L 2 R 31/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 R 410/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 31/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten - auch der Beigeladenen - sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens noch darüber, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2006 sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.

Die Beigeladene zu 1. wurde als GmbH mit notariellem Vertrag vom 26. März 2003 durch die drei Gesellschafter, Herrn M., den Kläger und Frau G., gegründet. Sie entstand aus der Geschäftstätigkeit der L. GmbH & Co. KG – ebenfalls eine Gesellschaft der drei Gesellschafter mit gleicher Anteilsverteilung –, welche seit 2000 auf dem Markt tätig ist. Am Stammkapital der Beigeladenen zu 1., das 50.000 EUR beträgt, ist nach § 3 des Gesellschaftsvertrages Herr M. mit einer Stammeinlage von 26.000 EUR, der Kläger mit einer Stammeinlage von 12.500 EUR und Frau G. mit einer Stammeinlage von 11.500 EUR beteiligt. Nach § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages sind die Geschäftsführer einzeln geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt. Sie sind von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. In § 4 Abs. 4 des Vertrages ist festgelegt, dass die Geschäftsführung für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorhergehenden Einwilligung der Gesellschafterversammlung bedarf. Gesellschafterbeschlüsse werden nach § 6 des Vertrages mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht das Gesetz zwingend oder der Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Bestimmte Geschäfte bedürfen zudem 75 % der Stimmen.

Alleiniger Geschäftsführer war zunächst Herr M., durch Gesellschafterbeschluss vom 28. Oktober 2004 wurden auch der Kläger und Frau G. zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt.

Grundlage der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer im streitbefangenen Zeitraum war ein am 29. November 2004 geschlossene Anstellungsvertrag mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2004. Nach § 1 des Vertrages war der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach § 2 hatte er seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Ihm oblag danach Leitung und Überwachung des Gesamtunternehmens, unbeschadet gleicher Rechte und Pflichten etwaiger anderer Geschäftsführer. Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit nach § 4 des Vertrages ein festes Monatsgehalt von 2749,60 EUR, zuzüglich Weihnachtsgeld in gleicher Höhe. Im Krankheitsfall blieb der Gehaltsanspruch für die Dauer von sechs Monaten bestehen. Nach § 6 des Vertrages hatte der Geschäftsführer Anspruch auf 26 Arbeitstage bezahlten Urlaub. Das Anstellungsverhältnis wurde nach § 7 des Vertrages auf unbestimmte Zeit geschlossen und war für beide Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende kündbar.

Am 5. Januar 2005 beantragte der Kläger die Statusfeststellung. In einem hierzu ausgefüllten Feststellungsbogen gab er an, keinem Weisungsrecht der Gesellschaft hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung zu unterliegen, ohne Ausnahme selbstständig Personal einstellen und entlassen zu können und am Gewinn aufgrund von Gewinnausschüttungen auf Gesellschafterbasis beteiligt zu sein. Hinsichtlich der Frage nach Einschränkungen in der freien Gestaltung seiner Tätigkeit verwies der Kläger auf den Gesellschaftsvertrag. Herr M. bestätigte diese Angaben für die Beigeladene zu 1 ...

Nach Anhörung stellte die Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 30. August 2005 fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen zu 1. stehe. Der Kläger habe einen Stimmanteil von 25 %. Somit habe er keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft, da er nicht über die Hälfte des Stammkapitals verfüge und daher auch nicht die einfache Mehrheit erreichen könne. Er besitze auch keine Sperrminorität. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage er kein eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmensrisiko. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Ortes und der Ausübung der Geschäftsführung sei ihm zwar weitgehend Freiheit gelassen, trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine von den übrigen Gesellschaftern vorgegebene Ordnung des Betriebes einzugliedern habe. Seine Weisungsgebundenheit verfeinere sich zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Nach einer Gesamtwürdigung würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass ungeachtet der formellen Stimmrechte, die sich wie üblich nach der Verteilung der Kapitalrechte richten würden, das Unternehmensprojekt auf einem gemeinsamen Plan aller drei Gesellschafter beruhe, der in uneingeschränkt einvernehmlicher und gleichberechtigterweise aufgestellt worden sei und sich in derselben Weise in der Umsetzung befinde. Das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung und die Umsetzung der eigentlichen "Rechtsmacht" dieses Gesellschaftsorgans fänden in der betrieblichen Praxis keine Umsetzung.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2006 mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.

Das Sozialgericht Hamburg hat auf die Klage des Klägers nach mündlicher Verhandlung, hinsichtlich derer auf das Protokoll vom 2. Oktober 2009 verwiesen wird, durch Urteil vom selben Tag die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 1. Dezember 2004 nicht gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Zwar würden unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die gesellschaftsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse gegen die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände dieses Falles liege jedoch eine selbstständige Tätigkeit vor. Denn der Kläger habe nicht wie ein Arbeitnehmer dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen. Zumindest die beiden männlichen Gesellschafter, der Kläger und der Mehrheitsgesellschafter M., seien als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. in jeder Beziehung gleichgestellt gewesen. Während der Zeuge M. bei der ursprünglichen L. GmbH & Co. KG tätig gewesen sei, sei der Kläger eigenverantwortlich und selbstbestimmt für den Aufbau der Beigeladenen zu 1. zuständig gewesen. Der Ausübung eines Direktions- und Weisungsrechts stehe zudem die persönliche Verbundenheit der drei Gesellschafter und ihre Art und Weise der Zusammenarbeit entgegen. Die Gesellschafter, die sich seit vielen Jahren kennen würden, verbinde eine jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit. In Bezug auf ihre Tätigkeit als Geschäftsführer hätten sie keine formellen Gesellschafterbeschlüsse getroffen, sondern viele Angelegenheiten des täglichen betrieblichen Ablaufs informell und teilweise lediglich informatorisch besprochen. Im Wesentlichen habe der Kläger schalten und walten können, wie er es für richtig gehalten habe.

Die Beklagte stützt ihre am 19. März 2010 gegen das ihr am 22. Februar 2010 zugestellte Urteil eingelegte Berufung darauf, dass sich nach den Kriterien der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des BSG die streitige Tätigkeit des Klägers als eine sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigung darstelle. Nach dieser Rechtsprechung seien die allgemein entwickelten Grundsätze zur Arbeitnehmereigenschaft auch dann anzuwenden, wenn Personenidentität zwischen Geschäftsführern und Gesellschaftern einer GmbH bestünden. Daher seien Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hätten, also weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine umfassende Sperrminorität verfügten, als Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung zu qualifizieren. Ausgangspunkt der versicherungsrechtlichen Beurteilung müssten die vertraglichen Beziehungen der Beteiligten sein, so wie sie sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergeben. Maßgeblich sei die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert werde, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig sei. Aus den vertraglichen Vereinbarungen zur Gründung der Gesellschaft sowie zur Anstellung als Geschäftsführer ergebe sich eine deutliche Weisungsgebundenheit des Klägers. Nach diesen Vereinbarungen seien die Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern weisungsbefugt gewesen und der Kläger habe die Weisungen der Gesellschafter aufgrund seines Minderheitsanteils nicht einseitig bestimmen können. Für ein Abweichen hiervon wäre eine gesonderte Vereinbarung in der dafür vorgeschriebenen Form notwendig gewesen. Eine solche sei jedoch nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 14. Mai 2010 die streitgegenständlichen Bescheide dahingehend abgeändert, dass in der vom 1. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2006 ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1. Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch), der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch) bestehe. Mit Berichtigungsbescheid vom 3. Juni 2010 hat die Beklagte diesen Bescheid hinsichtlich des genannten Datums des Ausgangsbescheides korrigiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2013, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte (VA) (1 Bd.) der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Sie ist auch in der Sache begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die streitigen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 1. Dezember 2004 nicht gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Denn die Beklagte hat mit den streitigen Bescheiden zutreffend festgestellt, dass der Kläger in der noch streitigen Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2006 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Beigeladenen zu 1. stand, welches zur Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung führte. Dabei ist der Änderungsbescheid vom 14. Mai 2010, mit dem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt werden, die der 12. Senat des BSG in seinen Urteilen vom 11. März 2009 (B 12 R 11/07 R, juris, Rn. 14 ff.) und vom 4. Juni 2009 (B 12 R 6/08 R, juris, Rn. 13 ff.) aufgestellt hat, ebenso wie der Berichtigungsbescheid vom 3. Juni 2010 nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. LSG BW, Urteil vom 30.03.2012 - L 4 R 2043/10, juris, Rn. 24).

Die grundsätzlichen rechtlichen Voraussetzungen für die Beurteilung des Vorliegens einer abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung hat das Sozialgericht zutreffend dargestellt. Hierauf wird Bezug genommen.

Hinsichtlich der Frage, wann im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers eine selbständige Tätigkeit vorliegt, bedarf es allerdings einer Konkretisierung der – maßgeblich durch die Rechtsprechung des BSG geprägten – Kriterien.

Das BSG hat diese Kriterien in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R, Rn. 16, juris - mit einer zusammenfassenden Darstellung der bisherigen Rechtsprechung) klar wie folgt zusammengefasst:

"Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist."

Wendet man diese Maßgaben auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich aus den schriftlichen Vereinbarungen sehr eindeutig eine Weisungsgebundenheit des Klägers.

Seine gesellschaftsrechtliche Stellung hat es ihm unmöglich gemacht, die Entscheidungen der Gesellschafter alleine zu bestimmen bzw. bestimmte Entscheidungen zu verhindern. Die Beigeladene zu 1. trifft nach § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 26. März 2003 Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit. Für bestimmte wichtige Geschäfte, die in § 4 Abs. 4 a-d des Gesellschaftsvertrages aufgeführt sind, ist eine Mehrheit von 75% der Stimmen erforderlich. Dabei entfällt nach § 6 Abs. 3 des Vertrages auf je 100,- Euro Geschäftsanteil eine Stimme. Der Kläger war am Stammkapital von 50.000,- Euro mit 12.500,- Euro – sprich mit 125 Stimmen – beteiligt. Die beiden übrigen Gesellschafter hielten zusammen 375 Stimmen, das entspricht 75% aller Stimmen. Der Kläger konnte damit in keinem Fall bestimmenden Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse nehmen und er konnte auch bei den wichtigen Entscheidungen noch nicht einmal diese verhindern. Aus diesem Unvermögen resultiert die Weisungsgebundenheit als Geschäftsführer. Denn nach § 1 Abs. 1.2 des Anstellungsvertrages vom 29. November 2004 hatte er Weisungen der Gesellschafterversammlung Folge zu leisten.

Dass eine von diesen Regelungen abweichende Vereinbarung getroffen wurde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine solche hätte den entsprechenden Formvorschriften genügen müssen. Zwar können nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages Gesellschafterbeschlüsse formlos gefasst werden. Sie müssen jedoch nach § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages in jedem Fall protokolliert und von einem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer oder von mindestens zwei Geschäftsführern unterzeichnet werden. Abweichungen von dem Anstellungsvertrag bedurften nach § 8 Abs. 8.1 des Vertrages der Schriftform und der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Entsprechende Dokumente hat der Kläger nicht vorgelegt.

Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 9. Oktober 2009 bezieht, es habe unter den Gesellschaftern ein Einstimmigkeitsprinzip gegolten, vermag dies an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Zur Überzeugung des Senats kommt in der von dem Kläger getätigten Aussage lediglich die tatsächliche Praxis der gemeinsamen Zusammenarbeit zum Ausdruck. Dass diese in einem freundschaftlichen Umfeld stattfand und dementsprechend von dem Bestreben getragen war, einvernehmliche Lösungen zu finden, soll nicht in Abrede gestellt werden. Jedoch resultiert daraus keine rechtlich verbindliche Abweichung von der zuvor beschriebenen Rechtslage, nach der gerade kein Einstimmigkeitsprinzip, sondern eine Rechtsmacht insbesondere des Mehrheitsgesellschafters M. zur Weisungserteilung bestand. Es resultiert hieraus auch keine – von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2013 erwogene – so genannte stille Stimmrechtsbindungsvereinbarung. Denn auch eine solche ist nur bei Vorliegen eines entsprechenden Rechtsbindungswillen des Betroffenen anzunehmen. Einen solchen Willen insbesondere des Mehrheitsgesellschafters M. aus der von dem Kläger in der Verhandlung vom 9. Oktober 2009 getätigten Aussage ableiten zu wollen, ist nach Ansicht des Senats aus den dargelegten Gründen nicht angängig. Zudem hätte eine derartige Stimmrechtsbindungsvereinbarung auch nicht die Rechtsmacht, die dargestellte gesellschaftsrechtliche und für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgebende Sachlage abzuändern. Denn eine Stimmrechtsbindungsvereinbarung begründet lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung. Dies hat zur Folge, dass eine Stimmabgabe in der Regel auch dann gültig ist, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 47 Rn. 117). Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen kommen ihr mangels entsprechenden Gesellschafterbeschlusses nicht zu (vgl. zum Fall einer Stimmrechtsvollmacht auch BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R -, juris, dort Rn. 18; SG Berlin, Urteil vom 29.01.2013 – S 89 KR 1834/07, juris). So hat der Kläger, bestätigt für die Beigeladene zu 1. durch Herrn M., auch auf die Frage der Einschränkungen seiner Tätigkeit in dem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten übersandten Fragebogen auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen. Weder hier noch an irgendeiner anderen Stelle wurde auf eine Stimmbindungsvereinbarung Bezug genommen.

Unerheblich ist dabei nach den Vorgaben des BSG, ob das damit bestehende Weisungsrecht tatsächlich ausgeübt wurde. Dies verkennt die Entscheidung des Sozialgerichts. Es mag sein, dass der Kläger den Geschäftszweig der Beigeladenen zu 1. weitestgehend alleine aufgebaut und betreut hat. Damit hat der Kläger faktisch einen beachtlichen eigenständigen Handlungsspieltraum erhalten. Dies wird maßgeblich auf die freundschaftliche Verbundenheit und das daraus resultierende Vertrauen zurückzuführen sein. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Kläger aus den bestehenden rechtlichen Vorgaben herausgelöst war. Vielmehr gab es bei dieser Sachlage keinen Anlass für die Gesellschafterversammlung, eine Weisung zu erteilen. Das ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass die entsprechende Rechtsmacht die ganze Zeit bestand. Eine Art "Schönwetter-Selbstständigkeit" mit Blick auf zwar bestehende, jedenfalls bis zu einem ungewissen Konfliktfall tatsächlich aber nicht ausgeübte Kontrollrechte ist nicht zulässig. Auch im Bereich der abhängigen Beschäftigung dürfte es regelmäßig Bereiche geben, in denen das Weisungsrecht nicht ausgeübt wird, weil es dazu – zumindest bis zu einem evtl. Konfliktfall – keinen Anlass gibt. Auch hier würde man nicht in Erwägung ziehen, für diesen Zeitraum von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen, die erst mit dem Erteilen einer konkreten Weisung wieder in eine abhängige Beschäftigung umschlägt. Unter diesem Blickwinkel bestätigt sich, dass in diesem Zusammenhang eine Stimmrechtsbindungsvereinbarung keine ausschlaggebende Bedeutung haben kann. Denn sie ist grundsätzlich formlos begründbar und insbesondere jederzeit kündbar. Damit hat es der Stimmrechtsinhaber im Konfliktfall jederzeit in der Hand, die Stimmrechtsbindung aufzuheben und sein Stimmrecht auch unabhängig von einer schuldrechtlichen Verpflichtung auszuüben.

Schließlich liegen weitere wesentliche Umstände vor, die für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen (Urlaubsanspruch, festes Gehalt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für 6 Monate). Es ist daher auch nicht ersichtlich, welches wesentliche unternehmerische Risiko der Kläger bei der gegebenen Vertragsgestaltung in seiner Funktion als Geschäftsführer zu tragen hatte. Er hatte nur seine Arbeitskraft einzubringen und war dafür finanziell gut abgesichert. Nicht relevant ist hierbei das Risiko, welches aus seiner Stellung als Gesellschafter resultierte. Denn diese Stellung ist nicht Gegenstand der vorliegenden Prüfung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei rechtfertigt der Umstand, dass die Klage hinsichtlich der Anfechtung der ursprünglichen Bescheide bis zum Erlass des Änderungsbescheides vom 14. Mai 2010 erfolgreich gewesen wäre, da es sich um eine unzulässige Elementfeststellung gehandelt hat, keine Kostentragung der Beklagten. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass das Hauptinteresse des Klägers nicht auf die Aufhebung der streitigen Bescheide, sondern auf die Feststellung einer selbstständigen, versicherungsfreien Tätigkeit gerichtet war und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die fehlende Feststellung der Versicherungspflicht in den einzelnen Bereichen zu seinen Gunsten ausgefallen wäre (vgl. zu dieser Überlegung: SG Stuttgart, Urteil vom 25.03.2010 - S 24 R 400/09, juris, Rn. 91ff). Es hätte sich daher nur um einen formalen Teilerfolg eines untergeordneten Teilbegehrens gehandelt.

Die Aufwendungen der beigeladenen Versicherungsträger sind nach § 193 Abs. 4 SGG nicht erstattungsfähig. Zudem gilt für sie, wie für die Beigeladene zu 1., dass es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre Kosten selber tragen, da sie keine Anträge gestellt haben und damit kein Kostenrisiko eingegangen sind.
Rechtskraft
Aus
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