Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 R 542/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 35/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der am xxxxx 1964 im ehemaligen J. geborene Kläger, der keinen Beruf erlernt hat, lebt seit September 1989 in der Bundesrepublik Deutschland und war seit November 1994 als Entsorger bei der Stadtreinigung H. beschäftigt. Anschließend bezog er bis 19. Februar 2008 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit und war danach noch bis 4. Februar 2009 arbeitslos ohne Leistungsbezug gemeldet. Da der Kläger wegen des Einkommens seiner Ehefrau kein Arbeitslosengeld II bezog, erfüllt er ausweislich des bei der Beklagten geführten Versicherungsverlaufs die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente lediglich bis zu einem spätestens im März 2011 eingetretenen Leistungsfall.
Auf den ersten Rentenantrag des Klägers vom März 2001 ließ die Beklagte ihn durch die Neurologin und Psychiaterin B. untersuchen und begutachten. Dieser gegenüber berichtete der Kläger von seit der Kindheit bestehenden Ängsten sowie Wahrnehmungsstörungen in Form von Stimmenhören und dem Gefühl, von Schatten bzw. verstorbenen Personen verfolgt zu werden. Die Sachverständige diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 15. Mai 2001 einen ängstlich depressiven Verstimmungs- und Versagenszustand, gelangte aber zu dem Ergebnis, dass der Kläger trotz dieser Erkrankung alle Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die geistig-seelische Belastbarkeit vollschichtig verrichten könne. Auf der Grundlage dieser Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 2001 und Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2001 eine Rentengewährung ab. Während des nachfolgenden Klageverfahrens (S 16 RJ 1252/01) ließ das Sozialgericht Hamburg den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. R. begutachten, demgegenüber der Kläger zwar von seit der Kindheit bestehenden Ängsten, nicht jedoch von bestehenden Wahrnehmungsstörungen berichtete. Nachdem Dr. R. in seinem Gutachten vom 13. September 2003 zu dem Ergebnis gelangt war, es liege ein depressiver Verstimmungs- und Versagenszustand mit Somatisierungstendenz vor, der den Kläger aber nicht daran hindere, leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten, nahm dieser die Klage zurück.
Auf den zweiten, hier streitigen Rentenantrag des Klägers vom 27. September 2007 ließ die Beklagte ihn durch den Neurologen und Psychiater A. untersuchen und begutachten. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, es bestehe ein depressiv getönter Verstimmungs- und Erschöpfungszustand mit Versagenstendenzen, Ängsten und Somatisierungstendenzen. Der Kläger könne trotzdem mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Aufgrund dieses Begutachtungsergebnisses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2007 den Rentenantrag erneut ab. Während des nachfolgenden Widerspruchsverfahrens verwies der Kläger auf den Befundbericht des ihn behandelnden Nervenarztes Dr. N1 vom 19. Februar 2008, in welchem eine chronische Angsterkrankung beschrieben wird. In seiner Stellungnahme vom 22. Februar 2008 wies der Neurologe und Psychiater A. darauf hin, dass nach seiner Einschätzung lediglich eine mäßig ausgeprägte Angsterkrankung vorliege, die seiner Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens nicht entgegenstehe. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 2008 zurück.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und zur Begründung auf die bei ihm diagnostizierte therapieresistente Angsterkrankung verwiesen. Das Sozialgericht hat die Unterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. N1 vom 12. August 2008 beigezogen, in welchem als Diagnosen eine Panikstörung (F 41.0) sowie eine ängstlich depressive Verstimmung (F 41.2) aufgeführt sind. Anschließend hat das Sozialgericht den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. R. untersuchen und begutachten lassen. Diesem gegenüber hat der Kläger von seit 2003 unveränderten Beschwerden in Form von Ängsten sowie davon berichtet, dass er einmal im Jahr mit seiner Frau in seine Heimat nach S. fahre. Anlässlich des von Dr. R. durchgeführten Drug-Monitorings hat sich herausgestellt, dass das von dem Kläger angegebene Medikament, welches gegen seine Ängste verordnet worden sei, im Körper des Klägers nicht nachzuweisen war. In dem Gutachten vom 22. September 2009 kommt Dr. R. zu dem Ergebnis, dass nach wie vor ein depressiver Verstimmungs- und besonders Versagenszustand bestehe, wobei eine bewusstseinsnahe Ausgestaltung nicht ausgeschlossen werden könne. Der Kläger könne auf jeden Fall leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten. Eine verhaltenstherapeutische Behandlung in serbokroatischer Sprache sei durchaus zu empfehlen.
Nach Anhörung des Sachverständigen Dr. R. im Termin vom 29. Oktober 2009 hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 29. Oktober 2009 abgewiesen. Mit dem ausweislich des Gutachtens von Dr. R. bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten sei der Kläger nicht erwerbsgemindert.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 5. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2010 (Osterdienstag) Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, es sei nicht nachvollziehbar, dass Dr. R. einerseits ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf jeden Fall für gegeben halte, andererseits aber eine verhaltenstherapeutische Therapie empfehle. Eine solche Behandlung könne nur das Ziel haben, ihn in die Lage zu versetzen, wieder eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringen zu können. Sie sei überflüssig, wenn er – wie vom Sozialgericht angenommen – diese Leistungsfähigkeit besitze. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat der Kläger den Bericht des Zentrums für psy-chosoziale Medizin des Universitätskrankenhauses E. vom 8. Dezember 2010 über die ambulante Behandlung an diesem Tage eingereicht, in welchem als Diagnosen Angst und depressive Störung gemischt (F 41.2) und Somatisierungsstörung (F 45) aufgeführt sind und die Weiterbehandlung in der psychosomatischen Tagesklinik E1 empfohlen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einem Leistungsfall vom 8. Dezember 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der sie beratenden Nervenärztin Dr. F. meint sie, die bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen ließen ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht erkennen. Die jetzt vom Kläger eingeleiteten Behandlungen unter anderem im U. seien zielgerichtet durch den Rentenwunsch motiviert. Es bestehe bei dem Kläger ein depressiv getönter Verstimmungs- und Versagenszustand mit Somatisierungstendenzen. Er sei aber weiterhin vollschichtig leistungsfähig.
Mit Schriftsatz vom 20. September 2011 hat die klägerische Seite das Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. N1 vom 8. September 2011 (chronifizierte schwere regressive Versagenshaltung mit Ängsten und Antriebsstörung, die sich auch nach der tagesklinischen Behandlung eher verschlimmert habe) sowie den Entlassungsbericht hinsichtlich der teilstationären Behandlung des Klägers in der S.-Klinik E1 in der Zeit vom 2. bis 17. Mai 2011 eingereicht. In diesem Bericht werden als Diagnosen eine Panikstörung (F 41.0), eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1) sowie der Verdacht auf eine psychotische Störung genannt und ausgeführt, dass der Kläger auf die Mitteilung, dass das Gespräch ohne die ihn begleitende Ehefrau beginnen solle, mit Unverständnis, Verärgerung und deutlicher Unsicherheit reagiert habe. Er habe unter anderem berichtet, besonders schreckhaft zu sein, sich auf der Straße unsicher zu fühlen und immer wieder geglaubt zu haben, dass etwas ihn Bedrohendes hinter ihm sei oder sich im Zimmer aufhalte. Deshalb habe er es vermieden, in den Keller zu gehen, bei Dunkelheit das Haus zu verlassen oder allein mit der U-Bahn zu fahren. Nachts finde er oft keine Ruhe, gehe in der Wohnung herum und störe die anderen. Insbesondere mit dem ältesten Sohn komme es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Nach dem Bericht nahm der Kläger nur an sechs Tagen an der Behandlung teil, wirkte de-motiviert, müde, grüblerisch und zurückgezogen. In Einzelgesprächen sei der Verdacht einer psychotischen Symptomatik mit magischem Denken und Coenästhesien (Gemütsempfindungen) entstanden, weil der Kläger angegeben hat, in der Kirche einen Luftzug auf seinem Kopf verspürt und gewusst zu haben, dass es die Hand Gottes gewesen sei. Auch habe er von Träumen von weit in der Zukunft liegenden Ereignissen und davon berichtet, er habe vom Tod unbekannter Personen geträumt, der dann sehr viel später auch eingetreten sei. Diese Fähigkeiten sowie beunruhigende Ereignisse im Fernsehen seien sehr beängstigend für den Kläger. Eine weitere Diagnostik habe wegen des Fernbleibens des Klägers nicht erfolgen können, so dass die teilstationäre Behandlung in Absprache mit dessen Ehefrau am 17. Mai 2011 beendet worden sei. Nach dem Befundbericht des behandelnden Nervenarztes Dr. N1 vom 5. Oktober 2011 ist der Abbruch der Behandlung in der Tagesklinik erfolgt, weil der Kläger mit dem Hin- und Herfahren überfordert gewesen und es zu Notfallsituationen mit z.B. Fahrstuhlangst gekommen sei.
Nachdem beide Beteiligten eine erneute nervenärztliche Begutachtung angeregt hatten, hat das Gericht das psychiatrische Gutachten vom 26. April 2012 durch Dr. L. erstatten lassen. In diesem Gutachten berichtet der Sachverständige hinsichtlich der von der anwesenden Ehefrau zum Teil ergänzten Angaben des Klägers anlässlich der Untersuchung am 18. April 2012, wonach die Erkrankung vor etwa 10 Jahren in der Form begonnen habe, dass es ihm einige Wochen schlecht gegangen sei, dann sei es wieder ein bis zwei Monate besser gewesen. Die Krankheit habe ihn gequält, aber er habe arbeiten wollen. Er sei allerdings zunehmend nervös geworden und habe mit den Kollegen gestritten. Deshalb sei er zuletzt alleine eingesetzt worden. Wegen des Alleinseins sei es dann mit der Erkrankung ganz schlimm geworden. Er habe das Gefühl gehabt, jemand stehe hinter ihm. Das sei wie ein Schatten gewesen. Er habe Angst gehabt und wenn er sich umgeblickt habe, sei dort niemand gewesen. Es sei so gewesen, als wenn eine blonde, ganz dunkel gekleidete Frau hinter ihm stehe. Auch im Keller habe er dieses Gefühl gehabt. Nach seinem Gefühl begleite ihn diese Frau. Er habe von ihr geträumt und im Traum habe sie gesagt, dass sie bei ihm sei, ihn begleite, er solle keine Angst haben. Er jedoch habe Angst vor ihr gehabt. In den letzten drei bis vier Monaten sei das immer schlimmer geworden, besonders wenn er Geräusche wie z.B. den Staubsauger gehört habe. Dann sei etwas gesagt worden wie: "Das bin ich". Auch wenn er wach gewesen sei, habe er ihre Stimme gehört als eine Art Flüstern. Er könne dann aber nicht genau hören, was sie sage. Durch laute Geräusche werde das Gefühl aktiviert; er könne das nicht ab, denke, es stehe jemand hinter der Tür. Manchmal höre er die Stimme, manchmal nicht. Im Traum rede sie immer mit ihm. Davon werde er dann wach. Einmal vor ein paar Monaten habe sie wie Musik geklungen, als ob die Frau gesungen hätte. Er habe Angst gehabt aufzustehen und sich unter der Decke verkrochen. Dann habe er seine Frau geweckt, die aber nichts gehört habe. Manchmal höre er auch ein Pfeifen und spüre so etwas wie ein Pusten neben seinem Kopf, am Hals und an der Schulter. Auch habe er Vorahnungen. Er habe geträumt, mit vielen Leuten in seinem Haus zu sitzen. Dann habe er gesehen, dass sein bester Freund gestorben sei und auf einem Tisch gelegen habe. Zwei Tage später habe er aus J. gehört, dass der Freund tatsächlich gestorben sei. In der Kirche fühle er, bei Gott zu sein und beschützt zu werden. Er sei meistens traurig, habe keine Lust zu leben, fühle sich wertlos. Seine Frau sei überfordert mit ihm und den Kindern, ohne die er aber am liebsten nicht mehr leben möchte. Er habe keine Lebensfreude mehr. Er höre den ganzen Tag die Stimme. Früher, als er sie noch nicht gehört habe, habe es sich morgens schlecht gefühlt, was im Laufe des Tages aber besser geworden sei. Jetzt wache er nachts alle halbe Stunde auf. Er habe dann Angst, dass da jemand sei und wecke seine Frau. Dr. L. beschreibt den Kläger in der Untersuchungssituation als bewusstseinsklar, wach und vollständig orientiert, aber offenbar auf die Unterstützung der ihn begleitenden Ehefrau angewiesen. Der Kläger vermittele einen angstvoll-betroffenen Eindruck, sitze in sich zusammen gesunken mit nach vorne gebeugtem Kopf. Der Gesichtsausdruck wirke ratlos, unsicher, ausgesprochen belastet, entmutigt und angestrengt. Im Kontakt und Gesamtverhalten sei der Kläger wenig erreichbar, in sich verschlossen und nur schwer zugänglich. Er habe sich ausgesprochen ruhig, manchmal wie abwesend verhalten und sei in einer ganz auf sich bezogenen Haltung verblieben. Auf Ansprache habe er psychomotorisch beunruhigt und aufgeregt reagiert. Im Ergebnis kommt Dr. L. zu der Beurteilung, dass bei dem Kläger eine schwere depressive Störung mit psychotischen Zügen vorliegt, aufgrund derer er keinerlei Arbeiten mehr ausüben und auch die bestehenden Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme nicht aus eigener Willenskraft überwinden kann. Die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestünden wahrscheinlich schon ab Antragstellung, mit großer Sicherheit aber seit Mai 2011 mit Beginn der tagesklinischen Behandlung in E1. Mit Wahrscheinlichkeit sei auch keine Besserung zu erwarten. Dieser Beurteilung hat die Beklagte unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Nervenärztin Dr. F. widersprochen, wonach beim Kläger das Rentenbegehren offensichtlich im Vordergrund steht und das Gutachten Dr. L. schon deshalb mit Zurückhaltung betrachtet werden müsse, weil die Vorgutachten gezeigt hätten, dass die Angaben des Klägers mit Vorsicht betrachtet werden müssten. Häufig würden gerade Patienten mit Migrationshintergrund in zielführenden Verfahren scheinbare halluzinatore Erscheinungen angeben, dies im Rahmen der bewusstseinsnahen und auch histrion gefärbten Krankheitsausgestaltung.
Der Kläger hat daraufhin das Attest des Nervenarztes Dr. N1 vom 18. Juli 2012 eingereicht, in welchem dieser der Beurteilung Dr. L. zustimmt und selbst von psychosenahen Wahrnehmungsstörungen und Ängsten berichtet.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. November 2013 den Versicherungsverlauf vom 27. November 2013 eingereicht und auf der Grundlage einer auch von dem Kläger nicht in Zweifel gezogenen Auskunft ihrer Fachabteilung mitgeteilt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im März 2011 erfüllt sind. Im Termin am 10. Dezember 2013, in welchem der Kläger bestätigt hat, auch im Jahr 2013 mit seiner Frau mit dem Auto in der Heimat S. gewesen zu sein, hat der Sachverständige Dr. L. sein Gutachten erläutert und darauf hingewiesen, dass er bei seiner Untersuchung keinen Widerspruch zwischen den angegeben Beschwerden und den klinischen Symptomen habe feststellen können, weshalb er ausschließe, dass ihm etwas vorgespielt worden sei. Der Sachverständige hat dann angegeben, dass mit Sicherheit ab der tagesklinischen Behandlung im Mai 2011 von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei. Allerdings gebe es Anhaltspunkte dafür, dass das entsprechende Krankheitsbild auch schon vorher bestanden habe. So könne dem Entlassungsbericht des U. vom 8. Dezember 2010 ebenfalls das Vorliegen einer depressiven Erkrankung in Form einer deutlich ausgeprägten Störung entnommen werden. Er, der Sachverständige, gehe nach dem Inhalt dieses Berichts davon aus, dass mit großer Wahrscheinlichkeit das Leistungsvermögen auch zu jenem Zeitpunkt bereits aufgehoben war. Er persönlich sei sich sicher, dass dies so gewesen sei. Auf Nachfrage der Terminvertreterin der Beklagten hat Dr. L. dann erläuternd angegeben, dass sich seine Einschätzung hinsichtlich eines aufgehobenen Leistungsvermögens aus der Gesamtschau der vorliegenden Berichte ergebe. Allein aufgrund des Berichts des U. vom 8. Dezember 2010 lasse sich diese Aussage sicherlich nicht treffen. Die Befundberichte des Dr. N1 vom 12. August 2008 und 5. Oktober 2011 wiesen weder hinsichtlich der Diagnosen noch der mitgeteilten Befunde einen Unterschied auf. Auch zwischen dem Entlassungsbericht der Tagesklinik vom 23. Mai 2011 und dem nachfolgenden Befundbericht des Dr. N1 vom 5. Oktober 2011 sei kein wesentlicher Unterschied zu erkennen. Vielmehr werde in dem Bericht vom 5. Oktober 2011 sogar ein formal weniger schwerwiegendes Störungsbild beschrieben. Dieses sei bei seiner eigenen Untersuchung wiederum schwerwiegender eingeschätzt worden, was für ein schwankendes Krankheitsbild spreche. Letztlich ergebe sich aus dem Bericht des Dr. N1 vom 8. September 2011 eine Verschlimmerung der Situation, woran "auch die Tagesklinik nichts geändert" habe. Allein aus dem Vorliegen psychotischer Wahrnehmungen lasse sich allerdings nicht unmittelbar ein aufgehobenes Leistungsvermögen ableiten. Es gebe durchaus Menschen, die in Gegenwart psychotischer Wahrnehmungen ihrer Arbeit nachgehen. Möglichkeiten der weiteren Aufklärung im medizinischen Bereich für den vergangenen Zeitraum vermöge er, der Sachverständige, nicht zu erkennen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 10. Dezember 2013 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Dem Kläger steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) nicht zu.
Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 SGB VI, § 240 Abs. 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) vermochte der Senat mit der für einen Vollbeweis erforderlichen Gewissheit nicht festzustellen, dass der Kläger in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab Antragstellung im September 2007 jedenfalls bis Ende März 2011 bereits voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI war. Vielmehr verfügte dieser in dem maßgebenden Zeitraum jedenfalls bis zur stationären Aufnahme in die Tagesklinik E1 am 2. Mai 2011 noch über ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen jedenfalls für leichte körperliche und seinem Ausbildungs- und Berufsniveau entsprechende einfache geistige Arbeiten, mit dem er im angegebenen Zeitraum regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte. Ob und gegebenenfalls wann nach Ablauf des Monats März 2011 eine quantitative Leistungsminderung in einem die Annahme voller Erwerbsminderung rechtfertigenden Umfang eingetreten ist, bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Denn insoweit fehlt es – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – an der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung der sogenannten Drei-Fünftel-Belegung.
Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem vorliegenden Gutachten des im Klageverfahren bestellten Gerichtssachverständigen Dr. R. sowie dem schriftlichen Gutachten des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. L ... Dr. R. hat – im Einklang mit dem im Verwaltungsverfahren herangezogenen Gutachter A. – dem Kläger zweifelsfrei ein vollschichtiges bzw. mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend seit dem Zeitpunkt der Antragstellung im September 2007. Das vollschichtige bzw. mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen des Klägers war jedenfalls bis Ende März 2011 nach den von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es seinem Arbeitseinsatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegen gestanden hätte (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Der Kläger konnte insoweit nach den von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen seiner Leiden jedenfalls noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Ausgeschlossen waren Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und im Akkord sowie Schicht- und Nachtarbeiten. Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5/4 RA 58/97 R - juris), die eine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zur Folge gehabt hätte. Eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die eine spezifische schwere Leistungsbehinderung hätte darstellen können, war ebenfalls bis Ende März 2011 nicht feststellbar ist. Bis zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger auch in der Lage, möglicherweise bestehende Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme aus eigenem Antrieb zu überwinden. Seine Wegefähigkeit war ebenfalls erhalten.
Aus dem Gutachten von Dr. L., der erstmals anlässlich seiner Begutachtungsuntersuchung am 18. April 2012 eine quantitative Leistungsminderung festgestellt hat, folgt keine andere Beurteilung jedenfalls für die Zeit bis einschließlich März 2011. Denn dieser Sachverständige hat auf die – eindeutige und von ihm auch nicht missverstandene – Beweisfrage (Nr. 6), "seit wann" die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen vorliegen, mitgeteilt, diese "bestehen mit großer Sicherheit ab Mai 2011 mit Beginn der Tagesklinischen Behandlung in der Psychiatrischen Klinik in E1" in einem Ausmaß, dass das Leistungsvermögen aufgehoben ist. Im Übrigen habe das Erkrankungsbild "wahrscheinlich bereits seit Antragstellung eine Einschränkung des Leistungsvermögens" herbeigeführt. Hieraus folgt gerade keine sichere – und im Übrigen auch plausibel herzuleitende – Feststellung eines früheren Eintritts der Leistungsminderung vor dem Mai 2011, die darüber hinaus dem progredienten Verlauf der Erkrankung und dem im erstinstanzlichen Verfahren noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigenden Sachverständigengutachten des Dr. R. widersprochen hätte. Auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. anlässlich seiner Anhörung im Termin am 10. Dezember 2013 führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr hat er hier wiederum angegeben, dass man mit Sicherheit für den Mai 2011, das heißt mit dem Beginn der tagesklinischen Behandlung von dem Beginn der Phase mit aufgehobenem Leistungsvermögen auszugehen habe. Zwar hat er diese Aussage während der weiteren Anhörung dahingehend relativiert, dass aufgrund der im Entlassungsbericht des U. vom 8. Dezember 2010 festgehaltenen Beschwerdeangaben mit großer Wahrscheinlichkeit das Leistungsvermögen auch zu jenem Zeitpunkt aufgehoben war, um dann im weiteren Verlauf der Verhandlung – sich insoweit steigernd – sogar anzugeben, dass er sich persönlich sicher sei, dass das Leistungsvermögen auch bereits im Dezember 2010 zum Zeitpunkt der Vorstellung im U. aufgehoben war. Unabhängig von dem Widerspruch in der eigenen Beurteilung, die für sich betrachtet Zweifel an der Richtigkeit seiner Einschätzung weckt – vermag seine letztgenannte Einschätzung auch deshalb nicht zu überzeugen, weil es ihr an jeglichem Beleg fehlt. So musste auch Dr. L. auf Nachfrage einräumen, dass sich seine Einschätzung nicht aus dem Bericht des U. vom 8. Dezember 2010 herleiten lässt. Auch die von ihm zur Begründung herangezogene Gesamtschau der Berichte führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Befundberichte des Dr. N1 vom 12. August 2008 und vom 5. Oktober 2011 auch nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. weder hinsichtlich der Diagnosen noch in Bezug auf die mitgeteilten Befunde Unterschiede aufweisen, so dass daraus eine zwischenzeitliche Verschlechterung nicht abzuleiten ist. Gegenüber dem Entlassungsbericht der Tagesklinik vom 23. Mai 2011 beschreibt Dr. N1 in seinem Befundbericht vom 5. Oktober 2011 sogar ein formal weniger schwerwiegendes Störungsbild, was dafür sprechen könnte, dass der Erkrankungszustand zum Zeitpunkt des Aufenthaltes in der Tagesklinik nur vorübergehend war. Zwar weist Dr. L. zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Bericht des Dr. N1 vom 8. September 2011 eine Verschlimmerung der Situation ergibt, woran "auch die Tagesklinik nichts geändert" habe, jedoch lässt sich daraus nicht ein konkreter Zeitpunkt der Verschlimmerung ableiten. Außerdem steht wiederum dieser Bericht im Widerspruch zu dem späteren des Dr. N1 vom 5. Oktober 2011, der eine unveränderte Situation gegenüber August 2008 beschreibt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach den Ausführungen des Dr. L. sich aus dem Vorliegen psychotischer Wahrnehmungen nicht unmittelbar auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen schließen lässt, kommen weder den bereits im Gutachten der Dr. B. vom Mai 2001 beschriebenen Wahrnehmungsstörungen noch dem im Bericht der Tagesklinik geäußerten Verdacht auf eine psychotische Störung wesentliche Bedeutung für die Frage des dem Kläger verbliebenen Leistungsvermögen zu.
Hiernach ist es zur Überzeugung des Senats zwar nicht ausgeschlossen, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits zu einem vor Mai 2011 liegenden Zeitpunkt aufgehoben war. Jedoch müssen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Vollbeweis feststehen und es bestehen hieran nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens so gewichtige Zweifel, dass das Gericht sich die hierfür erforderliche Überzeugung in Gestalt einer vernünftige Zweifel ausschließenden Gewissheit nicht bilden kann. Dies gilt umso mehr, als der Senat im Einklang mit der fachärztlichen Angabe des Sachverständigen Dr. L. keine weiteren Möglichkeiten zur Aufklärung im medizinischen Bereich hinsichtlich des zurückliegenden Zeitraumes zu erkennen vermag. Da der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt, geht dies zu seinen Lasten.
Für einen zu einem Zeitpunkt nach dem März 2011 eingetretenen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt. Der letzte von dem Kläger entrichtete Pflichtbeitrag datiert vom Dezember 2008. Danach sind lediglich noch Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis zum 4. Februar 2009 als Streckungstatbestände im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI nachgewiesen. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind daher letztmals im März 2011 erfüllt. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es darauf, ob der Kläger einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz in seinem bisherigen Beruf oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich erhalten konnte, nicht ankommt. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer – wie den Kläger – kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellte, ist für die Feststellung von voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung – wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat – unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der am xxxxx 1964 im ehemaligen J. geborene Kläger, der keinen Beruf erlernt hat, lebt seit September 1989 in der Bundesrepublik Deutschland und war seit November 1994 als Entsorger bei der Stadtreinigung H. beschäftigt. Anschließend bezog er bis 19. Februar 2008 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit und war danach noch bis 4. Februar 2009 arbeitslos ohne Leistungsbezug gemeldet. Da der Kläger wegen des Einkommens seiner Ehefrau kein Arbeitslosengeld II bezog, erfüllt er ausweislich des bei der Beklagten geführten Versicherungsverlaufs die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente lediglich bis zu einem spätestens im März 2011 eingetretenen Leistungsfall.
Auf den ersten Rentenantrag des Klägers vom März 2001 ließ die Beklagte ihn durch die Neurologin und Psychiaterin B. untersuchen und begutachten. Dieser gegenüber berichtete der Kläger von seit der Kindheit bestehenden Ängsten sowie Wahrnehmungsstörungen in Form von Stimmenhören und dem Gefühl, von Schatten bzw. verstorbenen Personen verfolgt zu werden. Die Sachverständige diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 15. Mai 2001 einen ängstlich depressiven Verstimmungs- und Versagenszustand, gelangte aber zu dem Ergebnis, dass der Kläger trotz dieser Erkrankung alle Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die geistig-seelische Belastbarkeit vollschichtig verrichten könne. Auf der Grundlage dieser Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juni 2001 und Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2001 eine Rentengewährung ab. Während des nachfolgenden Klageverfahrens (S 16 RJ 1252/01) ließ das Sozialgericht Hamburg den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. R. begutachten, demgegenüber der Kläger zwar von seit der Kindheit bestehenden Ängsten, nicht jedoch von bestehenden Wahrnehmungsstörungen berichtete. Nachdem Dr. R. in seinem Gutachten vom 13. September 2003 zu dem Ergebnis gelangt war, es liege ein depressiver Verstimmungs- und Versagenszustand mit Somatisierungstendenz vor, der den Kläger aber nicht daran hindere, leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten, nahm dieser die Klage zurück.
Auf den zweiten, hier streitigen Rentenantrag des Klägers vom 27. September 2007 ließ die Beklagte ihn durch den Neurologen und Psychiater A. untersuchen und begutachten. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, es bestehe ein depressiv getönter Verstimmungs- und Erschöpfungszustand mit Versagenstendenzen, Ängsten und Somatisierungstendenzen. Der Kläger könne trotzdem mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Aufgrund dieses Begutachtungsergebnisses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2007 den Rentenantrag erneut ab. Während des nachfolgenden Widerspruchsverfahrens verwies der Kläger auf den Befundbericht des ihn behandelnden Nervenarztes Dr. N1 vom 19. Februar 2008, in welchem eine chronische Angsterkrankung beschrieben wird. In seiner Stellungnahme vom 22. Februar 2008 wies der Neurologe und Psychiater A. darauf hin, dass nach seiner Einschätzung lediglich eine mäßig ausgeprägte Angsterkrankung vorliege, die seiner Beurteilung des verbliebenen Leistungsvermögens nicht entgegenstehe. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 2008 zurück.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und zur Begründung auf die bei ihm diagnostizierte therapieresistente Angsterkrankung verwiesen. Das Sozialgericht hat die Unterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. N1 vom 12. August 2008 beigezogen, in welchem als Diagnosen eine Panikstörung (F 41.0) sowie eine ängstlich depressive Verstimmung (F 41.2) aufgeführt sind. Anschließend hat das Sozialgericht den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. R. untersuchen und begutachten lassen. Diesem gegenüber hat der Kläger von seit 2003 unveränderten Beschwerden in Form von Ängsten sowie davon berichtet, dass er einmal im Jahr mit seiner Frau in seine Heimat nach S. fahre. Anlässlich des von Dr. R. durchgeführten Drug-Monitorings hat sich herausgestellt, dass das von dem Kläger angegebene Medikament, welches gegen seine Ängste verordnet worden sei, im Körper des Klägers nicht nachzuweisen war. In dem Gutachten vom 22. September 2009 kommt Dr. R. zu dem Ergebnis, dass nach wie vor ein depressiver Verstimmungs- und besonders Versagenszustand bestehe, wobei eine bewusstseinsnahe Ausgestaltung nicht ausgeschlossen werden könne. Der Kläger könne auf jeden Fall leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten. Eine verhaltenstherapeutische Behandlung in serbokroatischer Sprache sei durchaus zu empfehlen.
Nach Anhörung des Sachverständigen Dr. R. im Termin vom 29. Oktober 2009 hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 29. Oktober 2009 abgewiesen. Mit dem ausweislich des Gutachtens von Dr. R. bestehenden vollschichtigen Leistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten sei der Kläger nicht erwerbsgemindert.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 5. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2010 (Osterdienstag) Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, es sei nicht nachvollziehbar, dass Dr. R. einerseits ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf jeden Fall für gegeben halte, andererseits aber eine verhaltenstherapeutische Therapie empfehle. Eine solche Behandlung könne nur das Ziel haben, ihn in die Lage zu versetzen, wieder eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringen zu können. Sie sei überflüssig, wenn er – wie vom Sozialgericht angenommen – diese Leistungsfähigkeit besitze. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat der Kläger den Bericht des Zentrums für psy-chosoziale Medizin des Universitätskrankenhauses E. vom 8. Dezember 2010 über die ambulante Behandlung an diesem Tage eingereicht, in welchem als Diagnosen Angst und depressive Störung gemischt (F 41.2) und Somatisierungsstörung (F 45) aufgeführt sind und die Weiterbehandlung in der psychosomatischen Tagesklinik E1 empfohlen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einem Leistungsfall vom 8. Dezember 2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der sie beratenden Nervenärztin Dr. F. meint sie, die bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen ließen ein aufgehobenes Leistungsvermögen nicht erkennen. Die jetzt vom Kläger eingeleiteten Behandlungen unter anderem im U. seien zielgerichtet durch den Rentenwunsch motiviert. Es bestehe bei dem Kläger ein depressiv getönter Verstimmungs- und Versagenszustand mit Somatisierungstendenzen. Er sei aber weiterhin vollschichtig leistungsfähig.
Mit Schriftsatz vom 20. September 2011 hat die klägerische Seite das Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. N1 vom 8. September 2011 (chronifizierte schwere regressive Versagenshaltung mit Ängsten und Antriebsstörung, die sich auch nach der tagesklinischen Behandlung eher verschlimmert habe) sowie den Entlassungsbericht hinsichtlich der teilstationären Behandlung des Klägers in der S.-Klinik E1 in der Zeit vom 2. bis 17. Mai 2011 eingereicht. In diesem Bericht werden als Diagnosen eine Panikstörung (F 41.0), eine mittelgradige depressive Episode (F 32.1) sowie der Verdacht auf eine psychotische Störung genannt und ausgeführt, dass der Kläger auf die Mitteilung, dass das Gespräch ohne die ihn begleitende Ehefrau beginnen solle, mit Unverständnis, Verärgerung und deutlicher Unsicherheit reagiert habe. Er habe unter anderem berichtet, besonders schreckhaft zu sein, sich auf der Straße unsicher zu fühlen und immer wieder geglaubt zu haben, dass etwas ihn Bedrohendes hinter ihm sei oder sich im Zimmer aufhalte. Deshalb habe er es vermieden, in den Keller zu gehen, bei Dunkelheit das Haus zu verlassen oder allein mit der U-Bahn zu fahren. Nachts finde er oft keine Ruhe, gehe in der Wohnung herum und störe die anderen. Insbesondere mit dem ältesten Sohn komme es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Nach dem Bericht nahm der Kläger nur an sechs Tagen an der Behandlung teil, wirkte de-motiviert, müde, grüblerisch und zurückgezogen. In Einzelgesprächen sei der Verdacht einer psychotischen Symptomatik mit magischem Denken und Coenästhesien (Gemütsempfindungen) entstanden, weil der Kläger angegeben hat, in der Kirche einen Luftzug auf seinem Kopf verspürt und gewusst zu haben, dass es die Hand Gottes gewesen sei. Auch habe er von Träumen von weit in der Zukunft liegenden Ereignissen und davon berichtet, er habe vom Tod unbekannter Personen geträumt, der dann sehr viel später auch eingetreten sei. Diese Fähigkeiten sowie beunruhigende Ereignisse im Fernsehen seien sehr beängstigend für den Kläger. Eine weitere Diagnostik habe wegen des Fernbleibens des Klägers nicht erfolgen können, so dass die teilstationäre Behandlung in Absprache mit dessen Ehefrau am 17. Mai 2011 beendet worden sei. Nach dem Befundbericht des behandelnden Nervenarztes Dr. N1 vom 5. Oktober 2011 ist der Abbruch der Behandlung in der Tagesklinik erfolgt, weil der Kläger mit dem Hin- und Herfahren überfordert gewesen und es zu Notfallsituationen mit z.B. Fahrstuhlangst gekommen sei.
Nachdem beide Beteiligten eine erneute nervenärztliche Begutachtung angeregt hatten, hat das Gericht das psychiatrische Gutachten vom 26. April 2012 durch Dr. L. erstatten lassen. In diesem Gutachten berichtet der Sachverständige hinsichtlich der von der anwesenden Ehefrau zum Teil ergänzten Angaben des Klägers anlässlich der Untersuchung am 18. April 2012, wonach die Erkrankung vor etwa 10 Jahren in der Form begonnen habe, dass es ihm einige Wochen schlecht gegangen sei, dann sei es wieder ein bis zwei Monate besser gewesen. Die Krankheit habe ihn gequält, aber er habe arbeiten wollen. Er sei allerdings zunehmend nervös geworden und habe mit den Kollegen gestritten. Deshalb sei er zuletzt alleine eingesetzt worden. Wegen des Alleinseins sei es dann mit der Erkrankung ganz schlimm geworden. Er habe das Gefühl gehabt, jemand stehe hinter ihm. Das sei wie ein Schatten gewesen. Er habe Angst gehabt und wenn er sich umgeblickt habe, sei dort niemand gewesen. Es sei so gewesen, als wenn eine blonde, ganz dunkel gekleidete Frau hinter ihm stehe. Auch im Keller habe er dieses Gefühl gehabt. Nach seinem Gefühl begleite ihn diese Frau. Er habe von ihr geträumt und im Traum habe sie gesagt, dass sie bei ihm sei, ihn begleite, er solle keine Angst haben. Er jedoch habe Angst vor ihr gehabt. In den letzten drei bis vier Monaten sei das immer schlimmer geworden, besonders wenn er Geräusche wie z.B. den Staubsauger gehört habe. Dann sei etwas gesagt worden wie: "Das bin ich". Auch wenn er wach gewesen sei, habe er ihre Stimme gehört als eine Art Flüstern. Er könne dann aber nicht genau hören, was sie sage. Durch laute Geräusche werde das Gefühl aktiviert; er könne das nicht ab, denke, es stehe jemand hinter der Tür. Manchmal höre er die Stimme, manchmal nicht. Im Traum rede sie immer mit ihm. Davon werde er dann wach. Einmal vor ein paar Monaten habe sie wie Musik geklungen, als ob die Frau gesungen hätte. Er habe Angst gehabt aufzustehen und sich unter der Decke verkrochen. Dann habe er seine Frau geweckt, die aber nichts gehört habe. Manchmal höre er auch ein Pfeifen und spüre so etwas wie ein Pusten neben seinem Kopf, am Hals und an der Schulter. Auch habe er Vorahnungen. Er habe geträumt, mit vielen Leuten in seinem Haus zu sitzen. Dann habe er gesehen, dass sein bester Freund gestorben sei und auf einem Tisch gelegen habe. Zwei Tage später habe er aus J. gehört, dass der Freund tatsächlich gestorben sei. In der Kirche fühle er, bei Gott zu sein und beschützt zu werden. Er sei meistens traurig, habe keine Lust zu leben, fühle sich wertlos. Seine Frau sei überfordert mit ihm und den Kindern, ohne die er aber am liebsten nicht mehr leben möchte. Er habe keine Lebensfreude mehr. Er höre den ganzen Tag die Stimme. Früher, als er sie noch nicht gehört habe, habe es sich morgens schlecht gefühlt, was im Laufe des Tages aber besser geworden sei. Jetzt wache er nachts alle halbe Stunde auf. Er habe dann Angst, dass da jemand sei und wecke seine Frau. Dr. L. beschreibt den Kläger in der Untersuchungssituation als bewusstseinsklar, wach und vollständig orientiert, aber offenbar auf die Unterstützung der ihn begleitenden Ehefrau angewiesen. Der Kläger vermittele einen angstvoll-betroffenen Eindruck, sitze in sich zusammen gesunken mit nach vorne gebeugtem Kopf. Der Gesichtsausdruck wirke ratlos, unsicher, ausgesprochen belastet, entmutigt und angestrengt. Im Kontakt und Gesamtverhalten sei der Kläger wenig erreichbar, in sich verschlossen und nur schwer zugänglich. Er habe sich ausgesprochen ruhig, manchmal wie abwesend verhalten und sei in einer ganz auf sich bezogenen Haltung verblieben. Auf Ansprache habe er psychomotorisch beunruhigt und aufgeregt reagiert. Im Ergebnis kommt Dr. L. zu der Beurteilung, dass bei dem Kläger eine schwere depressive Störung mit psychotischen Zügen vorliegt, aufgrund derer er keinerlei Arbeiten mehr ausüben und auch die bestehenden Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme nicht aus eigener Willenskraft überwinden kann. Die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestünden wahrscheinlich schon ab Antragstellung, mit großer Sicherheit aber seit Mai 2011 mit Beginn der tagesklinischen Behandlung in E1. Mit Wahrscheinlichkeit sei auch keine Besserung zu erwarten. Dieser Beurteilung hat die Beklagte unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Nervenärztin Dr. F. widersprochen, wonach beim Kläger das Rentenbegehren offensichtlich im Vordergrund steht und das Gutachten Dr. L. schon deshalb mit Zurückhaltung betrachtet werden müsse, weil die Vorgutachten gezeigt hätten, dass die Angaben des Klägers mit Vorsicht betrachtet werden müssten. Häufig würden gerade Patienten mit Migrationshintergrund in zielführenden Verfahren scheinbare halluzinatore Erscheinungen angeben, dies im Rahmen der bewusstseinsnahen und auch histrion gefärbten Krankheitsausgestaltung.
Der Kläger hat daraufhin das Attest des Nervenarztes Dr. N1 vom 18. Juli 2012 eingereicht, in welchem dieser der Beurteilung Dr. L. zustimmt und selbst von psychosenahen Wahrnehmungsstörungen und Ängsten berichtet.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. November 2013 den Versicherungsverlauf vom 27. November 2013 eingereicht und auf der Grundlage einer auch von dem Kläger nicht in Zweifel gezogenen Auskunft ihrer Fachabteilung mitgeteilt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im März 2011 erfüllt sind. Im Termin am 10. Dezember 2013, in welchem der Kläger bestätigt hat, auch im Jahr 2013 mit seiner Frau mit dem Auto in der Heimat S. gewesen zu sein, hat der Sachverständige Dr. L. sein Gutachten erläutert und darauf hingewiesen, dass er bei seiner Untersuchung keinen Widerspruch zwischen den angegeben Beschwerden und den klinischen Symptomen habe feststellen können, weshalb er ausschließe, dass ihm etwas vorgespielt worden sei. Der Sachverständige hat dann angegeben, dass mit Sicherheit ab der tagesklinischen Behandlung im Mai 2011 von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei. Allerdings gebe es Anhaltspunkte dafür, dass das entsprechende Krankheitsbild auch schon vorher bestanden habe. So könne dem Entlassungsbericht des U. vom 8. Dezember 2010 ebenfalls das Vorliegen einer depressiven Erkrankung in Form einer deutlich ausgeprägten Störung entnommen werden. Er, der Sachverständige, gehe nach dem Inhalt dieses Berichts davon aus, dass mit großer Wahrscheinlichkeit das Leistungsvermögen auch zu jenem Zeitpunkt bereits aufgehoben war. Er persönlich sei sich sicher, dass dies so gewesen sei. Auf Nachfrage der Terminvertreterin der Beklagten hat Dr. L. dann erläuternd angegeben, dass sich seine Einschätzung hinsichtlich eines aufgehobenen Leistungsvermögens aus der Gesamtschau der vorliegenden Berichte ergebe. Allein aufgrund des Berichts des U. vom 8. Dezember 2010 lasse sich diese Aussage sicherlich nicht treffen. Die Befundberichte des Dr. N1 vom 12. August 2008 und 5. Oktober 2011 wiesen weder hinsichtlich der Diagnosen noch der mitgeteilten Befunde einen Unterschied auf. Auch zwischen dem Entlassungsbericht der Tagesklinik vom 23. Mai 2011 und dem nachfolgenden Befundbericht des Dr. N1 vom 5. Oktober 2011 sei kein wesentlicher Unterschied zu erkennen. Vielmehr werde in dem Bericht vom 5. Oktober 2011 sogar ein formal weniger schwerwiegendes Störungsbild beschrieben. Dieses sei bei seiner eigenen Untersuchung wiederum schwerwiegender eingeschätzt worden, was für ein schwankendes Krankheitsbild spreche. Letztlich ergebe sich aus dem Bericht des Dr. N1 vom 8. September 2011 eine Verschlimmerung der Situation, woran "auch die Tagesklinik nichts geändert" habe. Allein aus dem Vorliegen psychotischer Wahrnehmungen lasse sich allerdings nicht unmittelbar ein aufgehobenes Leistungsvermögen ableiten. Es gebe durchaus Menschen, die in Gegenwart psychotischer Wahrnehmungen ihrer Arbeit nachgehen. Möglichkeiten der weiteren Aufklärung im medizinischen Bereich für den vergangenen Zeitraum vermöge er, der Sachverständige, nicht zu erkennen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 10. Dezember 2013 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Dem Kläger steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) nicht zu.
Die Vorschrift des § 43 SGB VI setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 SGB VI, § 240 Abs. 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs (im Falle teilweiser Erwerbsminderung) bzw. drei (im Falle voller Erwerbsminderung) Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) vermochte der Senat mit der für einen Vollbeweis erforderlichen Gewissheit nicht festzustellen, dass der Kläger in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab Antragstellung im September 2007 jedenfalls bis Ende März 2011 bereits voll erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI war. Vielmehr verfügte dieser in dem maßgebenden Zeitraum jedenfalls bis zur stationären Aufnahme in die Tagesklinik E1 am 2. Mai 2011 noch über ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen jedenfalls für leichte körperliche und seinem Ausbildungs- und Berufsniveau entsprechende einfache geistige Arbeiten, mit dem er im angegebenen Zeitraum regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte. Ob und gegebenenfalls wann nach Ablauf des Monats März 2011 eine quantitative Leistungsminderung in einem die Annahme voller Erwerbsminderung rechtfertigenden Umfang eingetreten ist, bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Denn insoweit fehlt es – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – an der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung der sogenannten Drei-Fünftel-Belegung.
Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus dem vorliegenden Gutachten des im Klageverfahren bestellten Gerichtssachverständigen Dr. R. sowie dem schriftlichen Gutachten des im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. L ... Dr. R. hat – im Einklang mit dem im Verwaltungsverfahren herangezogenen Gutachter A. – dem Kläger zweifelsfrei ein vollschichtiges bzw. mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend seit dem Zeitpunkt der Antragstellung im September 2007. Das vollschichtige bzw. mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen des Klägers war jedenfalls bis Ende März 2011 nach den von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es seinem Arbeitseinsatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegen gestanden hätte (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Der Kläger konnte insoweit nach den von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen seiner Leiden jedenfalls noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten verrichten. Ausgeschlossen waren Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und im Akkord sowie Schicht- und Nachtarbeiten. Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5/4 RA 58/97 R - juris), die eine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zur Folge gehabt hätte. Eine besondere Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, die eine spezifische schwere Leistungsbehinderung hätte darstellen können, war ebenfalls bis Ende März 2011 nicht feststellbar ist. Bis zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger auch in der Lage, möglicherweise bestehende Hemmungen gegenüber einer Arbeitsaufnahme aus eigenem Antrieb zu überwinden. Seine Wegefähigkeit war ebenfalls erhalten.
Aus dem Gutachten von Dr. L., der erstmals anlässlich seiner Begutachtungsuntersuchung am 18. April 2012 eine quantitative Leistungsminderung festgestellt hat, folgt keine andere Beurteilung jedenfalls für die Zeit bis einschließlich März 2011. Denn dieser Sachverständige hat auf die – eindeutige und von ihm auch nicht missverstandene – Beweisfrage (Nr. 6), "seit wann" die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen vorliegen, mitgeteilt, diese "bestehen mit großer Sicherheit ab Mai 2011 mit Beginn der Tagesklinischen Behandlung in der Psychiatrischen Klinik in E1" in einem Ausmaß, dass das Leistungsvermögen aufgehoben ist. Im Übrigen habe das Erkrankungsbild "wahrscheinlich bereits seit Antragstellung eine Einschränkung des Leistungsvermögens" herbeigeführt. Hieraus folgt gerade keine sichere – und im Übrigen auch plausibel herzuleitende – Feststellung eines früheren Eintritts der Leistungsminderung vor dem Mai 2011, die darüber hinaus dem progredienten Verlauf der Erkrankung und dem im erstinstanzlichen Verfahren noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigenden Sachverständigengutachten des Dr. R. widersprochen hätte. Auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. anlässlich seiner Anhörung im Termin am 10. Dezember 2013 führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr hat er hier wiederum angegeben, dass man mit Sicherheit für den Mai 2011, das heißt mit dem Beginn der tagesklinischen Behandlung von dem Beginn der Phase mit aufgehobenem Leistungsvermögen auszugehen habe. Zwar hat er diese Aussage während der weiteren Anhörung dahingehend relativiert, dass aufgrund der im Entlassungsbericht des U. vom 8. Dezember 2010 festgehaltenen Beschwerdeangaben mit großer Wahrscheinlichkeit das Leistungsvermögen auch zu jenem Zeitpunkt aufgehoben war, um dann im weiteren Verlauf der Verhandlung – sich insoweit steigernd – sogar anzugeben, dass er sich persönlich sicher sei, dass das Leistungsvermögen auch bereits im Dezember 2010 zum Zeitpunkt der Vorstellung im U. aufgehoben war. Unabhängig von dem Widerspruch in der eigenen Beurteilung, die für sich betrachtet Zweifel an der Richtigkeit seiner Einschätzung weckt – vermag seine letztgenannte Einschätzung auch deshalb nicht zu überzeugen, weil es ihr an jeglichem Beleg fehlt. So musste auch Dr. L. auf Nachfrage einräumen, dass sich seine Einschätzung nicht aus dem Bericht des U. vom 8. Dezember 2010 herleiten lässt. Auch die von ihm zur Begründung herangezogene Gesamtschau der Berichte führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Befundberichte des Dr. N1 vom 12. August 2008 und vom 5. Oktober 2011 auch nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. weder hinsichtlich der Diagnosen noch in Bezug auf die mitgeteilten Befunde Unterschiede aufweisen, so dass daraus eine zwischenzeitliche Verschlechterung nicht abzuleiten ist. Gegenüber dem Entlassungsbericht der Tagesklinik vom 23. Mai 2011 beschreibt Dr. N1 in seinem Befundbericht vom 5. Oktober 2011 sogar ein formal weniger schwerwiegendes Störungsbild, was dafür sprechen könnte, dass der Erkrankungszustand zum Zeitpunkt des Aufenthaltes in der Tagesklinik nur vorübergehend war. Zwar weist Dr. L. zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Bericht des Dr. N1 vom 8. September 2011 eine Verschlimmerung der Situation ergibt, woran "auch die Tagesklinik nichts geändert" habe, jedoch lässt sich daraus nicht ein konkreter Zeitpunkt der Verschlimmerung ableiten. Außerdem steht wiederum dieser Bericht im Widerspruch zu dem späteren des Dr. N1 vom 5. Oktober 2011, der eine unveränderte Situation gegenüber August 2008 beschreibt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach den Ausführungen des Dr. L. sich aus dem Vorliegen psychotischer Wahrnehmungen nicht unmittelbar auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen schließen lässt, kommen weder den bereits im Gutachten der Dr. B. vom Mai 2001 beschriebenen Wahrnehmungsstörungen noch dem im Bericht der Tagesklinik geäußerten Verdacht auf eine psychotische Störung wesentliche Bedeutung für die Frage des dem Kläger verbliebenen Leistungsvermögen zu.
Hiernach ist es zur Überzeugung des Senats zwar nicht ausgeschlossen, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits zu einem vor Mai 2011 liegenden Zeitpunkt aufgehoben war. Jedoch müssen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Vollbeweis feststehen und es bestehen hieran nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens so gewichtige Zweifel, dass das Gericht sich die hierfür erforderliche Überzeugung in Gestalt einer vernünftige Zweifel ausschließenden Gewissheit nicht bilden kann. Dies gilt umso mehr, als der Senat im Einklang mit der fachärztlichen Angabe des Sachverständigen Dr. L. keine weiteren Möglichkeiten zur Aufklärung im medizinischen Bereich hinsichtlich des zurückliegenden Zeitraumes zu erkennen vermag. Da der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt, geht dies zu seinen Lasten.
Für einen zu einem Zeitpunkt nach dem März 2011 eingetretenen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt. Der letzte von dem Kläger entrichtete Pflichtbeitrag datiert vom Dezember 2008. Danach sind lediglich noch Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis zum 4. Februar 2009 als Streckungstatbestände im Sinne von § 43 Abs. 4 SGB VI nachgewiesen. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind daher letztmals im März 2011 erfüllt. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass es darauf, ob der Kläger einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz in seinem bisherigen Beruf oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich erhalten konnte, nicht ankommt. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer – wie den Kläger – kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellte, ist für die Feststellung von voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung – wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat – unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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