L 2 EG 7/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 31 EG 10/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 EG 7/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sich auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Höhe des der Klägerin bewilligten Elterngeldes und dabei die Frage, ob zwei im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Zahlungen bei der Bemessung zu berücksichtigen sind.

Am 26. Oktober 2012 beantragte die 1976 geborene Klägerin Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer am xxxxx 2012 geborenen, von ihr im gemeinsam mit dem Kindsvater geführten Haushalt selbst betreuten und erzogenen Tochter R.S ... Die Klägerin war bis zum Beginn des Mutterschutzes als Groß- und Außenhandelskauffrau vollzeitbeschäftigt und während der Elternzeit vom x September 2012 bis x September 2013 nicht erwerbstätig. Sie erhielt für den Zeitraum vom 10. August 2012 bis zum 20. November 2012 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR kalendertäglich sowie von ihrer Arbeitgeberin, der A. GmbH, einen Zuschuss hierzu in Höhe von 68,69 EUR kalendertäglich.

Mit Bescheid vom 8. November 2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin antragsgemäß Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer Tochter, wobei wegen der Anrechnung des Mutterschaftsgeldes und des hierauf gezahlten Arbeitgeberzuschusses für den 1. Lebensmonat (x September 2012 bis x Oktober 2012) 0,00 EUR und für den zweiten (x Oktober 2012 bis x November 2012) lediglich 189,40 EUR gewährt wurden. Für den 3. bis 12. Lebensmonat (x November 2012 bis x September 2013) bewilligte die Beklagte jeweils Elterngeld in Höhe von 1.467,97 EUR. Ihrer Berechnung legte sie wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld ab dem 10. August 2012 den Bemessungszeitraum von August 2011 bis Juli 2012 zu Grunde und ermittelte so ein Gesamtnettoeinkommen aus nichtselbstständiger Arbeit von 27.100,87 EUR, im Monatsdurchschnitt 2.258,41 EUR. Hiervon setzte die Beklagte 65 % als Elterngeld an, mithin monatlich 1.467,97 EUR. Dabei stellte die Beklagte die Werte aus den vorgelegten Lohnabrechnungen ein, berücksichtigte bei der Berechnung jedoch nicht das der Klägerin im November 2011 in Höhe von 1.943,75 EUR und im Juni 2012 in Höhe von 1.975,00 EUR brutto jeweils als "sonstiger Bezug" ("S") erbrachte "13. Monatseinkommen".

Mit am 21. November 2012 eingegangenem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Nichtberücksichtigung des "13. Monatsgehalts (Urlaubs- und Weihnachtsgeldes)". Dieses sei in dem dem Widerspruch beigefügten Arbeitsvertrag vom 7. Dezember 2010 vereinbart, werde jedes Jahr gezahlt und zähle somit zu ihren regelmäßigen Einnahmen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Klägerin am 17. Mai 2013 zugestelltem Widerspruchbescheid vom 16. Mai 2013 zurück. Hinsichtlich der Begründung wird auf Blatt 18 bis 22 der Prozessakte bzw. 58 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Juni 2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und vorgetragen, dass zwar nach § 2 c Abs. 1 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) Einnahmen unberücksichtigt blieben, die im Lohnsteuerverfahren als sonstige Einnahmen behandelt würden. Der Sache nach handele es sich bei ihrem 13. Monatseinkommen jedoch nicht um eine sonstige Einnahme, sondern um einen regelmäßig wiederkehrenden vertraglichen Anspruch, einen festen Gehaltsbestandteil.

Das SG hat die Klage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 14. August 2013 abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höhere Elterngeldzahlungen, als ihr von der Beklagten bewilligt worden seien. Insbesondere seien die geltend gemachten Zahlungen aus den Monaten Juni 2012 und November 2011 nicht als Einkommen im Bemessungszeitraum heranzuziehen. Nach § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der ab dem 18. September 2012 geltenden Fassung würden bei der Einkommensermittlung zur Berechnung der Höhe des Elterngeldes Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt würden, nicht berücksichtigt. Um solche Bezüge handele es sich bei den Bezügen im Juni 2012 und November 2011 nach dem eindeutigen Inhalt der Gehaltsbescheinigungen, die nach § 2 c Abs. 2 BEEG heranzuziehen gewesen seien. Bereits zu der Vorgängernorm des § 2 c Abs. 1 Satz 2 BEEG§ 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG – habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass nur dann keine sonstigen Bezüge, sondern laufender Arbeitslohn vorlägen, wenn es sich um keine anlassgebundenen Bezüge handele wie z.B. bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld, es sei denn, diese würden Monat für Monat erwirtschaftet (Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 10 EG 20/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr. 18). Bei den Zahlungen handele es sich um anlassgebundene Zahlungen, die von der Klägerin in ihrem Widerspruchsschreiben selbst als "Urlaubs- und Weihnachtsgeld" bezeichnet worden seien. Sie seien auch nicht Monat für Monat erwirtschaftet, sondern unabhängig von der Arbeitsleistung gezahlt worden. Es komme mithin auch nicht darauf an, dass die Klägerin einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf diese Zahlungen habe.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. August 2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19. September 2013 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie hält an ihrer Auffassung fest und trägt vor, dass es den Arbeitnehmern/-innen der A. GmbH trotz der arbeitsvertraglich geregelten Fälligkeit des 13. Monats-entgelts im Monat November eines jeden Kalenderjahres freistehe, die Auszahlung statt in einer Summe aufgeteilt auf zwei im Juni sowie im November zu erhalten. Entsprechend sei auch sie zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses einmal von ihrem Chef gefragt worden sei, ob das 13. Monatsgehalt in einer oder zwei Summen ausgezahlt werden solle. Daraufhin habe sie sich für die Auszahlung in zwei Tranchen entschieden. Dies werde bis heute so gelebt. Weiter behauptet die Klägerin, dass es Praxis ihrer Arbeitgeberin sei, bei einem unterjährigen Ausscheiden aus dem Betrieb bereits das anteilige 13. Gehalt entsprechend auszuzahlen, sodass sie im Jahr der Geburt ihrer Tochter tatsächlich zum Dezember anteilig die zweite Hälfte des 13. Monatsgehaltes erhalten habe. Hierzu verweist die Klägerin auf die zur Akte gereichte Abrechnung der Bezüge für November 2012.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. August 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des im November 2011 und Juni 2012 gezahlten "13. Monatseinkommens" zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und die Klageabweisung durch das SG für richtig.

Der Senat hat durch Beschluss vom 6. Januar 2014 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 23. April 2014, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in deren Rechten. Letztere hat keinen Anspruch auf Gewährung höheren Elterngeldes.

Zwar hat das BSG ausweislich des dortigen Terminberichts Nr. 9/14 vom 27. März 2014 zur Terminvorschau Nr. 9/14 in seiner Sitzung vom 26. März 2014 in den drei Revisionsverfahren B 10 EG 7, 12 und 14/13 R entschieden, dass es auch unter Geltung des vorliegend maßgeblichen § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der Fassung vom 10. September 2012 (BGBl. I S. 1878) an seiner Rechtsprechung festhalte, wonach Umsatzbeteiligungen, die einem Arbeitnehmer neben dem monatlichen Grundgehalt für kürzere Zeiträume als ein Jahr und damit mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen gezahlt würden, bei der Berechnung des Elterngeldes als Einnahmen zu berücksichtigen seien; der Umstand allein, dass der Arbeitgeber Provisionen im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt habe, rechtfertige es nicht, Provisionen bei der Elterngeldberechnung unberücksichtigt zu lassen. Würde man dem folgen, dürfte allein der Umstand, dass die vorliegend streitbefangenen Zahlungen in den Entgeltabrechnungen jeweils als "sonstiger Bezug" ausgewiesen wurden, deren Berücksichtigung nicht bereits ausschließen. Im Übrigen kann jedoch auf die Begründung des SG uneingeschränkt nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich bei beiden Zahlungen nicht um laufenden Arbeitslohn, sondern um sonstige Bezüge im Sinne des § 38a Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 29. August 2012 – B 10 EG 20/11 R, aaO, und B 10 EG 8/11 R, juris; bestätigt sogar für die aufgrund des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 bestehende neue Rechtslage, wonach "im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen" nicht berücksichtigt werden, mit Urteilen vom 26. März 2014 – B 10 EG 7, 12 und 14/13 R, aaO) stellen Arbeitsentgeltbeträge im Rahmen des BEEG dann keine sonstigen Bezüge, sondern laufenden Arbeitslohn dar, wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, die nicht anlassgebunden, sondern zeitraumbezogen geleistet werden und eine hinreichende Beziehung zu der tatsächlich erbrachten Arbeit haben. Um sie als laufenden Arbeitslohn einzuordnen, müssen den Zahlungen jeweils unterjährige Arbeitszeiträume entsprechen. Davon kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn diese zusätzlich zum Monatsentgelt geleisteten Zahlungen ausdrücklich Teil des Jahresgesamtlohnanspruchs sind und ihre mindestens zwei Fälligkeitszeitpunkte arbeitsvertraglich einem unterjährigen Intervall zugeordnet werden können (erstes Kriterium). Ferner müssen Vereinbarungen vorliegen, die einen der erbrachten Arbeitsleistung entsprechenden anteiligen Auszahlungsanspruch begründen (zweites Kriterium). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.

Die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen liegen indes bei den hier streitbefangenen Zahlungen nicht vor. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 7. Dezember 2010, dort § 4 Abs. 1, handelt es sich bei dem 13. Bruttomonatsentgelt um eine Einmalleistung mit jährlicher Fälligkeit im Monat November, die darüber hinaus auch keinen der erbrachten Arbeitsleistung entsprechenden anteiligen Auszahlungsanspruch begründet. Dieser Arbeitsvertrag hat die – allerdings widerlegbare – Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich (§ 118 SGG i.V.m. §§ 416 der Zivilprozessordnung ( ZPO), Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Auflage 2011, § 416 Rn. 3 ff. mwN).

Durch den bloßen Vortrag der Klägerin, dass abweichend von der Regelung im Arbeitsvertrag auf Wunsch des Arbeitnehmers – und so auch von ihr – die Zahlung des 13. Monatsgehaltes in zwei Beträgen im Juni und November erfolge und darüber hinaus ein anteiliger Auszahlungsanspruch bei vorzeitigem Ausscheiden bestehe, führt nicht zur Widerlegung der vorgenannten Vermutung. Dadurch kann eine wirksame anspruchsbegründende Änderung des schriftlichen Arbeitsvertrages durch mündliche Abreden nicht erfolgt sein. In § 13 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass Änderungen des Vertrages und Nebenabreden zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedürften und dass dies ausdrücklich auch für eine Aufhebung oder Änderung des hier vereinbarten Schriftformerfordernisses selbst gelte (so genannte "doppelte Schriftformklausel", vgl.: Ellenberger in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Auflage 2012, § 125 Rn. 19 mN). Auch eine Änderung des Arbeitsvertrages durch betriebliche Übung (vergleiche hierzu: Weidenkaff in: Palandt, aaO, Einf vor § 611, Rn. 76) kommt nicht in Betracht. Dies ist zum einen wegen der doppelten Schriftformklausel im Arbeitsvertrag ausgeschlossen (vgl. Weidenkaff, aaO mwN), zum anderen weil die Klägerin zum Zeitpunkt der beiden streitbefangenen Zahlungen noch nicht einmal zwei Jahre (vgl. hierzu ebenfalls Weidenkaff, aaO mwN) bei der A. GmbH beschäftigt war.

Darüber hinaus würde sich selbst dann, wenn ein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf die von der Klägerin behauptete Auszahlungspraxis der Arbeitgeberin bestünde, nichts an dem Charakter der Zahlungen als sonstiger Bezug ändern. Selbst wenn das "13. Monatsgehalt", dessen Berücksichtigung bei der Elterngeldbemessung der Gesetzgeber ausdrücklich verhindern wollte (BT-Drs. 16/1889 DS. 21; BT-Drs. 16/2785 S. 32), in zwei Beträgen ausgezahlt würde, änderte die nichts an dem Charakter als anlassbezogene Zahlung. Es handelt sich um einen für das gesamte Jahr zugewandten Betrag, der keinem unterjährigen Arbeitsintervall zugeordnet werden kann.

Schließlich behauptet die Klägerin nicht einmal, dass ein unbedingter anteiliger Auszahlungsanspruch bei Eintritt nach Beginn des Kalenderjahres und/oder Ausscheiden vor dem Ende des Kalenderjahres bestehe. Aus dem Umstand, dass der Klägerin bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis eine solche anteilige Auszahlung im Jahr der Geburt ihrer Tochter erbracht wurde, lässt sich dies nicht schließen.

Demnach ist weder das vom BSG genannte erste noch das zweite Kriterium erfüllt. Dies gilt vor dem Hintergrund des nicht wirksam geänderten Arbeitsvertrages und gölte selbst für den Fall einer wirksamen Änderung gemäß dem Vortrag der Klägerin. Eine Berücksichtigung der beiden im Bemessungszeitraum erfolgten Teilzahlungen des "13. Monatseinkommens" kommt unter keinem Gesichtspunkt in Betracht.

Auch im Übrigen wurde das Elterngeld von der Beklagten fehlerfrei berechnet. Hierzu nimmt der Senat Bezug auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides der Beklagten (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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