Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 11 R 714/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 51/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. März 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Mai 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist im Überprüfungsverfahren die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs-minderung.
Die am xxxxx 1958 geborene Klägerin, die den Beruf einer Hauswirtschafterin erlernt hat und ab 1977 bis zum 4. Mai 1998 als Pflegehelferin beschäftigt, danach arbeits¬unfähig erkrankt bzw. arbeitslos war, beantragte erstmalig im Mai 2001 unter Hinweis auf ein erloschenes Leistungsvermögen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs¬minderung. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 15. November 2001 und Widerspruchsbescheid vom 21. März 2002 ab, weil die Versicherte auch unter Berück-sichtigung einer generalisierten Angststörung, einer Persönlichkeitsstörung, eines Diabetes mellitus und einer Adipositas per magna noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr und ohne besonders engen Kontakt zu Menschen regel¬mäßig ganztägig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Auf die hiergegen fristgerecht erhobene Klage (Sozialgericht Hamburg S 39 RJ 427/02) ist die Klägerin auf Veranlassung des Gerichts durch die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, Sozialmedizin Dr. B. untersucht und schriftlich begutachtet worden. Diese gelangte zu der Einschätzung, dass das Leistungsvermögen der Klägerin unter anderem aufgrund einer generalisierten Angststörung zwar nicht aufgehoben sei, diese wegen erhöhter Erschöpfbarkeit aber seit Mai 1998 Tätigkeiten nur noch drei bis weniger als sechs Stunden täglich verrichten könne. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass in dem danach für die Beurteilung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen maßgeblichen Zeitraum vom Mai 1993 bis Mai 1998 nur 13 anstelle von 36 Monaten Pflichtbeiträge vorhanden seien, nahm die Klägerin die Klage gegen den ablehnenden Rentenbescheid zurück.
Aus einem von der Deutschen Rentenversicherung Nord veranlassten Heilverfahren in der C.-Klinik M. wurde die Klägerin am 24. Juli 2008 mit den Diagnosen einer generalisierten Angststörung, einer Adipositas Grad 3, eines Diabetes mellitus, eines Bluthochdrucks und eines Lymphödems der Beine als nicht arbeitsfähig und nur noch leistungs¬fähig für leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglich entlassen. Ihr Bewegungs¬radius sei aufgrund ihrer Angsterkrankung stark eingeschränkt. Als Anforderung erlebte Aufgaben führten zu massiven körperlichen Symptomen wie Schwitzen, Atemnot, Herz¬rasen und Schwindelgefühl. Es werde eine Berentung empfohlen.
Daraufhin beantragte sie erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. September 2008 mit dem erneuten Hinweis auf das Fehlen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe volle Erwerbsminderung seit dem 31. Mai 1998. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass volle Erwerbsminderung erst seit dem Ende des Kuraufenthalts in Malente bestehe. Zuvor habe sie ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen besessen, was ihr auch mehrfach bescheinigt worden sei, so dass sich ein neuer Leistungsfall der nunmehr vollen Erwerbsminderung ergebe. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Bescheid vom 10. August 2009 zurück. Es sei kein neuer Leistungsfall aufgrund des nunmehr vollständig aufgehobenen Leistungsvermögens eingetreten, weil die Widersprechende zwar mit ihrem Leistungsvermögen nur teilweise erwerbsgemindert sei, jedoch bereits seit dem 31. Mai 1998 mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts volle Erwerbsminderung vorliege, denn sie habe keinen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz inne und der Teilzeitarbeitsmarkt sei ihr verschlossen. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass zwischenzeitlich ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen bestanden habe.
Unter dem 23. Dezember 2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung der Beklagten vom 22. September 2008 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Im Rahmen der Entscheidung seien Rechtsvorschriften unzutreffend ausgelegt worden. Der Sachverhalt und die der Entscheidung zugrunde liegenden medizinischen Feststellungen würden hingegen nicht bestritten. Hiernach habe vom 31. Mai 1998 bis zum Juli 2008 ein drei bis unter sechsstündiges Restleistungsvermögen und ab Juli 2008 ein aufgehobenes Leistungsvermögen bestanden. Wenn das Bundessozialgericht entschieden habe, dass für einen Versicherten, der nur noch ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen aufweist, der Arbeitsmarkt als verschlossen zu gelten hat, dann bedeute dies nicht, dass auch dieser Versicherte als voll erwerbsgemindert zu gelten habe. Die Verhältnisse des Arbeitsmarktes bzw. Teilzeitarbeitsmarktes lägen nämlich außerhalb der Sphäre des Versicherten und hätten auf dessen Gesundheitszustand und das daraus abzuleitende Restleistungsvermögen keinen Einfluss. Bei genauer Betrachtung ergebe sich, dass teilweise erwerbsgeminderten Versicherten bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts keine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt werde, sondern lediglich eine solche wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes. Hieraus folge, dass ihr nach dem Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung im Juli 2008 mit Blick auf die zwischen¬zeitlich zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten nunmehr eine Rente zu gewähren sei.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 und Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 lehnte die Beklage auch diesen Antrag ab. Bei der nach der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts erforderlichen konkreten Betrachtungsweise habe bereits im Mai 1998 wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes volle Erwerbsminderung vorgelegen.
Mit der daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat die Versicherte ihr Begehren unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens weiterverfolgt. Es sei von zwei Leistungs¬fällen, demjenigen der teilweisen Erwerbsminderung einerseits und demjenigen der vollen Erwerbsminderung andererseits auszugehen. Letzterer sei erst im Juli 2008 eingetreten. Wegen der mittlerweile zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten seien hierfür die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Beklagte ist dem Begehren unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass ein neuer Leistungsfall nicht begründet werden könne. Denn die Versicherte hätte bei Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sogleich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalten können. Diese volle Erwerbsminderung sei auch weiterhin zugrunde zu legen.
Durch Urteil vom 22. März 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einem Leistungsfall vom 24. Juli 2008 ab 1. Februar 2009 bis 28. Februar 2014 zu gewähren. Der Bescheid vom 22. September 2008 sei rechtswidrig und deshalb nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen, weil er unzutreffend davon ausgehe, dass im Juli 2008 kein neuer Leistungsfall eingetreten sei. Während nämlich die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) den vollständigen Verlust der Erwerbsfähigkeit ausgleichen solle, ermögliche die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung lediglich den Ausgleich im Rahmen eines nicht vollständigen Verlustes. Hiermit in Übereinstimmung sehe das zeitgleich mit dieser Regelung eingeführte Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vor, dass Arbeitnehmer die Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen können. Dementsprechend seien die bisherigen, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien des "voll- und halbschichtigen Leistungsvermögens" in § 43 SGB VI durch konkrete, gesetzlich geregelte zeitliche Vorgaben ersetzt worden. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin zunächst ihr aus medizinischer Sicht noch gegebenes Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzusetzen gehabt. Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts ergebe, dass bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ein Anspruch auf eine volle Rente bestehe, handele es sich um einen bloßen Zahlungsanspruch, welcher nicht mit einem vollständig aufgehobenen Leistungsvermögen gleichzusetzen sei. Wenn sich die Beklagte für ihre Auffassung auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2010 – L 21 R 1203/07 – beziehe, so könne dem nicht gefolgt werden, weil diese zu Unrecht auf den Begriff des Versicherungsfalls abstelle, welcher auch beinhalte, dass ein Teilzeitarbeitsplatz nicht zur Verfügung steht. Auf die der Beklagten am 18. April 2012 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Mit ihrer am 26. April 2012 eingelegten Berufung trägt die Beklagte vor, das Sozialgericht habe verkannt, dass die unterschiedliche Behandlung der Rente wegen teilweiser und wegen voller Erwerbsminderung nur zum Tragen komme, wenn der Versicherte einen Teilzeitarbeitsplatz innehabe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, weshalb bei der Klägerin seit Mai 1998 volle bzw. teilweise Erwerbsminderung bestehe. Wenn das Sozialgericht auf Seite acht des Entscheidungsabdrucks ausführe, es bestünden nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht konkretere Regeln für ein volles bzw. ein halbschichtiges Leistungsvermögen, § 43 SGB VI stelle nunmehr einen Bezug zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes her, während nach früherem Recht der bisherige Beruf für die Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten ma߬gebend gewesen sei, so sei nicht ersichtlich, welche konkreteren Regeln denn nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht bestehen. Das Sozialgericht vermenge zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte, nämlich die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, welche sich aus § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung ergeben habe, und die Rente wegen Berufsunfähigkeit, welche sich aus § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung des Gesetzes ergeben habe, miteinander. Während im neuen Recht die Rente wegen Erwerbsminderung in § 43 SGB VI geregelt worden sei, sei § 44 SGB VI alter Fassung gestrichen worden. Der erreichte berufliche Status spiele nunmehr mit Ausnahme der aus Vertrauensschutzgründen geschaffenen Regelung des § 240 SGB VI keine Rolle mehr. Hiervon ausgehend gebe es nur einen Versicherungsfall der Erwerbsminderung. Dies ergebe sich schon aus dem ersten Leitsatz der Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 1976, wenn es dort heiße "oder erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung ist". Auch habe das Bundessozialgericht bereits in den Beschlüssen des Großen Senats vom 11. Dezember 1969 ausgeführt, es sei Sinn und Zweck der Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, durch Krankheit oder Gebrechen ausgefallenes Erwerbseinkommen zu ersetzen. Demgemäß komme es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit nicht nur auf die Frage an, ob der Versicherte gesundheitlich noch bestimmte Tätigkeiten verrichten könne, es sei vielmehr auch erheblich, ob solche Tätigkeiten die Möglichkeit böten, durch ihre Verrichtung Erwerbseinkommen zu erzielen. Deshalb könne die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht nach Tätigkeiten beurteilt werden, die ihm kein Erwerbseinkommen verschaffen könnten. Die Fähigkeit zum Erwerb und die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, seien nicht gegeben, wenn der Versicherte auf Tätigkeiten verwiesen würde, für die es keine oder nur wenige Arbeitsplätze gibt, der Arbeitsmarkt also praktisch verschlossen ist, so dass der Versicherte nicht damit rechnen könne, einmal einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Es sei nach allem für die Beurteilung, ob ein Versicherter berufs-oder erwerbsunfähig im Sinne der §§ 1246 Abs. 2 und 1247 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung ist, relevant, dass Arbeitsplätze, auf denen tätig zu sein ihm zuzumuten ist und die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, vorhanden seien. Mit diesen Ausführungen des Bundessozialgerichts sei die Ansicht des Sozialgerichts Hamburg widerlegt, wonach lediglich ein Zahlungsanspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe, aber der Leistungsfall der vollen Erwerbs-minderung nicht eingetreten sei. Es sei deshalb den Ausführungen in dem auch vom Sozialgericht erwähnten Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2010 zu folgen, wonach bei der Bestimmung des Leistungsfalles nicht nur auf den medizinischen Sachverhalt abzustellen ist. Die so genannte konkrete Betrachtungsweise, welche sich aus dem Beschluss des Großen Senats vom 10. Dezember 1976 ergebe, sei auf das seit dem 1. Januar 2001 geltende Recht der Rente wegen Erwerbsminderung übertragen worden. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 SGB VI, wo geregelt sei, dass bei Versicherten, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könnten, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Hieraus sei zu entnehmen, dass der Arbeitsmarktlage dann Bedeutung zukomme, wenn das zeitliche Leistungsvermögen die Grenze von sechs Stunden täglich unterschreite. Da unter drei Stunden täglich erwerbsfähige Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI bereits ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen voll erwerbsgemindert seien, komme die Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage nur bei Versicherten mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden täglich in Betracht. Wäre die Lage auf dem Teilzeitarbeitsmarkt im Recht der Erwerbsminderungsrente nicht relevant, würde es zudem der Bestimmung des § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht bedurft haben, wo geregelt sei, dass von der Arbeitsmarktlage unabhängige Renten bei einem medizinischen Dauerzustand unbefristet geleistet würden. Auch der amtlichen Begründung zum Erwerbsminderungs¬renten¬¬reformgesetz sei die Fortführung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Teilzeitarbeitsmarkt ausdrücklich zu entnehmen. In der Bundestagsdrucksache 14/4230 auf Seite 25 heiße es nämlich, die konkrete Betrachtungsweise werde wegen der ungünstigen Arbeitsmarkt-situation beibehalten. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente werde nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (so genannte abstrakte Betrachtungsweise) sondern auch davon, ob der Versicherte noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarkts die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Für die Annahme eines einheitlichen Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung spreche auch § 33 SGB VI. Auch dieser nehme eine Unterscheidung nach dem Grund der vollen Erwerbsminderung (verschlossener Teilzeitarbeitsmarkt oder ausschließlich medizinische Gründe) nicht vor. Schließlich gehe auch das Bundessozialgericht von einem einheitlichen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit aus. Denn es vertrete die Auffassung, dass kein neuer Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eintreten könne, solange eine einmal eingetretene Erwerbsunfähigkeit fortbestehe (Urteil vom 26. Juni 1990 – 5 RJ 62/89). Weiter führe es aus, dass es keine zwei verschiedenen Versicherungsfälle gebe, wenn an eine Erwerbsunfähigkeitszeitrente einer Erwerbsunfähigkeitsdauerrente anschließe, weil es nur ein Stammrecht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gebe (Urteil vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 9/01 R). Nach allem gebe es nur einen einzigen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung, und zwar unabhängig davon, ob er auf medizinischen Gründen beruhe oder arbeitsmarktbedingt eingetreten sei. Solange eine einmal eingetretene volle Erwerbsminderung fortbestehe, könne kein neuer Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung eintreten. Nach allem könne das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. März 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Mai 2012 aufzu-heben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sei fest davon überzeugt, dass ihr ein Rentenanspruch erwachsen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist auch begründet. Der Bescheid vom 22. September 2008 entspricht der Rechtslage und die Beklagte musste ihn auf den Überprüfungsantrag der Klägerin nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurücknehmen. Hiervon ausgehend ist der Bescheid vom 11. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach § 43 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise (Abs. 1) oder voll (Abs. 2) erwerbsgemindert sind. Der Versicherungsfall der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (wegen der unterschiedlichen Versicherungsfälle "Renten" der Gesetzlichen Rentenversicherung vgl. § 33 SGB VI) sichert Versicherten der Gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regelaltersrente einen Ausgleich wirtschaftlicher Einbußen, wenn sie wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht am Erwerbsleben teilnehmen können. Hierfür müssen sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben. Der in § 43 SGB VI geregelte Versicherungsfall der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kennt zwei unterschiedliche Leistungsfälle im Sinne von § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I). Renten wegen Erwerbsminderung werden (in unterschiedlicher Höhe) geleistet, wenn die in § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (Absinken des Leistungsvermögens auf drei bis unter sechs Stunden täglich) oder § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (Absinken des Leistungsvermögens auf unter drei Stunden täglich) bestimmten Leistungsvoraussetzungen vorliegen.
Die Klägerin hat einen solchen Anspruch nicht. Denn ihr Versicherungskonto weist innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung auf.
Zu Recht hat die Beklagte für die Ermittlung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in dem Bescheid vom 22. September 2008 auf den 31. Mai 1998 als maßgeblichen Zeitpunkt für den Eintritt der vollen Erwerbsminderung abgestellt. Denn die Klägerin war bereits seit Mai 1998 erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (§ 44 SGB VI a.F.). Bereits zu diesem Zeitpunkt war – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – ihr Leistungsvermögen auf ein Maß abgesunken, welches ihr nur noch ermöglichte, auf dem Teilzeitarbeitsmarkt tätig zu sein. Trotz dieses mit Blick auf die medizinischen Feststellungen erhaltenen Restleistungsvermögens war die Klägerin bei Anwendung des seinerzeit geltenden Rechts aber bereits erwerbsunfähig. Aus der Sicht des neuen Rechts war sie bereits voll erwerbsgemindert nach Maßgabe von § 43 Abs. 2 SGB VI. Denn ihr war es damals und es ist ihr heute nicht möglich, das ihr verbliebene Restleistungsvermögen auf dem Arbeitsmarkt einzusetzen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 1969 – GS 4/69 – sowie Beschluss vom 10. Dezember 1976 – GS 2 – 4/75 und – GS 3/76 – jeweils noch zu den Ansprüchen nach der Reichsversicherungsordnung) war nämlich stets auch dann von Erwerbsunfähigkeit des Versicherten auszugehen, wenn dieser zwar noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bis unter acht Stun-den täglich erwerbstätig sein konnte, er jedoch keinen entsprechenden Arbeitsplatz innehatte und ihm der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen war. Eine Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes lag vor, wenn weder der Rentenversicherungsträger noch die zuständige Arbeitsagentur dem Versicherten innerhalb eines Jahres einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten konnten. Angesichts der Arbeitsmarktlage war in der Regel ohne weitere Ermittlungen davon auszugehen, dass die Vermittlung eines in seinem Leistungsvermögen auch quantitativ eingeschränkten Versicherten nicht innerhalb der Jahresfrist möglich ist, sodass der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit regelmäßig bereits mit dem Absinken des Leistungsvermögens auf unter acht Stunden täglich (untervollschichtig) angenommen wurde (vgl. hierzu für den zeitlichen Geltungsbereich des § 44 SGB VI a.F. bis 31. Dezember 2000 Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd.1, Stand Januar 2002, § 43 Rdnr. 31 m.w.N. aus der Rspr.). Diese so genannte konkrete Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber unter Geltung des neuen Erwerbsminderungsrentenrechts uneingeschränkt beibehalten. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wird nach wie vor nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (sog. abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob er noch in der Lage ist, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Versicherte, die noch mindestens drei, aber nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten, das verbliebene Restleistungsvermögen wegen Arbeitslosigkeit aber nicht in Erwerbseinkommen umsetzen können, erhalten weiterhin eine volle Erwerbsminderungsrente (vgl. die amtliche Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, BT-Drucksache 14/4230, Seite 25; Jörg in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl., § 43 Rdnr. 4, 27 f.).
Bei Eintritt des Versicherungsfalls im Jahre 1998 war ohne einen Nachweis konkreter Vermittlungsbemühungen zur Prüfung der Arbeitsmarksituation davon auszugehen, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen war. Bestätigt wird die Richtigkeit dieser Einschätzung durch die Arbeitslosigkeit der Klägerin. Diese hatte damit – vorbehaltlich der Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen – einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. und nicht nur – wie das Sozialgericht meint – einen Zahlungsanspruch in Höhe einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Damit war der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bereits im Mai 1998 eingetreten. Von diesem Zeitpunkt ist in gleicher Weise für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 SGB VI auszugehen. Denn durch das Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung wird kein neuer Versicherungsfall begründet. Vielmehr beschreiben § 44 SGB VI a.F. und § 43 Abs. 2 SGB VI denselben Versicherungsfall (vgl. BSG v. 14. Augst 2003 – B 13 RJ 4/03 R).
An dieser Situation konnte die aufgrund Verschlimmerung der Erkrankung eingetretene weitere Verminderung des Restleistungsvermögens im Juli 2008 nichts mehr ändern. Es entspricht dem Grundgedanken des Versicherungsprinzips, dass die erforderliche Vorversicherungszeit vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegt werden muss, so dass nur dasjenige Risiko versichert ist, welches sich nach Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen verwirklicht hat (vgl. BSG vom 14. August 2003 – B 14 RJ 4/03 R – Rn. 24). Da der Versicherungsfall sowohl nach altem als auch nach neuem Recht bereits eingetreten war, konnte durch die Veränderung der gesundheitlichen Situation weder ein neuer Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit noch konnte ein weiterer Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung eintreten. Vielmehr hat sich hierdurch nur der rechtliche Hintergrund der der Klägerin – vorbehaltlich der Erfüllung der besonderen rechtlichen Voraussetzungen – zu gewährenden Rente verändert (ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 10. Juni 2010 – L 21 R 1203/07 – Rn. 36).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist im Überprüfungsverfahren die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs-minderung.
Die am xxxxx 1958 geborene Klägerin, die den Beruf einer Hauswirtschafterin erlernt hat und ab 1977 bis zum 4. Mai 1998 als Pflegehelferin beschäftigt, danach arbeits¬unfähig erkrankt bzw. arbeitslos war, beantragte erstmalig im Mai 2001 unter Hinweis auf ein erloschenes Leistungsvermögen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs¬minderung. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 15. November 2001 und Widerspruchsbescheid vom 21. März 2002 ab, weil die Versicherte auch unter Berück-sichtigung einer generalisierten Angststörung, einer Persönlichkeitsstörung, eines Diabetes mellitus und einer Adipositas per magna noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr und ohne besonders engen Kontakt zu Menschen regel¬mäßig ganztägig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Auf die hiergegen fristgerecht erhobene Klage (Sozialgericht Hamburg S 39 RJ 427/02) ist die Klägerin auf Veranlassung des Gerichts durch die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, Sozialmedizin Dr. B. untersucht und schriftlich begutachtet worden. Diese gelangte zu der Einschätzung, dass das Leistungsvermögen der Klägerin unter anderem aufgrund einer generalisierten Angststörung zwar nicht aufgehoben sei, diese wegen erhöhter Erschöpfbarkeit aber seit Mai 1998 Tätigkeiten nur noch drei bis weniger als sechs Stunden täglich verrichten könne. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass in dem danach für die Beurteilung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen maßgeblichen Zeitraum vom Mai 1993 bis Mai 1998 nur 13 anstelle von 36 Monaten Pflichtbeiträge vorhanden seien, nahm die Klägerin die Klage gegen den ablehnenden Rentenbescheid zurück.
Aus einem von der Deutschen Rentenversicherung Nord veranlassten Heilverfahren in der C.-Klinik M. wurde die Klägerin am 24. Juli 2008 mit den Diagnosen einer generalisierten Angststörung, einer Adipositas Grad 3, eines Diabetes mellitus, eines Bluthochdrucks und eines Lymphödems der Beine als nicht arbeitsfähig und nur noch leistungs¬fähig für leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglich entlassen. Ihr Bewegungs¬radius sei aufgrund ihrer Angsterkrankung stark eingeschränkt. Als Anforderung erlebte Aufgaben führten zu massiven körperlichen Symptomen wie Schwitzen, Atemnot, Herz¬rasen und Schwindelgefühl. Es werde eine Berentung empfohlen.
Daraufhin beantragte sie erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. September 2008 mit dem erneuten Hinweis auf das Fehlen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe volle Erwerbsminderung seit dem 31. Mai 1998. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass volle Erwerbsminderung erst seit dem Ende des Kuraufenthalts in Malente bestehe. Zuvor habe sie ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen besessen, was ihr auch mehrfach bescheinigt worden sei, so dass sich ein neuer Leistungsfall der nunmehr vollen Erwerbsminderung ergebe. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Bescheid vom 10. August 2009 zurück. Es sei kein neuer Leistungsfall aufgrund des nunmehr vollständig aufgehobenen Leistungsvermögens eingetreten, weil die Widersprechende zwar mit ihrem Leistungsvermögen nur teilweise erwerbsgemindert sei, jedoch bereits seit dem 31. Mai 1998 mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts volle Erwerbsminderung vorliege, denn sie habe keinen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz inne und der Teilzeitarbeitsmarkt sei ihr verschlossen. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass zwischenzeitlich ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen bestanden habe.
Unter dem 23. Dezember 2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung der Beklagten vom 22. September 2008 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Im Rahmen der Entscheidung seien Rechtsvorschriften unzutreffend ausgelegt worden. Der Sachverhalt und die der Entscheidung zugrunde liegenden medizinischen Feststellungen würden hingegen nicht bestritten. Hiernach habe vom 31. Mai 1998 bis zum Juli 2008 ein drei bis unter sechsstündiges Restleistungsvermögen und ab Juli 2008 ein aufgehobenes Leistungsvermögen bestanden. Wenn das Bundessozialgericht entschieden habe, dass für einen Versicherten, der nur noch ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen aufweist, der Arbeitsmarkt als verschlossen zu gelten hat, dann bedeute dies nicht, dass auch dieser Versicherte als voll erwerbsgemindert zu gelten habe. Die Verhältnisse des Arbeitsmarktes bzw. Teilzeitarbeitsmarktes lägen nämlich außerhalb der Sphäre des Versicherten und hätten auf dessen Gesundheitszustand und das daraus abzuleitende Restleistungsvermögen keinen Einfluss. Bei genauer Betrachtung ergebe sich, dass teilweise erwerbsgeminderten Versicherten bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts keine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt werde, sondern lediglich eine solche wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes. Hieraus folge, dass ihr nach dem Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung im Juli 2008 mit Blick auf die zwischen¬zeitlich zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten nunmehr eine Rente zu gewähren sei.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 und Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 lehnte die Beklage auch diesen Antrag ab. Bei der nach der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts erforderlichen konkreten Betrachtungsweise habe bereits im Mai 1998 wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes volle Erwerbsminderung vorgelegen.
Mit der daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat die Versicherte ihr Begehren unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens weiterverfolgt. Es sei von zwei Leistungs¬fällen, demjenigen der teilweisen Erwerbsminderung einerseits und demjenigen der vollen Erwerbsminderung andererseits auszugehen. Letzterer sei erst im Juli 2008 eingetreten. Wegen der mittlerweile zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten seien hierfür die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Beklagte ist dem Begehren unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass ein neuer Leistungsfall nicht begründet werden könne. Denn die Versicherte hätte bei Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sogleich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalten können. Diese volle Erwerbsminderung sei auch weiterhin zugrunde zu legen.
Durch Urteil vom 22. März 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Mai 2012 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einem Leistungsfall vom 24. Juli 2008 ab 1. Februar 2009 bis 28. Februar 2014 zu gewähren. Der Bescheid vom 22. September 2008 sei rechtswidrig und deshalb nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen, weil er unzutreffend davon ausgehe, dass im Juli 2008 kein neuer Leistungsfall eingetreten sei. Während nämlich die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) den vollständigen Verlust der Erwerbsfähigkeit ausgleichen solle, ermögliche die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung lediglich den Ausgleich im Rahmen eines nicht vollständigen Verlustes. Hiermit in Übereinstimmung sehe das zeitgleich mit dieser Regelung eingeführte Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vor, dass Arbeitnehmer die Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen können. Dementsprechend seien die bisherigen, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien des "voll- und halbschichtigen Leistungsvermögens" in § 43 SGB VI durch konkrete, gesetzlich geregelte zeitliche Vorgaben ersetzt worden. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin zunächst ihr aus medizinischer Sicht noch gegebenes Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzusetzen gehabt. Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundes-sozialgerichts ergebe, dass bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ein Anspruch auf eine volle Rente bestehe, handele es sich um einen bloßen Zahlungsanspruch, welcher nicht mit einem vollständig aufgehobenen Leistungsvermögen gleichzusetzen sei. Wenn sich die Beklagte für ihre Auffassung auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2010 – L 21 R 1203/07 – beziehe, so könne dem nicht gefolgt werden, weil diese zu Unrecht auf den Begriff des Versicherungsfalls abstelle, welcher auch beinhalte, dass ein Teilzeitarbeitsplatz nicht zur Verfügung steht. Auf die der Beklagten am 18. April 2012 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Mit ihrer am 26. April 2012 eingelegten Berufung trägt die Beklagte vor, das Sozialgericht habe verkannt, dass die unterschiedliche Behandlung der Rente wegen teilweiser und wegen voller Erwerbsminderung nur zum Tragen komme, wenn der Versicherte einen Teilzeitarbeitsplatz innehabe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, weshalb bei der Klägerin seit Mai 1998 volle bzw. teilweise Erwerbsminderung bestehe. Wenn das Sozialgericht auf Seite acht des Entscheidungsabdrucks ausführe, es bestünden nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht konkretere Regeln für ein volles bzw. ein halbschichtiges Leistungsvermögen, § 43 SGB VI stelle nunmehr einen Bezug zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes her, während nach früherem Recht der bisherige Beruf für die Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten ma߬gebend gewesen sei, so sei nicht ersichtlich, welche konkreteren Regeln denn nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht bestehen. Das Sozialgericht vermenge zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte, nämlich die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, welche sich aus § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung ergeben habe, und die Rente wegen Berufsunfähigkeit, welche sich aus § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung des Gesetzes ergeben habe, miteinander. Während im neuen Recht die Rente wegen Erwerbsminderung in § 43 SGB VI geregelt worden sei, sei § 44 SGB VI alter Fassung gestrichen worden. Der erreichte berufliche Status spiele nunmehr mit Ausnahme der aus Vertrauensschutzgründen geschaffenen Regelung des § 240 SGB VI keine Rolle mehr. Hiervon ausgehend gebe es nur einen Versicherungsfall der Erwerbsminderung. Dies ergebe sich schon aus dem ersten Leitsatz der Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 1976, wenn es dort heiße "oder erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung ist". Auch habe das Bundessozialgericht bereits in den Beschlüssen des Großen Senats vom 11. Dezember 1969 ausgeführt, es sei Sinn und Zweck der Renten wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, durch Krankheit oder Gebrechen ausgefallenes Erwerbseinkommen zu ersetzen. Demgemäß komme es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit nicht nur auf die Frage an, ob der Versicherte gesundheitlich noch bestimmte Tätigkeiten verrichten könne, es sei vielmehr auch erheblich, ob solche Tätigkeiten die Möglichkeit böten, durch ihre Verrichtung Erwerbseinkommen zu erzielen. Deshalb könne die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht nach Tätigkeiten beurteilt werden, die ihm kein Erwerbseinkommen verschaffen könnten. Die Fähigkeit zum Erwerb und die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, seien nicht gegeben, wenn der Versicherte auf Tätigkeiten verwiesen würde, für die es keine oder nur wenige Arbeitsplätze gibt, der Arbeitsmarkt also praktisch verschlossen ist, so dass der Versicherte nicht damit rechnen könne, einmal einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Es sei nach allem für die Beurteilung, ob ein Versicherter berufs-oder erwerbsunfähig im Sinne der §§ 1246 Abs. 2 und 1247 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung ist, relevant, dass Arbeitsplätze, auf denen tätig zu sein ihm zuzumuten ist und die er mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann, vorhanden seien. Mit diesen Ausführungen des Bundessozialgerichts sei die Ansicht des Sozialgerichts Hamburg widerlegt, wonach lediglich ein Zahlungsanspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe, aber der Leistungsfall der vollen Erwerbs-minderung nicht eingetreten sei. Es sei deshalb den Ausführungen in dem auch vom Sozialgericht erwähnten Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10. Juni 2010 zu folgen, wonach bei der Bestimmung des Leistungsfalles nicht nur auf den medizinischen Sachverhalt abzustellen ist. Die so genannte konkrete Betrachtungsweise, welche sich aus dem Beschluss des Großen Senats vom 10. Dezember 1976 ergebe, sei auf das seit dem 1. Januar 2001 geltende Recht der Rente wegen Erwerbsminderung übertragen worden. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 SGB VI, wo geregelt sei, dass bei Versicherten, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könnten, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Hieraus sei zu entnehmen, dass der Arbeitsmarktlage dann Bedeutung zukomme, wenn das zeitliche Leistungsvermögen die Grenze von sechs Stunden täglich unterschreite. Da unter drei Stunden täglich erwerbsfähige Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI bereits ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen voll erwerbsgemindert seien, komme die Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage nur bei Versicherten mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von drei bis unter sechs Stunden täglich in Betracht. Wäre die Lage auf dem Teilzeitarbeitsmarkt im Recht der Erwerbsminderungsrente nicht relevant, würde es zudem der Bestimmung des § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht bedurft haben, wo geregelt sei, dass von der Arbeitsmarktlage unabhängige Renten bei einem medizinischen Dauerzustand unbefristet geleistet würden. Auch der amtlichen Begründung zum Erwerbsminderungs¬renten¬¬reformgesetz sei die Fortführung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Teilzeitarbeitsmarkt ausdrücklich zu entnehmen. In der Bundestagsdrucksache 14/4230 auf Seite 25 heiße es nämlich, die konkrete Betrachtungsweise werde wegen der ungünstigen Arbeitsmarkt-situation beibehalten. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente werde nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (so genannte abstrakte Betrachtungsweise) sondern auch davon, ob der Versicherte noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarkts die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Für die Annahme eines einheitlichen Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung spreche auch § 33 SGB VI. Auch dieser nehme eine Unterscheidung nach dem Grund der vollen Erwerbsminderung (verschlossener Teilzeitarbeitsmarkt oder ausschließlich medizinische Gründe) nicht vor. Schließlich gehe auch das Bundessozialgericht von einem einheitlichen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit aus. Denn es vertrete die Auffassung, dass kein neuer Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eintreten könne, solange eine einmal eingetretene Erwerbsunfähigkeit fortbestehe (Urteil vom 26. Juni 1990 – 5 RJ 62/89). Weiter führe es aus, dass es keine zwei verschiedenen Versicherungsfälle gebe, wenn an eine Erwerbsunfähigkeitszeitrente einer Erwerbsunfähigkeitsdauerrente anschließe, weil es nur ein Stammrecht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gebe (Urteil vom 31. Oktober 2002 – B 4 RA 9/01 R). Nach allem gebe es nur einen einzigen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung, und zwar unabhängig davon, ob er auf medizinischen Gründen beruhe oder arbeitsmarktbedingt eingetreten sei. Solange eine einmal eingetretene volle Erwerbsminderung fortbestehe, könne kein neuer Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung eintreten. Nach allem könne das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. März 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Mai 2012 aufzu-heben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sei fest davon überzeugt, dass ihr ein Rentenanspruch erwachsen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist auch begründet. Der Bescheid vom 22. September 2008 entspricht der Rechtslage und die Beklagte musste ihn auf den Überprüfungsantrag der Klägerin nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurücknehmen. Hiervon ausgehend ist der Bescheid vom 11. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 ebenfalls nicht zu beanstanden.
Nach § 43 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise (Abs. 1) oder voll (Abs. 2) erwerbsgemindert sind. Der Versicherungsfall der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (wegen der unterschiedlichen Versicherungsfälle "Renten" der Gesetzlichen Rentenversicherung vgl. § 33 SGB VI) sichert Versicherten der Gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regelaltersrente einen Ausgleich wirtschaftlicher Einbußen, wenn sie wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht am Erwerbsleben teilnehmen können. Hierfür müssen sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben. Der in § 43 SGB VI geregelte Versicherungsfall der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kennt zwei unterschiedliche Leistungsfälle im Sinne von § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I). Renten wegen Erwerbsminderung werden (in unterschiedlicher Höhe) geleistet, wenn die in § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (Absinken des Leistungsvermögens auf drei bis unter sechs Stunden täglich) oder § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (Absinken des Leistungsvermögens auf unter drei Stunden täglich) bestimmten Leistungsvoraussetzungen vorliegen.
Die Klägerin hat einen solchen Anspruch nicht. Denn ihr Versicherungskonto weist innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung auf.
Zu Recht hat die Beklagte für die Ermittlung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in dem Bescheid vom 22. September 2008 auf den 31. Mai 1998 als maßgeblichen Zeitpunkt für den Eintritt der vollen Erwerbsminderung abgestellt. Denn die Klägerin war bereits seit Mai 1998 erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (§ 44 SGB VI a.F.). Bereits zu diesem Zeitpunkt war – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – ihr Leistungsvermögen auf ein Maß abgesunken, welches ihr nur noch ermöglichte, auf dem Teilzeitarbeitsmarkt tätig zu sein. Trotz dieses mit Blick auf die medizinischen Feststellungen erhaltenen Restleistungsvermögens war die Klägerin bei Anwendung des seinerzeit geltenden Rechts aber bereits erwerbsunfähig. Aus der Sicht des neuen Rechts war sie bereits voll erwerbsgemindert nach Maßgabe von § 43 Abs. 2 SGB VI. Denn ihr war es damals und es ist ihr heute nicht möglich, das ihr verbliebene Restleistungsvermögen auf dem Arbeitsmarkt einzusetzen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 1969 – GS 4/69 – sowie Beschluss vom 10. Dezember 1976 – GS 2 – 4/75 und – GS 3/76 – jeweils noch zu den Ansprüchen nach der Reichsversicherungsordnung) war nämlich stets auch dann von Erwerbsunfähigkeit des Versicherten auszugehen, wenn dieser zwar noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes bis unter acht Stun-den täglich erwerbstätig sein konnte, er jedoch keinen entsprechenden Arbeitsplatz innehatte und ihm der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen war. Eine Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes lag vor, wenn weder der Rentenversicherungsträger noch die zuständige Arbeitsagentur dem Versicherten innerhalb eines Jahres einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten konnten. Angesichts der Arbeitsmarktlage war in der Regel ohne weitere Ermittlungen davon auszugehen, dass die Vermittlung eines in seinem Leistungsvermögen auch quantitativ eingeschränkten Versicherten nicht innerhalb der Jahresfrist möglich ist, sodass der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit regelmäßig bereits mit dem Absinken des Leistungsvermögens auf unter acht Stunden täglich (untervollschichtig) angenommen wurde (vgl. hierzu für den zeitlichen Geltungsbereich des § 44 SGB VI a.F. bis 31. Dezember 2000 Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd.1, Stand Januar 2002, § 43 Rdnr. 31 m.w.N. aus der Rspr.). Diese so genannte konkrete Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber unter Geltung des neuen Erwerbsminderungsrentenrechts uneingeschränkt beibehalten. Der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente wird nach wie vor nicht allein vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht (sog. abstrakte Betrachtungsweise), sondern auch davon, ob er noch in der Lage ist, bei der konkreten Situation des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes die ihm verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Versicherte, die noch mindestens drei, aber nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten, das verbliebene Restleistungsvermögen wegen Arbeitslosigkeit aber nicht in Erwerbseinkommen umsetzen können, erhalten weiterhin eine volle Erwerbsminderungsrente (vgl. die amtliche Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, BT-Drucksache 14/4230, Seite 25; Jörg in: Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl., § 43 Rdnr. 4, 27 f.).
Bei Eintritt des Versicherungsfalls im Jahre 1998 war ohne einen Nachweis konkreter Vermittlungsbemühungen zur Prüfung der Arbeitsmarksituation davon auszugehen, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen war. Bestätigt wird die Richtigkeit dieser Einschätzung durch die Arbeitslosigkeit der Klägerin. Diese hatte damit – vorbehaltlich der Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen – einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. und nicht nur – wie das Sozialgericht meint – einen Zahlungsanspruch in Höhe einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Damit war der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit bereits im Mai 1998 eingetreten. Von diesem Zeitpunkt ist in gleicher Weise für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 SGB VI auszugehen. Denn durch das Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung wird kein neuer Versicherungsfall begründet. Vielmehr beschreiben § 44 SGB VI a.F. und § 43 Abs. 2 SGB VI denselben Versicherungsfall (vgl. BSG v. 14. Augst 2003 – B 13 RJ 4/03 R).
An dieser Situation konnte die aufgrund Verschlimmerung der Erkrankung eingetretene weitere Verminderung des Restleistungsvermögens im Juli 2008 nichts mehr ändern. Es entspricht dem Grundgedanken des Versicherungsprinzips, dass die erforderliche Vorversicherungszeit vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegt werden muss, so dass nur dasjenige Risiko versichert ist, welches sich nach Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen verwirklicht hat (vgl. BSG vom 14. August 2003 – B 14 RJ 4/03 R – Rn. 24). Da der Versicherungsfall sowohl nach altem als auch nach neuem Recht bereits eingetreten war, konnte durch die Veränderung der gesundheitlichen Situation weder ein neuer Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit noch konnte ein weiterer Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung eintreten. Vielmehr hat sich hierdurch nur der rechtliche Hintergrund der der Klägerin – vorbehaltlich der Erfüllung der besonderen rechtlichen Voraussetzungen – zu gewährenden Rente verändert (ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 10. Juni 2010 – L 21 R 1203/07 – Rn. 36).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved