Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 1128/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 6/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 2.748,50 EUR für eine neuropsychologische Therapie.
Die 1971 geborene Klägerin erlitt am 23. November 2008 bei der Geburt ihres ersten Kindes eine Stauungsblutung bei Sinusthrombose in der linken Hirnhälfte. Dadurch kam es zu einer Hemiparese rechts, einem Visusverlust und Apasie. Nach langwieriger stationärer Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlung blieben bei ihr unter anderem erhebliche Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit, des Gedächtnisses und bei der Wortbildung zurück. Während der zu Lasten der Rentenversicherung durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung nahm die Klägerin an einer neuropsychologischen Trainingstherapie teil. Diese Therapieform umfasst Diagnostik und Therapie von geistigen und seelischen Störungen, Schädigungen und Behinderungen nach erworbener Hirnschädigung oder Hirnerkrankung und berücksichtigt die individuellen psychischen Ressourcen, die biographischen Bezüge, die interpersonalen Beziehungen, die sozialen und beruflichen Anforderungen sowie die inneren Kontextfaktoren. Die Rehabilitationseinrichtung empfahl, das Training ambulant fortzusetzen, auf den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums S. vom 11. Juni 2009 (Bl. 20ff. der Verwaltungsakte) wird Bezug genommen.
Die Klägerin nahm am 25. Juni 2009 auf eigene Kosten eine halbe Therapieeinheit ambulante neuropsychologische Einzeltherapie beim psychologischen Psychotherapeuten PD Dr. B. in Anspruch. Mit Schreiben vom 30. Juni 2009 beantragte sie bei der Beklagten, bei der sie krankenversichert ist, die Gewährung von wöchentlich zwei Behandlungseinheiten und legte eine befürwortende nervenärztliche Bescheinigung sowie einen Behandlungsplan von Herrn PD Dr. B. vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. Juli 2009 ab. Die Methode sei bislang nicht vom beigeladenen G-BA anerkannt worden, so dass eine Kostenübernahme im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich sei. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, die ambulante neuropsychologische Therapie werde seit 2003 vom Beigeladenen geprüft und sei auf dem Weg zur Anerkennung. Im Übrigen bestehe für sie keine angemessene Behandlungsalternative, während die in der Reha-Klinik begonnene neuropsychologische Therapie zu einer Besserung der Planungs- und Aufmerksamkeitsstörung geführt habe. Dieser Erfolg sei dringend zu sichern und auszubauen. Insbesondere ihre Sprachtherapeutin befürworte die Therapie, die ihre Fortschritte beim Wiedererlernen des Lesens und Schreibens sowie beim Widererlangen der Sprechfähigkeit vergrößere. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2009 zurück. Sie führte unter Hinweis auf die Bundessozialgerichtsentscheidung vom 26. September 2006 (B 1 KR 3/06 R) aus, bis zu einer positiven Empfehlung des Beigeladenen scheide eine Kostenübernahme grundsätzlich aus und es liege auch kein Systemversagen vor, denn die erforderliche Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse sei im Bewertungsverfahren noch nicht abgeschlossen worden.
Ihre am 14. Oktober 2009 vor dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage hat die Klägerin zunächst auf die Gewährung einer ambulanten neuropsychologischen Therapie sowie die Übernahme unbezifferter Kosten gerichtet. Ab dem 8. Dezember 2009 hat die Klägerin die Behandlung auf eigene Kosten fortgeführt.
Das Sozialgericht hat in einem Parallelverfahren vom Beigeladenen die schriftliche Auskunft erhalten, der Unterausschuss "Methodenbewertung" hoffe, die sektorspezifische Bewertung der ambulanten neuropsychologischen Therapie im Laufe des Jahres 2009 endgültig abzuschließen. In diesem Verfahren hat das Sozialgericht vom Beigeladenen die telefonische Auskunft eingeholt, der Unterausschuss werde seine Bewertung in 2009 nicht mehr abschließen können. Das Sozialgericht hat daraufhin die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2010 abgewiesen. Die neuropsychologische Therapie sei eine neue Behandlungsmethode bzw. ein neues Heilmittel, das auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erst nach einer befürwortenden Entscheidung des Beigeladenen erbracht werden könne. Der Abschluss des am 8. Juli 2003 eingeleiteten Prüfverfahrens brauche nicht abgewartet zu werden, weil selbst ein befürwortender Beschluss keine Rückwirkung entfalten würde. Schließlich liege kein Systemversagen vor. Zwar habe der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie die Therapie bereits mit Gutachten vom 8. Juni 2000 positiv beurteilt. Das Gutachten habe jedoch die Frage betroffen, ob die Therapie als Verfahren für die vertiefte Ausbildung der Psychotherapeuten geeignet sei und sei nicht ohne Weiteres auf das Leistungsrecht in der gesetzlichen Krankenversicherung übertragbar. Eingedenk des weiten Gestaltungsspielraums des Beigeladenen habe daher vor 2003 keine Verpflichtung bestanden, ein Anerkennungsverfahren einzuleiten. Die Dauer des dann eingeleiteten Bewertungsverfahrens sei zwar objektiv lang, könne aber nicht als sachwidrig bezeichnet werden. Für das aufwändige, mehrere tausend Studien berücksichtigende Bewertungsverfahren sei schließlich eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Den sektorübergreifenden Teil ihrer Arbeit habe sie 2009 zunächst abgeschlossen, im April 2009 dann aber einen sektorspezifischen Auftrag des Unterausschusses "Methodenbewertung" erhalten, so dass die entscheidende Beschlussfassung im Plenum erst 2010 möglich sein werde.
Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 12. Januar 2010 zugestellt worden. Am 10. Februar 2010 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Sie hat zunächst an ihrem erstinstanzlichen Begehren festgehalten.
Die Klägerin hat die neuropsychologische Therapie zunächst nicht über den 4. Mai 2010 hinaus fortgesetzt. Ihr sind bis dahin Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 2.786,75 EUR entstanden, wovon 38,25 EUR auf die halbe Therapieeinheit vom 25. Juni 2009 entfallen. Wegen der Behandlungstermine und Kosten im Einzelnen wird auf die vorgelegten Rechnungen (Bl. 211 ff. der Prozessakte) Bezug genommen. 2010 trat eine symptomatische Epilepsie zu den Erkrankungen der Klägerin hinzu.
Mit Beschluss vom 24. November 2011 hat der Beigeladene die ambulante neuropsychologische Therapie als Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt hat. In der Folgezeit hat die Beklagte die Übernahme der Kosten für bis zu fünf probatorische Sitzungen neuropsychologische Einzeltherapie und sodann für eine weitere Therapie über bis zu 40 Behandlungseinheiten erklärt.
Die Klägerin hat ihre Klage daraufhin auf die Erstattung der ihr vom 25. Juni 2007 bis zum 4. Mai 2010 entstandenen Kosten beschränkt. Sie ist der Auffassung, bei der neuropsychologischen Therapie handelt es sich nicht um eine neue, sondern eine in der stationären Versorgung bewährte und etablierte Methode. Das Systemversagen liege bereits darin, dass diese Therapierichtung bei Einführung des Psychotherapiegesetztes nicht als Vertragspsychotherapie anerkannt worden sei. Jedenfalls habe bei Behandlungsbeginn ein Systemversagen vorgelegen, denn es gelte die Sechs-Monats-Frist des § 135 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Dass der Beigeladenen seine Entscheidung erst neun Jahre nach Antragstellung getroffen habe, drücke Gleichgültigkeit aus und sei eine Entscheidungsverweigerung, die angesichts der Dauer nur als willkürlich und rechtswidrig bezeichnet werden könne.
Nach dem Hinweis, hinsichtlich der halben Therapieeinheit am 25. Juni 2007 fehle es bereits an der erforderlichen Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und den aufgewandten Kosten, hat die Klägerin ihre Klage insoweit zurückgenommen.
Sie beantragt nunmehr, den Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 2.748,50 EUR zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis wie in der Begründung für zutreffend und lehnt eine Kostenübernahme für Zeiträume vor dem Beschluss des Beigeladenen vom 24. November 2011 ab.
Der Beigeladene hat den Verfahrensablauf geschildert sowie die Gründe, die aus seiner Sicht zu der langen Verfahrensdauer geführt haben. Einen Antrag hat der Beigeladene nicht gestellt.
Bereits mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 hatte der Senat die Berufung der Berichterstatterin zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Es konnte in der gegebenen Besetzung verhandelt und entschieden werden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen hat.
II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die inzwischen als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 24. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht im Sinne des § 154 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung.
1. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs kommt allein § 13 Abs. 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Betracht. Nach dieser Vorschrift besteht ein Kostenerstattungsanspruch, sofern die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch einem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Da der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter reicht als ein entsprechender Sachleistungsanspruch, setzt er voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. grundlegend BSG 24.9.1996 – 1 RK 33/95 – Juris; aus jüngerer Zeit etwa BSG 12.9.2012 – B 3 KR 20/11 R – Juris, m.w.N.; st. Rspr.).
2. Dies ist nicht der Fall. Wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung, auf die uneingeschränkt Bezug genommen wird, entschieden hat, gehörte die zwischen dem 8. Dezember 2009 und dem 4. Mai 2010 durchgeführte ambulante neuropsychologische Therapie nicht zu den Leistungen, die seinerzeit von der Beklagten im Rahmen des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen waren.
a. Es kann offen bleiben, ob die Therapie in erster Linie den ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Sinne des Krankenversicherungsrechts zuzuordnen ist, oder ob der Heilmittelcharakter im Vordergrund steht. In jedem Fall war die neuropsychologische Therapie vor dem Beschluss des Beigeladenen vom 24. November 2011 und damit auch im streitbefangenen Zeitraum als "neu" anzusehen (so bereits SG Hamburg 7.2.2006 – S 48 KR 1620/03 – Juris, bestätigt durch BSG 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 R – Juris; kritisch Plagemann, MedR 2005, 401, 403).
aa. Als ärztliche bzw. psychotherapeutische Untersuchungs- oder Behandlungsmethode war sie "neu", weil sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im seinerzeit anwendbaren Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt wurde (vgl. zu diesem Maßstab BSG 16.9.1997 – 1 RK 28/95 – Juris; 16.9.1997 – 1 RK 32/95 – Juris; 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R – Juris). Nicht abzustellen ist hingegen darauf, ob die Therapie seinerzeit zum wissenschaftlichen Standard im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB V gehörte und bereits fester Bestandteil in der Rehabilitation gewesen war, so dass insbesondere die fachliche Stellungnahme des berufsrechtlich nach § 11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychThG) mit besonderen Aufgaben ausgestatteten "Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie" vom 8. Juni 2000 insoweit ohne Auswirkung bleibt. Denn ob eine Methode "neu" ist, kann nur aus Sicht des Krankenversicherungsrechts als demjenigen Recht beurteilt werden, aus dem der Versicherte seine Leistungsansprüche herleitet. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Leistungsansprüche der Versicherten regelmäßig erst durch untergesetzliches Recht näher konkretisiert und bestehen nicht schon, weil bestimmte Ärzte, Fachleute bzw. Wissenschaftler deren Anwendung (auch) in der gesetzlichen Krankenversicherung befürworten (vgl. BSG 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 R – Juris).
bb. Unterstellt, bei der neuropsychologischen Therapie handelt es sich um ein Heilmittel, war sie "neu", weil es auch insoweit auf eine formelle Sichtweise ankommt. Zum Zeitpunkt der Prüfung durch den Beigeladenen war die Maßnahme nicht verordnungsfähig nach seinen Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien), seinerzeit noch anwendbar in der Fassung vom 1. Dezember 2003/16. März 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2004.
b. Als demnach neue Behandlungsmethode bzw. neues Heilmittel unterlag die neuropsychologische Therapie im streitbefangenen Zeitraum entweder dem für die ärztliche bzw. psychotherapeutische Behandlung geltenden Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V oder den entsprechenden, für Heilmittel maßgeblichen Einschränkungen nach § 138 SGB V. In jedem Fall war eine befürwortende Entscheidung des Beigeladenen erforderlich, bevor die Therapie auf Kosten der Beklagten erbracht werden konnte. Eine derartige Entscheidung lag erst nach dem streitbefangenen Behandlungszeitraum vor und entfaltet auch keine Rückwirkung. Die Beklagte und auch das Gericht sind an die Entscheidungen des Beigeladenen im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn der Gesetzgeber die Entscheidung selbst getroffen hätte (vgl. BSG 28.3.2000 – B 1 KR 11/98 R – Juris; 19.2.2003 – B 1 KR 18/01 R – Juris; st. Rspr.).
c. Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass die neuropsychologische Therapie bereits zuvor in der stationären Versorgung zu Lasten der Beklagten erbracht werden durfte und der Klägerin im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung auch erbracht worden war. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch betrifft die ambulante Versorgung und in diesem Bereich gilt für neue Behandlungsmethoden bzw. neue Heilmittel ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, während neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer stationären Behandlung keiner besonderen Zulassung bedürfen und nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Ausschuss Krankenhaus des Bundesausschusses dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Diese unterschiedliche rechtliche Behandlung rechtfertigt sich dadurch, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer einstuft als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte bzw. Psychotherapeuten (vgl. BSG 4.4.2006 – B 1 KR 12/05 R – Juris – m.w.N., st. Rspr.). Der Senat stellt damit keineswegs in Abrede, dass die psychotherapeutische Therapie zu den von der Klägerin anschaulich geschilderten Behandlungsfortschritten beigetragen hat, so dass insoweit auch keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind. Ein Leistungsanspruch ist in der gesetzlichen Krankenversicherung aber nicht bereits dann gegeben, wenn die streitige Therapiemaßnahme nach der eigenen Einschätzung der Klägerin oder der ihrer Behandler positiv verläuft oder wenn einzelne Fachgesellschaften die Therapie befürworten (vgl. zur grundsätzlichen Unerheblichkeit der Auffassung medizinischer Fachgesellschaften für die Leistungsansprüche des Krankenversicherungsrechts nur BSG 16.5.2001 – B 6 KA 20/00 R – Juris; 16.2.2005 – B 1 KR 18/03 R – Juris).
3. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich schließlich nicht aus den Grundsätzen eines so genannten Systemversagens.
a. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V und § 138 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode oder eines neues Heilmittels darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Ein solcher Systemmangel kann vorliegen, wenn das Verfahren vor dem Beigeladenen von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Beigeladenen selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist. Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V und § 138 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden. Für den Fall einer derart unterbliebenen Aktualisierung erkennt die Rechtsprechung Lockerungen hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises einer neuen Methode in dem Sinne an, dass dann ggf. die bloße Verbreitung einer Methode für die Pflicht zur Leistungsgewährung ausreichen kann (vgl. BSG 16.9.1997 – 1 RK 28/95 Juris; 19.2.2002 – B 1 KR 16/00 R – Juris; 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 R – Juris; 7.11.2006 – B 1 KR 24/06 R – Juris; st. Rspr.).
b. Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben ist hinsichtlich der Methoden- bzw. Heilmittelbewertung für die neuropsychologische Therapie nicht von einem Systemversagen auszugehen.
aa. Insbesondere kann dies weder damit begründet werden, dass trotz des positiven Gutachtens des "Wissenschaftlichen Beirats Psychologie" vom 8. Juni 2000 vor dem Jahr 2003 kein Antragsverfahren eingeleitet worden war, noch damit, dass die neuropsychologische Therapie nicht vor Behandlungsbeginn – und im Übrigen bis heute nicht – zu einer Richtlinien-Therapie erhoben worden war. Der Senat verweist insoweit auf die ausführliche Begründung der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26. September 2006 (B 1 KR 3/06), die es sich zu Eigen macht.
bb. Ebenso wenig lässt sich ein Systemversagen aus der Dauer des Anerkennungsverfahrens herleiten, das dann durch die Anträge auf Bewertung der neuropsychologischen Therapie vom 8. Juli 2003 beim Bundesausschuss, dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen, anhängig gemachten worden war (so bereits BSG 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 – Juris, für den Zeitraum bis zum 30. November 2004; Senatsurteile vom 17.12.2010 – L 1 KR 11-12/09 – Juris, für den Zeitraum bis Ende 2008; SG Neubrandenburg 12.12.2012 – S 14 KR 26/09 – Juris, für den Zeitraum bis zur Beschlussfassung in 2011). Mit der Bekanntmachung des Beigeladenen vom 1. Februar 2005 wurde entsprechend der Festsetzung des zuständigen Unterausschusses vom selben Tag als neues Beratungsthema, das aktuell zur Überprüfung anstehe, die "Ambulante Neuropsychologie" veröffentlicht. In seinem Newsletter Februar 2007 informierte der Beigeladene über die geplanten weiteren Arbeitsschritte für das Jahr 2007 und teilte mit, eine Themengruppe bewerte auf den 2003 gestellten und 2004 aktualisierten Antrag auf der Grundlage der internationalen Literatur den Nutzen der ambulanten Neuropsychologie. In seinem Newsletter August 2007 informierte er über die weiteren Arbeitsschritte für das Jahr 2007 und teilte mit, die Themengruppe Ambulante Neuropsychologie (Nutzenbewertung) bewerte auf Grundlage der internationalen Literatur den Nutzen der ambulanten neuropsychologischen Therapie (Ambulante Neuropsychologie). Diese Nutzenbewertung werde voraussichtlich Anfang 2008 abgeschlossen werden können. Warum es dazu nicht gekommen ist, ist durch die Stellungnahme des Beigeladenen nachvollziehbar dargelegt worden. Plausibilisiert worden ist insbesondere, warum es bis zum 23. April 2008 gedauert hat, bis der Entwurf eines Abschlussberichts der Themengruppe vorlag und noch einmal bis zum 2. April 2009, bis der Unterausschuss den Bericht der Themengruppe zustimmend zur Kenntnis nahm. Für die erforderliche sektorspezifische Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit im Versorgungskontext musste wiederum die Arbeitsgruppe beauftragt werden, die ihre Beratungen mit der Sitzung am 30. Juni 2009 begann. Nach Abstimmung mit dem Unterausschuss, dem ein erster Sachstand am 25. August 2009 übergeben worden war, wurden die Beratungen fortgeführt, bis sich die Arbeitsgemeinschaft im Frühjahr 2010 und damit bei Beendigung des streitbefangenen Zeitraums mit der Entwicklung konkreter Vorschläge zur Umsetzung des Beratungsergebnisses befasst hat. Nach diesen Darlegungen und aus den bekannten Arbeitsabläufen des Beigeladenen lassen sich für den Senat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. eine Verfahrensverzögerung des Beigeladenen erkennen. Vielmehr ist festzustellen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss im streitbefangenen Zeitraum an der Methodenbewertung der ambulanten neuropsychologischen Therapie arbeitete. Die Mühlen mahlten, wenn auch langsam. Insbesondere während des streitbefangenen Zeitraums nahmen die Beratungen erheblichen Fortgang und es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das Verfahren aus sachwidrigen Gründen in die Länge gezogen wurde.
c. Schließlich kann die Klägerin für sich nichts aus der Fristbestimmung in § 135 Abs. 1 Satz 4 SGB V herleiten. Mit dieser Regelung zielt der Gesetzgeber auf eine zügigere Prüfung und Entscheidung zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch den Beigeladenen ab. Die Frist von sechs Monaten, bevor ein Verlangen nach Satz 4 gestellt werden kann, beginnt allerdings erst zu laufen, wenn dem Beigeladenen die für die Entscheidung erforderlich Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegt. Wie ausgeführt, war die interne Auswertung erst nach Beendigung des streitbefangenen Zeitraums abgeschlossen, so dass die erste Sechs-Monats-Frist schon nicht zu laufen begonnen hatte. Zudem verlangte keiner der Antragsberechtigten eine Beschlussfassung innerhalb weiterer sechs Monate und erst nach Ablauf dieser zweiten Sechs-Monats-Frist hätte die neuropsychologische Therapie gemäß § 135 Abs. 1 Satz 5 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Beklagten erbracht werden dürfen, obwohl der Beigeladene noch keine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hatte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 SGG vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich keine über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten in Höhe von 2.748,50 EUR für eine neuropsychologische Therapie.
Die 1971 geborene Klägerin erlitt am 23. November 2008 bei der Geburt ihres ersten Kindes eine Stauungsblutung bei Sinusthrombose in der linken Hirnhälfte. Dadurch kam es zu einer Hemiparese rechts, einem Visusverlust und Apasie. Nach langwieriger stationärer Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlung blieben bei ihr unter anderem erhebliche Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit, des Gedächtnisses und bei der Wortbildung zurück. Während der zu Lasten der Rentenversicherung durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung nahm die Klägerin an einer neuropsychologischen Trainingstherapie teil. Diese Therapieform umfasst Diagnostik und Therapie von geistigen und seelischen Störungen, Schädigungen und Behinderungen nach erworbener Hirnschädigung oder Hirnerkrankung und berücksichtigt die individuellen psychischen Ressourcen, die biographischen Bezüge, die interpersonalen Beziehungen, die sozialen und beruflichen Anforderungen sowie die inneren Kontextfaktoren. Die Rehabilitationseinrichtung empfahl, das Training ambulant fortzusetzen, auf den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums S. vom 11. Juni 2009 (Bl. 20ff. der Verwaltungsakte) wird Bezug genommen.
Die Klägerin nahm am 25. Juni 2009 auf eigene Kosten eine halbe Therapieeinheit ambulante neuropsychologische Einzeltherapie beim psychologischen Psychotherapeuten PD Dr. B. in Anspruch. Mit Schreiben vom 30. Juni 2009 beantragte sie bei der Beklagten, bei der sie krankenversichert ist, die Gewährung von wöchentlich zwei Behandlungseinheiten und legte eine befürwortende nervenärztliche Bescheinigung sowie einen Behandlungsplan von Herrn PD Dr. B. vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. Juli 2009 ab. Die Methode sei bislang nicht vom beigeladenen G-BA anerkannt worden, so dass eine Kostenübernahme im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich sei. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, die ambulante neuropsychologische Therapie werde seit 2003 vom Beigeladenen geprüft und sei auf dem Weg zur Anerkennung. Im Übrigen bestehe für sie keine angemessene Behandlungsalternative, während die in der Reha-Klinik begonnene neuropsychologische Therapie zu einer Besserung der Planungs- und Aufmerksamkeitsstörung geführt habe. Dieser Erfolg sei dringend zu sichern und auszubauen. Insbesondere ihre Sprachtherapeutin befürworte die Therapie, die ihre Fortschritte beim Wiedererlernen des Lesens und Schreibens sowie beim Widererlangen der Sprechfähigkeit vergrößere. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2009 zurück. Sie führte unter Hinweis auf die Bundessozialgerichtsentscheidung vom 26. September 2006 (B 1 KR 3/06 R) aus, bis zu einer positiven Empfehlung des Beigeladenen scheide eine Kostenübernahme grundsätzlich aus und es liege auch kein Systemversagen vor, denn die erforderliche Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse sei im Bewertungsverfahren noch nicht abgeschlossen worden.
Ihre am 14. Oktober 2009 vor dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage hat die Klägerin zunächst auf die Gewährung einer ambulanten neuropsychologischen Therapie sowie die Übernahme unbezifferter Kosten gerichtet. Ab dem 8. Dezember 2009 hat die Klägerin die Behandlung auf eigene Kosten fortgeführt.
Das Sozialgericht hat in einem Parallelverfahren vom Beigeladenen die schriftliche Auskunft erhalten, der Unterausschuss "Methodenbewertung" hoffe, die sektorspezifische Bewertung der ambulanten neuropsychologischen Therapie im Laufe des Jahres 2009 endgültig abzuschließen. In diesem Verfahren hat das Sozialgericht vom Beigeladenen die telefonische Auskunft eingeholt, der Unterausschuss werde seine Bewertung in 2009 nicht mehr abschließen können. Das Sozialgericht hat daraufhin die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2010 abgewiesen. Die neuropsychologische Therapie sei eine neue Behandlungsmethode bzw. ein neues Heilmittel, das auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erst nach einer befürwortenden Entscheidung des Beigeladenen erbracht werden könne. Der Abschluss des am 8. Juli 2003 eingeleiteten Prüfverfahrens brauche nicht abgewartet zu werden, weil selbst ein befürwortender Beschluss keine Rückwirkung entfalten würde. Schließlich liege kein Systemversagen vor. Zwar habe der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie die Therapie bereits mit Gutachten vom 8. Juni 2000 positiv beurteilt. Das Gutachten habe jedoch die Frage betroffen, ob die Therapie als Verfahren für die vertiefte Ausbildung der Psychotherapeuten geeignet sei und sei nicht ohne Weiteres auf das Leistungsrecht in der gesetzlichen Krankenversicherung übertragbar. Eingedenk des weiten Gestaltungsspielraums des Beigeladenen habe daher vor 2003 keine Verpflichtung bestanden, ein Anerkennungsverfahren einzuleiten. Die Dauer des dann eingeleiteten Bewertungsverfahrens sei zwar objektiv lang, könne aber nicht als sachwidrig bezeichnet werden. Für das aufwändige, mehrere tausend Studien berücksichtigende Bewertungsverfahren sei schließlich eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Den sektorübergreifenden Teil ihrer Arbeit habe sie 2009 zunächst abgeschlossen, im April 2009 dann aber einen sektorspezifischen Auftrag des Unterausschusses "Methodenbewertung" erhalten, so dass die entscheidende Beschlussfassung im Plenum erst 2010 möglich sein werde.
Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 12. Januar 2010 zugestellt worden. Am 10. Februar 2010 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Sie hat zunächst an ihrem erstinstanzlichen Begehren festgehalten.
Die Klägerin hat die neuropsychologische Therapie zunächst nicht über den 4. Mai 2010 hinaus fortgesetzt. Ihr sind bis dahin Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 2.786,75 EUR entstanden, wovon 38,25 EUR auf die halbe Therapieeinheit vom 25. Juni 2009 entfallen. Wegen der Behandlungstermine und Kosten im Einzelnen wird auf die vorgelegten Rechnungen (Bl. 211 ff. der Prozessakte) Bezug genommen. 2010 trat eine symptomatische Epilepsie zu den Erkrankungen der Klägerin hinzu.
Mit Beschluss vom 24. November 2011 hat der Beigeladene die ambulante neuropsychologische Therapie als Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt hat. In der Folgezeit hat die Beklagte die Übernahme der Kosten für bis zu fünf probatorische Sitzungen neuropsychologische Einzeltherapie und sodann für eine weitere Therapie über bis zu 40 Behandlungseinheiten erklärt.
Die Klägerin hat ihre Klage daraufhin auf die Erstattung der ihr vom 25. Juni 2007 bis zum 4. Mai 2010 entstandenen Kosten beschränkt. Sie ist der Auffassung, bei der neuropsychologischen Therapie handelt es sich nicht um eine neue, sondern eine in der stationären Versorgung bewährte und etablierte Methode. Das Systemversagen liege bereits darin, dass diese Therapierichtung bei Einführung des Psychotherapiegesetztes nicht als Vertragspsychotherapie anerkannt worden sei. Jedenfalls habe bei Behandlungsbeginn ein Systemversagen vorgelegen, denn es gelte die Sechs-Monats-Frist des § 135 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Dass der Beigeladenen seine Entscheidung erst neun Jahre nach Antragstellung getroffen habe, drücke Gleichgültigkeit aus und sei eine Entscheidungsverweigerung, die angesichts der Dauer nur als willkürlich und rechtswidrig bezeichnet werden könne.
Nach dem Hinweis, hinsichtlich der halben Therapieeinheit am 25. Juni 2007 fehle es bereits an der erforderlichen Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und den aufgewandten Kosten, hat die Klägerin ihre Klage insoweit zurückgenommen.
Sie beantragt nunmehr, den Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 2.748,50 EUR zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis wie in der Begründung für zutreffend und lehnt eine Kostenübernahme für Zeiträume vor dem Beschluss des Beigeladenen vom 24. November 2011 ab.
Der Beigeladene hat den Verfahrensablauf geschildert sowie die Gründe, die aus seiner Sicht zu der langen Verfahrensdauer geführt haben. Einen Antrag hat der Beigeladene nicht gestellt.
Bereits mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 hatte der Senat die Berufung der Berichterstatterin zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Es konnte in der gegebenen Besetzung verhandelt und entschieden werden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen hat.
II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die inzwischen als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 24. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht im Sinne des § 154 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung.
1. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs kommt allein § 13 Abs. 3 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Betracht. Nach dieser Vorschrift besteht ein Kostenerstattungsanspruch, sofern die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch einem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Da der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter reicht als ein entsprechender Sachleistungsanspruch, setzt er voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. grundlegend BSG 24.9.1996 – 1 RK 33/95 – Juris; aus jüngerer Zeit etwa BSG 12.9.2012 – B 3 KR 20/11 R – Juris, m.w.N.; st. Rspr.).
2. Dies ist nicht der Fall. Wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung, auf die uneingeschränkt Bezug genommen wird, entschieden hat, gehörte die zwischen dem 8. Dezember 2009 und dem 4. Mai 2010 durchgeführte ambulante neuropsychologische Therapie nicht zu den Leistungen, die seinerzeit von der Beklagten im Rahmen des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen waren.
a. Es kann offen bleiben, ob die Therapie in erster Linie den ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Sinne des Krankenversicherungsrechts zuzuordnen ist, oder ob der Heilmittelcharakter im Vordergrund steht. In jedem Fall war die neuropsychologische Therapie vor dem Beschluss des Beigeladenen vom 24. November 2011 und damit auch im streitbefangenen Zeitraum als "neu" anzusehen (so bereits SG Hamburg 7.2.2006 – S 48 KR 1620/03 – Juris, bestätigt durch BSG 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 R – Juris; kritisch Plagemann, MedR 2005, 401, 403).
aa. Als ärztliche bzw. psychotherapeutische Untersuchungs- oder Behandlungsmethode war sie "neu", weil sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im seinerzeit anwendbaren Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt wurde (vgl. zu diesem Maßstab BSG 16.9.1997 – 1 RK 28/95 – Juris; 16.9.1997 – 1 RK 32/95 – Juris; 22.3.2005 – B 1 A 1/03 R – Juris). Nicht abzustellen ist hingegen darauf, ob die Therapie seinerzeit zum wissenschaftlichen Standard im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB V gehörte und bereits fester Bestandteil in der Rehabilitation gewesen war, so dass insbesondere die fachliche Stellungnahme des berufsrechtlich nach § 11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychThG) mit besonderen Aufgaben ausgestatteten "Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie" vom 8. Juni 2000 insoweit ohne Auswirkung bleibt. Denn ob eine Methode "neu" ist, kann nur aus Sicht des Krankenversicherungsrechts als demjenigen Recht beurteilt werden, aus dem der Versicherte seine Leistungsansprüche herleitet. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Leistungsansprüche der Versicherten regelmäßig erst durch untergesetzliches Recht näher konkretisiert und bestehen nicht schon, weil bestimmte Ärzte, Fachleute bzw. Wissenschaftler deren Anwendung (auch) in der gesetzlichen Krankenversicherung befürworten (vgl. BSG 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 R – Juris).
bb. Unterstellt, bei der neuropsychologischen Therapie handelt es sich um ein Heilmittel, war sie "neu", weil es auch insoweit auf eine formelle Sichtweise ankommt. Zum Zeitpunkt der Prüfung durch den Beigeladenen war die Maßnahme nicht verordnungsfähig nach seinen Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien), seinerzeit noch anwendbar in der Fassung vom 1. Dezember 2003/16. März 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2004.
b. Als demnach neue Behandlungsmethode bzw. neues Heilmittel unterlag die neuropsychologische Therapie im streitbefangenen Zeitraum entweder dem für die ärztliche bzw. psychotherapeutische Behandlung geltenden Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V oder den entsprechenden, für Heilmittel maßgeblichen Einschränkungen nach § 138 SGB V. In jedem Fall war eine befürwortende Entscheidung des Beigeladenen erforderlich, bevor die Therapie auf Kosten der Beklagten erbracht werden konnte. Eine derartige Entscheidung lag erst nach dem streitbefangenen Behandlungszeitraum vor und entfaltet auch keine Rückwirkung. Die Beklagte und auch das Gericht sind an die Entscheidungen des Beigeladenen im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn der Gesetzgeber die Entscheidung selbst getroffen hätte (vgl. BSG 28.3.2000 – B 1 KR 11/98 R – Juris; 19.2.2003 – B 1 KR 18/01 R – Juris; st. Rspr.).
c. Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass die neuropsychologische Therapie bereits zuvor in der stationären Versorgung zu Lasten der Beklagten erbracht werden durfte und der Klägerin im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung auch erbracht worden war. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch betrifft die ambulante Versorgung und in diesem Bereich gilt für neue Behandlungsmethoden bzw. neue Heilmittel ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, während neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer stationären Behandlung keiner besonderen Zulassung bedürfen und nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Ausschuss Krankenhaus des Bundesausschusses dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Diese unterschiedliche rechtliche Behandlung rechtfertigt sich dadurch, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer einstuft als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte bzw. Psychotherapeuten (vgl. BSG 4.4.2006 – B 1 KR 12/05 R – Juris – m.w.N., st. Rspr.). Der Senat stellt damit keineswegs in Abrede, dass die psychotherapeutische Therapie zu den von der Klägerin anschaulich geschilderten Behandlungsfortschritten beigetragen hat, so dass insoweit auch keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind. Ein Leistungsanspruch ist in der gesetzlichen Krankenversicherung aber nicht bereits dann gegeben, wenn die streitige Therapiemaßnahme nach der eigenen Einschätzung der Klägerin oder der ihrer Behandler positiv verläuft oder wenn einzelne Fachgesellschaften die Therapie befürworten (vgl. zur grundsätzlichen Unerheblichkeit der Auffassung medizinischer Fachgesellschaften für die Leistungsansprüche des Krankenversicherungsrechts nur BSG 16.5.2001 – B 6 KA 20/00 R – Juris; 16.2.2005 – B 1 KR 18/03 R – Juris).
3. Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich schließlich nicht aus den Grundsätzen eines so genannten Systemversagens.
a. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V und § 138 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode oder eines neues Heilmittels darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Ein solcher Systemmangel kann vorliegen, wenn das Verfahren vor dem Beigeladenen von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Beigeladenen selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist. Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V und § 138 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden. Für den Fall einer derart unterbliebenen Aktualisierung erkennt die Rechtsprechung Lockerungen hinsichtlich des Wirksamkeitsnachweises einer neuen Methode in dem Sinne an, dass dann ggf. die bloße Verbreitung einer Methode für die Pflicht zur Leistungsgewährung ausreichen kann (vgl. BSG 16.9.1997 – 1 RK 28/95 Juris; 19.2.2002 – B 1 KR 16/00 R – Juris; 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 R – Juris; 7.11.2006 – B 1 KR 24/06 R – Juris; st. Rspr.).
b. Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben ist hinsichtlich der Methoden- bzw. Heilmittelbewertung für die neuropsychologische Therapie nicht von einem Systemversagen auszugehen.
aa. Insbesondere kann dies weder damit begründet werden, dass trotz des positiven Gutachtens des "Wissenschaftlichen Beirats Psychologie" vom 8. Juni 2000 vor dem Jahr 2003 kein Antragsverfahren eingeleitet worden war, noch damit, dass die neuropsychologische Therapie nicht vor Behandlungsbeginn – und im Übrigen bis heute nicht – zu einer Richtlinien-Therapie erhoben worden war. Der Senat verweist insoweit auf die ausführliche Begründung der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26. September 2006 (B 1 KR 3/06), die es sich zu Eigen macht.
bb. Ebenso wenig lässt sich ein Systemversagen aus der Dauer des Anerkennungsverfahrens herleiten, das dann durch die Anträge auf Bewertung der neuropsychologischen Therapie vom 8. Juli 2003 beim Bundesausschuss, dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen, anhängig gemachten worden war (so bereits BSG 26.9.2006 – B 1 KR 3/06 – Juris, für den Zeitraum bis zum 30. November 2004; Senatsurteile vom 17.12.2010 – L 1 KR 11-12/09 – Juris, für den Zeitraum bis Ende 2008; SG Neubrandenburg 12.12.2012 – S 14 KR 26/09 – Juris, für den Zeitraum bis zur Beschlussfassung in 2011). Mit der Bekanntmachung des Beigeladenen vom 1. Februar 2005 wurde entsprechend der Festsetzung des zuständigen Unterausschusses vom selben Tag als neues Beratungsthema, das aktuell zur Überprüfung anstehe, die "Ambulante Neuropsychologie" veröffentlicht. In seinem Newsletter Februar 2007 informierte der Beigeladene über die geplanten weiteren Arbeitsschritte für das Jahr 2007 und teilte mit, eine Themengruppe bewerte auf den 2003 gestellten und 2004 aktualisierten Antrag auf der Grundlage der internationalen Literatur den Nutzen der ambulanten Neuropsychologie. In seinem Newsletter August 2007 informierte er über die weiteren Arbeitsschritte für das Jahr 2007 und teilte mit, die Themengruppe Ambulante Neuropsychologie (Nutzenbewertung) bewerte auf Grundlage der internationalen Literatur den Nutzen der ambulanten neuropsychologischen Therapie (Ambulante Neuropsychologie). Diese Nutzenbewertung werde voraussichtlich Anfang 2008 abgeschlossen werden können. Warum es dazu nicht gekommen ist, ist durch die Stellungnahme des Beigeladenen nachvollziehbar dargelegt worden. Plausibilisiert worden ist insbesondere, warum es bis zum 23. April 2008 gedauert hat, bis der Entwurf eines Abschlussberichts der Themengruppe vorlag und noch einmal bis zum 2. April 2009, bis der Unterausschuss den Bericht der Themengruppe zustimmend zur Kenntnis nahm. Für die erforderliche sektorspezifische Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit im Versorgungskontext musste wiederum die Arbeitsgruppe beauftragt werden, die ihre Beratungen mit der Sitzung am 30. Juni 2009 begann. Nach Abstimmung mit dem Unterausschuss, dem ein erster Sachstand am 25. August 2009 übergeben worden war, wurden die Beratungen fortgeführt, bis sich die Arbeitsgemeinschaft im Frühjahr 2010 und damit bei Beendigung des streitbefangenen Zeitraums mit der Entwicklung konkreter Vorschläge zur Umsetzung des Beratungsergebnisses befasst hat. Nach diesen Darlegungen und aus den bekannten Arbeitsabläufen des Beigeladenen lassen sich für den Senat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. eine Verfahrensverzögerung des Beigeladenen erkennen. Vielmehr ist festzustellen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss im streitbefangenen Zeitraum an der Methodenbewertung der ambulanten neuropsychologischen Therapie arbeitete. Die Mühlen mahlten, wenn auch langsam. Insbesondere während des streitbefangenen Zeitraums nahmen die Beratungen erheblichen Fortgang und es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das Verfahren aus sachwidrigen Gründen in die Länge gezogen wurde.
c. Schließlich kann die Klägerin für sich nichts aus der Fristbestimmung in § 135 Abs. 1 Satz 4 SGB V herleiten. Mit dieser Regelung zielt der Gesetzgeber auf eine zügigere Prüfung und Entscheidung zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch den Beigeladenen ab. Die Frist von sechs Monaten, bevor ein Verlangen nach Satz 4 gestellt werden kann, beginnt allerdings erst zu laufen, wenn dem Beigeladenen die für die Entscheidung erforderlich Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegt. Wie ausgeführt, war die interne Auswertung erst nach Beendigung des streitbefangenen Zeitraums abgeschlossen, so dass die erste Sechs-Monats-Frist schon nicht zu laufen begonnen hatte. Zudem verlangte keiner der Antragsberechtigten eine Beschlussfassung innerhalb weiterer sechs Monate und erst nach Ablauf dieser zweiten Sechs-Monats-Frist hätte die neuropsychologische Therapie gemäß § 135 Abs. 1 Satz 5 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Beklagten erbracht werden dürfen, obwohl der Beigeladene noch keine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hatte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 SGG vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich keine über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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