L 4 AS 202/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 34 AS 287/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 202/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Mai 2013 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine vermeintliche Untätigkeit des Beklagten, einen Überprüfungsantrag zu verbescheiden.

Der am xxxxx 1950 geborene Kläger bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Nachdem der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 29. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2009 die Übernahme von Stromkosten für den Betrieb eines Zusatzheizkörpers abgelehnt hatte, erhob der Kläger dagegen am 28. Februar 2009, vertreten durch Rechtsanwalt W., Klage beim Sozialgericht Hamburg. Das entsprechende Klageverfahren wurde beim Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 56 AS 601/09 und später - nach einem Wechsel im Kammervorsitz - unter dem Aktenzeichen S 34 AS 601/09 geführt.

Unter dem 14. Juni 2011 stellte Rechtsanwalt W. im Folgenden namens des Klägers bei dem Beklagten einen Antrag auf Überprüfung sämtlicher nach dem Bewilligungsbescheid vom 29. Oktober 2008 erlassener Bescheide. Auch in diesen Bescheiden seien die Stromkosten für den Betrieb des Zusatzheizkörpers nicht als Heizkosten berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2011 bat der Beklagte daraufhin, zunächst den Ausgang des Verfahrens S 56 AS 601/09 abzuwarten, da in diesem Verfahren ebenfalls die Übernahme der zusätzlichen Heizkosten streitig sei.

Am 25. Januar 2013 fand in dem Verfahren S 34 AS 601/09 ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Im Rahmen dieses Termins erklärte der Kläger ausweislich der entsprechenden Sitzungsniederschrift, dass er auf den Beistand seines Anwalts verzichte, woraufhin zunächst Rechtsanwalt W. und im Folgenden auch der Kläger den Sitzungssaal verließen. Rechtsanwalt W. trat der Verhandlung zu einem späteren Zeitpunkt erneut bei und erklärte, dass die Äußerung des Klägers, er wolle sich selbst vertreten, nicht als Mandatskündigung zu verstehen sei. Gleichwohl werde er als Prozessbevollmächtigter in dem Termin keine Anträge mehr stellen.

Am 30. Januar 2013 hat Rechtsanwalt W. namens des Klägers wegen der Nichtbescheidung des Überprüfungsantrages vom 14. Juni 2011 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Eine Prozessvollmacht war der Klageschrift nicht beigefügt.

Die Kammervorsitzende hat Rechtsanwalt W. mit der Bestätigung des Klageeingangs vom 6. Februar 2013 zugleich aufgefordert, aufgrund der Äußerungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung des Verfahrens S 34 AS 601/09 eine Vollmacht vorzulegen. Nachdem eine von Rechtsanwalt W. erbetene Fristverlängerung ungenutzt verstrichen war, hat sie unter dem 2. April 2013 an die Übersendung der Vollmacht erinnert und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass entgegen § 73 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine schriftliche Prozessvollmacht des Klägers zu den Akten gereicht worden sei, die Klage daher als unzulässig abgewiesen und der Mangel der Vollmacht in der Berufungsinstanz nicht geheilt werden könne. Gleichzeitig hat sie nochmals Gelegenheit gegeben, die Vollmacht binnen vier Wochen ab Zugang des – am 5. April 2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten – Schreibens zu den Akten zu reichen und zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Rechtsanwalt W. hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 12. April 2013 und 29. April 2013 mitgeteilt, dass er den Kläger nicht erreichen könne und erneut um eine Fristverlängerung bis zum 30. Mai 2013 gebeten, die seitens der Kammervorsitzenden abgelehnt worden ist.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Mai 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die von Rechtsanwalt W. für den Kläger erhobene Klage sei bereits unzulässig. Entgegen § 73 SGG habe Rechtsanwalt W. weder innerhalb der gesetzten Frist noch bis zum Erlass des Gerichtsbescheides eine schriftliche Vollmacht nachgewiesen, obgleich angekündigt worden sei, dass die Klage nach Ablauf der Frist mangels Vorliegens einer schriftlichen Vollmacht als unzulässig abgewiesen werden könne. Zwar werde die Vollmacht bei einem Rechtsanwalt nach § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG grundsätzlich widerlegbar vermutet. Eine Überprüfung der Vollmacht des Klägervertreters sei hier aber angezeigt gewesen, da der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Verfahrens S 34 AS 601/09 erklärt habe, nicht weiter von seinem Prozessbevollmächtigten vertreten werden zu wollen. Der Gerichtsbescheid ist Rechtsanwalt W. am 16. Mai 2013 zugestellt worden. Am 17. Juni 2013, einem Montag, hat er dagegen namens des Klägers Berufung beim Landessozialgericht Hamburg eingelegt.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2013 hat die Berichterstatterin Rechtsanwalt W. aufgefordert, die Berufung innerhalb einer Frist von vier Wochen zu begründen. Unter dem 20. August 2013 ist nochmals an die Übersendung der Berufungsbegründung erinnert worden.

Unter dem 12. September 2013 hat Rechtsanwalt W. daraufhin erneut eine Fristverlängerung beantragt und mitgeteilt, dass er den Kontakt zu seinem Mandanten verloren habe und es nicht auszuschließen sei, dass der Rechtsstreit nicht weitergeführt werden solle.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2013, zugestellt am 24. Oktober 2013, hat die Berichterstatterin Rechtsanwalt W. unter Fristsetzung bis zum 15. November 2013 aufgefordert, eine Prozessvollmacht des Klägers einzureichen und darauf hingewiesen, dass die Berufung nach Ablauf der Frist als unzulässig verworfen werden könne.

Eine Prozessvollmacht ist in der Folgezeit nicht vorgelegt worden. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen.

Der als Prozessbevollmächtigter auftretende Rechtsanwalt W. beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Mai 2013 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den Überprüfungsantrag vom 14. Juni 2011 zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Mit Beschluss vom 17. Februar 2014 ist das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG auf die Berichterstatterin übertragen worden, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2014, die Prozessakte und die beigezogene Leistungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hat.

Eine Entscheidung konnte trotz des Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erfolgen, weil dieser ordnungsgemäß geladen und mit der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie durch einen vollmachtlosen Vertreter eingelegt worden ist und der Kläger die durch den vollmachtlosen Vertreter erfolgte Berufungseinlegung nachträglich nicht genehmigt hat, so dass die fehlerhafte Prozesshandlung auch nicht – was grundsätzlich möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 21.6.2001, B 13 RJ 5/01 R) – rückwirkend geheilt worden ist.

Beteiligte können sich nach § 73 Absatz 2 Satz 1 SGG durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Vollmacht ist nach § 73 Absatz 6 Satz 1 SGG schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Dies ist hier nicht geschehen. Das Vorhandensein der Vollmacht ist zwar bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nach § 73 Absatz 6 Satz 5 SGG nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Bei Vorliegen begründeter Zweifel darf das Gericht aber dennoch eine Überprüfung vornehmen und eine schriftliche Vollmacht anfordern (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, § 73 Rn. 68; Hauck, in: Juris-PR SozR 18/08, Anm. 4). Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens S 34 AS 601/09 am 25. Januar 2013 vor dem Sozialgericht erklärt hatte, auf den Beistand seines Anwalts zu verzichten, und Rechtsanwalt W. im Rahmen des hiesigen Verfahrens trotz entsprechender Aufforderung keine Prozessvollmacht vorgelegt und mit Schreiben vom 12. September 2013 zudem mitgeteilt hatte, den Kontakt zum Kläger verloren zu haben, bestand Veranlassung, eine schriftliche Vollmachtsurkunde anzufordern, die – wie dargelegt – nicht eingereicht worden ist.

Ist eine Prozessvollmacht nicht zu den Gerichtsakten gelangt, bedarf es allerdings, damit das Gericht das Rechtsmittel ohne Prüfung in der Sache als unzulässig verwerfen kann, regelmäßig einer vorherigen richterlichen Aufforderung an den vollmachtlosen Vertreter, binnen einer bestimmten Frist die fehlende Vollmachtsurkunde nachzureichen, verbunden mit dem Hinweis, dass das Rechtsmittel anderenfalls als unzulässig verworfen werden wird (vgl. BSG, Beschluss vom 16.7.2003, B 13 RJ 83/02 B). Eine solche Aufforderung ist mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 unter Fristsetzung bis zum 15. November 2013 erfolgt. Gleichwohl ist eine Vollmacht weder innerhalb der gesetzten Frist noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden. Die Prozesshandlungen von Rechtsanwalt W. waren mangels Vollmacht schwebend unwirksam und sind, weil die angeforderte Vollmacht nicht vorgelegt worden ist, unwirksam geblieben. Die am 17. Juni 2013 eingelegte Berufung entfaltet damit keine Rechtswirkung für den Kläger und ist als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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