L 1 KR 105/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 1111/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 105/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die teilweise Rückzahlung einer im Jahre 2005 gezahlten Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Ein Versicherter der Klägerin befand sich in der Zeit vom 23. März 2004 bis zum 7. Juni 2004 in stationärer Behandlung in der Einrichtung der Beklagten. Hierfür forderte die Beklagte von der Klägerin mit Rechnungen vom 10. Juni 2004, vom 5. Juli 2004 und vom 24. Februar 2005 einen Betrag von insgesamt 19.035,23 EUR. Die Klägerin veranlasste auf Grund der Zwischenrechnung vom 10. Juni 2004 eine Prüfung der Verweildauer durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), der in seiner Stellungnahme vom 21. Juni 2004 zu der Auffassung gelangte, dass eine Kostenübernahme gemäß § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur bis zum 6. Mai 2004 befürwortet werden könne. Ab dem 7. Mai 2004 handele es sich um einen Pflegefall im Krankenhaus, da die Entlassung aus anderweitigen nichtmedizinischen Gründen nicht möglich gewesen sei.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2004 teilte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des MDK der Beklagten mit, dass eine Kostenübernahme über den 6. Mai 2004 hinaus nicht möglich sei. Es handele sich um einen sogenannten Pflegefall im Krankenhaus.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2005 wandte sich die Beklagte über ihren Prozessbevollmächtigten an die Klägerin und wies auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. Mai 2004 (B 3 KR 18/03 R) hin. Hiernach ende die Leistungspflicht der Kostenträgers nicht automatisch in dem Moment, in dem objektiv eine Behandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 39 SGB V entfalle. Erforderlich sei zusätzlich, dass der Kostenträger nicht nur den Versicherten, sondern auch die behandelnden Ärzte auf konkrete und praktikable Unterbringungsalternativen hinweise. Dies könne der Korrespondenz der Klägerin aber nicht entnommen werden. Der Versicherte habe eine Entlassung in die Heimpflege krankheitsbedingt abgelehnt. Gerade für derartige Situationen habe das Bundessozialgericht jetzt endgültig entschieden, dass das Kostenrisiko nicht bei den Krankenhäusern liege. Die Klägerin werde daher gebeten, die Position kurzfristig zu überprüfen und zu bestätigen, dass die Kosten für die Behandlung des Versicherten ab dem 7. Mai 2004 übernommen würden.

Mit Schreiben vom 13. April 2005 teilte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten mit, dass die Hauptforderung bezahlt werde, da die Klägerin den Vorgang nicht fristgerecht aufklären könne. Es sei für die Beklagte also nicht erforderlich, ein Klageverfahren anzustrengen.

Der Rechnungsbetrag für die Krankenhausbehandlung wurde anschließend im April 2005 vollständig ausgeglichen.

Die Klägerin veranlasste – offensichtlich im Januar 2006 – eine nochmalige Stellungnahme des MDK zum Behandlungsfall. Nach Anforderung und Auswertung der Patientenakte bestätigte der MDK in seiner Stellungnahme vom 11. September 2007 inhaltlich die Stellungnahme vom 21. Juni 2004.

Nach Kenntnis der Stellungnahme forderte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Oktober 2007 die Beklagte u. a. mit Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25. September 2007 (GS 1/06) zur Zahlung von 7.764,26 EUR auf, was der Vergütung für den Zeitraum vom 7. Mai 2004 bis zum 7. Juni 2004 entsprach. Dies lehnte die Beklagte ab.

Nach weiterem Schriftwechsel im Jahre 2009 hat die Klägerin am 9. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Beklagte müsse die für den Zeitraum vom 7. Mai 2004 bis zum 7. Juni 2004 gezahlte Vergütung zurückzahlen. Der Anspruch ergebe sich aus Bereicherungsrecht. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – vor allem auf Grund des Beschlusses des Großen Senats vom 25. September 2007 (GS 1/06) – sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, den stationären Aufenthalt ab dem 7. Mai 2004 zu vergüten, da die medizinische Notwendigkeit nicht mehr vorgelegen habe. Die Forderung sei nicht verjährt. Die im Jahre 2005 erfolgte Zahlung stelle auch kein Anerkenntnis dar und ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz oder gegen Beanstandungsfristen liege nicht vor.

Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 13. April 2005 ein Anerkenntnis abgegeben habe, welches jetzt nicht mehr zurückgenommen werden dürfe. Die Klägerin habe im Jahre 2005 in Kenntnis der beiderseitigen Rechtspositionen die volle Forderung ausgeglichen. Im Übrigen hätte die Klägerin auch die Möglichkeit gehabt, die Forderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen, was aber nicht geschehen sei. Eine Änderung der Rechtsprechung berechtige nicht zu einem Widerruf oder einer Anfechtung eines bereits gegebenen und erfüllten Anerkenntnisses. Außerdem sei die Beanstandungsfrist des § 11 Abs. 2 des Hamburger Vertrags über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (112er Vertrag) längst abgelaufen und der Rückforderungsanspruch auf im Übrigen verwirkt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2013 mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin mit der Geltendmachung eines zwar bestehenden Bereicherungsanspruchs nach Treu und Glauben ausgeschlossen sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihr Schreiben vom 13. April 2005 und dem nachfolgenden vollständigen Ausgleich der Rechnung im April 2005 einen besonderen Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Beklagten geschaffen habe. Die Beklagte habe auf Grund des Schreibens vom 13. April 2005 davon ausgehen dürfen, dass die zuvor streitige Angelegenheit nunmehr geklärt sei. Einen Vorbehalt oder einen Hinweis auf eine mögliche spätere Nachprüfung habe dieses Schreiben nicht enthalten. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die inhaltliche Anerkennung der Zahlungsforderung irrtümlich oder nach einer fehlerhaften Prüfung erfolgt sei, denn auf Grundlage der zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts, auf die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hingewiesen habe, habe viel für die Begründetheit der Forderung gesprochen. Neben dem gesetzten Vertrauenstatbestand sei zu berücksichtigen, dass zwischen der Zahlung und der Geltendmachung der Forderung über zwei Jahre gelegen hätten. In dieser Zeit sei es für die Beklagten nicht ersichtlich gewesen, dass die Klägerin weitere Ermittlungen hinsichtlich des Krankenhausaufenthaltes habe anstellen wollen.

Die Beklagte begründet ihre am 19. Juli 2013 gegen das ihr am 19. Juni 2013 zugestellte Urteil eingelegte Berufung im Anschluss an den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren weiter damit, dass ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot, wenn ein solcher in der langen Dauer der zweiten MDK-Begutachtung gesehen werden sollte, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht sanktionslos bleibe. Krankenhäuser müssten innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist mit Rückforderungen rechnen. Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht nach Treu und Glauben untergegangen. Denn es liege kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten vor. Die Klägerin habe die Beklagte mit Schreiben vom 13. April 2005 darüber informiert, dass sie nur zahle, weil sie den Sachverhalt nicht rechtzeitig aufklären könne. Die Beklagte habe daher weiter mit einer Rückforderung rechnen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 7.764,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % für die Zeit ab 9. November 2007 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2014, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte (VA) der Klägerin und der Krankenakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein Rückforderungsanspruch zusteht. In der rechtlichen Begründung vertritt der Senat allerdings eine vom Sozialgericht abweichende Ansicht.

Danach setzt die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches voraus, dass die Klägerin verfahrenskonform Beanstandungen geltend gemacht hat, die sie zur Minderung des Abrechnungsbetrages berechtigen. Die Klägerin hat zwar eine entsprechende Einwendung mit dem Schreiben vom 29. Juni 2004 innerhalb der insoweit maßgeblichen Frist des § 11 Abs. 2 des 112er Vertrages geltend gemacht. Nach Ansicht des Senates hat sie diese Einwendungen jedoch mit dem Schreiben vom 13. April 2005 wieder fallen gelassen. Damit stellen sich die erneute Beauftragung der MDK im Januar 2006 und die folgende Rückforderung als eine neue Beanstandung dar, die außerhalb der Frist des § 11 Abs. 2 des 112er Vertrages geltend gemacht wurde und daher nicht berücksichtigungsfähig ist.

Dazu im Einzelnen:

Nach § 11 Abs. 2 des § 112er Vertrages können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art (auch nach Bezahlung der Rechnung, die nach § 12 des 112er Vertrages innerhalb von 15 Arbeitstagen zu erfolgen hat) von der Krankenkasse innerhalb von 6 Monaten nach Eingang der § 301er-Daten geltend gemacht werden. Die Frist wird bei Beauftragung des MDK gehemmt.

Nach den Gründen im angefochtenen Urteil sei diese Regelung hier nicht anzuwenden, da die Klägerin Bedenken innerhalb der Frist des § 11 Abs. 2 des 112er Vertrages geltend gemacht habe und für die nachfolgende Abwicklung § 11 Abs. 2 des 112er Vertrages nicht unmittelbar herangezogen werden könne.

Es trifft zwar zu, dass die Klägerin innerhalb der 6-Monats-Frist die Beanstandung geltend gemacht hat. Die entscheidende Frage ist damit, ob diese Beanstandung fortgegolten hat oder ob die Klägerin durch ihr Verhalten die Beanstandung fallengelassen und erst später wieder erneut geltend gemacht hat. Warum diese Frage nicht ausgehend von der Regelung des § 11 Abs. 2 des 112er Vertrages zu beantworten sein soll, ist für den Senat nicht erkennbar.

Nach Auffassung des Senats durfte die Beklagte davon ausgehen, dass mit dem Schreiben vom 13. April 2005 die fristgerecht geltend gemachte Beanstandung nicht aufrechterhalten wurde.

Die Klägerin hat – offenbar auf der Grundlage der handschriftlich vom Krankenhaus ergänzten § 301er-Daten, die am 1. Juni 2004 eingegangen waren – am 14. Juni 2004 den MDK mit der Prüfung des Falles beauftragt (vgl. hierzu und dem folgenden Ablauf die VA der Beklagten). Dieser hat bereits mit Schreiben vom 21. Juni 2004 im Sinne der Klägerin geantwortet und die Klägerin hat daher mit Schreiben vom 29. Juni 2004 der Beklagten gegenüber unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK die Zahlung verweigert. Damit war die Prüfung der Beanstandung beendet. Es ist nicht ersichtlich, dass der MDK noch weitere Daten oder Unterlagen gebraucht hat. Die Klägerin hat sich in dem Schreiben vom 29. Juni 2004 auch in keiner Weise dergestalt geäußert, dass sie die Prüfung des Falles noch nicht für abgeschlossen halte. Nachdem dann der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 25. Januar 2005 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine andere rechtliche Auffassung vertreten und um Bestätigung der Kostenübernahme gebeten hatte, teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit besagtem Schreiben vom 13. April 2005 mit, dass die Hauptforderung bezahlt werde, "da sie den Vorgang nicht fristgerecht aufklären" könne.

Der Senat vermag aus dieser Formulierung nicht abzuleiten, dass die Klägerin ihre Beanstandung aufrechterhalten wollte. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass es an der Klägerin liegt, ausreichend deutlich zu machen, dass die Zahlung unter Aufrechterhaltung der Beanstandung erfolgt, da sie sich anspruchsbegründend auf diesen Umstand stützt. Unklarheiten gehen daher zu ihren Lasten. In Anbetracht des Umstandes, dass nicht die Klägerin selbst, sondern ihre Prozessbevollmächtigte das Schreiben als Volljuristin verfasst hat, sind an die Eindeutigkeit des Vorbehaltes hohe Anforderungen zu stellen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Formulierung, es werde gezahlt, "da sie den Vorgang nicht fristgerecht aufklären" könne, lediglich als Begründung, nicht jedoch als Bedingung für die erfolgte Zahlung dar. Es wird in keiner Weise deutlich, dass weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes beabsichtigt waren. Die Beklagte musste damit auch nicht rechnen, denn die Klägerin hatte den MDK bereits beauftragt und hatte das Ergebnis der Begutachtung der Beklagten auch mitgeteilt. Ein Grund für eine nochmalige Beauftragung des MDK war nicht angegeben und auch nicht ersichtlich. Vielmehr stand die rechtliche Beurteilung der Frage "Pflegefall im Krankenhaus" in Streit. Die Lage unterscheidet sich damit deutlich von Fällen, in der der MDK fristgerecht beauftragt worden ist, aber das Ergebnis der Begutachtung noch nicht feststeht und es für das Krankenhaus nahe liegt, davon auszugehen, dass die Krankenkasse nicht beanstandungslos zahlen will. Wenn die Klägerin in der vorliegenden Situation nur unter Aufrechterhaltung ihrer Beanstandung hat zahlen wollen, dann wäre ein ausdrücklicher Hinweis hierauf in dem Sinne erforderlich gewesen, dass und aus welchem Grund beabsichtigt ist, zeitnah nochmals den MDK zu beauftragen. Ein solcher Hinweis ist nicht erfolgt.

Ergänzend ist anzumerken, dass auch in den Monaten nach dieser Erklärung dergleichen nicht erfolgt ist. Erst im Januar 2006 hat die Klägerin offensichtlich beschlossen, den MDK nochmals zu beauftragen. Aus welchem Grund bzw. welcher Motivation heraus dies erfolgt ist, bleibt unklar. In der VA der Klägerin sind hierzu keinerlei Unterlagen zu finden. Es spricht daher einiges dafür, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vom 13. April 2005 auch gar nicht die Absicht hatte, die Beanstandung aufrecht zu erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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