Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
26 U 283/95
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 39/13 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch im Streit, ob der Kläger am 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall erlitten hat bzw. ob Erkrankungen, an denen er leidet, eine Berufskrankheit nach Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind.
Der am xxxxx 1949 geborene Kläger war seit 1976 bei den A2 in der Abteilung Elektrolyse beschäftigt, und zwar – zumindest seit 1978 – als Vorarbeiter in der Tiegelreinigung. Nach einem sechswöchigen Urlaub nahm er am 17. Januar 1992 dort seine Tätigkeit als Vorarbeiter wieder auf. Nach dem Ende des zweiten Arbeitstages wurde er am 18. Januar 1992 um ca. 16.50 Uhr vom Notarzt sitzend auf dem S-Bahnhof E. vorgefunden und war nur bedingt ansprechbar. Es wurden ein stark erhöhter Blutdruck und eine Verschleimung der Atemwege festgestellt. Nach Einlieferung in das Allgemeine Krankenhaus A1 wurde er dort intensivmedizinisch behandelt. In den Laboruntersuchungen fiel ein deutlich erniedrigter Cholinesterase-Wert auf, der sich allerdings nach Tagen ohne die Gabe von Atropin oder sonstige Maßnahmen wieder normalisierte. Der gefundene hohe Blutdruck normalisierte sich nach Gabe eines hypertensiven Medikaments. Im Bericht des AK A1 vom 8. April 1992 heißt es unter Diagnosen: "Unklares Krankheitsbild mit Bewusstseinstrübung, DD Hypertensive Krise, Arbeitsplatzexposition mit Phosphinen, Phosphinestern". In der Folgezeit klagte der Kläger über immer wieder auftretende Schweißausbrüche, Schwäche in den Beinen und Brennen auf dem Fußrücken beiderseits. Einen im März 1992 unter der Führung der Arbeitsmedizinerin Dr. S3 durchgeführten Arbeitsversuch brach er nach sechs Tagen deshalb und wegen eines allgemeinen Erschöpfungsgefühls ab. Die in diesem Zusammenhang durchgeführten Untersuchungen ergaben keinen erniedrigten Cholinesterase-Wert.
Als Cholesterinase hemmende Stoffe sind so genannte Organophosphate (organische Phosphorverbindungen oder Phosphorsäureester) bekannt, die als Nervenkampfstoffe (etwa: Sarin, Tabun) und Insektizide (vor allem E 605) verwendet werden. Ihre Wirksamkeit beruht auf einer Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase, was zu Erbrechen, Durchfall, Schweißausbrüchen, Muskelzuckungen, Kopfschmerzen, Atemlähmungen, schweren Krämpfen und in der Folge zum Tod führt. Da der Wirkstoff im reinen Zustand geschmacks- und geruchslos ist, wird er häufig bei Giftmorden verwendet.
Aufgrund der Unfallanzeige der Krankenkasse des Klägers vom 2. März 1992 nahm die Beklagte im Zusammenwirken mit der Gewerbeaufsicht Ermittlungen auf. Diese konzentrierten sich auf eine etwaige Entstehung von Cholinesterasehemmern im Rahmen der Aluminiumproduktion. Der Staatliche Gewerbearzt nahm in seiner Stellungnahme eine Vergiftung des Klägers durch Phosphor bzw. durch organische Phosphorverbindungen an, welche durch das erstmalige Aufheizen eines neu ausgemauerten Tiegels für den Transport der Metallschmelze am Tage des Ereignisses freigeworden seien. Eine Vergiftung mit Fluor oder seinen Verbindungen hielt er für unwahrscheinlich. Daraufhin ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) die Inhaltsstoffe der Aluminiumschmelze, die für die Zustellung der Tiegel verwendeten Feuerfestmaterialien sowie deren Zuschlagstoffe. Im Zeitraum vom 18. bis 20. April 1994 durchgeführte Messungen am Arbeitsplatz des Klägers erbrachten keine messbaren Konzentrationen an organischen Phosphorverbindungen. Unter Hinweis auf das Ergebnis der durchgeführten Messungen schloss der TAD die Entstehung organischer Phosphorsäureester während des Produktionsvorganges aus.
In der Zeit vom 5. August bis 2. September 1992 führte der Kläger ein stationäres Heilverfahren im Institut für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik Bad Salzuflen durch, wo ein Zustand nach möglicher Exposition gegenüber Fluorwasserstoff oder phosphororganischen Verbindungen, vegetative gastrale Missempfindungen, Fett-stoff¬¬¬wechselstörungen und ein Nikotinabusus diagnostiziert wurden.
Am 23. November 1992 trat der Kläger einen erneuten Arbeitsversuch an, wobei er nicht am alten Arbeitsplatz eingesetzt wurde, sondern zusammen mit zwei Kollegen so genannte kalte, d.h. bis lediglich 200 Grad Celsius heiße Tiegel zu reinigen und auch eine Gießschnauze zu säubern hatte. Sowohl am 23. als auch am 24. November traten während der Tätigkeit keine gesundheitlichen Beschwerden auf. Auf dem Nachhauseweg am 24. November 1992 wurde dem Kläger jedoch auf dem S-Bahnhof wiederum schlecht. Er klagte über Luftnot und Durstgefühl. Ein anwesender Kollege benachrichtigte einen Rettungswagen, mit welchem der Kläger ins AK A1 eingeliefert und dort bis 18. Dezember 1992 stationär behandelt wurde. Hierbei wurden erneut stark verminderte Cholin-esterasewerte festgestellt.
Mit dem Berufsgenossenschaftlichen I. verabredete die Beklagte ein Verfahren, durch welches untersucht werden sollte, ob bei der Aufheizung eines leeren, neu ausgemauerten Tiegels Organophosphate entstehen. Dabei sollten sämtliche für die Ausmauerung der Tiegel verwendeten Materialien, unter anderem das für die Isolierung der Wand verwendete Material Cerafelt 1000 mit organischem Binder und das ebenfalls für die Wand verwendete Material Plicast Humor 2800 AL in die Proben einbezogen und hieraus repräsentative Mischungen für die Materialproben hergestellt werden. Zusätzlich sollte auch eine Mischung beprobt werden, bei der das Material Plicast Humor 2800 AL durch Plicast Humor 3100 AL Tuff ersetzt wurde, welches ein Calciumfluorid haltiges Additiv enthält, weil der staatliche Gewerbearzt von einer Verwechslung der Materialien ausging. Bei den daraufhin unter Hinzufügung von bei den H. vorkommendem Phopshorpentoxid haltigem Hallenstaub durchgeführten Messungen an den aufgeheizten Materialien für die Tiegelauskleidung konnten durch das BIA am 21. Dezember 1992 organische Phosphorverbindungen nicht festgestellt werden.
In dem aufgrund einer Anordnung des Staatlichen Gewerbearztes von den H. in Auftrag gegebenen medizinisch-toxikologischen Gutachten vom 29. Juli 1993 gelangte Prof. Dr. Z. zu dem Ergebnis, dass nach den angegebenen Symptomen und den erhobenen Befunden eine Organophosphatvergiftung zu vermuten sei. Welche Substanz dazu geführt habe, könne nicht eingegrenzt werden. Organophosphate wirkten konzentrationsabhängig und sofort. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass die Symptome mit einer größeren Latenz als 24 Stunden aufträten. Wiederholte Vergiftungen führten nicht zur Verschlimmerung. Jede Vergiftung heile für sich genommen vollständig aus. Eine Fluoridvergiftung sei hingegen nicht wahrscheinlich. Die Überprüfung der Cholinesterasewerte von 14 Arbeitskollegen des Klägers erbrachte bei diesen keine erniedrigten Werte. In seiner Stellungnahme vom 24. November 1993 schloss der TAD der Beklagten daraufhin das Vorkommen von organischen Phosphorverbindungen am Arbeitsplatz des Klägers mit hoher Sicherheit aus.
In ihrem auf Anordnung des Staatlichen Gewerbearztes erstellten verfahrenstechnisch-toxikologischen Gutachten vom 28. Dezember 1993 gelangten Prof. Dr. B. und Dr. R. zu dem Ergebnis, dass die Bildung hochtoxischer Organphosphate und Urethane in der Tiegelstation der H. auf Grund des Fehlens der notwendigen Ausgangsstoffe und der herrschenden Reaktionsbedingungen ausgeschlossen werden müsse. Unter Berücksichtigung dieser Beurteilung kam der Arbeitsmediziner Prof. Dr. S. in seinem auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten vom 15. April 1994 zu dem Ergebnis, dass nicht davon auszugehen sei, dass die beim Kläger am 18. Januar 1992 aufgetretenen Krankheitserscheinungen Folge seiner Beschäftigung bei den H. seien. Nachdem der Staatliche Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 1994 dieser Beurteilung zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 1994 die Anerkennung der am 18. Januar 1992 aufgetretenen Gesundheitsstörungen als Folgen einer Berufskrankheit nach Nrn. 1109, 1307 und/oder 1309 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie als Folgen eines Arbeitsunfalls ebenso ab wie eine Leistungsgewährung.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, dass durch sämtliche in der Akte befindlichen Messungen, Stellungnahmen und Gutachten seine individuelle Tätigkeit im Hinblick auf das mögliche Entstehen von phosphororganischen Verbindungen nicht hinreichend abgeklärt sei und sich vermutlich auch nicht mehr hinreichend abklären lasse. Da jedoch keinerlei Hinweise auf ein außerhalb des Arbeitsplatzes gelegenes Geschehen zu finden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Materialen zur Tiegelauskleidung im Januar 1992 erstmals – evtl. unbeabsichtigt – geändert worden seien und er bei seiner Arbeit kurzfristig gegenüber hochtoxischen phosphororganischen Verbindungen exponiert gewesen sei. Nicht auszuschließen sei, dass er bei dem zweiten Vorfall wieder einen mit geändertem Auskleidungsmaterial versehenen Tiegel zu reinigen hatte.
Während des Widerspruchsverfahrens wurde der Kläger von dem Neurologen Prof. Dr. A. in der Zeit vom 6. Oktober bis 7. November 1994 stationär untersucht und behandelt. Dabei wurden das Bild eines hirnorganischen Leistungsabbaus und einer Polyneuropathie festgestellt. Vom TAD der Beklagten wurden die Ergebnisse der am 8. November 1994 am Arbeitsplatz des Klägers erneut durchgeführten Messungen vorgelegt, nach welchen – insoweit übereinstimmend mit den bereits im April 1994 durchgeführten Messungen – wiederum in unmittelbarer Nähe der Gießschnauze des aufzuheizenden Tiegels keine messbaren Konzentrationen an organischen Phosphorverbindungen ermittelt werden konnten. Der Widerspruch wurde daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1995 zurückgewiesen.
Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht ein arbeitsmedizinisch-toxikologisches Gutachten durch Dr. P. erstellen lassen. Darin ist dieser unter dem 26. Juli 1996 zu dem Ergebnis gelangt, dass als einzig plausible Erklärung für die am 18. Januar und auch am 24. November 1992 aufgetretene Symptomatik eine Intoxikation mit Cholinesterase-Hemmstoffen in Betracht komme. Von Bedeutung sei, dass neben den organischen Phosphorsäureestern und anderen Stoffen auch bestimmte organische Fluor-Carbon-Verbindungen eine Cholinesterase hemmende Wirkung haben könnten. Derartige Stoffe seien bisher weder vom Technischen Aufsichtsdienst noch von den verfahrenstechnisch-toxikologischen Gutachtern geprüft worden. Allerdings lägen hierzu auch keine arbeitsmedizinischen Erkenntnisse aus der Aluminium herstellenden Industrie vor und insbesondere hätten die durchgeführten Untersuchungen bei den im gleichen Arbeitsbereich wie der Kläger tätigen Personen keinerlei Anhaltspunkte für eine Exposition gegenüber Cholinesterase-Hemmstoffen ergeben. Insofern könne ein ursächlicher Zusammenhang der aufgetretenen Beschwerden mit der beruflichen Tätigkeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Es werde jedoch werde vorgeschlagen, einen verfahrenstechnisch-toxikologischen Sachverständigen mit einer Bewertung des Sachverhalts im Hinblick auf das Auftreten organischer Fluorverbindungen zu beauftragen, da Fluoride unstreitig bei der Aluminium-Elektrolyse auftreten würden. Entsprechend diesem Vorschlag hat das Sozialgericht ein verfahrenstechnisches Gutachten vom 25. November 1996 durch den Diplom-Chemiker Dr. R. erstellen lassen. Darin ist dieser Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass unter den Produktionsbedingungen der Tiegelstation der H. 1992 keinerlei organische Fluorverbindungen entstehen konnten.
In seiner ergänzenden arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 20. Januar 1997 hat Dr. P. daraufhin die Auffassung vertreten, dass die akuten Erkrankungen des Klägers am 18. Januar und 24. November 1992 nicht mit der im Unfallversicherungsrecht geforderten Wahrscheinlichkeit als beruflich verursacht angesehen werden können. Der hierfür erforderliche Nachweis einer geeigneten Exposition habe trotz intensiver Ermittlungen nicht erbracht werden können.
In einer weiteren Stellungnahme vom 27. November 1998 hat der Arbeitsmediziner Dr. P. ergänzend ausgeführt, dass der sichere Nachweis eines Giftstoffes im Körper des Klägers nicht erfolgt sei. Allerdings sei eine Intoxikation durch Cholinesterase-Hemmstoffe – am ehesten organische Phosphorsäureester – sehr wahrscheinlich. Unklar bleibe aber, welcher Stoff über welchen Aufnahmeweg die Vergiftung verursacht habe. Eindeutige Aussagen zum Aufnahmezeitpunkt und der Giftdosis seien nicht möglich. Eine Latenzzeit von mehr als 24 Stunden sei aber unwahrscheinlich. Es lasse sich nicht sagen, ob die Intoxikation durch eine Giftstoffeinwirkung vor, während oder nach der Arbeitsschicht eingetreten sei. Wahrscheinlich sei jedoch, dass der Giftstoff zum Ende der Arbeitsschicht eingewirkt habe. Brauchbare Anhaltspunkte für eine berufliche Exposition gebe es nicht. Insofern müsse durchaus auch ein krimineller Hintergrund als Ursache der Vergiftung in Betracht gezogen werden.
Der Kläger hat den Bericht des Rechtsmediziners Prof. Dr. S1 über die Untersuchung von am 24. November 1992 ihm abgenommenen Urins und Blutes eingereicht, wonach mit den zur Verfügung stehenden Mitteln weder Stoffe aus der Reihe der Organphosphate noch fluorierte Phosphorsäureester hätten gefunden werden können.
Im Termin am 11. Juni 2001 hat das Sozialgericht den Sachverständigen Dr. P. ergänzend gehört und anschließend die Klage durch Urteil vom 11. Juni 2001 abgewiesen. Die Anerkennung einer Berufskrankheit und eines Arbeitsunfalls würden gleichermaßen den Nachweis des beruflichen Kontakts mit dem schädigenden Stoff voraussetzen. Dieser Nachweis sei nicht gelungen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 27. Juli 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. August 2001 Berufung eingelegt.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2001 die Anerkennung der bei den Ereignissen vom 18. Januar und 24. November 1992 aufgetretenen Erkrankungen als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 1308 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie die Anerkennung der bei dem Ereignis vom 24. November 1992 aufgetretenen Erkrankungen als Folgen von Berufskrankheiten nach Nrn. 1109, 1307 und oder 1309 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie als Folgen eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid entsprechend der ihm beigegebenen Rechtsbehelfsbelehrung gesondert Widerspruch erhoben. Überein-stimmend gehen die Beteiligten davon aus, dass dieser Bescheid nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus, es gebe keine andere plausible Erklärung für seine Vergiftungserscheinungen, als dass er sich bei der Arbeit eine Vergiftung mit Cholinesterasehemmern zugezogen habe. Die erstinstanzliche Entschei-dung könne daher nicht richtig sein. Der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität habe bisher nur deshalb nicht erbracht werden können, weil die von Dr. R. erstellten verfahrenstechnischen Gutachten fachlich nicht erschöpfend seien, von unzutreffenden Sachverhalten ausgingen und deshalb zwangsläufig zu falschen Ergebnissen hätten kommen müssen. Es sei nämlich entgegen der Behauptung von Dr. R. nicht ausgeschlossen, dass bei der Aluminiumherstellung organische Phosphorsäureester entstehen könnten. Entgegen seiner Annahme seien sehr wohl Chlorverunreinigungen vorhanden. Auch sei eine fluorierte anorganische Phosphorverbindung als Ausgangs-substanz denkbar. Im Übrigen habe Dr. R. nicht alle Einsatzstoffe berücksichtigt. Es sei versehentlich der Stoff Plicast 2800 Al-Tuff bzw. Plicast 3100 AL-Tuff zum Einsatz gekommen. Das darin enthaltene Calciumfluorid habe zu seiner Erkrankung beigetragen. Auch könnten wegen des organischen Binders der feuerfesten Isolierwolle beim erstmaligen Aufheizen eines neuen Tiegels im Bereich bis zu 400 – 500 Grad flüchtige organische Substanzen austreten.
Die Beklagte ist demgegenüber unter Hinweis auf eine weitere eingereichte Stellungnahme ihres TAD vom 14. Februar 2002 der Auffassung, dass das Sozialgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat.
Auf Anregung des vom Berufungsgericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Diplom-Chemikers und Arbeitsmediziners Dr. S2 ist am 2. Oktober 2002 ein Erörterungstermin durchgeführt worden, in welchem der Kläger nochmals seine Tagesabläufe am 18. Januar und 24. November 1992 dargestellt hat. Er hat dazu nachfolgend noch schriftliche Ausführungen eingereicht. Das Gericht hat von den H. die Schichtbücher der Abteilung Tiegelreinigung für den 17. und 18. Januar sowie den 23. und 24. November 1992 beigezogen. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis einer gentechnischen Untersuchung vom 28. August 2003 bei ihm eine genetische Variante vorliege, die eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Cholinesterasehemmern erklärbar mache. Auf weitere Anregung des Sachverständigen Dr. S2 ist dann am 22. Juni 2005 eine Ortsbesichtigung am ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers durchgeführt worden, während dessen der Kläger die von ihm zu verrichtenden Arbeiten im Einzelnen erklärt und zum Teil vorgeführt hat. Die Firma H. hat dem Gericht die Kopie einer technischen Zeichnung eines Tiegels, einen Analyse¬bericht betreffend die verwendete Tonerde sowie Listen der Tiegelzustellungsmaterialien vom 14. Mai 1992, 30. Juni 1992, 13. Oktober 1992 und 20. November 1992 überlassen. Nachfolgend sind von ihr noch Lieferscheine betreffend die Materialien Plicast Hymor 2800 AL und Plicast Hymor 3100 AL-Tuff spezial eingereicht worden mit der Bemerkung, dass die Masse Plicast Hymor 3100 AL-Tuff nur in der Gießerei eingesetzt worden sei. Der Kläger hat daraufhin die Vernehmung der Ofenmaurer der H. zur probeweisen oder versehentlichen Nutzung der AL-Tuff-Materialien bei der Tiegelzustellung beantragt.
Der Sachverständige Dr. S2 ist in seinem Gutachten vom 10. April 2007 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger allenfalls von einer leichten Intoxikation auszugehen sei. Innere Erkrankungen, die mit einer Erniedrigung der Cholinesterase einhergehen, seien auszuschließen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei es zu einer Einwirkung von außen gekommen. Es ließen sich aber weder ein Syntheseweg noch zumindest Rahmen-bedingungen erkennen, unter denen im Bereich der Tiegelreinigung Cholinesterase-hemmer entstehen könnten. Insgesamt sei es weder wahrscheinlich noch mit Sicherheit zu belegen, dass eine entsprechende berufliche Einwirkung stattgefunden habe. Zwar lasse sich letztlich eine Möglichkeit nie ganz ausschließen, jedoch sei ihm – dem Sachverständigen – nach dem derzeitigen Kenntnisstand selbst eine solche Möglichkeit nicht vorstellbar. Unabhängig von der Verursachung sei nach den vorliegenden Unterlagen bei dem Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht erkennbar.
Dieser Beurteilung widerspricht der Kläger und weist darauf hin, dass der Chemiker Prof. Dr. G. ihm gegenüber auf Nachfrage angegeben habe, unter den bei den H. gegebenen industriellen Bedingungen seien durchaus Reaktionswege denkbar, bei denen aus einfachen anorganischen und organischen Komponenten in einer Hochtemperatur¬reaktion Fluorphosphorsäureester entstehen könnten. Durch seinen medizinischen Beistand lässt der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2008 darauf hinweisen, dass es zu Verwechslungen oder zum Einsatz neuer Materialien in seinem Arbeitsbereich gekommen sei und kompetente Messungen damals das Auftreten phosphororganischer Verbindungen nachgewiesen hätten. Es gebe keinen vernünftigen Zweifel, dass es an seinem Arbeitsplatz bei ihm zweimal zu einer inhalativen – ggf. zusätzlich dermalen – Vergiftung durch fluorierte organische Phosphorverbindungen gekommen sei und deshalb eine Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliege, die nach einer MdE von 20 v.H. zu entschädigen sei.
Im Termin am 11. März 2008 sind die Ofenmaurer F. und J. als Zeugen zur Frage der verwendeten Materialien bei der Tiegelzustellung gehört worden. Diese haben übereinstimmend angegeben, dass zur Tiegelauskleidung auch die AL-Tuff – Materialien verwendet worden seien. Nachdem der medizinische Sachverständige Dr. S2 nach dem Hinweis des Gerichts, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen schlüssig ergebe, dass im Dezember 1992 durch das BIA sowohl das Produkt Plicast Hymor 2800 AL als auch das Produkt Plicast Hymor 3100 AL – Tuff analysiert wurden, in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2009 die Auffassung vertreten hatte, dass im Hinblick auf die bislang geführte Diskussion nicht auszuschließen sei, dass auch bislang nicht untersuchte Produkte, die bei der Tiegelherstellung Verwendung fanden, unter anderem Ceraboard 100, unter bestimmten Reaktionsbedingungen organische Phosphorsäureester bilden könnten, hat sich die Beklagte in einem weiteren Erörterungstermin am 8. August 2012 zur erneuten Beprobung der Materialien der Tiegelzustellung unter Einschluss von Ceraboard 100 durch das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) bereit erklärt. Das Ergebnis dieser Beprobung hat das IFA im Bericht vom 16. Juli 32013 mitgeteilt. Danach haben sich Phopshorsäureester bei allen Mischungen der Tiegelzustellung ohne Elektrolyt gaschromatisch nicht nachweisen lassen.
Der Kläger bemängelt, dass die Versuche mit einem Material Ceraboard 100 durchgeführt wurden, welches dem im Jahre 1992 verwendeten Material Ceraboard 100 insoweit nicht entspreche, als der Hersteller aktuell einen Stärkegehalt von 0 – 10 % angebe, während das ursprüngliche Material laut Herstellerangabe einen Stärkegehalt von 3,5 % aufgewiesen habe, so dass das Verfahren nicht tauglich sei. Die Versuche müssten wiederholt und zudem in gegenteiliger Temperaturabfolge (Abkühlung) durchgeführt werden.
Er beantragt,
dass Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juni 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1995 aufzuheben und festzustellen, dass er am 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall durch Vergiftung mit einem Cholinesterasehemmer erlitten hat
hilfsweise
festzustellen, dass die bei ihm bestehende Polyneuropathie und die hirnorganisch bedingte Leistungsminderung eine Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung ist
weiter hilfsweise
den Beweisanträgen aus dem Schriftsatz vom 25. November 2014 nachzukommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass im Rahmen der Versuche die gegenwärtig handelsüblichen Materialien verwendet wurden, weil die ursprünglichen nicht mehr lieferbar seien. Im Übrigen würden die Hersteller aus Wettbewerbsgründen genauere Angaben heutzutage nicht mehr machen.
Daraufhin hat das Berufungsgericht erneut Dr. S2 gehört. Wegen des Inhalts dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich dieser Niederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er am 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch Vergiftung mit einem Cholinesterasehemmer erlitten und eben so wenig darauf, dass eine bei ihm bestehende Polyneuropathie und eine hirnorganische Leistungsminderung eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 RVO i.V.m. Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung ist. Die Vorschriften der Reichs¬versicherungsordnung finden hier noch Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs – Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet, soweit es die Beklagte durch den vorliegend allein angegriffenen Bescheid vom 10. Juni 1994 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Juni 1995 abgelehnt hat, mit Blick auf das Ereignis vom 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall anzuerkennen. Insoweit fehlt es – worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – an einem von außen auf den Körper des Klägers einwirkenden Ereignis in Gestalt einer Exposition gegenüber organischen Phosphorverbindungen, welche ihn bei seiner versicherten Tätigkeit als Vorarbeiter in der Tiegelreinigung der H. betroffen haben.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lässt sich nämlich bereits nicht mit der hierfür erforderlichen, einen vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit – also im Vollbeweis – die Feststellung treffen, dass der Kläger am 18. Januar 1992 während der Arbeitsschicht gegenüber einem Cholinesterasehemmer exponiert war.
Allerdings stimmt nach ärztlicher Einschätzung das Krankheitsbild, welches der Kläger am 18. Januar 1992 und auch nachfolgend am 24. November 1992 gezeigt hat, mit demjenigen einer Vergiftung durch Organophosphate überein. Dies haben alle medizinischen Sachverständigen in Übereinstimmung mit der Einschätzung der behandelnden Ärzte bekundet. Jedoch haben sämtliche im Verfahren eingeholten arbeitsmedizinischen, toxikologischen und verfahrenstechnischen Gutachten ergeben, dass bei der Aluminium¬elektrolyse Organophosphate regelmäßig nicht freiwerden. Die am Arbeitsplatz des Klägers durchgeführten Messungen bestätigen diese Annahme. Denn Organophosphate ließen sich im laufenden Betrieb der Tiegelreinigung nicht nachweisen. Der Kläger hat auch über mehr als 10 Jahre dieselbe Tätigkeit ausgeübt wie am Tage des Ereignisses, ohne dass Krankheitserscheinungen auftraten. Dies bestätigt das Fehlen einer Exposition gegenüber Organophosphaten an diesem Arbeitsplatz ebenso wie der Umstand, dass andere, am selben Arbeitsplatz tätige Mitarbeiter der H., insbesondere derjenige Mitarbeiter, der den Kläger während dessen Monate währender Arbeitsunfähigkeit vertreten hat, Vergiftungserscheinungen nicht zeigten
Soweit der Kläger behauptet, am 18. Januar 1992 sei ein neu ausgemauerter Tiegel erstmalig aufgeheizt worden, bei dem es wegen Verwechslung von Materialien zu einem – ausnahmsweisen – unkontrollierten Austreten von Organophosphaten gekommen sei und er hierzu weiter vorträgt, die ihn beratenden Ärzte und Wissenschaftler schlössen vor diesem Hintergrund das Entstehen von Organophosphaten an seinem Arbeitsplatz nicht aus, kann das seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Insoweit hat sich zunächst nicht feststellen lassen, dass bei der Ausmauerung des in Rede stehenden Tiegels Nummer 3, welcher am 18. Januar 1992 erstmalig aufgeheizt wurde, abweichend von den Angaben des Arbeitgebers andere Materialien verwendet wurden, als dies bei der Tiegelausmauerung vorgeschrieben war. Zwar haben die vernommenen Zeugen angegeben, dass gelegentlich auch so genannte Al-tuff-Materialien, welche sonst nur in der Gießerei Verwendung fanden, beim Ausmauern der Tiegel eingebaut wurden. Dass dies gerade bei dem in Rede stehenden Tiegel geschehen ist, haben die Zeugen indessen nicht bekundet. Eine entsprechende Feststellung lässt sich folglich und auch sonst nicht treffen. Überdies ergäbe sich hieraus in Abweichung von dem durch die Beklagte eingeholten verfahrenstechnischen Gutachten und mit Blick auf die Äußerung von Prof. G. auch nur die theoretische Möglichkeit des Entstehens von Organophosphaten. Eine solche Möglichkeit schließt auch der gerichtlich bestellte Gutachter Dr. S2 nicht aus. Diese theoretische Möglichkeit ist aber vor dem Hintergrund des fehlenden Betroffenseins des Klägers über Jahre seiner Tätigkeit sowie des fehlenden Betroffenseins anderer Mitarbeiter und schließlich vor dem Hintergrund der zweimalig durchgeführten gaschromatischen Untersuchung aller in Frage kommenden Tiegelausmauerungs¬materialien indessen so gering, dass das Gericht sie für seine Feststellung vernach¬lässigen kann. Denn unter keinem Blickwinkel ließe sich ausgehend von einer bloßen Möglichkeit und vor dem Hintergrund des arbeitsmedizinischen Erfahrungswissens zur Aluminiumherstellung die Feststellung treffen, dass der Kläger mit Gewissheit am 18. Januar 1992 bei der Entstehung von Organophosphaten anwesend war und so vergiftet wurde.
Weiterer Ermittlungen, insbesondere weiterer Versuche, bedarf es hierzu nicht. Denn wie der medizinische Sachverständige, der Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Dipl. Chemiker Dr. S2, erläutert hat, decken die vom IFA durchgeführten Untersuchungen alle Möglichkeiten der Stoffzusammensetzung ab, die es vorliegend zu beachten galt. Sie schlossen insbesondere die so genannten Al-Tuff-Materialien ein. Auch sind die Aufheiz-versuche in Anwesenheit von organischem Material durchgeführt worden, welches zur Synthese von Organophosphaten erforderlich ist. Bereits die Versuche des BIA im Jahre 1992 beinhalteten die Verwendung organischen Materials in Gestalt des Isolierfilzes Cerafelt 1000 mit organischem Binder. Zusätzlich hat das IFA während des Berufungsverfahrens auf Anregung des Sachverständigen noch das Material Ceraboard 100 beprobt, welches ebenfalls organischen Binder enthält und bei der Tiegelausmauerung gelegentlich Verwendung gefunden haben soll. Unerheblich ist insoweit, dass für das aktuell zu beschaffende Ceraboard 100 vom Hersteller ein Binderanteils von 0 – 10 % angegeben wird, während für das 1992 gelieferte Material ein Binderanteil von 3,5 % angegeben wurde. Denn wie Dr. S2 ausgeführt hat, ist entscheidend die Anwesenheit von organischem Material und nicht dessen absolute Quantität. Dass aber auch das aktuelle Material Binder und damit die für die Synthese von Organophosphaten erforderliche organische Komponente enthält, ergibt sich aus den Herstellerangaben hierzu sowie aus den vom Hersteller veröffentlichten Verarbeitungs¬hinweisen, wo auf den Binderanteil und seinen Abbrand beim erstmaligen Erwärmen hingewiesen wird, mag der genaue Anteil vom Hersteller anders als früher – aus Wettbewerbsgründen – nunmehr auch geheim gehalten werden.
Weiterer Ermittlungen der von dem Kläger begehrten Art bedarf es auch deshalb nicht, weil neben die Möglichkeit der unbeabsichtigten, zufälligen Synthese von Organo-phosphaten im Produktionsprozess eine ernstzunehmende andere Möglichkeit der Vergiftung tritt. Wie Dr. S2 in Übereinstimmung mit Dr. P. nämlich ausgeführt hat, boten die Erkrankungserscheinungen des Klägers am 18. Januar 1992 und auch diejenigen am 24. November 1992 jeweils das klassische Bild einer Vergiftung mit einem auf Organophosphaten basierenden Pflanzenschutzmittel. Bei einer – wie Dr. P. in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Z. betont – Latenz von maximal 24 Stunden, wäre eine außerberufliche Giftbeibringung vor Beginn der Schicht ebenfalls möglich und fügte sich in den zeitlichen Rahmen ein. Damit aber ließe sich Gewissheit über die Herkunft des Giftstoffes unabhängig vom Ausgang weiterer Versuche nicht gewinnen.
Bleibt nach allem offen, auf welche Weise dem Kläger am 18. Januar 1992 Organophosphate zugeführt wurden, dann fehlt für die Feststellung eines Arbeitsunfalls die anspruchsbegründende Tatsache der äußeren Einwirkung durch beruflich verursachte Exposition gegenüber diesem Stoff. Hierfür aber trägt der Kläger die objektive Beweislast und es kann deshalb die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Berufung ist unzulässig, soweit mit ihr die Anerkennung einer Polyneuropathie und einer hirnorganisch bedingten Leistungsminderung als Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung begehrt wird. Denn hierzu liegt eine Entscheidung der Beklagten eben so wenig vor, wie eine Entscheidung des Sozialgerichts. Vielmehr erschöpft sich der angefochtene Bescheid in dem Ausspruch, dass die am 18. Januar 1992 akut aufgetretenen Gesundheitsstörungen, wie sie sich aus den Behandlungsunterlagen des AK A1 ergaben, keine Berufskrankheit nach Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind. Nur über diesen Ausspruch hat auch das Sozialgericht entschieden und nur dies kann dementsprechend auch Gegenstand der Berufung sein.
Ohne Erfolg bleiben muss die Berufung aber auch dann, wenn dieser Antrag dahingehend ausgelegt wird, dass die am 18. Januar 1992 aufgetretenen Krankheitserscheinungen als Berufskrankheit nach Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen sind. Zunächst setzt sich der Kläger mit diesem Antrag in Widerspruch zu seinem Vorbringen, er sei am 18. Januar 1992 und mutmaßlich auch am 24. November 1992 Opfer einer durch Änderung der Materialzusammensetzung der Tiegelausmauerung bedingten Vergiftung durch einen Cholinesterasehemmer geworden. Denn hiermit werden mit Blick auf die Beschränkung der Einwirkung auf jeweils eine Arbeitsschicht die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls geltend gemacht. Ein solcher liegt jedoch, wie ausgeführt, nicht vor. Unabhängig hiervon lässt sich vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen aber ebenso wenig feststellen, dass der Kläger – mit Blick auf die begehrte Anerkennung einer Berufskrankheit nun sogar ohne Begrenzung auf einzelne Arbeitsschichten – während seiner beruflichen Tätigkeit besonderen Einwir-kungen der in Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung i.V.m. § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO bezeichneten Art ausgesetzt war.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist davon auszugehen, dass organische Phosphorverbindungen nicht zu den Stoffen gehören, die bei der Aluminiumherstellung regelmäßig anfallen. Zwar mag mit dem Vorbringen des Klägers ihre Synthese theoretisch möglich sein, insbesondere dann, wenn die Tiegelausmauerung fehlerhaft erfolgt. Allein dies reicht vor dem Hintergrund der vorliegend durchgeführten Erhebungen nicht aus, um die Feststellung treffen, dass der Kläger diesen Stoffen während seiner Tätigkeit in der Tiegelreinigung in der von § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO geforderten besonderen Weise auch tatsächlich ausgesetzt war. Dies gilt umso mehr, als – mit Ausnahme der beiden vorliegend in Rede stehenden Tage – weder der Kläger selbst über mehr als 10 Jahre noch im Übrigen seine am selben Arbeitsplatz tätigen Kollegen Vergiftungserscheinungen zeigten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.
Das Gericht Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch im Streit, ob der Kläger am 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall erlitten hat bzw. ob Erkrankungen, an denen er leidet, eine Berufskrankheit nach Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind.
Der am xxxxx 1949 geborene Kläger war seit 1976 bei den A2 in der Abteilung Elektrolyse beschäftigt, und zwar – zumindest seit 1978 – als Vorarbeiter in der Tiegelreinigung. Nach einem sechswöchigen Urlaub nahm er am 17. Januar 1992 dort seine Tätigkeit als Vorarbeiter wieder auf. Nach dem Ende des zweiten Arbeitstages wurde er am 18. Januar 1992 um ca. 16.50 Uhr vom Notarzt sitzend auf dem S-Bahnhof E. vorgefunden und war nur bedingt ansprechbar. Es wurden ein stark erhöhter Blutdruck und eine Verschleimung der Atemwege festgestellt. Nach Einlieferung in das Allgemeine Krankenhaus A1 wurde er dort intensivmedizinisch behandelt. In den Laboruntersuchungen fiel ein deutlich erniedrigter Cholinesterase-Wert auf, der sich allerdings nach Tagen ohne die Gabe von Atropin oder sonstige Maßnahmen wieder normalisierte. Der gefundene hohe Blutdruck normalisierte sich nach Gabe eines hypertensiven Medikaments. Im Bericht des AK A1 vom 8. April 1992 heißt es unter Diagnosen: "Unklares Krankheitsbild mit Bewusstseinstrübung, DD Hypertensive Krise, Arbeitsplatzexposition mit Phosphinen, Phosphinestern". In der Folgezeit klagte der Kläger über immer wieder auftretende Schweißausbrüche, Schwäche in den Beinen und Brennen auf dem Fußrücken beiderseits. Einen im März 1992 unter der Führung der Arbeitsmedizinerin Dr. S3 durchgeführten Arbeitsversuch brach er nach sechs Tagen deshalb und wegen eines allgemeinen Erschöpfungsgefühls ab. Die in diesem Zusammenhang durchgeführten Untersuchungen ergaben keinen erniedrigten Cholinesterase-Wert.
Als Cholesterinase hemmende Stoffe sind so genannte Organophosphate (organische Phosphorverbindungen oder Phosphorsäureester) bekannt, die als Nervenkampfstoffe (etwa: Sarin, Tabun) und Insektizide (vor allem E 605) verwendet werden. Ihre Wirksamkeit beruht auf einer Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase, was zu Erbrechen, Durchfall, Schweißausbrüchen, Muskelzuckungen, Kopfschmerzen, Atemlähmungen, schweren Krämpfen und in der Folge zum Tod führt. Da der Wirkstoff im reinen Zustand geschmacks- und geruchslos ist, wird er häufig bei Giftmorden verwendet.
Aufgrund der Unfallanzeige der Krankenkasse des Klägers vom 2. März 1992 nahm die Beklagte im Zusammenwirken mit der Gewerbeaufsicht Ermittlungen auf. Diese konzentrierten sich auf eine etwaige Entstehung von Cholinesterasehemmern im Rahmen der Aluminiumproduktion. Der Staatliche Gewerbearzt nahm in seiner Stellungnahme eine Vergiftung des Klägers durch Phosphor bzw. durch organische Phosphorverbindungen an, welche durch das erstmalige Aufheizen eines neu ausgemauerten Tiegels für den Transport der Metallschmelze am Tage des Ereignisses freigeworden seien. Eine Vergiftung mit Fluor oder seinen Verbindungen hielt er für unwahrscheinlich. Daraufhin ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) die Inhaltsstoffe der Aluminiumschmelze, die für die Zustellung der Tiegel verwendeten Feuerfestmaterialien sowie deren Zuschlagstoffe. Im Zeitraum vom 18. bis 20. April 1994 durchgeführte Messungen am Arbeitsplatz des Klägers erbrachten keine messbaren Konzentrationen an organischen Phosphorverbindungen. Unter Hinweis auf das Ergebnis der durchgeführten Messungen schloss der TAD die Entstehung organischer Phosphorsäureester während des Produktionsvorganges aus.
In der Zeit vom 5. August bis 2. September 1992 führte der Kläger ein stationäres Heilverfahren im Institut für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik Bad Salzuflen durch, wo ein Zustand nach möglicher Exposition gegenüber Fluorwasserstoff oder phosphororganischen Verbindungen, vegetative gastrale Missempfindungen, Fett-stoff¬¬¬wechselstörungen und ein Nikotinabusus diagnostiziert wurden.
Am 23. November 1992 trat der Kläger einen erneuten Arbeitsversuch an, wobei er nicht am alten Arbeitsplatz eingesetzt wurde, sondern zusammen mit zwei Kollegen so genannte kalte, d.h. bis lediglich 200 Grad Celsius heiße Tiegel zu reinigen und auch eine Gießschnauze zu säubern hatte. Sowohl am 23. als auch am 24. November traten während der Tätigkeit keine gesundheitlichen Beschwerden auf. Auf dem Nachhauseweg am 24. November 1992 wurde dem Kläger jedoch auf dem S-Bahnhof wiederum schlecht. Er klagte über Luftnot und Durstgefühl. Ein anwesender Kollege benachrichtigte einen Rettungswagen, mit welchem der Kläger ins AK A1 eingeliefert und dort bis 18. Dezember 1992 stationär behandelt wurde. Hierbei wurden erneut stark verminderte Cholin-esterasewerte festgestellt.
Mit dem Berufsgenossenschaftlichen I. verabredete die Beklagte ein Verfahren, durch welches untersucht werden sollte, ob bei der Aufheizung eines leeren, neu ausgemauerten Tiegels Organophosphate entstehen. Dabei sollten sämtliche für die Ausmauerung der Tiegel verwendeten Materialien, unter anderem das für die Isolierung der Wand verwendete Material Cerafelt 1000 mit organischem Binder und das ebenfalls für die Wand verwendete Material Plicast Humor 2800 AL in die Proben einbezogen und hieraus repräsentative Mischungen für die Materialproben hergestellt werden. Zusätzlich sollte auch eine Mischung beprobt werden, bei der das Material Plicast Humor 2800 AL durch Plicast Humor 3100 AL Tuff ersetzt wurde, welches ein Calciumfluorid haltiges Additiv enthält, weil der staatliche Gewerbearzt von einer Verwechslung der Materialien ausging. Bei den daraufhin unter Hinzufügung von bei den H. vorkommendem Phopshorpentoxid haltigem Hallenstaub durchgeführten Messungen an den aufgeheizten Materialien für die Tiegelauskleidung konnten durch das BIA am 21. Dezember 1992 organische Phosphorverbindungen nicht festgestellt werden.
In dem aufgrund einer Anordnung des Staatlichen Gewerbearztes von den H. in Auftrag gegebenen medizinisch-toxikologischen Gutachten vom 29. Juli 1993 gelangte Prof. Dr. Z. zu dem Ergebnis, dass nach den angegebenen Symptomen und den erhobenen Befunden eine Organophosphatvergiftung zu vermuten sei. Welche Substanz dazu geführt habe, könne nicht eingegrenzt werden. Organophosphate wirkten konzentrationsabhängig und sofort. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass die Symptome mit einer größeren Latenz als 24 Stunden aufträten. Wiederholte Vergiftungen führten nicht zur Verschlimmerung. Jede Vergiftung heile für sich genommen vollständig aus. Eine Fluoridvergiftung sei hingegen nicht wahrscheinlich. Die Überprüfung der Cholinesterasewerte von 14 Arbeitskollegen des Klägers erbrachte bei diesen keine erniedrigten Werte. In seiner Stellungnahme vom 24. November 1993 schloss der TAD der Beklagten daraufhin das Vorkommen von organischen Phosphorverbindungen am Arbeitsplatz des Klägers mit hoher Sicherheit aus.
In ihrem auf Anordnung des Staatlichen Gewerbearztes erstellten verfahrenstechnisch-toxikologischen Gutachten vom 28. Dezember 1993 gelangten Prof. Dr. B. und Dr. R. zu dem Ergebnis, dass die Bildung hochtoxischer Organphosphate und Urethane in der Tiegelstation der H. auf Grund des Fehlens der notwendigen Ausgangsstoffe und der herrschenden Reaktionsbedingungen ausgeschlossen werden müsse. Unter Berücksichtigung dieser Beurteilung kam der Arbeitsmediziner Prof. Dr. S. in seinem auf Veranlassung der Beklagten erstellten Gutachten vom 15. April 1994 zu dem Ergebnis, dass nicht davon auszugehen sei, dass die beim Kläger am 18. Januar 1992 aufgetretenen Krankheitserscheinungen Folge seiner Beschäftigung bei den H. seien. Nachdem der Staatliche Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 10. Mai 1994 dieser Beurteilung zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 1994 die Anerkennung der am 18. Januar 1992 aufgetretenen Gesundheitsstörungen als Folgen einer Berufskrankheit nach Nrn. 1109, 1307 und/oder 1309 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie als Folgen eines Arbeitsunfalls ebenso ab wie eine Leistungsgewährung.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger u.a. geltend, dass durch sämtliche in der Akte befindlichen Messungen, Stellungnahmen und Gutachten seine individuelle Tätigkeit im Hinblick auf das mögliche Entstehen von phosphororganischen Verbindungen nicht hinreichend abgeklärt sei und sich vermutlich auch nicht mehr hinreichend abklären lasse. Da jedoch keinerlei Hinweise auf ein außerhalb des Arbeitsplatzes gelegenes Geschehen zu finden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Materialen zur Tiegelauskleidung im Januar 1992 erstmals – evtl. unbeabsichtigt – geändert worden seien und er bei seiner Arbeit kurzfristig gegenüber hochtoxischen phosphororganischen Verbindungen exponiert gewesen sei. Nicht auszuschließen sei, dass er bei dem zweiten Vorfall wieder einen mit geändertem Auskleidungsmaterial versehenen Tiegel zu reinigen hatte.
Während des Widerspruchsverfahrens wurde der Kläger von dem Neurologen Prof. Dr. A. in der Zeit vom 6. Oktober bis 7. November 1994 stationär untersucht und behandelt. Dabei wurden das Bild eines hirnorganischen Leistungsabbaus und einer Polyneuropathie festgestellt. Vom TAD der Beklagten wurden die Ergebnisse der am 8. November 1994 am Arbeitsplatz des Klägers erneut durchgeführten Messungen vorgelegt, nach welchen – insoweit übereinstimmend mit den bereits im April 1994 durchgeführten Messungen – wiederum in unmittelbarer Nähe der Gießschnauze des aufzuheizenden Tiegels keine messbaren Konzentrationen an organischen Phosphorverbindungen ermittelt werden konnten. Der Widerspruch wurde daraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1995 zurückgewiesen.
Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht ein arbeitsmedizinisch-toxikologisches Gutachten durch Dr. P. erstellen lassen. Darin ist dieser unter dem 26. Juli 1996 zu dem Ergebnis gelangt, dass als einzig plausible Erklärung für die am 18. Januar und auch am 24. November 1992 aufgetretene Symptomatik eine Intoxikation mit Cholinesterase-Hemmstoffen in Betracht komme. Von Bedeutung sei, dass neben den organischen Phosphorsäureestern und anderen Stoffen auch bestimmte organische Fluor-Carbon-Verbindungen eine Cholinesterase hemmende Wirkung haben könnten. Derartige Stoffe seien bisher weder vom Technischen Aufsichtsdienst noch von den verfahrenstechnisch-toxikologischen Gutachtern geprüft worden. Allerdings lägen hierzu auch keine arbeitsmedizinischen Erkenntnisse aus der Aluminium herstellenden Industrie vor und insbesondere hätten die durchgeführten Untersuchungen bei den im gleichen Arbeitsbereich wie der Kläger tätigen Personen keinerlei Anhaltspunkte für eine Exposition gegenüber Cholinesterase-Hemmstoffen ergeben. Insofern könne ein ursächlicher Zusammenhang der aufgetretenen Beschwerden mit der beruflichen Tätigkeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Es werde jedoch werde vorgeschlagen, einen verfahrenstechnisch-toxikologischen Sachverständigen mit einer Bewertung des Sachverhalts im Hinblick auf das Auftreten organischer Fluorverbindungen zu beauftragen, da Fluoride unstreitig bei der Aluminium-Elektrolyse auftreten würden. Entsprechend diesem Vorschlag hat das Sozialgericht ein verfahrenstechnisches Gutachten vom 25. November 1996 durch den Diplom-Chemiker Dr. R. erstellen lassen. Darin ist dieser Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass unter den Produktionsbedingungen der Tiegelstation der H. 1992 keinerlei organische Fluorverbindungen entstehen konnten.
In seiner ergänzenden arbeitsmedizinischen Stellungnahme vom 20. Januar 1997 hat Dr. P. daraufhin die Auffassung vertreten, dass die akuten Erkrankungen des Klägers am 18. Januar und 24. November 1992 nicht mit der im Unfallversicherungsrecht geforderten Wahrscheinlichkeit als beruflich verursacht angesehen werden können. Der hierfür erforderliche Nachweis einer geeigneten Exposition habe trotz intensiver Ermittlungen nicht erbracht werden können.
In einer weiteren Stellungnahme vom 27. November 1998 hat der Arbeitsmediziner Dr. P. ergänzend ausgeführt, dass der sichere Nachweis eines Giftstoffes im Körper des Klägers nicht erfolgt sei. Allerdings sei eine Intoxikation durch Cholinesterase-Hemmstoffe – am ehesten organische Phosphorsäureester – sehr wahrscheinlich. Unklar bleibe aber, welcher Stoff über welchen Aufnahmeweg die Vergiftung verursacht habe. Eindeutige Aussagen zum Aufnahmezeitpunkt und der Giftdosis seien nicht möglich. Eine Latenzzeit von mehr als 24 Stunden sei aber unwahrscheinlich. Es lasse sich nicht sagen, ob die Intoxikation durch eine Giftstoffeinwirkung vor, während oder nach der Arbeitsschicht eingetreten sei. Wahrscheinlich sei jedoch, dass der Giftstoff zum Ende der Arbeitsschicht eingewirkt habe. Brauchbare Anhaltspunkte für eine berufliche Exposition gebe es nicht. Insofern müsse durchaus auch ein krimineller Hintergrund als Ursache der Vergiftung in Betracht gezogen werden.
Der Kläger hat den Bericht des Rechtsmediziners Prof. Dr. S1 über die Untersuchung von am 24. November 1992 ihm abgenommenen Urins und Blutes eingereicht, wonach mit den zur Verfügung stehenden Mitteln weder Stoffe aus der Reihe der Organphosphate noch fluorierte Phosphorsäureester hätten gefunden werden können.
Im Termin am 11. Juni 2001 hat das Sozialgericht den Sachverständigen Dr. P. ergänzend gehört und anschließend die Klage durch Urteil vom 11. Juni 2001 abgewiesen. Die Anerkennung einer Berufskrankheit und eines Arbeitsunfalls würden gleichermaßen den Nachweis des beruflichen Kontakts mit dem schädigenden Stoff voraussetzen. Dieser Nachweis sei nicht gelungen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 27. Juli 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. August 2001 Berufung eingelegt.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 7. November 2001 die Anerkennung der bei den Ereignissen vom 18. Januar und 24. November 1992 aufgetretenen Erkrankungen als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 1308 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie die Anerkennung der bei dem Ereignis vom 24. November 1992 aufgetretenen Erkrankungen als Folgen von Berufskrankheiten nach Nrn. 1109, 1307 und oder 1309 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie als Folgen eines Arbeitsunfalls abgelehnt. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid entsprechend der ihm beigegebenen Rechtsbehelfsbelehrung gesondert Widerspruch erhoben. Überein-stimmend gehen die Beteiligten davon aus, dass dieser Bescheid nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus, es gebe keine andere plausible Erklärung für seine Vergiftungserscheinungen, als dass er sich bei der Arbeit eine Vergiftung mit Cholinesterasehemmern zugezogen habe. Die erstinstanzliche Entschei-dung könne daher nicht richtig sein. Der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität habe bisher nur deshalb nicht erbracht werden können, weil die von Dr. R. erstellten verfahrenstechnischen Gutachten fachlich nicht erschöpfend seien, von unzutreffenden Sachverhalten ausgingen und deshalb zwangsläufig zu falschen Ergebnissen hätten kommen müssen. Es sei nämlich entgegen der Behauptung von Dr. R. nicht ausgeschlossen, dass bei der Aluminiumherstellung organische Phosphorsäureester entstehen könnten. Entgegen seiner Annahme seien sehr wohl Chlorverunreinigungen vorhanden. Auch sei eine fluorierte anorganische Phosphorverbindung als Ausgangs-substanz denkbar. Im Übrigen habe Dr. R. nicht alle Einsatzstoffe berücksichtigt. Es sei versehentlich der Stoff Plicast 2800 Al-Tuff bzw. Plicast 3100 AL-Tuff zum Einsatz gekommen. Das darin enthaltene Calciumfluorid habe zu seiner Erkrankung beigetragen. Auch könnten wegen des organischen Binders der feuerfesten Isolierwolle beim erstmaligen Aufheizen eines neuen Tiegels im Bereich bis zu 400 – 500 Grad flüchtige organische Substanzen austreten.
Die Beklagte ist demgegenüber unter Hinweis auf eine weitere eingereichte Stellungnahme ihres TAD vom 14. Februar 2002 der Auffassung, dass das Sozialgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen hat.
Auf Anregung des vom Berufungsgericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten Diplom-Chemikers und Arbeitsmediziners Dr. S2 ist am 2. Oktober 2002 ein Erörterungstermin durchgeführt worden, in welchem der Kläger nochmals seine Tagesabläufe am 18. Januar und 24. November 1992 dargestellt hat. Er hat dazu nachfolgend noch schriftliche Ausführungen eingereicht. Das Gericht hat von den H. die Schichtbücher der Abteilung Tiegelreinigung für den 17. und 18. Januar sowie den 23. und 24. November 1992 beigezogen. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis einer gentechnischen Untersuchung vom 28. August 2003 bei ihm eine genetische Variante vorliege, die eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Cholinesterasehemmern erklärbar mache. Auf weitere Anregung des Sachverständigen Dr. S2 ist dann am 22. Juni 2005 eine Ortsbesichtigung am ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers durchgeführt worden, während dessen der Kläger die von ihm zu verrichtenden Arbeiten im Einzelnen erklärt und zum Teil vorgeführt hat. Die Firma H. hat dem Gericht die Kopie einer technischen Zeichnung eines Tiegels, einen Analyse¬bericht betreffend die verwendete Tonerde sowie Listen der Tiegelzustellungsmaterialien vom 14. Mai 1992, 30. Juni 1992, 13. Oktober 1992 und 20. November 1992 überlassen. Nachfolgend sind von ihr noch Lieferscheine betreffend die Materialien Plicast Hymor 2800 AL und Plicast Hymor 3100 AL-Tuff spezial eingereicht worden mit der Bemerkung, dass die Masse Plicast Hymor 3100 AL-Tuff nur in der Gießerei eingesetzt worden sei. Der Kläger hat daraufhin die Vernehmung der Ofenmaurer der H. zur probeweisen oder versehentlichen Nutzung der AL-Tuff-Materialien bei der Tiegelzustellung beantragt.
Der Sachverständige Dr. S2 ist in seinem Gutachten vom 10. April 2007 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger allenfalls von einer leichten Intoxikation auszugehen sei. Innere Erkrankungen, die mit einer Erniedrigung der Cholinesterase einhergehen, seien auszuschließen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei es zu einer Einwirkung von außen gekommen. Es ließen sich aber weder ein Syntheseweg noch zumindest Rahmen-bedingungen erkennen, unter denen im Bereich der Tiegelreinigung Cholinesterase-hemmer entstehen könnten. Insgesamt sei es weder wahrscheinlich noch mit Sicherheit zu belegen, dass eine entsprechende berufliche Einwirkung stattgefunden habe. Zwar lasse sich letztlich eine Möglichkeit nie ganz ausschließen, jedoch sei ihm – dem Sachverständigen – nach dem derzeitigen Kenntnisstand selbst eine solche Möglichkeit nicht vorstellbar. Unabhängig von der Verursachung sei nach den vorliegenden Unterlagen bei dem Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht erkennbar.
Dieser Beurteilung widerspricht der Kläger und weist darauf hin, dass der Chemiker Prof. Dr. G. ihm gegenüber auf Nachfrage angegeben habe, unter den bei den H. gegebenen industriellen Bedingungen seien durchaus Reaktionswege denkbar, bei denen aus einfachen anorganischen und organischen Komponenten in einer Hochtemperatur¬reaktion Fluorphosphorsäureester entstehen könnten. Durch seinen medizinischen Beistand lässt der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2008 darauf hinweisen, dass es zu Verwechslungen oder zum Einsatz neuer Materialien in seinem Arbeitsbereich gekommen sei und kompetente Messungen damals das Auftreten phosphororganischer Verbindungen nachgewiesen hätten. Es gebe keinen vernünftigen Zweifel, dass es an seinem Arbeitsplatz bei ihm zweimal zu einer inhalativen – ggf. zusätzlich dermalen – Vergiftung durch fluorierte organische Phosphorverbindungen gekommen sei und deshalb eine Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliege, die nach einer MdE von 20 v.H. zu entschädigen sei.
Im Termin am 11. März 2008 sind die Ofenmaurer F. und J. als Zeugen zur Frage der verwendeten Materialien bei der Tiegelzustellung gehört worden. Diese haben übereinstimmend angegeben, dass zur Tiegelauskleidung auch die AL-Tuff – Materialien verwendet worden seien. Nachdem der medizinische Sachverständige Dr. S2 nach dem Hinweis des Gerichts, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen schlüssig ergebe, dass im Dezember 1992 durch das BIA sowohl das Produkt Plicast Hymor 2800 AL als auch das Produkt Plicast Hymor 3100 AL – Tuff analysiert wurden, in der mündlichen Verhandlung am 29. September 2009 die Auffassung vertreten hatte, dass im Hinblick auf die bislang geführte Diskussion nicht auszuschließen sei, dass auch bislang nicht untersuchte Produkte, die bei der Tiegelherstellung Verwendung fanden, unter anderem Ceraboard 100, unter bestimmten Reaktionsbedingungen organische Phosphorsäureester bilden könnten, hat sich die Beklagte in einem weiteren Erörterungstermin am 8. August 2012 zur erneuten Beprobung der Materialien der Tiegelzustellung unter Einschluss von Ceraboard 100 durch das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) bereit erklärt. Das Ergebnis dieser Beprobung hat das IFA im Bericht vom 16. Juli 32013 mitgeteilt. Danach haben sich Phopshorsäureester bei allen Mischungen der Tiegelzustellung ohne Elektrolyt gaschromatisch nicht nachweisen lassen.
Der Kläger bemängelt, dass die Versuche mit einem Material Ceraboard 100 durchgeführt wurden, welches dem im Jahre 1992 verwendeten Material Ceraboard 100 insoweit nicht entspreche, als der Hersteller aktuell einen Stärkegehalt von 0 – 10 % angebe, während das ursprüngliche Material laut Herstellerangabe einen Stärkegehalt von 3,5 % aufgewiesen habe, so dass das Verfahren nicht tauglich sei. Die Versuche müssten wiederholt und zudem in gegenteiliger Temperaturabfolge (Abkühlung) durchgeführt werden.
Er beantragt,
dass Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juni 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1995 aufzuheben und festzustellen, dass er am 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall durch Vergiftung mit einem Cholinesterasehemmer erlitten hat
hilfsweise
festzustellen, dass die bei ihm bestehende Polyneuropathie und die hirnorganisch bedingte Leistungsminderung eine Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung ist
weiter hilfsweise
den Beweisanträgen aus dem Schriftsatz vom 25. November 2014 nachzukommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass im Rahmen der Versuche die gegenwärtig handelsüblichen Materialien verwendet wurden, weil die ursprünglichen nicht mehr lieferbar seien. Im Übrigen würden die Hersteller aus Wettbewerbsgründen genauere Angaben heutzutage nicht mehr machen.
Daraufhin hat das Berufungsgericht erneut Dr. S2 gehört. Wegen des Inhalts dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich dieser Niederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er am 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) durch Vergiftung mit einem Cholinesterasehemmer erlitten und eben so wenig darauf, dass eine bei ihm bestehende Polyneuropathie und eine hirnorganische Leistungsminderung eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 1 RVO i.V.m. Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung ist. Die Vorschriften der Reichs¬versicherungsordnung finden hier noch Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs – Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet, soweit es die Beklagte durch den vorliegend allein angegriffenen Bescheid vom 10. Juni 1994 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Juni 1995 abgelehnt hat, mit Blick auf das Ereignis vom 18. Januar 1992 einen Arbeitsunfall anzuerkennen. Insoweit fehlt es – worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – an einem von außen auf den Körper des Klägers einwirkenden Ereignis in Gestalt einer Exposition gegenüber organischen Phosphorverbindungen, welche ihn bei seiner versicherten Tätigkeit als Vorarbeiter in der Tiegelreinigung der H. betroffen haben.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens lässt sich nämlich bereits nicht mit der hierfür erforderlichen, einen vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit – also im Vollbeweis – die Feststellung treffen, dass der Kläger am 18. Januar 1992 während der Arbeitsschicht gegenüber einem Cholinesterasehemmer exponiert war.
Allerdings stimmt nach ärztlicher Einschätzung das Krankheitsbild, welches der Kläger am 18. Januar 1992 und auch nachfolgend am 24. November 1992 gezeigt hat, mit demjenigen einer Vergiftung durch Organophosphate überein. Dies haben alle medizinischen Sachverständigen in Übereinstimmung mit der Einschätzung der behandelnden Ärzte bekundet. Jedoch haben sämtliche im Verfahren eingeholten arbeitsmedizinischen, toxikologischen und verfahrenstechnischen Gutachten ergeben, dass bei der Aluminium¬elektrolyse Organophosphate regelmäßig nicht freiwerden. Die am Arbeitsplatz des Klägers durchgeführten Messungen bestätigen diese Annahme. Denn Organophosphate ließen sich im laufenden Betrieb der Tiegelreinigung nicht nachweisen. Der Kläger hat auch über mehr als 10 Jahre dieselbe Tätigkeit ausgeübt wie am Tage des Ereignisses, ohne dass Krankheitserscheinungen auftraten. Dies bestätigt das Fehlen einer Exposition gegenüber Organophosphaten an diesem Arbeitsplatz ebenso wie der Umstand, dass andere, am selben Arbeitsplatz tätige Mitarbeiter der H., insbesondere derjenige Mitarbeiter, der den Kläger während dessen Monate währender Arbeitsunfähigkeit vertreten hat, Vergiftungserscheinungen nicht zeigten
Soweit der Kläger behauptet, am 18. Januar 1992 sei ein neu ausgemauerter Tiegel erstmalig aufgeheizt worden, bei dem es wegen Verwechslung von Materialien zu einem – ausnahmsweisen – unkontrollierten Austreten von Organophosphaten gekommen sei und er hierzu weiter vorträgt, die ihn beratenden Ärzte und Wissenschaftler schlössen vor diesem Hintergrund das Entstehen von Organophosphaten an seinem Arbeitsplatz nicht aus, kann das seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Insoweit hat sich zunächst nicht feststellen lassen, dass bei der Ausmauerung des in Rede stehenden Tiegels Nummer 3, welcher am 18. Januar 1992 erstmalig aufgeheizt wurde, abweichend von den Angaben des Arbeitgebers andere Materialien verwendet wurden, als dies bei der Tiegelausmauerung vorgeschrieben war. Zwar haben die vernommenen Zeugen angegeben, dass gelegentlich auch so genannte Al-tuff-Materialien, welche sonst nur in der Gießerei Verwendung fanden, beim Ausmauern der Tiegel eingebaut wurden. Dass dies gerade bei dem in Rede stehenden Tiegel geschehen ist, haben die Zeugen indessen nicht bekundet. Eine entsprechende Feststellung lässt sich folglich und auch sonst nicht treffen. Überdies ergäbe sich hieraus in Abweichung von dem durch die Beklagte eingeholten verfahrenstechnischen Gutachten und mit Blick auf die Äußerung von Prof. G. auch nur die theoretische Möglichkeit des Entstehens von Organophosphaten. Eine solche Möglichkeit schließt auch der gerichtlich bestellte Gutachter Dr. S2 nicht aus. Diese theoretische Möglichkeit ist aber vor dem Hintergrund des fehlenden Betroffenseins des Klägers über Jahre seiner Tätigkeit sowie des fehlenden Betroffenseins anderer Mitarbeiter und schließlich vor dem Hintergrund der zweimalig durchgeführten gaschromatischen Untersuchung aller in Frage kommenden Tiegelausmauerungs¬materialien indessen so gering, dass das Gericht sie für seine Feststellung vernach¬lässigen kann. Denn unter keinem Blickwinkel ließe sich ausgehend von einer bloßen Möglichkeit und vor dem Hintergrund des arbeitsmedizinischen Erfahrungswissens zur Aluminiumherstellung die Feststellung treffen, dass der Kläger mit Gewissheit am 18. Januar 1992 bei der Entstehung von Organophosphaten anwesend war und so vergiftet wurde.
Weiterer Ermittlungen, insbesondere weiterer Versuche, bedarf es hierzu nicht. Denn wie der medizinische Sachverständige, der Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Dipl. Chemiker Dr. S2, erläutert hat, decken die vom IFA durchgeführten Untersuchungen alle Möglichkeiten der Stoffzusammensetzung ab, die es vorliegend zu beachten galt. Sie schlossen insbesondere die so genannten Al-Tuff-Materialien ein. Auch sind die Aufheiz-versuche in Anwesenheit von organischem Material durchgeführt worden, welches zur Synthese von Organophosphaten erforderlich ist. Bereits die Versuche des BIA im Jahre 1992 beinhalteten die Verwendung organischen Materials in Gestalt des Isolierfilzes Cerafelt 1000 mit organischem Binder. Zusätzlich hat das IFA während des Berufungsverfahrens auf Anregung des Sachverständigen noch das Material Ceraboard 100 beprobt, welches ebenfalls organischen Binder enthält und bei der Tiegelausmauerung gelegentlich Verwendung gefunden haben soll. Unerheblich ist insoweit, dass für das aktuell zu beschaffende Ceraboard 100 vom Hersteller ein Binderanteils von 0 – 10 % angegeben wird, während für das 1992 gelieferte Material ein Binderanteil von 3,5 % angegeben wurde. Denn wie Dr. S2 ausgeführt hat, ist entscheidend die Anwesenheit von organischem Material und nicht dessen absolute Quantität. Dass aber auch das aktuelle Material Binder und damit die für die Synthese von Organophosphaten erforderliche organische Komponente enthält, ergibt sich aus den Herstellerangaben hierzu sowie aus den vom Hersteller veröffentlichten Verarbeitungs¬hinweisen, wo auf den Binderanteil und seinen Abbrand beim erstmaligen Erwärmen hingewiesen wird, mag der genaue Anteil vom Hersteller anders als früher – aus Wettbewerbsgründen – nunmehr auch geheim gehalten werden.
Weiterer Ermittlungen der von dem Kläger begehrten Art bedarf es auch deshalb nicht, weil neben die Möglichkeit der unbeabsichtigten, zufälligen Synthese von Organo-phosphaten im Produktionsprozess eine ernstzunehmende andere Möglichkeit der Vergiftung tritt. Wie Dr. S2 in Übereinstimmung mit Dr. P. nämlich ausgeführt hat, boten die Erkrankungserscheinungen des Klägers am 18. Januar 1992 und auch diejenigen am 24. November 1992 jeweils das klassische Bild einer Vergiftung mit einem auf Organophosphaten basierenden Pflanzenschutzmittel. Bei einer – wie Dr. P. in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Z. betont – Latenz von maximal 24 Stunden, wäre eine außerberufliche Giftbeibringung vor Beginn der Schicht ebenfalls möglich und fügte sich in den zeitlichen Rahmen ein. Damit aber ließe sich Gewissheit über die Herkunft des Giftstoffes unabhängig vom Ausgang weiterer Versuche nicht gewinnen.
Bleibt nach allem offen, auf welche Weise dem Kläger am 18. Januar 1992 Organophosphate zugeführt wurden, dann fehlt für die Feststellung eines Arbeitsunfalls die anspruchsbegründende Tatsache der äußeren Einwirkung durch beruflich verursachte Exposition gegenüber diesem Stoff. Hierfür aber trägt der Kläger die objektive Beweislast und es kann deshalb die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Berufung ist unzulässig, soweit mit ihr die Anerkennung einer Polyneuropathie und einer hirnorganisch bedingten Leistungsminderung als Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung begehrt wird. Denn hierzu liegt eine Entscheidung der Beklagten eben so wenig vor, wie eine Entscheidung des Sozialgerichts. Vielmehr erschöpft sich der angefochtene Bescheid in dem Ausspruch, dass die am 18. Januar 1992 akut aufgetretenen Gesundheitsstörungen, wie sie sich aus den Behandlungsunterlagen des AK A1 ergaben, keine Berufskrankheit nach Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind. Nur über diesen Ausspruch hat auch das Sozialgericht entschieden und nur dies kann dementsprechend auch Gegenstand der Berufung sein.
Ohne Erfolg bleiben muss die Berufung aber auch dann, wenn dieser Antrag dahingehend ausgelegt wird, dass die am 18. Januar 1992 aufgetretenen Krankheitserscheinungen als Berufskrankheit nach Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen sind. Zunächst setzt sich der Kläger mit diesem Antrag in Widerspruch zu seinem Vorbringen, er sei am 18. Januar 1992 und mutmaßlich auch am 24. November 1992 Opfer einer durch Änderung der Materialzusammensetzung der Tiegelausmauerung bedingten Vergiftung durch einen Cholinesterasehemmer geworden. Denn hiermit werden mit Blick auf die Beschränkung der Einwirkung auf jeweils eine Arbeitsschicht die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls geltend gemacht. Ein solcher liegt jedoch, wie ausgeführt, nicht vor. Unabhängig hiervon lässt sich vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen aber ebenso wenig feststellen, dass der Kläger – mit Blick auf die begehrte Anerkennung einer Berufskrankheit nun sogar ohne Begrenzung auf einzelne Arbeitsschichten – während seiner beruflichen Tätigkeit besonderen Einwir-kungen der in Nummer 1307 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung i.V.m. § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO bezeichneten Art ausgesetzt war.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist davon auszugehen, dass organische Phosphorverbindungen nicht zu den Stoffen gehören, die bei der Aluminiumherstellung regelmäßig anfallen. Zwar mag mit dem Vorbringen des Klägers ihre Synthese theoretisch möglich sein, insbesondere dann, wenn die Tiegelausmauerung fehlerhaft erfolgt. Allein dies reicht vor dem Hintergrund der vorliegend durchgeführten Erhebungen nicht aus, um die Feststellung treffen, dass der Kläger diesen Stoffen während seiner Tätigkeit in der Tiegelreinigung in der von § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO geforderten besonderen Weise auch tatsächlich ausgesetzt war. Dies gilt umso mehr, als – mit Ausnahme der beiden vorliegend in Rede stehenden Tage – weder der Kläger selbst über mehr als 10 Jahre noch im Übrigen seine am selben Arbeitsplatz tätigen Kollegen Vergiftungserscheinungen zeigten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.
Das Gericht Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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