Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 KR 979/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 162/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung für in der T. eingegliederten Zahnersatz.
Die 1948 geborene inzwischen verrentete Klägerin ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner versichert. Am 12. Mai 2006 beantragte sie aufgrund eines durch den in H.-W. ansässigen Zahnarzt A.K. erstellten Heil- und Kostenplans – HKP – vom 8. Mai 2006 die Kostenerstattung für eine zahnärztliche Behandlung in Form von Zahnersatz für die Zähne nach der Zahnschemanummer der F. 13-16 i.H.v. 1.234,90 EUR.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2006 bewilligte die Beklagte einen Festzuschuss hierfür in Höhe von 572,64 EUR. Während eines Aufenthalts in der T. ließ sich die Klägerin in der Zeit vom 15. März bis 7. April 2007 zahnärztlich behandeln.
Am 7. Juni 2007 beantragte die Klägerin die Erstattung von 3.267,50 t. Lira (nach damaligem Umrechnungskurs 1.753,89 EUR) für zahnärztliche Behandlungskosten in der T ... Aus der Rechnung des behandelnden Zahnarztes in der T. lässt sich erkennen, dass die Zähne 11-17 sowie 21-27 behandelt worden sind. Die Klägerin trug vor, sie habe die zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen müssen, da sie unter starken Schmerzen gelitten habe; es hätten im Oberkiefer zwei Zähne gezogen werden müssen. Im Übrigen sei eine neue Brücke anzufertigen gewesen.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2007 bewilligte die Beklagte hierauf 180,62 EUR, hiervon 76,23 EUR für zahnärztliche Behandlung und 104,39 EUR für eine Interimsprothese für zwei gezogene Zähne. Zur Begründung führte sie aus, dass das Sozialversicherungsabkommen der T. nur die Übernahme einer Notfallbehandlung vorsehe. Bei dem neu gefertigten Zahnersatz handele sich nicht um einen Notfall.
Hiergegen erhob die Klägerin am 7. August 2007 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, der behandelnde Zahnarzt habe ihr im Rahmen einer Notfallbehandlung empfohlen, neuen Zahnersatz anzufertigen. Wegen der geringeren Kosten der Behandlung in der T. sei diese dort durchgeführt worden. Die Beklagte antwortete darauf, dass Zahnersatz im Ausland zwar günstiger sei, für in der T. durchgeführte Behandlungen aber nicht genehmigt werden könne, da das Sozialversicherungsabkommen keine Leistungen für Zahnersatz vorsehe.
Die Klägerin hielt an ihrer Auffassung fest und wies darauf hin, dass ein in D. ansässiger Zahnarzt bereits vor ihrem Urlaub in der T. einen HKP über 1.264,99 EUR aufgestellt habe. Der Zahnarzt in der T. habe ihr empfohlen, sofort zahnärztliche Maßnahmen durchführen zu lassen.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 lehnte die Beklagte eine weitere Kostenerstattung ab. Darin wiederholte sie ihre Begründung aus dem Bescheid vom 26. Juli 2007 und trug ergänzend vor, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor Beginn der Behandlung ein HKP vorzulegen sei. Vorliegend sei die Genehmigung von der Beklagten nur für die H. Praxis A.K. erteilt worden.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am 16. Mai 2011 Widerspruch. Ein Anspruch der Klägerin bestehe aufgrund des Beschlusses des Assoziationsrates 3/80 vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf türkische Arbeitnehmer und Familienangehörige. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Klägerin als in der Krankenversicherung der Rentner Versicherte ihren Wohnsitz in D. habe und die zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen unter anderem für die Kostenübernahme von Leistungen der Krankenversicherung Anwendung fänden. Da die T. kein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sei, sei einzig das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 anzuwenden. Nach Art. 4a) dieses Abkommens würden Staatsangehörigen der jeweils anderen Vertragspartei den Staatsangehörigen der Vertragspartei, auf dessen Gebiet sie sich gewöhnlich aufhalten würden, gleichstehen. Für diese Personen gelten nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe B des Abkommens, dass ein Leistungsanspruch während eines vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei (hier der T.) bestehe, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigte. Dies gelte nach Art. 14 Abs. 1, S. 2 auch für den Personenkreis der Rentner. Nach Art. 15 Abs. 2 des Abkommens würden bei Erbringung von Sachleistungen die für den Träger des Aufenthaltsortes maßgebenden Rechtsvorschriften gelten. Aufgrund dieser zwischenstaatlichen Regelungen habe die Beklagte der Klägerin die Kosten für die während ihres Urlaubs in der T. vom 15. März 2007 bis zu ihrer Rückkehr nach D. zwingenden notwendigen zahnärztlichen Behandlungen sowie für eine Interimsprothese erstattet. Des Weiteren führte sie aus, dass das Bundessozialgericht sich in einer Entscheidung vom 30. Juni 2006 mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen auch für ausländische Zahnärzte gelte und dies bejaht worden sei. Nur die Vorlage eines HKP mache es möglich, den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung vorab durch die Krankenkassen prüfen zu lassen. Der auf der Grundlage des HKP von A.K. genehmigte Festzuschuss bezöge sich auf einen anderen Befund, denn die Klägerin habe eine erweiterte Versorgungsform gewählt, für die sie keine vorherige Genehmigung eingeholt habe. Der Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf die t. Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige könne nicht auf die Klägerin angewandt werden, weil sich der persönliche Geltungsbereich des Beschlusses (Art. 2) nicht auf Rentner erstrecke. Dies könne jedoch dahinstehen, weil für den Fall der Anwendung des Beschlusses die vorherige Genehmigung des in der T. erstellten HKP erforderlich gewesen wäre, der aber fehle.
Am 15. August 2011 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht. Zur Begründung führte sie aus, dass die genehmigte Behandlung habe verschoben werden müssen, weil sie in die T. habe reisen müssen. Dort sei es dann zu einer Notfallbehandlung wegen Zahnschmerzen gekommen. Deshalb sei eine vorherige Erstellung eines HKP für die Behandlung in der T. nicht möglich gewesen; der behandelnde Arzt in der T. habe sich jedoch mit dem Zahnarzt A.K. abgestimmt. Die Behandlung habe ihrer Auffassung nach nicht durch den Arzt durchgeführt werden müssen, der den HKP erstellt habe.
Die Beklagte hingegen wiederholt und vertieft ihre im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck gekommene Position und trägt weiter vor, dass bei der Klägerin durch die Extraktion von zwei weiteren Zähnen (16 und 21) im Rahmen der Notfallbehandlung eine deutliche Änderung des Befundes eingetreten sei. Durch die Extraktion des Zahns 16, der für die geplante zweispännige Brücke im Seitenzahnbereich als Pfeilerzahn habe dienen sollen, sei eine dreispännige Brücke im ersten Quadranten erforderlich gewesen. Diese andere und wesentlich umfangreichere Versorgung wäre in jedem Fall vorab im Rahmen eines HKP zu prüfen gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die zutreffenden Gründe im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Juli 2011 verwiesen. Maßgeblich hierfür sei die für die Kostenerstattung erforderliche vorherige Genehmigung der zahnärztlichen Behandlung. Das für eine inländische Behandlung zwingend zu durchlaufende Genehmigungsverfahren sei auch bei der Behandlung in einem anderen EG-Mitgliedstaat grundsätzlich einzuhalten. Dabei sei nicht etwa an den von der Beklagten genehmigten Behandlungs- und Kostenplan des Zahnarztes K. vom 12. Mai 2006 anzuknüpfen. Die Genehmigung vom 16. Mai 2006 habe aber jedenfalls durch Zeitablauf ihre rechtliche Wirkung verloren. Eine enge zeitliche Anwendung der Behandlung an die Prüfung und Genehmigung des HKP ergebe sich aus der Sache selbst: Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung ließen sich nur bezogen auf einen konkreten Gesundheitszustand, der sich schon durch bloßen Zeitablauf oder wegen inzwischen durchgeführter Maßnahmen geändert haben könne, bestimmen. Dementsprechend sei nach der Anl. 3 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte – BMV-Z – in der damals geltenden Fassung für die Wirksamkeit der Genehmigung des Festzuschusses erforderlich gewesen, dass die Behandlung innerhalb von sechs Monaten nach Genehmigung erfolge. Dies sei hier nicht der Fall gewesen; zwischen der Genehmigung im Mai 2006 und der Durchführung der Behandlung im Mai 2007 habe ein Jahr gelegen.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 26. September 2013 zugestellt; am 25. Oktober 2013 hat er die vorliegende Berufung erhoben. Zur Begründung hat er über das bisher Vorgetragene hinaus ausgeführt, dass die Beklagte alle durch einen zugelassenen Zahnarzt als notwendig erachteten und durchgeführten Leistungen zu ersetzen habe, es sei denn, dass diese offensichtlich für die Gesundheit der Versicherten nicht notwendig gewesen seien. Auch sei D. aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses 3/80 vom 19. September 1980 verpflichtet, die t. Staatsbürger wie die eigenen zu behandeln, denn der Beschluss gelte nach Art. 4 für alle Leistungen bei Krankheiten auch für Rentner und zwar auch bei Zahnerkrankungen, so dass die Klägerin nicht darauf verwiesen werden könne, sich nur in D. behandeln zu lassen. Auch durch Art. 6 des Beschlusses sei D. verpflichtet jegliche Schlechter Behandlung aufgrund des Aufenthaltsortes des Versicherten und damit der Klägerin zu unterlassen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 12. September 2013 und der Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2007 und 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, die Kosten der zahnärztlichen Behandlung in der T. in Höhe von 1.573,27 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag im Gerichtsverfahren und das angefochtene Urteil des Sozialgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2014 verwiesen.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 13. und 16. Juni 2014 ihr Einverständnis nach § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zu einer Entscheidung des Rechtsstreits allein durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin und am Ende der mündlichen Verhandlung am 20. August 2014 ihr Einverständnis zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitigen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung der nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen verbliebenen Kosten für die im Jahre 2006 in der T. durchgeführte zahnärztliche Behandlung in Höhe von 1.573,27 EUR.
1.1. Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Berufungsverfahren keinerlei Umstände dargetan, die Anlass zu einer abweichenden Entscheidung geben könnten.
1.2. Nur ergänzend und der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - die Leistungen der deutschen Krankenversicherung nach dem SGB V grundsätzlich in D. zu erbringen sind. Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch aus dem SGB V vorgehenden zwischenstaatlichen Recht ergeben.
1.3. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten ergibt sich jedoch nicht aus zwischenstaatlichem Recht. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit Art. 4a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik D. und der Republik T. über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl. II 1972, S. 2) in der Fassung vom 2. November 1984 (BGBl. II 1986, S. 1040; im folgenden Abkommen) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen auch bei Aufenthalt in der T ... Versicherte deutscher Krankenkassen und deren Familienangehörige erhalten danach Leistungen, a) wenn sie, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthaltes vorher zugestimmt hat, b) wenn der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthaltes im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigen. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil die Beklagte nach Eintritt des Versicherungsfalls der Verlegung des Aufenthalts der Klägerin in die T. nicht zugestimmt hat und die Klägerin die dort erbrachten Leistungen (soweit sie noch streitig sind) wegen ihres Zustandes auch nicht sofort benötigte. Obgleich die Klägerin während ihres Türkeiaufenthaltes Schmerzen gehabt hat, was der Senat als wahr unterstellt, hätte eine Gebisssanierung in dem hier erfolgten und noch streitbefangenen komplexeren Umfang ohne Gesundheitsgefährdung auch nach ihrer Rückkehr nach D. erfolgen können. Als Notfallbehandlung i. S. d. Abkommens kommt hier alleine die zahnärztliche Schmerzbehandlung und die Interimsprothese für 2 gezogene Zähne in Betracht – deren Kosten die Beklagte auch bereits erstattet hat – keinesfalls jedoch eine endgültige Maßnahme.
Darüber hinaus bestimmt Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Die aufgrund der Höhe der entstandenen Kosten erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor; eine unbedingte Dringlichkeit der hier noch im Streit befindlichen umfangreichen Gebißsanierung der Klägerin in der T. war erkennbar nicht gegeben.
1.4. Auch die Voraussetzungen der gesetzlichen Ausnahmeregelungen zu § 16 SGB V sind nicht erfüllt. Weder hat sich die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten im Ausland aufgehalten (§ 16 Abs. 4 SGB V) noch ist ein Fall des § 17 SGB V (Erstattung von Kosten durch die Krankenkasse an den Arbeitgeber bei einer Beschäftigung im Ausland) gegeben. Eine Erstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V kommt nicht in Betracht, da die T. weder ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist noch einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört. Das zwischen der T. und der Europäischen Union bestehende Assoziierungsabkommen (Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die t. Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige, im Folgenden: Assoziierungsabkommen), auf welches der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorrangig abstellt, statuiert lediglich ein sozialrechtliches Diskriminierungsverbot für die sich innerhalb der Europäischen Union legal aufhaltenden Arbeitnehmer und Bewohner der T ... Eine Diskriminierung der Klägerin kommt aber unter keinem Blickwinkel in Frage. Vielmehr begehrt die Klägerin mit ihrer Argumentation letztlich eine Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten, die den Regelungen des SGB V folgend vor einer Behandlung einen HKP erstellen und genehmigen lassen. Auch eine Erstattung nach § 18 SGB V scheidet aus. Die zahnärztliche Behandlung der Klägerin wäre ebenso im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens möglich gewesen (§ 18 Abs. 1 SGB V) und die Anspruchsvoraussetzungen sind nicht vor Beginn des Auslandsaufenthaltes der Klägerin festgestellt worden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
1.5. Die Klägerin hat aber auch deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung, weil sie für die fragliche Behandlung in der T. vorab keinen HKP vorgelegt und genehmigen lassen hat. Grundsätzlich gilt, dass nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB V die Krankenbehandlung die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen umfasst. Gemäß § 55 Abs. 1-3 und 5 SGB V erhält der Versicherte bei medizinisch notwendiger Versorgung mit Zahnersatz einen befundorientierten Festzuschuss. Wählt er die Regelversorgung (§ 56 Abs. 2 SGB V), rechnet der Zahnarzt diesen mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab (§ 87 Abs. 1a S. 7 SGB V) und der Versicherte erhält über den darüber hinaus gehenden Betrag eine Rechnung auf Grundlage des Bewertungsmaßstabes zahnärztlicher Leistungen (BEMA-Z). Erfolgt eine aufwändigere gleichartige Versorgung, hat der Versicherte die Mehrkosten nach Maßgabe der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu tragen (§§ 55 Abs. 4, 87e S. 1 SGB V). Wählt er eine andersartige Versorgung, muss er diese nach Maßgabe der GOZ selbst zahlen, erhält aber von der Krankenkasse den Festzuschuss erstattet (§ 55 Abs. 5 SGB V). Gemäß § 87 Abs. 1a S. 2 SGB V hat der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs. 1a S. 4) und gegebenenfalls begutachten zu lassen (§ 87 Abs. 1a S. 5). Aus diesen Regelungen folgt, dass die Gewährung des Festzuschusses in jedem Fall von der vorherigen Genehmigung des HKP durch die Krankenkasse abhängig ist (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 19/08 R – Juris).
An einer derartigen vorherigen Genehmigung der tatsächlich in der T. erfolgten Versorgung fehlte es hier, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Die im HKP des in H. praktizierenden Zahnarztes A.K. vom 8. Mai 2006 dargestellte und von der Beklagten genehmigte Versorgung wurde nicht durchgeführt und für die erst ein Jahr später tatsächlich in der T. erfolgte Behandlung wurde weder ein HKP vorgelegt noch eine Genehmigung erteilt.
1.5. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die begehrte Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V auch bei Behandlung im Inland nicht möglich gewesen wäre, da auch hier - bezüglich des noch verbleibenden Kostenanteils - weder eine Notfallbehandlung noch eine Kostenentstehung durch eine von der Beklagten zu Unrecht abgelehnte Leistung vorgelegen hätte. Auch hier wäre eine vorherige Antragstellung und eine Begutachtung in Bezug auf § 87 Abs. 1a S. 2 SGB V notwendig gewesen, an der es aber – wie bereits ausgeführt - fehlte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung für in der T. eingegliederten Zahnersatz.
Die 1948 geborene inzwischen verrentete Klägerin ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner versichert. Am 12. Mai 2006 beantragte sie aufgrund eines durch den in H.-W. ansässigen Zahnarzt A.K. erstellten Heil- und Kostenplans – HKP – vom 8. Mai 2006 die Kostenerstattung für eine zahnärztliche Behandlung in Form von Zahnersatz für die Zähne nach der Zahnschemanummer der F. 13-16 i.H.v. 1.234,90 EUR.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2006 bewilligte die Beklagte einen Festzuschuss hierfür in Höhe von 572,64 EUR. Während eines Aufenthalts in der T. ließ sich die Klägerin in der Zeit vom 15. März bis 7. April 2007 zahnärztlich behandeln.
Am 7. Juni 2007 beantragte die Klägerin die Erstattung von 3.267,50 t. Lira (nach damaligem Umrechnungskurs 1.753,89 EUR) für zahnärztliche Behandlungskosten in der T ... Aus der Rechnung des behandelnden Zahnarztes in der T. lässt sich erkennen, dass die Zähne 11-17 sowie 21-27 behandelt worden sind. Die Klägerin trug vor, sie habe die zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen müssen, da sie unter starken Schmerzen gelitten habe; es hätten im Oberkiefer zwei Zähne gezogen werden müssen. Im Übrigen sei eine neue Brücke anzufertigen gewesen.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2007 bewilligte die Beklagte hierauf 180,62 EUR, hiervon 76,23 EUR für zahnärztliche Behandlung und 104,39 EUR für eine Interimsprothese für zwei gezogene Zähne. Zur Begründung führte sie aus, dass das Sozialversicherungsabkommen der T. nur die Übernahme einer Notfallbehandlung vorsehe. Bei dem neu gefertigten Zahnersatz handele sich nicht um einen Notfall.
Hiergegen erhob die Klägerin am 7. August 2007 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, der behandelnde Zahnarzt habe ihr im Rahmen einer Notfallbehandlung empfohlen, neuen Zahnersatz anzufertigen. Wegen der geringeren Kosten der Behandlung in der T. sei diese dort durchgeführt worden. Die Beklagte antwortete darauf, dass Zahnersatz im Ausland zwar günstiger sei, für in der T. durchgeführte Behandlungen aber nicht genehmigt werden könne, da das Sozialversicherungsabkommen keine Leistungen für Zahnersatz vorsehe.
Die Klägerin hielt an ihrer Auffassung fest und wies darauf hin, dass ein in D. ansässiger Zahnarzt bereits vor ihrem Urlaub in der T. einen HKP über 1.264,99 EUR aufgestellt habe. Der Zahnarzt in der T. habe ihr empfohlen, sofort zahnärztliche Maßnahmen durchführen zu lassen.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 lehnte die Beklagte eine weitere Kostenerstattung ab. Darin wiederholte sie ihre Begründung aus dem Bescheid vom 26. Juli 2007 und trug ergänzend vor, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor Beginn der Behandlung ein HKP vorzulegen sei. Vorliegend sei die Genehmigung von der Beklagten nur für die H. Praxis A.K. erteilt worden.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin am 16. Mai 2011 Widerspruch. Ein Anspruch der Klägerin bestehe aufgrund des Beschlusses des Assoziationsrates 3/80 vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf türkische Arbeitnehmer und Familienangehörige. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass die Klägerin als in der Krankenversicherung der Rentner Versicherte ihren Wohnsitz in D. habe und die zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen unter anderem für die Kostenübernahme von Leistungen der Krankenversicherung Anwendung fänden. Da die T. kein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sei, sei einzig das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 anzuwenden. Nach Art. 4a) dieses Abkommens würden Staatsangehörigen der jeweils anderen Vertragspartei den Staatsangehörigen der Vertragspartei, auf dessen Gebiet sie sich gewöhnlich aufhalten würden, gleichstehen. Für diese Personen gelten nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe B des Abkommens, dass ein Leistungsanspruch während eines vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei (hier der T.) bestehe, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigte. Dies gelte nach Art. 14 Abs. 1, S. 2 auch für den Personenkreis der Rentner. Nach Art. 15 Abs. 2 des Abkommens würden bei Erbringung von Sachleistungen die für den Träger des Aufenthaltsortes maßgebenden Rechtsvorschriften gelten. Aufgrund dieser zwischenstaatlichen Regelungen habe die Beklagte der Klägerin die Kosten für die während ihres Urlaubs in der T. vom 15. März 2007 bis zu ihrer Rückkehr nach D. zwingenden notwendigen zahnärztlichen Behandlungen sowie für eine Interimsprothese erstattet. Des Weiteren führte sie aus, dass das Bundessozialgericht sich in einer Entscheidung vom 30. Juni 2006 mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen auch für ausländische Zahnärzte gelte und dies bejaht worden sei. Nur die Vorlage eines HKP mache es möglich, den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung vorab durch die Krankenkassen prüfen zu lassen. Der auf der Grundlage des HKP von A.K. genehmigte Festzuschuss bezöge sich auf einen anderen Befund, denn die Klägerin habe eine erweiterte Versorgungsform gewählt, für die sie keine vorherige Genehmigung eingeholt habe. Der Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf die t. Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige könne nicht auf die Klägerin angewandt werden, weil sich der persönliche Geltungsbereich des Beschlusses (Art. 2) nicht auf Rentner erstrecke. Dies könne jedoch dahinstehen, weil für den Fall der Anwendung des Beschlusses die vorherige Genehmigung des in der T. erstellten HKP erforderlich gewesen wäre, der aber fehle.
Am 15. August 2011 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht. Zur Begründung führte sie aus, dass die genehmigte Behandlung habe verschoben werden müssen, weil sie in die T. habe reisen müssen. Dort sei es dann zu einer Notfallbehandlung wegen Zahnschmerzen gekommen. Deshalb sei eine vorherige Erstellung eines HKP für die Behandlung in der T. nicht möglich gewesen; der behandelnde Arzt in der T. habe sich jedoch mit dem Zahnarzt A.K. abgestimmt. Die Behandlung habe ihrer Auffassung nach nicht durch den Arzt durchgeführt werden müssen, der den HKP erstellt habe.
Die Beklagte hingegen wiederholt und vertieft ihre im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck gekommene Position und trägt weiter vor, dass bei der Klägerin durch die Extraktion von zwei weiteren Zähnen (16 und 21) im Rahmen der Notfallbehandlung eine deutliche Änderung des Befundes eingetreten sei. Durch die Extraktion des Zahns 16, der für die geplante zweispännige Brücke im Seitenzahnbereich als Pfeilerzahn habe dienen sollen, sei eine dreispännige Brücke im ersten Quadranten erforderlich gewesen. Diese andere und wesentlich umfangreichere Versorgung wäre in jedem Fall vorab im Rahmen eines HKP zu prüfen gewesen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die zutreffenden Gründe im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Juli 2011 verwiesen. Maßgeblich hierfür sei die für die Kostenerstattung erforderliche vorherige Genehmigung der zahnärztlichen Behandlung. Das für eine inländische Behandlung zwingend zu durchlaufende Genehmigungsverfahren sei auch bei der Behandlung in einem anderen EG-Mitgliedstaat grundsätzlich einzuhalten. Dabei sei nicht etwa an den von der Beklagten genehmigten Behandlungs- und Kostenplan des Zahnarztes K. vom 12. Mai 2006 anzuknüpfen. Die Genehmigung vom 16. Mai 2006 habe aber jedenfalls durch Zeitablauf ihre rechtliche Wirkung verloren. Eine enge zeitliche Anwendung der Behandlung an die Prüfung und Genehmigung des HKP ergebe sich aus der Sache selbst: Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung ließen sich nur bezogen auf einen konkreten Gesundheitszustand, der sich schon durch bloßen Zeitablauf oder wegen inzwischen durchgeführter Maßnahmen geändert haben könne, bestimmen. Dementsprechend sei nach der Anl. 3 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte – BMV-Z – in der damals geltenden Fassung für die Wirksamkeit der Genehmigung des Festzuschusses erforderlich gewesen, dass die Behandlung innerhalb von sechs Monaten nach Genehmigung erfolge. Dies sei hier nicht der Fall gewesen; zwischen der Genehmigung im Mai 2006 und der Durchführung der Behandlung im Mai 2007 habe ein Jahr gelegen.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 26. September 2013 zugestellt; am 25. Oktober 2013 hat er die vorliegende Berufung erhoben. Zur Begründung hat er über das bisher Vorgetragene hinaus ausgeführt, dass die Beklagte alle durch einen zugelassenen Zahnarzt als notwendig erachteten und durchgeführten Leistungen zu ersetzen habe, es sei denn, dass diese offensichtlich für die Gesundheit der Versicherten nicht notwendig gewesen seien. Auch sei D. aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses 3/80 vom 19. September 1980 verpflichtet, die t. Staatsbürger wie die eigenen zu behandeln, denn der Beschluss gelte nach Art. 4 für alle Leistungen bei Krankheiten auch für Rentner und zwar auch bei Zahnerkrankungen, so dass die Klägerin nicht darauf verwiesen werden könne, sich nur in D. behandeln zu lassen. Auch durch Art. 6 des Beschlusses sei D. verpflichtet jegliche Schlechter Behandlung aufgrund des Aufenthaltsortes des Versicherten und damit der Klägerin zu unterlassen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 12. September 2013 und der Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2007 und 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2011 die Beklagte zu verpflichten, die Kosten der zahnärztlichen Behandlung in der T. in Höhe von 1.573,27 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag im Gerichtsverfahren und das angefochtene Urteil des Sozialgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2014 verwiesen.
Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 13. und 16. Juni 2014 ihr Einverständnis nach § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zu einer Entscheidung des Rechtsstreits allein durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin und am Ende der mündlichen Verhandlung am 20. August 2014 ihr Einverständnis zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Entscheidungsgründe:
1. Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitigen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung der nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen verbliebenen Kosten für die im Jahre 2006 in der T. durchgeführte zahnärztliche Behandlung in Höhe von 1.573,27 EUR.
1.1. Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Berufungsverfahren keinerlei Umstände dargetan, die Anlass zu einer abweichenden Entscheidung geben könnten.
1.2. Nur ergänzend und der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - die Leistungen der deutschen Krankenversicherung nach dem SGB V grundsätzlich in D. zu erbringen sind. Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch aus dem SGB V vorgehenden zwischenstaatlichen Recht ergeben.
1.3. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten ergibt sich jedoch nicht aus zwischenstaatlichem Recht. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit Art. 4a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik D. und der Republik T. über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl. II 1972, S. 2) in der Fassung vom 2. November 1984 (BGBl. II 1986, S. 1040; im folgenden Abkommen) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen auch bei Aufenthalt in der T ... Versicherte deutscher Krankenkassen und deren Familienangehörige erhalten danach Leistungen, a) wenn sie, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthaltes vorher zugestimmt hat, b) wenn der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthaltes im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigen. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil die Beklagte nach Eintritt des Versicherungsfalls der Verlegung des Aufenthalts der Klägerin in die T. nicht zugestimmt hat und die Klägerin die dort erbrachten Leistungen (soweit sie noch streitig sind) wegen ihres Zustandes auch nicht sofort benötigte. Obgleich die Klägerin während ihres Türkeiaufenthaltes Schmerzen gehabt hat, was der Senat als wahr unterstellt, hätte eine Gebisssanierung in dem hier erfolgten und noch streitbefangenen komplexeren Umfang ohne Gesundheitsgefährdung auch nach ihrer Rückkehr nach D. erfolgen können. Als Notfallbehandlung i. S. d. Abkommens kommt hier alleine die zahnärztliche Schmerzbehandlung und die Interimsprothese für 2 gezogene Zähne in Betracht – deren Kosten die Beklagte auch bereits erstattet hat – keinesfalls jedoch eine endgültige Maßnahme.
Darüber hinaus bestimmt Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Die aufgrund der Höhe der entstandenen Kosten erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor; eine unbedingte Dringlichkeit der hier noch im Streit befindlichen umfangreichen Gebißsanierung der Klägerin in der T. war erkennbar nicht gegeben.
1.4. Auch die Voraussetzungen der gesetzlichen Ausnahmeregelungen zu § 16 SGB V sind nicht erfüllt. Weder hat sich die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten im Ausland aufgehalten (§ 16 Abs. 4 SGB V) noch ist ein Fall des § 17 SGB V (Erstattung von Kosten durch die Krankenkasse an den Arbeitgeber bei einer Beschäftigung im Ausland) gegeben. Eine Erstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V kommt nicht in Betracht, da die T. weder ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist noch einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört. Das zwischen der T. und der Europäischen Union bestehende Assoziierungsabkommen (Beschluss Nr. 3/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die t. Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige, im Folgenden: Assoziierungsabkommen), auf welches der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorrangig abstellt, statuiert lediglich ein sozialrechtliches Diskriminierungsverbot für die sich innerhalb der Europäischen Union legal aufhaltenden Arbeitnehmer und Bewohner der T ... Eine Diskriminierung der Klägerin kommt aber unter keinem Blickwinkel in Frage. Vielmehr begehrt die Klägerin mit ihrer Argumentation letztlich eine Besserstellung gegenüber denjenigen Versicherten, die den Regelungen des SGB V folgend vor einer Behandlung einen HKP erstellen und genehmigen lassen. Auch eine Erstattung nach § 18 SGB V scheidet aus. Die zahnärztliche Behandlung der Klägerin wäre ebenso im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens möglich gewesen (§ 18 Abs. 1 SGB V) und die Anspruchsvoraussetzungen sind nicht vor Beginn des Auslandsaufenthaltes der Klägerin festgestellt worden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
1.5. Die Klägerin hat aber auch deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung, weil sie für die fragliche Behandlung in der T. vorab keinen HKP vorgelegt und genehmigen lassen hat. Grundsätzlich gilt, dass nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB V die Krankenbehandlung die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen umfasst. Gemäß § 55 Abs. 1-3 und 5 SGB V erhält der Versicherte bei medizinisch notwendiger Versorgung mit Zahnersatz einen befundorientierten Festzuschuss. Wählt er die Regelversorgung (§ 56 Abs. 2 SGB V), rechnet der Zahnarzt diesen mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab (§ 87 Abs. 1a S. 7 SGB V) und der Versicherte erhält über den darüber hinaus gehenden Betrag eine Rechnung auf Grundlage des Bewertungsmaßstabes zahnärztlicher Leistungen (BEMA-Z). Erfolgt eine aufwändigere gleichartige Versorgung, hat der Versicherte die Mehrkosten nach Maßgabe der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu tragen (§§ 55 Abs. 4, 87e S. 1 SGB V). Wählt er eine andersartige Versorgung, muss er diese nach Maßgabe der GOZ selbst zahlen, erhält aber von der Krankenkasse den Festzuschuss erstattet (§ 55 Abs. 5 SGB V). Gemäß § 87 Abs. 1a S. 2 SGB V hat der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs. 1a S. 4) und gegebenenfalls begutachten zu lassen (§ 87 Abs. 1a S. 5). Aus diesen Regelungen folgt, dass die Gewährung des Festzuschusses in jedem Fall von der vorherigen Genehmigung des HKP durch die Krankenkasse abhängig ist (BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 1 KR 19/08 R – Juris).
An einer derartigen vorherigen Genehmigung der tatsächlich in der T. erfolgten Versorgung fehlte es hier, wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Die im HKP des in H. praktizierenden Zahnarztes A.K. vom 8. Mai 2006 dargestellte und von der Beklagten genehmigte Versorgung wurde nicht durchgeführt und für die erst ein Jahr später tatsächlich in der T. erfolgte Behandlung wurde weder ein HKP vorgelegt noch eine Genehmigung erteilt.
1.5. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die begehrte Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V auch bei Behandlung im Inland nicht möglich gewesen wäre, da auch hier - bezüglich des noch verbleibenden Kostenanteils - weder eine Notfallbehandlung noch eine Kostenentstehung durch eine von der Beklagten zu Unrecht abgelehnte Leistung vorgelegen hätte. Auch hier wäre eine vorherige Antragstellung und eine Begutachtung in Bezug auf § 87 Abs. 1a S. 2 SGB V notwendig gewesen, an der es aber – wie bereits ausgeführt - fehlte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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