010 – Eingang bei der Beklagten – gestellt. Der Klägerin sei fernmündlich mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung nicht bis zum 23. Juni 2010 möglich sein werde. Trotz des Wissens hierum habe die Klägerin der Beklagten keine Frist gesetzt, innerhalb derer sie eine Entscheidung erwarte und sich anderenfalls die begehrte Leistung selbst beschaffen werde. Schon allein aufgrund der fehlenden Fristsetzung scheide eine Kostenerstattung für die selbstbeschaffte Leistung aus. Eine Erstattungspflicht ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Danach sei der Rehabilitationsträger zur Erstattung selbstbeschaffter Leistungen unabhängig von einer zuvor gesetzten Frist erstattungspflichtig, wenn er eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen könne oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Der ursprüngliche Sachleistungsanspruch werde qua § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX durch einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch aus Garantiehaftung des Rehabilitationsträgers ersetzt. Voraussetzung sei allerdings stets das Vorliegen eines Primäranspruchs des die Leistung Begehrenden. Darüber hinaus müsse entweder eine Unaufschiebbarkeit der Leistung oder eine zu Unrecht erfolgte Ablehnung der Leistung gegeben sein. Im vorliegenden Fall fehle es indes an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Eine Kostenerstattung komme hier nicht etwa deswegen in Betracht, weil es sich bei der Anschlussheilbehandlung um eine unaufschiebbare Maßnahme gehandelt habe. Eine unaufschiebbare Leistung liege nur dann vor, wenn zwingende medizinische Gründe für den sofortigen Beginn einer Leistung zur Teilhabe vorlägen. Gemeint seien damit medizinische Not- und Eilfälle. Wirtschaftliche Erwägungen des betroffenen Rehabilitanden seien dagegen nicht geeignet, eine Unaufschiebbarkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu begründen. In Not- und Eilfällen seien die Beschränkungen des jeweiligen Leistungsgesetzes zu beachten. Das Gericht sei nicht überzeugt davon, dass hier eine medizinische Notwendigkeit zur sofortigen Inanspruchnahme der Anschlussheilbehandlung bestanden habe. Hiergegen spreche, dass der behandelnde Arzt der Klägerin, C.S., auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt habe, dass die AHB "sinnvollerweise" im Anschluss an die Operation erfolgen solle. Aus der Sinnhaftigkeit eines sofortigen Anschlusses der Rehabilitationsmaßnahme an die Operation folge aber noch nicht deren medizinische Notwendigkeit. Zudem sei seitens des Klinikums in R. am Tag nach der Hüftoperation hinsichtlich des Wunsches der Klägerin, die Rehabilitationsmaßnahme in S. durchführen zu wollen, angegeben worden, dass die Aufnahme ab dem 2. Juli 2010 möglich sei, mithin über eine Woche nach der geplanten und tatsächlich erfolgten Entlassung aus dem Klinikum in R ... Medizinisch begründete Bedenken hiergegen habe man im Klinikum in R. offensichtlich nicht gehabt. Deutlich gegen eine medizinische Notwendigkeit für den Antritt der Rehabilitationsmaßnahme sofort nach der Entlassung aus dem Klinikum in R. sprächen schließlich die Aussagen, welche die Klägerin im Rahmen des Erörterungstermins vom 30. Mai 2011 bei Gericht gemacht habe. Dort habe sie unter anderem ausgeführt, dass sie ursprünglich die Zeit vom Entlassungstag, Mittwoch, dem 23. Juni 2010, bis zum darauffolgenden Montag im Wochenendhaus habe verbringen wollen, ehe sie die Rehabilitationsmaßnahme in S. habe antreten wollen. Mit einer medizinisch begründeten Notwendigkeit des sofortigen Antritts der Anschlussheilbehandlung im Sinne einer Unaufschiebbarkeit sei dies nicht zu vereinbaren. Selbst wenn man die Frage einer (Un-)Aufschiebbarkeit anders beantworten würde, als vom erkennenden Gericht präferiert, so ergäbe sich hier kein Leistungsanspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die Wahrnehmung der Rehabilitationsmaßnahme. Denn die Klägerin hätte nach den einschlägigen Leistungsgesetzen – hier: §§ 9 ff. SGB VI – keinen Anspruch auf AHB in der D1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erbringe die gesetzliche Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern. Nach § 9 Abs. 2 SGB VI könnten diese Leistungen erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Rehabilitationsleistungen seien Ermessensleistungen. Ein Rechtsanspruch auf derartige Leistungen bestehe daher nicht, sondern nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 SGB I). Die Rechtsprechung räume dem Rentenversicherungsträger allerdings keinen Ermessensspielraum bei der Entscheidung ein, ob er überhaupt eine Maßnahme der Rehabilitation bewilligen könne. Sofern die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt seien, stünden lediglich das "Wo" und "Wie" in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dies bedeute, dass der Rentenversicherungsträger beim Vorliegen der persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen nur noch über Art, Ort, Beginn und Dauer der Maßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe (§ 13 Abs. 1 SGB VI). Gemäß § 13 Absatz 1 SGB VI bestimme der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. In Bezug auf das so umschriebene "Wie" der Erbringung einer Rehabilitationsmaßnahme stehe Versicherten – abgesehen von den Fällen der Ermessensreduzierung "auf Null", in denen nur eine einzige Entscheidung rechtmäßig sei – nicht das Recht zu, vom Rentenversicherungsträger eine bestimmte Maßnahme der Rehabilitation zu verlangen. Versicherte hätten vielmehr nur ein subjektives Recht auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 SGB I). Die gerichtliche Kontrolle beschränke sich gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dabei darauf zu prüfen, ob der Rentenversicherungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen sei (Ermessensnichtgebrauch), ob er mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten habe, also eine nicht nach dem Gesetz zugelassene Rechtsfolge gesetzt habe (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch). Im Rahmen der Ermessensausübung sei das Wunsch- und Wahlrecht eines Leistungsberechtigten gemäß § 9 SGB IX, § 33 SGB I zu beachten. Nach § 33 Satz 1 SGB I gelte: Sei der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt, seien bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstünden. Gemäß § 33 Satz 2 SGB I solle dabei den Wünschen des Berechtigten entsprochen werden, soweit sie angemessen seien. Zu diesen Wünschen zähle grundsätzlich auch der Wunsch eines Versicherten, in einer bestimmten Einrichtung rehabilitiert zu werden, insbesondere hinsichtlich des Ortes. Bei § 33 Satz 2 SGB I handele es sich um eine Soll-Vorschrift, das heiße die Behörde habe sich im Regelfall danach zu richten, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor. Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Wunsches sei aber, dass es sich um einen angemessenen Wunsch handele. Als unangemessen sei ein Wunsch z. B. dann anzusehen, wenn er zu einer ungeeigneten Form der Hilfe führen würde. Ein Wunsch im Sinne des § 33 Satz 2 SGB I, § 9 SGB IX sei auch dann nicht berechtigt, wenn ein Rehabilitand Leistungen in einer Einrichtung erhalten möchte, die nicht vom Rehabilitationsträger betrieben werde und mit welcher dieser keinen Vertrag nach § 21 SGB IX geschlossen habe. Dass außerhalb solcher Einrichtungen eine Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Beklagten nicht in Betracht komme, folge im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Hieran ändere auch das Wunsch- und Wahlrecht Versicherter nach § 9 SGB IX bzw. § 33 Satz 2 SGB I nichts. Hier liege es so, dass die in Anspruch genommene Rehabilitationsleistung in einer Klinik durchgeführt worden sei, mit welcher die Beklagte keinen Vertrag im Sinne des § 21 SGB IX geschlossen habe. Dies sei der Klägerin bereits vor Antritt der Maßnahme bekannt gewesen, wie sich aus ihrem Antragsschreiben ergebe. Einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Rehabilitationsmaßnahme könne die Klägerin auch nicht aus der Behauptung ableiten, der Chefarzt der D1 habe gesagt, dass die Beklagte auch bei anderen Patienten im Einzelfall eine Kostenübernahme erklärt habe. Aus dieser Behauptung könne nämlich weder auf eine ständige Verwaltungspraxis der Beklagten geschlossen werden noch könnte selbst bei Vorliegen einer solchen daraus ein Erstattungsanspruch der Klägerin folgen, denn sie habe keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, welches darin zu sehen wäre, dass es mangels einer vertraglichen Verbindung zwischen der Beklagten und der D1 eben grundsätzlich keinen Anspruch auf Behandlung in der D1 zu Lasten der Beklagten gebe. Es habe darüber hinaus keine spezielle Indikation für eine Anschlussheilbehandlung gerade in dieser Klinik bestanden. Auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX lägen hier nicht vor, denn die Beklagte habe die Rehabilitationsleistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Voraussetzung einer Erstattungspflicht nach dieser Alternative des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sei nämlich, dass die leistungsberechtigte Person vor Beginn der in Anspruch genommenen Behandlung mit dem Rehabilitationsträger Kontakt aufgenommen und dessen Entscheidung abgewartet habe. Daran fehle es hier jedoch, denn die Klägerin habe – wie bereits ausgeführt – nicht den Bescheid der Beklagten über die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme abgewartet, sondern die Leistung einen Tag nach Antragstellung bereits in Anspruch genommen. Da die Klage in der Hauptsache erfolglos geblieben sei, habe die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen.

Gegen diesen, ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. November 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 20. Dezember 2011 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie hält an ihrem Erstattungsbegehren fest und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs-, Vor- und Klageverfahren. Der Antritt der AHB sei unaufschiebbar gewesen. Die Klägerin wäre sonst sich selbst überlassen gewesen. Ihr Ehemann hätte zwar ihre Betreuung im Ferienhaus für das nach der ursprünglichen Planung zwischen Entlassung aus dem A1 und der Aufnahme in der D1 liegende lange Wochenende übernehmen können, aber nicht darüber hinaus. Also sei das Ermessen der Beklagten auf das "Wo" und "Wie" reduziert gewesen. Bei der D1 handele es sich um eine fachlich und demzufolge versicherungsrechtlich anerkannte Reha-Einrichtung. Mithin sei die Beklagte verpflichtet gewesen, dem Wunsch- und Wahlrecht der Klägerin zu entsprechen. Es sei treuwidrig von der Beklagten, sich auf eine formale Position zu berufen. Diese habe keine zeitnahe Entscheidung getroffen, und ihr hätten keine Mehrkosten gedroht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 25. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 2.391,90 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf das Vorbringen im Verwaltungsvorverfahren sowie die Begründung des angegriffenen Gerichtsbescheids. Eine Ermessensreduzierung auf Null könne nicht angenommen werden, weil sie gar nicht in die Lage versetzt worden sei, überhaupt Ermessen auszuüben.

Der Senat hat durch Beschluss vom 9. November 2012 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 7. August 2013, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend sei noch einmal betont, dass ein Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 SGB IX schon deshalb ausscheidet, weil es an einer Fristsetzung im Sinne des § 15 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB IX, der Unaufschiebbarkeit und der rechtswidrigen Ablehnung durch die Beklagte vor der Selbstbeschaffung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX fehlt. Auf die Frage, ob die begehrte Maßnahme genehmigungsfähig gewesen wäre, kommt es danach nicht mehr an. Zu einer entsprechenden Prüfung und Bescheidung vor der Selbstbeschaffung hat die Klägerin der Beklagten keine Gelegenheit gegeben. Dass es sich bei der AHB nicht um eine aus medizinischen Gründen unaufschiebbare Leistung handelte, ergibt sich nicht nur aus der Einschätzung des A1 und des Hausarztes S1, sondern auch aus dem Vortrag der Klägerin selbst, die keine Bedenken hatte, vier Tage zwischen der Entlassung aus dem A1 und der Aufnahme in der D1 in ihrem Ferienhaus zu verbringen. Sollte sie entgegen den Angaben des A1 im Befundbericht vom 18. Juni 2010, wonach sie ohne fremde Hilfe essen, sich alleine waschen und anziehen und auf der Station bewegen sowie mit dem Taxi anreisen könne, auf fremde Hilfe angewiesen gewesen sein, hätte ggf. ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestanden. Es war im rechtlichen Sinn nicht zwingend notwendig, den AHB-Antritt auf die Möglichkeiten ihres Ehemannes abzustimmen, sie zu versorgen.

Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht nicht sofort der beantragten AHB in der D1 zugestimmt, sondern ist zunächst in die Prüfung eingetreten, ob Einrichtungen zur Verfügung stehen, die sie selbst betreibt oder mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX besteht, was bei der D1 beides nicht der Fall ist. Dass die Beklagte stationäre Reha-Maßnahmen ihren Versicherten grundsätzlich nur in solchen Einrichtungen erbringen darf, ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, sondern entspricht auch Sinn und Zweck der dem Sachleistungsprinzip im Reha-Recht der Rentenversicherung Rechnung tragenden Regelung, die es ermöglichen soll, dass der für den Erfolg der Reha verantwortliche Rentenversicherungsträger auf die Leistungsanbieter und die Qualität ihrer Leistungen Einfluss nehmen kann (Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 76. Ergänzungslieferung 2012, § 15 SGB VI Rn. 31 mN aus den Gesetzesmaterialien). Das von der Klägerin angeführte Wunsch- und Wahlrecht besteht nur in Bezug auf Einrichtungen im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI (vgl. zuletzt Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 2012 – L 11 R 5319/11, juris). Die Entscheidung des Gesetzgebers für das Sachleistungsprinzip würde durch eine Praxis umgangen werden, wie sie die Klägerin für angemessen hält, wonach Versicherte sich Leistungen selbst beschaffen und anschließend dem Versicherungsträger in Rechnung stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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