L 2 R 111/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 49 R 1071/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 111/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Anfrage- bzw. Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) noch, ob die Klägerin hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) seit 1. Januar 2009 der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Unternehmen der Sanitärtechnik, Bauklempnerei und Elektroinstallation. Es handelt sich um eine "2-Familien-GmbH", die durch notariellen Vertrag zum 2. Januar 1987 von dem am 1942 geborenen Beigeladenen zu 1, einem Installateur, der seit Erreichen der Regelaltersgrenze eine Vollrente wegen Alters bezieht, und dem 1935 geborenen P.M., Klempner- und Installateurmeister (im Folgenden: PM), gegründet wurde. Zunächst waren beide Gesellschafter Geschäftsführer und hielten jeweils 50 % des anfangs 50.000 DM betragenden, 1988 auf 100.000 DM und 2002 auf 52.000 EUR erhöhten Stammkapitals. Der Gesellschaftsvertrag sah – und sieht bis heute – vor, dass Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz eine andere Mehrheit vorschreiben (§ 6 Abs. 5). Ende 2002 wurde der Kreis der Gesellschafter der Klägerin um jeweils einen Sohn des Beigeladenen zu 1 und des PM erweitert. Mit notariellem Vertrag vom 11. Dezember 2002 veräußerten der Beigeladene zu 1 10 % der Stammeinlagen an den 1965 geborenen D.S., Elektroinstallateurmeister (im Folgenden: DS), und PM 20 % an den 1969 geborenen C.M., Gas- und Wasserinstallateurmeister (im Folgenden: CM), so dass seither beide Familienstämme in der Summe der Gesellschaftsanteile von Vater und Sohn jeweils 50 % der Stammeinlagen hielten und halten (Familie S. 40 % + 10 %, Familie M. 30 % + 20 %).

Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 wurden sowohl der Beigeladene zu 1 als auch PM als Geschäftsführer der Klägerin abberufen; stattdessen sind seither deren Söhne CM und MS als jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt.

Die Klägerin schloss mit PM und dem Beigeladenen zu 1 zum 1. Januar 2009 die bisherigen Geschäftsführerverträge ersetzende, die seither für sie ausgeübte Tätigkeit regelnde Anstellungsverträge, wobei dem Beigeladenen zu 1 Prokura erteilt wurde. In dem zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 am 17. Dezember 2008 geschlossenen Anstellungsvertrag heißt es auszugsweise:

Vorbemerkung Durch Gesellschafterbeschluss vom 11. Dezember 2008 ist Herr M.S. als Geschäftsführer der Gesellschaft mit Wirkung zum 1.1.2009 abberufen und zum Prokuristen bestellt worden. Der bestehende Geschäftsführervertrag wird hinsichtlich einer zukünftigen Tätigkeit und deren Bezahlung durch diesen Anstellungsvertrag ersetzt:

§ 1 Aufgabenbereich Der Arbeitnehmer übernimmt weiterhin zusammen mit den Geschäftsführern die verantwortliche Leitung des Geschäftsbetriebes. Herr S. ist – wie bisher – für den Sanitärbereich zuständig und zwar als Betriebsleiter SAGA und für die Kundendienstabrechnungen.

§ 2 Vergütung 1. Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ab 1. Januar 2009 a) ein monatliches Gehalt von 8.750,00 EUR, das jeweils am Ende eines Kalendermonats zu zahlen ist, b) eine Tantieme (Anteil am Jahresgewinn der Gesellschaft) in Höhe von 25 Prozent, zahlbar nach Genehmigung der Jahresbilanz durch die Gesellschafterversammlung. Hiermit soll die Erfolgsabhängigkeit der Gesellschaft vom Einsatz der Geschäftsführung ausgeglichen werden. 2. Maßstab für die Tantieme ist der Jahresüberschuss, der sich vor Abzug der Steuern (Gewerbe- und Körperschaftsteuer) und der Tantieme in der Steuerbilanz der Gesellschaft ergibt Es ist zu berücksichtigen, dass der Gesellschaft nach Abzug der Tantieme und der Steuern eine angemessene Rendite (35 % des eingezahlten Stammkapitals p.a.) verbleibt. Es muss sichergestellt bleiben, dass der Gesellschaft auch unter Berücksichtigung der Tantiemeverteilung die Möglichkeit einer Renditesteigerung bleibt. Bei Arbeitsverhinderung im Krankheitsfalle von insgesamt mehr als neun Monaten je Geschäftsjahr entfällt die Tantieme. Bei Arbeitsverhinderung von insgesamt 3-9 Monaten erfolgt zeitanteilige Kürzung. Eine Arbeitszeitverhinderung von insgesamt weniger als 3 Monaten je Geschäftsjahr bleibt bei der Tantiemeberechnung unberücksichtigt. [ ] 4. Die Gesamtvergütung lt. Ziffer 1, Buchst. a-b und § 3 darf 181.598,00 EUR p.a. nicht übersteigen.

§ 3 Dienstwagen 1. Für seine Tätigkeit hat der Arbeitnehmer für die Dauer des Dienstverhältnisses Anspruch auf einen Dienstwagen für dienstliche Belange. Dieses darf für Privatfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht genutzt werden. Das Kraftfahrzeug ist nach Dienstschluss und am Wochenende auf dem Betriebsgelände abzustellen. Die Schlüssel sind abzugeben. Die Einhaltung des Nutzungsverbots soll überwacht und protokolliert werden.

§ 4 Spesen und Auslagen 1. Dem Arbeitnehmer werden Reisekosten und sonstige Aufwendungen, soweit diese im Interesse der Gesellschaft notwendig waren, gegen Einzelnachweis erstattet. Tage- und Übernachtungsgelder können nach Wahl des Geschäftsführers auch im Rahmen der jeweils steuerlich höchst zulässigen Sätze pauschal abgerechnet werden. Sofern der Arbeitnehmer für Dienstreisen seinen eigenen Pkw benutzt, erhält er hierfür 0,30 Euro pro Kilometer bzw. den steuerlich zulässigen Satz für Dienstreisen.

§ 5 Genehmigungspflichtige Handlungen 1. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich eigenverantwortlich tätig. 2. Zu den folgenden Geschäften bedarf er jedoch der Zustimmung der Gesellschafterversammlung: [ ].

§ 6 Nebentätigkeit Der Arbeitnehmer hat der Gesellschaft sein ganzes Wissen und Können zur Verfügung zu stellen. Er hat auf ein gutes Zusammenwirken mit den Betriebsangehörigen hinzuwirken. Jede Nebentätigkeit bedarf der vorherigen Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung.

§ 7 Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Vertrages 1. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit der Gesellschaft – gleich aus welchem Rechtsgrund – in keinem Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland, das mit der Gesellschaft in Wettbewerb steht, als Inhaber, Gesellschafter oder Angestellter tätig zu werden oder sich an einem solchen Unternehmen direkt oder indirekt zu beteiligen oder es indirekt zu beraten oder zu fördern oder indirekt oder direkt eine Vertretung hierfür zu übernehmen. 2. Für die Dauer der Beschränkung gewährt die Gesellschaft dem Arbeitnehmer als Entschädigung die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen. Der Arbeitnehmer muss sich jedoch auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrages den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als 1/10 übersteigen würde (§ 74c HGB). Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der Gesellschaft für die Dauer der Zahlung der Entschädigung Auskünfte über die Höhe seiner Bruttobezüge als Angestellter bzw. seiner Einnahmen zu erteilen. [ ].

§ 8 Geheimhaltungspflicht [ ].

§ 9 Arbeitszeit Der Arbeitnehmer ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden. Er ist jedoch verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitszeit beträgt 5 Arbeitstage/Woche (40 Std-Woche).

§ 10 Urlaub Der Arbeitnehmer erhält für jedes Kalenderjahr einen bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen, wobei die Samstage nicht mitgerechnet werden. Der Urlaub ist in Abstimmung mit den einzelnen Geschäftsführern bzw. leitenden Angestellten so festzulegen, so dass die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.

§ 11 Krankheit Im Krankheitsfalle erhält der Arbeitnehmer bis zu einer Dauer von 6 Monaten das Bruttogehalt, das er in dem letzten Monat vor der Behinderung bezogen hat, weiter.

§ 12 Dauer des Vertragsverhältnisses – Kündigung Dieser Vertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er beginnt mit dem 1. Januar 2009. Er kann von beiden Seiten mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres gekündigt werden.

§ 13 Rückgabe von Unterlagen [ ].

§ 14 Allgemeine Bestimmungen 1. Mündliche Abreden oder Nebenabreden sind nicht getroffen. 2. Änderung oder Ergänzung dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. [ ].

§ 15 Inkrafttreten Dieser Anstellungsvertrag tritt am 1.1.2009 in Kraft.

Am 3. März 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die versicherungsrechtliche Beurteilung der vier Gesellschafter, unter anderem auch des Beigeladenen zu 1. Hierzu legte sie sowohl den Gesellschaftsvertrag einschließlich späterer Änderungen als auch die Anstellungsverträge des Beigeladenen zu 1 sowie des PM vor. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gab die Klägerin an, der Beigeladene zu 1 sei vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Er verfüge als einziger Gesellschafter in seinem Tätigkeitsbereich über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Die Tätigkeit sei – aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen – durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Tatsächlich betrage die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 50 bis 60 Stunden. Einem Weisungsrecht unterliege der Beigeladene zu 1 nicht. Er könne seine Tätigkeit in der Gesellschaft in seinem Tätigkeitsbereich im Wesentlichen frei bestimmen und insoweit auch Arbeitnehmer und Aushilfen einstellen und/oder entlassen. Urlaub müsse er sich nicht genehmigen lassen. Seine Abberufung/Kündigung sei zu jeder Zeit mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres möglich. Die Vergütung von 8.750 EUR werde im Falle einer Arbeitsunfähigkeit sechs Monate weitergezahlt. Von der Vergütung werde Lohnsteuer entrichtet. Die Verbuchung der Vergütung erfolge als Lohn/Gehalt sowie als Betriebsausgabe. Er erhalte darüber hinaus 25 % vom Gewinn vor Steuern. Die Klägerin äußerte die Ansicht, dass alle vier Gesellschafter selbstständig tätig und daher als sozialversicherungsfrei zu behandeln seien.

Mit Schreiben vom 1. April 2009 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu 1 zu ihrer Absicht an, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 zu erlassen. Nach Darlegung der Abgrenzungskriterien zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit führte die Beklagte weiter aus, dass die Sozialversicherungspflicht als abhängig Beschäftigter nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass eine in einer GmbH beschäftigte Person zugleich deren Gesellschafter sei. Dies sei allerdings nur dann der Fall, wenn die Gesellschafter funktionsgerecht dienenden Anteil am Arbeitsprozess der GmbH hätten, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhielten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft ihres Anteils am Stammkapital geltend machen könnten. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden vorliegend die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Insbesondere habe der Beigeladene zu 1 aufgrund des Kapitaleinsatzes von 40 % und der daraus resultierenden Stimmrechtsanteile keinen maßgeblichen gestalterischen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin. Da die Antragstellung auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung erfolgt sei, seien die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 SGB IV nicht erfüllt, so dass die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung dem Grunde nach mit dem Tag der Aufnahme der beurteilten Beschäftigung am 1. Januar 2009 beginne.

Die Klägerin nahm dahingehend Stellung, dass ihres Erachtens beim Beigeladenen zu 1 eine selbstständige Tätigkeit vorliege. Sie sei als Gesellschaft mit vier Gesellschaftern in zwei Familienstämme aufgeteilt. Jeder Stamm (jeweils Vater und Sohn) halte dabei eine Beteiligung von 50 % am Stammkapital. Der Beigeladene zu 1 könne so zusammen mit seinem Sohn DS Gesellschafterbeschlüsse verhindern. Kein Gesellschafter unterliege einem Weisungsrecht der anderen Gesellschafter. Eine Überwachung durch einen Hauptgesellschafter erfolge ebenfalls nicht. Der Beigeladene zu 1 sei mit 40 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Er sei damit von den vier Gesellschaftern derjenige mit dem größten Anteil an der Gesellschaft. Von der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden sei zudem, dass der Beigeladene zu 1 als Prokurist bestellt worden sei. In dieser Funktion obliege ihm wie einem Geschäftsführer bzw. Gesellschafter die Führung, Leitung und Überwachung des Betriebes. Darüber hinaus verfüge er über die erforderlichen einschlägigen Fach- und Branchenkenntnisse. Er habe damit insgesamt einen entscheidenden Einfluss auf die Beschlüsse der GmbH. Insbesondere komme ein Weisungs- und Direktionsrecht für ihn praktisch nicht in Betracht. Die Tätigkeit der beiden Söhne, CM und DS, sei von der Techniker Krankenkasse im Januar 2005 als selbstständig beurteilt worden. Die Söhne seien ebenfalls als Prokuristen bestellt worden. Ihre Beteiligungen an der Klägerin seien aber jeweils geringer als die des Beigeladenen zu 1.

Mit Bescheiden vom 18. Mai 2009 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin wie auch gegenüber dem Beigeladenen zu 1 fest, dass dessen Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) bei der Klägerin seit dem 1. Januar 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach in allen Zweigen der Sozialversicherung beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Über die auch im Anhörungsschreiben genannten Ausführungen hinaus gab die Beklagte ergänzend an, dass der Beigeladene zu 1 aufgrund mangelnden Vetorechts bzw. Sperrminorität keine Entscheidungen verhindern könne. Er könne den Geschäftsbetrieb weder bestimmen noch als Minderheitsgesellschafter einen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Tätigkeit nehmen, da er kein Geschäftsführer sei. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage er kein eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Zwar sei er aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Tantiemezahlung indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Eine Kürzung bzw. einen Wegfall der Bezüge aus Gründen der Geschäftslage müsse er jedoch nicht befürchten. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit sei dem Beigeladenen zu 1 weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedere. Diese Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Allein aus der weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Selbst bei Belassung großer Freiheiten unterliege der Beigeladene zu 1 der Überwachung durch die Gesellschafterversammlung. Dies gelte auch dann, wenn die Gesellschafter von ihrer Überwachungsbefugnis regelmäßig keinen Gebrauch machten. Die Entscheidungen der Krankenkasse beträfen nicht das hier zu prüfende Vertragsverhältnis.

Hiergegen legte die Klägerin – ebenso wie der Beigeladene zu 1, beide vertreten durch dieselben Prozessbevollmächtigten – am 3. Juni 2009 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, dass der Kapitalanteil des Beigeladenen zu 1 höher sei als der Anteil der übrigen Gesellschafter. Es gölten zudem die Besonderheiten für Familiengesellschaften. Die Anteile "der Herren S." würden zusammen 50 % des Kapitals und der Stimmrechte betragen. Damit könnten sie die Geschicke der Firma maßgebend beeinflussen und Entscheidungen verhindern. Der Beigeladene zu 1 sei weiter als Prokurist der Gesellschaft in sehr großem Umfang im Außenverhältnis zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Diese Befugnis übe er täglich aus. Er leite genauso wie vorher als Geschäftsführer – bis 31. Dezember 2008 – seinen Betriebsteil selbstständig. Personal werde von ihm weiter eingestellt. Derartige Entscheidungen habe er sich nicht von den Geschäftsführern genehmigen zu lassen. Aufgrund seiner fachlichen Kompetenz, seiner langjährigen Erfahrung bei der Leitung der Gesellschaft und seiner gesellschaftsrechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten (zusammen mit seinem Sohn) habe er auch weiterhin maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Gesellschaft. Das Unternehmerrisiko sei beim Beigeladenen zu 1 stark ausgeprägt. Die ihm gewährten Tantiemen seien erheblich höher als die der Geschäftsführer. Zu berücksichtigen sei auch das haftungsrechtliche Risiko des Beigeladenen zu 1. Er bürge gegenüber der H. Sparkasse mit einer Summe von 840.000 EUR und gegenüber der D. Bank mit 25.000 EUR. Darin liege für ihn ein sehr hohes Unternehmerrisiko. Die beiden neuen Geschäftsführer bürgten demgegenüber überhaupt noch nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Der Beigeladene zu 1 könne als Seele des Unternehmens bezeichnet werden. Es widerspreche jeglicher Wahrscheinlichkeit, dass er als Prokurist und größter Gesellschafter der Firma seine Arbeitsleistungen fremdbestimmt erbringen solle. Eine im Bescheid als Theorie unterstellte Überwachung seiner Tätigkeit sei praktisch nicht möglich.

Mit Bescheiden vom 6. August 2010 änderte die Beklagte ihre Bescheide vom 18. Mai 2009 dahingehend ab, dass in der vom Beigeladenen zu 1 ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) bei der Klägerin Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung (§ 23 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX)) bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 1. Januar 2009. Keine Versicherungspflicht bestehe in der Krankenversicherung (§ 6 Abs. 3a des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V)), der Rentenversicherung (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) als Bezieher einer Altersvollrente) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) wegen Erreichens der Regelaltersgrenze). Der Bescheid werde nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 26. Oktober 2010 wies die Beklagte sowohl den Widerspruch der Klägerin als auch denjenigen des Beigeladenen zu 1 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass ein maßgeblicher Einfluss des Beigeladenen zu 1 auf die Geschicke der GmbH nicht aus dem Anteil am Stammkapital der Gesellschaft abgeleitet werden könne. Nach den Regeln der Satzung sei grundsätzlich eine einfache Mehrheit erforderlich. Nach den Regelungen im Anstellungsvertrag bedürfe es zur Vornahme von Handlungen, die über das gewöhnliche Alltagsgeschäft hinausgingen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Allein aus der im Geschäftsalltag weisungsfreien Ausübung der ansonsten fremdbestimmten Arbeit könne nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden, da die Arbeit des Beigeladenen zu 1 in die Ordnung des Betriebes eingegliedert sei. Er unterliege auch unter Berücksichtigung familiärer Rücksichtnahmen und der großen Freiheiten einer Überwachung durch die Geschäftsführer DS und CM sowie die Gesellschafterversammlung. Aus seinen Kapitalanteilen in Höhe von 20.800 EUR, der Beteiligung an Gewinn und Verlust des Unternehmens sowie der übernommenen Bürgschaft resultierten weder größere Chancen und Risiken noch Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der eigenen Tätigkeit und die Geschicke der Gesellschaft. Im Anstellungsvertrag festgelegt seien – wie für abhängig Beschäftigte typisch – eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden, der Anspruch auf eine regelmäßige monatliche Vergütung, auf zusätzlich eine Gewinntantieme und einen bezahlten Jahresurlaub. Insgesamt gesehen habe die Arbeitsleistung funktionsgerecht dienend teil am Arbeitsprozess der GmbH. Der Beigeladene zu 1 könne auch nicht Beschlüsse zu Gunsten seines Mitarbeitsverhältnisses erwirken. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen.

Am 23. November 2010 hat die Klägerin Anfechtungsklage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und den daneben gestellten Antrag auf Feststellung, dass der Beigeladene zu 1 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei ihr stehe, später in einen solchen auf Feststellung geändert, dass sie für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege (Az.: S 49 R 1071/10). Die am selben Tag vom Beigeladenen zu 1 erhobene Klage (Az.: S 49 R 1072/10) ist durch Vergleich, mit dem sich die dortigen Beteiligten dem Ausgang des hiesigen Verfahrens unterworfen haben, erledigt worden.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens im Verwaltungs- und Vorverfahren ergänzend ausgeführt, dass die Beklagte nicht berücksichtigt habe, dass der Beigeladene zu 1 vom Selbstkontrahierungsverbot befreit sei. Sein wirtschaftliches Risiko sei erheblich höher als das der Geschäftsführer. Die Geschäftsführer, die Söhne CM und DS, deren von der Klägerin vorgelegte Verträge sich nur unwesentlich von dem Anstellungsvertrag des Beigeladenen zu 1 unterschieden, hätten nur theoretisch ein aufgrund ihrer gesetzlichen Position gegenüber einem Prokuristen vertraglich nicht vollständig auszuschließendes Weisungsrecht. Tatsächlich sei dies noch nie ausgeübt worden. Das tatsächliche gleichberechtigte Nebeneinander spreche auch unter Berücksichtigung der familiären Situation gegen ein Abhängigkeitsverhältnis. Überstunden würden ihm nicht ausbezahlt. Der Beigeladene zu 1 übe seine Tätigkeit in besonderen Situationen auch von zu Hause aus. Tatsächlich verzichte er seit Jahren nahezu vollständig und ohne finanziellen Ausgleich auf den Urlaubsanspruch. Die Klägerin hat einen an CM gerichteten Bescheid der Beklagten vom 3. April 2009 vorgelegt, mit dem diese festgestellt hat, dass CM seine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter für die Klägerin seit 1. Januar 2009 im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausübe. Zugleich hat sie darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Feststellung auch gegenüber DS getroffen worden sei.

Die Beklagte hat im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen.

Die vom SG Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, allerdings hat sich der Beigeladene zu 1 in vollem Umfang dem Vortrag der Klägerin angeschlossen, die Beigeladene zu 2 demjenigen der Beklagten.

Das SG hat die Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2012 mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2009 in der Fassung des Bescheides vom 6. August 2010, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2010, rechtmäßig sei. Die Klägerin unterliege trotz der Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1 in dessen Tätigkeit als Gesellschafter und Prokurist der Klägerin der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie auch nach dem Recht der Arbeitsförderung. Auf eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 selbst komme es im hier zu beurteilenden Fall nicht an. Gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI sei er versicherungsfrei im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung sei der Beigeladene zu 1 versicherungsfrei, da das ihm gewährte monatliche Festgehalt 8.750 EUR betrage und damit die Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß § 6 Abs. 6 bis 8 SGB V überschreite. Die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1 in der gesetzlichen Krankenversicherung folge zudem aus § 6 Abs. 3a SGB V, da er bereits das 55. Lebensjahr vollendet habe und nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung eintreten könne, weil er nicht in den letzten fünf Jahren vor Eintritt einer denkbaren Versicherungspflicht gesetzlich versichert gewesen sei. Die soziale Pflegeversicherung folge diesem Modell (§ 20 SGB XI). Für den Beigeladenen zu 1 bestehe – worauf die Beklagte im Bescheid vom 6. August 2010 zutreffend hingewiesen habe – lediglich eine "Versicherungspflicht" nach § 23 SGB XI. Diese beinhalte jedoch lediglich die Pflicht, einen privaten Vertrag zur Vorsorge für das Risiko der Pflegebedürftigkeit mit einem privaten Pflegeversicherungsunternehmen abzuschließen. Da der Beigeladene zu 1 die Regelaltersgrenze bereits überschritten habe, sei er auch im Rahmen des Rechts der Arbeitsförderung nicht versicherungspflichtig (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 SGB VI gelte jedoch: Für Beschäftigte, die 1. als Bezieher einer Vollrente wegen Alters, 2. als Versorgungsbezieher, 3. wegen des Erreichens der Regelaltersgrenze oder 4. wegen einer Beitragserstattung versicherungsfrei sind, tragen die Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären. Damit teilweise übereinstimmend regele § 346 Abs. 3 Satz 1 SGB III: Für Beschäftigte, die wegen Vollendung des für die Regelaltersrente im Sinne des SGB VI erforderlichen Lebensjahres versicherungsfrei sind, tragen die Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären. Die Arbeitgeberqualität der Klägerin im Sinne der vorgenannten Normen – und davon gingen auch die Beteiligten übereinstimmend aus – stehe außer Frage. Die GmbH sei alleinige Arbeitgeberin der bei ihr Beschäftigten. Anderenfalls wären die Bezeichnungen der Parteien des Anstellungsvertrages vom 17. Dezember 2008 und dessen weiterer Inhalt nicht erklärlich. Beurteilungsmaßstab dafür, ob der Beigeladene zu 1 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stehe oder ob eine selbstständige Tätigkeit vorliege, sei § 7 Abs. 1 SGB IV. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV seien Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welcher sich das erkennende Gericht aus eigener Überzeugung anschließe, setze eine Beschäftigung im Sinne der vorgenannten Bestimmung voraus, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies dann der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit sei nicht erforderlich. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliege, richte sich danach, welche Merkmale überwögen. Keinesfalls sei erforderlich, dass sämtliche oder auch nur eine rechnerisch größere Anzahl idealtypischer Merkmale vorliege. Maßgebend sei vielmehr stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimme sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehörten, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder der selbstständigen Tätigkeit erlaubten. Rechtsstaatliche Bedenken gegen die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in dieser Art und Weise bestünden nicht. Für eine abhängige Beschäftigung sprächen insbesondere der Abschluss eines als solches bezeichneten Arbeits- oder Anstellungsvertrages, die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung, die Verfügungsmöglichkeit des Auftraggebers (Vorgesetzter) über die Gestaltung der Arbeitszeit, Anwesenheits- und Zeitkontrollen, das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes in den Räumen des Auftraggebers, die Verrichtung von Arbeit "Hand in Hand" mit anderen Beschäftigten des Auftraggebers und die Angewiesenheit des Auftragnehmers auf deren Mitarbeit und Mitwirkung, das Fehlen eigener Betriebsmittel, ein geschäftliches Auftreten im Namen des Auftraggebers, eine feste gleich bleibende Vergütung, bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Gewährung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie die Verbuchung von Lohnsteuern. Für eine selbstständige Tätigkeit sprächen dagegen die Vorhaltung eigenen Arbeitsmaterials bzw. eigener Betriebsmittel, eine ordnungsgemäße Buchführung und laufende Entrichtung von Umsatzsteuer, die Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals, eine Gewerbeanmeldung, Werbemaßnahmen und ein eigenes Auftreten am Markt. Insbesondere sei eine selbstständige Tätigkeit gekennzeichnet durch eine Unabhängigkeit von Weisungen und ein tatsächlich vorhandenes Unternehmerrisiko. Maßgeblich sei, ob eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werde. Trage der Auftragnehmer das Vergütungs- oder gar Insolvenzrisiko, sprächen auch diese Umstände für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Eine Versicherungspflicht sei nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil der Betreffende Unternehmerfunktionen ausübe. Mitarbeitende Gesellschafter könnten in der Sozialversicherung sowohl abhängig als auch selbstständig tätig sein, denn Gesellschaftern stehe es grundsätzlich frei, außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses rechtsgeschäftliche Beziehungen zur Gesellschaft selbst einschließlich abhängiger Beschäftigungsverhältnisse zu begründen. Für die Beurteilung, ob von einem Beschäftigungsverhältnis oder einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen sei, die hier darüber entscheide, ob eine Beitragspflicht des Auftraggebers gegeben sei oder nicht, sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, welche Rechtsmacht dem Gesellschafter im gesellschaftsrechtlichen Gefüge zukomme. Ein wesentliches Kriterium für die Abgrenzung sei, ob der mitarbeitende Gesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft – vor allem kraft des tatsächlich gehaltenen Anteils am Stammkapital – ausüben könne oder lediglich funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Gesellschaft teilhabe. Dabei könne es im Einzelfall unschädlich sein, wenn ein mitarbeitender Gesellschafter bei bestimmten wichtigen Geschäften in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sei, im Übrigen aber keinem Direktionsrecht in Bezug auf die Ausführung seiner Arbeiten unterworfen sei. Sei der Gesellschafter in der Lage, Mehrheitsbeschlüsse herbeiführen zu können, so deute dies auf eine selbstständige Tätigkeit hin. Umgekehrt sei bei einem Minderheitsgesellschafter ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit und damit eine statusrechtlich relevante Arbeitgeberfunktion nur dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter über eine Sperrminorität verfüge, d.h. Beschlüsse zu seinen Ungunsten aus eigener Kraft verhindern könne. Denn wer abstrakt über eine derart ausgestaltete Rechtsmacht verfüge, könne nicht abhängig beschäftigt sein. Von einem maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft sei jedenfalls dann auszugehen, falls der Gesellschafter über mindestens die Hälfte des Stammkapitals oder – aufgrund besonderer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung der Gesellschaft – über eine Sperrminorität verfüge. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn vorliege, sei zunächst auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten, so wie sie im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen und gelebt worden seien, abzustellen. Eine in Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gingen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich sei. Umgekehrt gelte, dass die Nichtausübung eines Rechts dann unbeachtlich sei, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen sei. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehöre unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Eine Anwendung dieser Grundsätze führe im hier zu entscheidenden Fall dazu, dass im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen. Dabei sei zu berücksichtigen: Dass die Klägerin und der Beigeladene zu 1 miteinander im Anstellungsvertrag (dort § 7) ein Wettbewerbsverbot vereinbart hätten, spreche weder für noch gegen das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit bzw. einer abhängigen Beschäftigung. Die übrige Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin spreche aber für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses. Der zwischen dem Beigeladenen zu 1 und der Klägerin geschlossene Vertrag sei als Anstellungsvertrag betitelt. Zwar komme der Vertragsbezeichnung nur indizielle Bedeutung zu, hier spreche jedoch auch der Vertragsinhalt für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Denn der Beigeladene zu 1 werde in diesem Vertrag durchgehend als "Arbeitnehmer" bezeichnet. Dass eine entsprechende Gestaltung zwischen den Vertragspartnern gewünscht gewesen sei, ergebe sich auch aus der schriftsätzlichen Äußerung der Klägerin, dass für den Anstellungsvertrag des Beigeladenen zu 1 die Verträge für die Geschäftsführer der Klägerin nur geringfügig geändert worden seien. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses stehe hier nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 1 nicht nur Prokurist im Anstellungsverhältnis, sondern auch Gesellschafter der Klägerin sei. Er verfüge nämlich nicht über eine Stimmenmehrheit im Unternehmen, sondern lediglich über 40 % des Stammkapitals der Klägerin. Zuzugeben sei, dass der Beigeladene zu 1 damit über den größten Stimmenanteil im Unternehmen verfüge. Für Mehrheitsbeschlüsse der Klägerin sei jedoch eine (einfache) Mehrheit der Stimmen, d. h. mehr als 50 %, erforderlich. Soweit der Beigeladene zu 1 vortrage, dass sein Sohn weitere 10 % des Stammkapitals halte und man zusammen Mehrheitsbeschlüsse der anderen Gesellschafter verhindern könne, so sei dieser Einwand unbeachtlich. Denn ein – unter Umständen beachtlicher – Stimmbindungsvertrag zwischen dem Beigeladenen zu 1 und seinem Sohn liege – soweit ersichtlich – nicht vor. Auch anderweitige formwirksame Abreden über die gemeinsame Ausübung von Stimmrechten – wenigstens um eine gesellschaftsrechtlich relevante Sperrminorität herzustellen – seien hier nicht erkennbar. Dessen ungeachtet komme es auf eine faktische Übereinstimmung des Willens des Beigeladenen zu 1 und seines Sohnes als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht an. Entscheidend sei vielmehr, über welche Rechtsmacht der Beigeladene zu 1 abstrakt verfüge. Eine faktische Gestaltung des Gesellschaftsvertrages über den Rahmen des rechtlich Zulässigen hinaus gebe es nämlich nicht. Der Beigeladene zu 1 sei auch in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Eingliederung im hier relevanten Kontext bedeute: Es müsse eine – wenn auch nur gering ausgestaltete – Weisungsunterworfenheit bezüglich Ort, Zeit, Art oder Ausführung der Arbeitsleistung bestehen. Dem stehe nicht entgegen, dass er gemäß § 5 Nr. 1 des Anstellungsvertrages seine Aufgaben grundsätzlich eigenverantwortlich wahrnehme. Denn ihm sei ein fester Aufgabenbereich nach § 1 des Anstellungsvertrages übertragen worden. Zum anderen sei es im Rahmen höherwertiger Tätigkeiten als normal anzusehen, dass Einzelweisungen seitens eines Arbeitgebers immer seltener notwendig seien. Die Eingliederung verdichte sich dann zu einer dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. So liege es auch hier. Darüber hinaus spreche für eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin, dass der Beigeladene zu 1 nach § 6 des Anstellungsvertrages verpflichtet sei, sein ganzes Wissen und Können der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen und sich jede Nebentätigkeit durch die Gesellschafterversammlung zu genehmigen lassen habe. Darüber hinaus sehe § 9 Satz 2 des Anstellungsvertrages ausdrücklich vor, dass der Beigeladene zu 1 verpflichtet sei, seine ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitszeit betrage fünf Arbeitstage pro Woche, also eine 40-Stunden-Woche. Es könne zwar für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sprechen, wenn die tatsächliche Arbeitszeit über der vertraglich vereinbarten liege. Gleichwohl sei es auch in Beschäftigungsverhältnissen nicht unüblich, dass Überstunden geleistet würden. Dementsprechend messe das erkennende Gericht auch hier dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1 nach eigenen Angaben ca. 50 bis 60 Stunden die Woche bei der Klägerin tätig sei, kein solches Gewicht zu, dass von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen wäre. Denn "Überstunden" einschließlich solcher, die nicht abgebaut würden, seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse nicht gerade eine Seltenheit in der modernen Arbeitswelt. Für die Beurteilung, ob eine selbstständige Tätigkeit vorliege oder nicht, sei es irrelevant, ob der Beigeladene zu 1 in seinem Tätigkeitsbereich Arbeitnehmer und Aushilfen einstellen und/oder entlassen könne. Denn maßgeblich sei nicht, ob der seinem Status nach zu Beurteilende gegenüber (anderen) Arbeitnehmern desselben Betriebs ein Direktionsrecht ausüben könne. Anderenfalls wäre z. B. jeder personalbefugte Angestellte oder Dienstvorgesetzte per se als potentiell Selbstständiger anzusehen, was mitnichten der Fall sei. Wesentlich für die Beurteilung des Status sei vielmehr, in welchem Verhältnis er zu seinem Auftraggeber stehe. Die Eingliederung des Beigeladenen zu 1 folge auch unter anderem daraus, dass er hinsichtlich der Verwendung eines Dienstwagens der Überwachung durch die Arbeitgeberin unterliege. Denn gemäß § 3 des Anstellungsvertrages sei das dienstlich genutzte Kraftfahrzeug nach Dienstschluss und am Wochenende auf dem Betriebsgelände abzustellen. Der Beigeladene zu 1 habe die Schlüssel für das Fahrzeug abzugeben, was überwacht und protokolliert werde. Die von den Vertragspartnern gewählte Vergütungsform (§ 2 des Anstellungsvertrages) spreche ebenfalls für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Werde eine monatlich gleich bleibende Vergütung gezahlt, so sei ein tatsächlich bestehendes Unternehmerrisiko in Form eines Vergütungsrisikos nicht zu erkennen. Vielmehr sei es als arbeitnehmertypisch anzusehen, wenn für tatsächlich geleistete Arbeit eine Vergütung in stets gleicher Höhe gezahlt werde. Hier liege es so, dass der Beigeladene zu 1 gemäß § 2 Nr. 1 lit. a des Anstellungsvertrages ein monatliches Gehalt in Höhe von 8.750 EUR erhalte, welches jeweils am Ende eines Kalendermonats zu zahlen sei. Insoweit trage der Beigeladene zu 1 kein nennenswertes Unternehmerrisiko in Form eines Vergütungsrisikos. Dabei werde nicht übersehen, dass eine solche vertragliche Regelung vielfach getroffen werde, um nicht den Anschein einer verdeckten Gewinnausschüttung nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu erwecken. Das Gesetz garantiere aber nicht, dass steuerrechtliche Vorteile voll ausgeschöpft und zugleich sozialversicherungsrechtliche Vorteile in Gänze genossen werden können. Darüber hinaus würden dem Beigeladenen zu 1 die ihm entstandenen Reisekosten und sonstigen Aufwendungen, soweit diese im Interesse der Gesellschaft notwendig gewesen seien, gegen Vorlage von Einzelnachweisen erstattet. Auch dabei handele es sich um eine Regelung, wie sie für Arbeitnehmer typisch sei. Denn ein Arbeitgeber bzw. Unternehmer würde entsprechende Aufwendungen als Betriebsausgaben verbuchen. Ein Unternehmerrisiko in Form eines Vergütungsrisikos sei insoweit nicht zu erkennen, denn der Beigeladene zu 1 werde von dem Risiko befreit, Kapital dem Risiko des Verlustes einzusetzen. Vielmehr erhalte er seine Aufwendungen bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen vollständig ersetzt. Demgegenüber falle nicht ins Gewicht, dass der Beigeladene zu 1 über sein Festgehalt hinaus eine Tantieme in Höhe von 25 % des Jahresüberschusses erhalte. Denn hierdurch komme angesichts des relativ hohen Festgehalts kein Unternehmerrisiko mehr zum Ausdruck, welches das fehlende Vergütungsrisiko kompensieren könnte. Zudem werde die Tantieme im Falle von Krankheitszeiten des Beigeladenen zu 1 abhängig von der Dauer der Krankheit geschmälert. Die steuerrechtliche Behandlung der dem Beigeladenen zu 1 gezahlten Vergütung spreche hier ebenfalls für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, denn von der ihm gewährten Vergütung werde nach eigenen Angaben der Klägerin Lohnsteuer abgeführt. Deutlich für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses spreche hier auch die Tatsache, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 im Anstellungsvertrag eine Entgeltfortzahlung vereinbart sei. Enthalte ein Anstellungsvertrag eine Regelung betreffend die Entgeltfortzahlung, so spreche dies deshalb für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, weil eine Entgeltfortzahlung typischerweise Arbeitnehmern vorbehalten sei. Hier liege es so, dass der Beigeladene zu 1 im Krankheitsfalle bis zu einer Dauer von sechs Monaten das Bruttogehalt, das er in dem letzten Monat vor der Behinderung bezogen habe, weiter erhalte (§ 11 des Anstellungsvertrages). Ebenso für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses spreche es, wenn der Arbeitsvertrag eine Vertragsklausel über die Gewährung bezahlten Urlaubs enthalte, da dies regelmäßig ein exklusives und höchstpersönliches Recht von Arbeitnehmern sei. Auch die Klägerin und der Beigeladene zu 1 hätten eine entsprechende Vereinbarung getroffen. So erhalte der Kläger für jedes Kalenderjahr 30 Tage bezahlten Urlaub, wobei die Samstage nicht mitgerechnet würden (§ 10 des Anstellungsvertrages). Mit Blick darauf, dass die Merkmale, welche die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 kennzeichneten, weit überwiegend für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprächen, trete in den Hintergrund, dass der Beigeladene zu 1 seine persönliche wirtschaftliche Situation in nicht unerheblichem Umfang auch an den wirtschaftlichen Fortbestand der Klägerin geknüpft habe. Für eine selbstständige Tätigkeit könnte hier sprechen, dass der Kläger sich gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 312.000 EUR verbürgt habe. Es sei hierbei allerdings zu berücksichtigen, dass es nicht gänzlich ungewöhnlich sei, dass ein – wenn auch nur angestelltes – Mitglied des Unternehmens dem Unternehmen Darlehen oder Bürgschaften gewähre, um den Betrieb der eigenen Beschäftigung aufrecht und am Leben zu erhalten. Dass der Beigeladene zu 1 trotz offensichtlich vorhandener finanzieller Möglichkeit seine Mittel nicht dazu verwende, einen größeren Geschäftsanteil zu erwerben, um damit der behaupteten wichtigen und überragenden Stellung im Unternehmen ein Fundament zu verleihen, dürfte zwar auch den familiären Bindungen des 2-Familienbetriebs und dem Bestreben, die Kinder in das Unternehmen einzubinden, geschuldet sein. Der Beigeladene zu 1 zeige damit jedoch, dass eine größere Beteiligung an der Klägerin eben nicht gewollt sei. Die Bürgschaftsverträge seien zudem zu einer Zeit geschlossen worden, in welcher der Beigeladene zu 1 nicht lediglich als angestellter Prokurist, sondern als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem maßgeblich höheren Anteil am Stammkapital, nämlich mit 50 % und damit einer Sperrminorität, die Geschicke der Klägerin selbst maßgeblich beeinflusst habe. Darüber hinaus sei die Bürgschaftssumme heute nicht einmal halb so hoch wie seinerzeit. Daraus lasse sich der Wille ableiten, eben nicht mehr in demselben Maß die Geschicke der Gesellschaft leiten zu wollen wie vorher. Auch dass der Klägerin vom Beigeladenen zu 1 gewährte Darlehen in Höhe von aktuell 25.000 EUR, vormals 50.000 EUR, falle nicht dergestalt ins Gewicht, dass von einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 auszugehen wäre, denn die darlehensweise gegebene Summe stehe in keinem außergewöhnlichen Missverhältnis zur sonstigen Einkommenssituation des Beigeladenen zu 1. Zudem sei die Hingabe des Darlehens nicht – was im umgekehrten Fall arbeitnehmeruntypisch wäre – Bestandteil des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 geschlossenen Anstellungsvertrages, sondern resultiere aus einer Zeit, in welcher die gesellschaftsrechtliche Stellung des Beigeladenen zu 1 stärker ausgestaltet gewesen sei als seit dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2009 an. Dass der Beigeladene zu 1 vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit sei, deute zwar grundsätzlich auf eine selbstständige Tätigkeit hin, stelle jedoch bei einem Prokuristen keine Besonderheit dar und sei daher nur in sehr geringem Umfang geeignet, das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit statt einer abhängigen Beschäftigung zu belegen. Dass der Beigeladene zu 1 eventuell eine besondere Fachkunde in dem ihm nach § 1 des Anstellungsvertrages zugewiesenen Tätigkeitsbereich habe, stehe der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im hier zu beurteilenden Fall auch nicht entgegen. Das Vorliegen einer besonderen Fachkunde auf dem eigenen Tätigkeitsfeld oder die Umschreibung des Betreffenden als "Kopf und Seele" eines Unternehmens stellten grundsätzlich keine belastbaren Gesichtspunkte zum Nachweis einer selbstständigen Tätigkeit dar. Denn eine emotionale Verbundenheit mit der eigenen Funktion im Unternehmen oder die Identifikation mit der Tätigkeit im Unternehmen seien generell nicht geeignet, die Rechtsmacht der Gesellschafterversammlung zu derogieren und deren rechtliche Grundlagen zu ersetzen. Die genannten Kriterien seien – im Lichte des Gesetzes betrachtet – inhaltsleer. Sähe man dies anders, würden im Rahmen der Statusbeurteilung letztlich beliebige Ergebnisse ermöglicht. Dies zeige sich z. B. daran, dass einem Mehrheitsgesellschafter eine fehlende Sachkunde nicht entgegengehalten würde. Dann könne umgekehrt eine besondere Fachkunde einem Minderheitsgesellschafter bei der Beurteilung seines sozialversicherungsrechtlichen Status nicht zum Vorteil gereichen. Zudem sei das Kriterium einer besonderen Fachkunde im Zusammenhang mit Familienunternehmen entwickelt worden, die lediglich von einer Person, nicht hingegen einer "Doppelspitze" oder noch mehreren Personen in der Unternehmensführung geleitet würden. Um ein solches Unternehmen handele es sich hier aber.

Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 18. September 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Oktober 2012 eingelegte Berufung der Klägerin.

Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen und vorgerichtlichen Vortrag fest und ist weiterhin der Auffassung, dass der Beigeladene zu 1 nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu ihr stehe. Es überwögen die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Erwägungen. Maßgebend seien die tatsächlichen Verhältnisse. Aufgrund der vom Sozialgericht am 20. Juli 2012 mündlich verkündeten Entscheidungsgründe sei der Anstellungsvertrag mit dem Beigeladenen zu 1 überarbeitet worden. Der zu den Akten gereichte "Prokuristenvertrag (Vertrag über eine selbstständige Tätigkeit)" vom 26. Juli 2012 gebe ebenso wie der schriftliche Stimmbindungsvertrag zwischen dem Beigeladenen zu 1 und dessen Sohn vom 26. Juli 2012 die seit dem 1. Januar 2009 tatsächlich bestehende Situation wieder. Der Beigeladene zu 1 verfüge über eine Sperrminorität, weil er sich – wie zuvor bereits mündlich – ebenso wie sein Sohn DS verpflichtet habe, in den Gesellschafterbeschlüssen der Klägerin übereinstimmend abzustimmen oder sich übereinstimmend der Stimme zu enthalten. DS könne sich auch nicht vorstellen, seinem Vater Anweisungen zu erteilen. Ausgeführt wird sowohl schriftsätzlich als auch in dem überarbeiteten Vertrag, dass sich durch die Änderung der Gesellschaftsverhältnisse Anfang 2009 keine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben habe. Der Beigeladene zu 1 habe seither keinen Urlaubstag erhalten. Als Gesellschafter erhalte er weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld, und es würden für ihn keine Überstundenkonten und Urlaubskonten geführt wie für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer der Klägerin. Die persönliche wirtschaftliche Situation des Beigeladenen zu 1 sei aufgrund der gegebenen Darlehen/Bürgschaften an den wirtschaftlichen Fortbestand der Klägerin geknüpft. Aufgrund der vereinbarten Tantiemeansprüche bestehe ein hohes Vergütungsrisiko. Er bestimme Ort, Zeit, Art und Ausführung der Arbeit selbst, könne selbstständig Personal einstellen und entlassen, betreue den mit Abstand größten Kunden der Klägerin, und in seinem Zuständigkeitsbereich werde ein großer Teil des Umsatzes der Klägerin erwirtschaftet. Ein Dienstwagen sei ihm nicht zur Verfügung gestellt worden. Das zuvor theoretisch bestehende Nebentätigkeitsverbot sei nunmehr zur Klarstellung aus dem Vertrag gestrichen worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Juli 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2009 in der Fassung vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.Oktober 2010 abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 als Gesellschafter Prokurist ab 1. Januar 2009 nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für richtig und die Stimmbindungsvereinbarung für nicht entscheidungserheblich, weil sie nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Beteiligten entfalte und aus wichtigem Grund jederzeit kündbar sei.

Der Beigeladene zu 1 schließt sich dem Vorbringen der Klägerin an, die Beigeladenen zu 2 und 3 den aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG.

Einen Antrag stellt keiner der Beigeladenen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats erteilt (§§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 4. September 2013, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der hiesigen Prozessakte, der beigezogenen Prozessakte des Sozialgerichts Hamburg S 49 R 1072/10 und der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, abgewiesen. Insbesondere hat das Sozialgericht zu Recht die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage als zulässig angesehen, wobei sich Letztere mangels Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bei lediglich bestehender privater Pflegeversicherungspflicht nicht, wie vom Bundessozialgericht (BSG) in der jüngeren Rechtsprechung als notwendig angesehen, hierauf, sondern sinnvollerweise auf die dennoch bestehende Beitragspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bezieht (vgl. zu der auch im Anfrage- bzw. Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV fehlenden Ermächtigung zur Elementenfeststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung: BSG, Urteile vom 11. März 2009 – B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17, vom 4. Juni 2009 – B 12 R 6/08 R, USK 2009-72, sowie B 12 KR 31/07 R, Breith 2010, 435; a.A.: SG Berlin, Urteile vom 13. April 2010 – S 81 KR 176/08 – und 27. Oktober 2010 – S 112 KR 1764/09, jeweils juris). Weder die Umstellung des Feststellungsantrags im Klageverfahren noch dessen Erweiterung im Berufungsverfahren stehen der Zulässigkeit entgegen (§§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG), zumal die Beklagte sich jeweils darauf eingelassen hat (§§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 Var. 1 i.V.m. Abs. 2 SGG).

Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren ist nicht geeignet, die Beurteilung durch das SG in Frage zu stellen.

Die neuere Rechtsprechung des BSG bestätigt die vom Sozialgericht unter Heranziehung von Kommentarliteratur herangezogenen Grundsätze. Spätestens mit der Entscheidung vom 29. August 2012 (B 12 R 14/10 R, USK 2012, 182) hat das BSG klargestellt, dass bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit das Vertragsverhältnis der Ausgangspunkt ist, dass die bloße Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange es nicht wirksam abgedungen wurde, dass die tatsächlichen Verhältnisse im Zweifel nur den Ausschlag im Rahmen des rechtlich Zulässigen geben. Die Organe einer juristischen Person können nicht in einem rechtsfreien Raum agieren, und die faktische Nichtwahrnehmung gesellschaftlicher Befugnisse ist auch unter Berücksichtigung familiärer Rücksichtnahme unbeachtlich. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BSG die fehlende Rechtsmacht im Konfliktfall. Wie umfassend der Gesetzgeber von abhängiger Beschäftigung selbst bei Organen von Kapitalgesellschaften ausgeht, zeigt sich im Übrigen daran, dass die Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung (§§ 1 Satz 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch) ausdrücklich geregelt wurde.

Vor diesem Hintergrund wäre der Beigeladene zu 1 selbst dann als abhängig Beschäftigter anzusehen, wenn er Minderheitengesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin wäre. Dass er mit seinem Sohn zusammen missliebige Entscheidung verhindern könnte, spielt rechtlich keine Rolle.

Auch die nunmehr vorgelegte Stimmrechtsvereinbarung vermag nichts an dem Beschäftigtenstatus des Beigeladenen zu 1 zu ändern. Diese ist unbeachtlich, weil sie jederzeit widerruflich ist und nur das Innenverhältnis zwischen ihm und seinem Sohn betrifft. Einen entsprechenden Grundsatz hat das BSG in der Entscheidung vom 18. Dezember 2001 (B 12 KR 10/01 R, Breith 2002, 474) bekräftigt.

Das zuvor Gesagte gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Beigeladene zu 1 seit Beginn des der Beurteilung unterliegenden Zeitraums am 1. Januar 2009 nicht mehr Geschäftsführer und damit – ggf. haftendes – Organ der Klägerin, sondern "nur noch" Prokurist ist. Diesem sind bestimmte Rechtshandlungen für die Klägerin – deren höchstpersönliche Geschäfte wie Stellung eines Insolvenzantrags, Erteilung einer Prokura, Unterzeichnung des Jahresabschlusses oder der Steuererklärung, Veräußerung und Belastung von Grundstücken, Anträge auf Handelsregistereintragungen – per se nicht möglich, und er unterliegt den Weisungen der Geschäftsführer, die ihm jederzeit die Prokura entziehen oder ihn entlassen könnten. Im Übrigen agiert der Beigeladene zu 1 tatsächlich im Alltag weisungsfrei "lediglich" in seinem Zuständigkeitsbereich und damit nur in einem Teil des Unternehmens (s. auch zu diesem Aspekt: BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R, aaO, Rn. 23 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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