Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 KR 616/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 141/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist am xxxxx 2002 geboren. Am 6. Januar 2011 übersandte die Mutter des Klägers einen Heil- und Kostenplan des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie Dr. R. vom 8. Dezember 2010 an die Beklagte und beantragte die Kostenübernahme für die Behandlung ihres Sohnes i.H.v. 4339,99 EUR.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, Dr. R. sei kein Vertragsbehandler der gesetzlichen Krankenkassen. Gegen diesen Bescheid legte die Mutter des Klägers Widerspruch ein und erklärte, die Krankenkasse könne die erforderlichen Leistungen der craniomandibulären Dysfunktion (CMD) nicht anbieten. Deshalb habe der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte könnten nur im Notfall in Anspruch genommen werden oder wenn die Krankenkasse zuvor zugestimmt habe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Es stünden ausreichend Vertragszahnärzte zur Verfügung, die eine kieferorthopädische Behandlung durchführen könnten.
Mit der am 9. Juni 2011 erhobenen Klage hat die Mutter des Klägers vorgetragen, bei dem Kläger seien die Backenzähne zu weit vorne gewachsen. Es habe starke Entzündungsreaktionen gegeben. Der Zahnarzt Dr. F. habe dazu geraten, abzuwarten bzw. die Backenzähne zu ziehen. Die Kieferorthopädin Frau Dr. H. habe zu einer festen Versorgung der Zähne geraten. Nach mehr als einem Jahr Behandlung sei ihr, der Mutter, eine Schwellung des Zahnfleisches aufgefallen; das habe sie veranlasst, im Internet nach Risiken bei einer kieferorthopädischen Behandlung zu suchen, weil sie einen Zusammenhang mit der festen kieferorthopädischen Versorgung vermutet habe. So sei sie auf Dr. R. gestoßen. Ihr Sohn habe massive neurologische Störungen gehabt, z.B. Kribbeln am Rücken sowie Probleme in der Halswirbelsäule und im Rücken. Ein Zusammenhang mit der Zahnbehandlung sei ihr erst durch Gespräche mit Dr. R. klar geworden. Der Kieferorthopäde Dr. H1 habe zu einer Ziehung der Zähne geraten. Aufgrund eigener negativer Erfahrung mit einer ähnlichen Problematik habe sie das abgelehnt. Die Behandlung bei Dr. R. habe zu einem guten Ergebnis geführt.
Auf Aufforderung des Sozialgerichtes hat die Mutter des Klägers Rechnungen der streitigen Behandlung mit einem Behandlungsbeginn am 11. November 2010 vorgelegt.
Das Gericht hat die Klage mit Urteil vom 8. August 2013 mit der Begründung abgewiesen, dass kein Erstattungsanspruch bestehe. Die vorgenommene Behandlung gehöre nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, da für sie keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliege. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne der grundrechtsorientierten Auslegung bzw. des Systemversagens seien nicht gegeben.
Das Urteil wurde dem Kläger am 2. September 2013 zugestellt. Mit der hiergegen am 23. September 2013 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, bei der streitigen Behandlungsmethode handele es sich um eine erprobte Methode, für die zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorlägen. Für die Behandlung des Klägers hätten keine alternativen Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden. In einer solchen Situation müsse die streitige Behandlungsmethode von der Beklagten akzeptiert werden, auch wenn sie nicht vom GBA empfohlen sei. Es sei von einem Systemversagen auszugehen, da grundlegende medizinische Formen der Funktionsdiagnostik und Funktionstherapie unterlassen würden. Die Behandlung des Klägers mit der so genannten Straight-Wire-Methode durch Vertragsärzte der Beklagten habe zu Beeinträchtigungen geführt, die einer strafrechtlichen Körperverletzung gleichkämen. Nur die hier angewandte Methode habe Abhilfe schaffen können.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Behandlung des Klägers gemäß dem Heil- und Kostenplan von Dr. R. vom 6./8. Dezember 2010 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2015, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Entscheidung der Beklagte, die Kosten der Behandlung des Klägers gemäß dem Heil- und Kostenplan von Herrn Dr. R. vom 6./8. Dezember 2010 nicht zu übernehmen, begegnet keinen Bedenken.
Da der Kläger das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ersichtlich nicht gewählt hat, kommt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, sieht § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vor, dass diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach Maßgabe dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt.
Bei der streitigen Behandlung handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Daran fehlt es. Die Beschwerden des Klägers waren nicht Folge eines plötzlich aufgetretenen Ereignisses, welches eine sofortige Behandlung erforderlich machte, sondern haben sich nach dem klägerischen Vortrag seit November 2007 über viele Jahre hinweg sukzessive entwickelt. Auch wenn es während dieser Entwicklung einzelne Situationen mit akuten Schmerzzuständen gegeben hat, rechtfertigen solche allenfalls Notfallmaßnahmen im Sinne einer sofortigen Schmerzbehandlung, nicht jedoch die hier streitige umfassende kieferorthopädische Behandlung.
Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V liegen nicht vor. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (vgl. BSG, Beschluss vom 01.04.2010 - B 1 KR 114/09 B; BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 15). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 15.04.1997 - 1 BK 31/96, SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). So lag der Fall hier.
Wie sich den vorgelegten Rechnungen entnehmen lässt, begann die Behandlung bereits im November 2010. Dies ergibt sich daraus, dass fast alle auf der Rechnung mit der Nr. 650263/01 vom 20. Januar 2011 (vgl. Bl. 34 der Prozessakte) für den 24. November 2010 aufgeführten Abrechnungspositionen Teil des Heil- und Kostenplans vom 8. Dezember 2010 (Bl. 8 ff der Verwaltungsakte) sind. Dies wird von der Klägerseite auch nicht bestritten. Demnach wurde vor dem Antrag bei der Beklagten und offensichtlich sogar vor der Erstellung des Heil- und Kostenplans mit der Behandlung begonnen. Ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Regelfall schon die Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans als Beginn der Behandlung anzusehen, wurde hier also sogar schon vor diesem Zeitpunkt und damit zu früh mit der Behandlung begonnen.
Das Erfordernis der vorherigen Befassung der Krankenkasse mit dem Behandlungsanliegen entfällt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht in Fällen, in denen von vornherein feststeht, dass die Krankenkasse eine ablehnende Entscheidung treffen würde (vgl. Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 3/2014, § 13 Rn. 55 mwN). Es kann daher dahinstehen, ob hier ein solcher Fall vorliegt.
Unbeachtlich ist schließlich auch der Umstand, dass die Behandlung bei Ablehnung durch die Beklagte am 25. Januar 2011 noch nicht abgeschlossen war. Grundsätzlich wird zwar bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000 – B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R, SozR 3-2500 § 28 Nr. 6). Die kieferorthopädische Behandlung des Klägers ist ohne Zweifel als zusammenhängender Komplex zu sehen, so dass der Kausalzusammenhang auch für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erbrachten Leistungen zu verneinen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist am xxxxx 2002 geboren. Am 6. Januar 2011 übersandte die Mutter des Klägers einen Heil- und Kostenplan des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie Dr. R. vom 8. Dezember 2010 an die Beklagte und beantragte die Kostenübernahme für die Behandlung ihres Sohnes i.H.v. 4339,99 EUR.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, Dr. R. sei kein Vertragsbehandler der gesetzlichen Krankenkassen. Gegen diesen Bescheid legte die Mutter des Klägers Widerspruch ein und erklärte, die Krankenkasse könne die erforderlichen Leistungen der craniomandibulären Dysfunktion (CMD) nicht anbieten. Deshalb habe der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte könnten nur im Notfall in Anspruch genommen werden oder wenn die Krankenkasse zuvor zugestimmt habe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Es stünden ausreichend Vertragszahnärzte zur Verfügung, die eine kieferorthopädische Behandlung durchführen könnten.
Mit der am 9. Juni 2011 erhobenen Klage hat die Mutter des Klägers vorgetragen, bei dem Kläger seien die Backenzähne zu weit vorne gewachsen. Es habe starke Entzündungsreaktionen gegeben. Der Zahnarzt Dr. F. habe dazu geraten, abzuwarten bzw. die Backenzähne zu ziehen. Die Kieferorthopädin Frau Dr. H. habe zu einer festen Versorgung der Zähne geraten. Nach mehr als einem Jahr Behandlung sei ihr, der Mutter, eine Schwellung des Zahnfleisches aufgefallen; das habe sie veranlasst, im Internet nach Risiken bei einer kieferorthopädischen Behandlung zu suchen, weil sie einen Zusammenhang mit der festen kieferorthopädischen Versorgung vermutet habe. So sei sie auf Dr. R. gestoßen. Ihr Sohn habe massive neurologische Störungen gehabt, z.B. Kribbeln am Rücken sowie Probleme in der Halswirbelsäule und im Rücken. Ein Zusammenhang mit der Zahnbehandlung sei ihr erst durch Gespräche mit Dr. R. klar geworden. Der Kieferorthopäde Dr. H1 habe zu einer Ziehung der Zähne geraten. Aufgrund eigener negativer Erfahrung mit einer ähnlichen Problematik habe sie das abgelehnt. Die Behandlung bei Dr. R. habe zu einem guten Ergebnis geführt.
Auf Aufforderung des Sozialgerichtes hat die Mutter des Klägers Rechnungen der streitigen Behandlung mit einem Behandlungsbeginn am 11. November 2010 vorgelegt.
Das Gericht hat die Klage mit Urteil vom 8. August 2013 mit der Begründung abgewiesen, dass kein Erstattungsanspruch bestehe. Die vorgenommene Behandlung gehöre nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, da für sie keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliege. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne der grundrechtsorientierten Auslegung bzw. des Systemversagens seien nicht gegeben.
Das Urteil wurde dem Kläger am 2. September 2013 zugestellt. Mit der hiergegen am 23. September 2013 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, bei der streitigen Behandlungsmethode handele es sich um eine erprobte Methode, für die zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorlägen. Für die Behandlung des Klägers hätten keine alternativen Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden. In einer solchen Situation müsse die streitige Behandlungsmethode von der Beklagten akzeptiert werden, auch wenn sie nicht vom GBA empfohlen sei. Es sei von einem Systemversagen auszugehen, da grundlegende medizinische Formen der Funktionsdiagnostik und Funktionstherapie unterlassen würden. Die Behandlung des Klägers mit der so genannten Straight-Wire-Methode durch Vertragsärzte der Beklagten habe zu Beeinträchtigungen geführt, die einer strafrechtlichen Körperverletzung gleichkämen. Nur die hier angewandte Methode habe Abhilfe schaffen können.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. August 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Behandlung des Klägers gemäß dem Heil- und Kostenplan von Dr. R. vom 6./8. Dezember 2010 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2015, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Entscheidung der Beklagte, die Kosten der Behandlung des Klägers gemäß dem Heil- und Kostenplan von Herrn Dr. R. vom 6./8. Dezember 2010 nicht zu übernehmen, begegnet keinen Bedenken.
Da der Kläger das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ersichtlich nicht gewählt hat, kommt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, sieht § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vor, dass diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach Maßgabe dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt.
Bei der streitigen Behandlung handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Daran fehlt es. Die Beschwerden des Klägers waren nicht Folge eines plötzlich aufgetretenen Ereignisses, welches eine sofortige Behandlung erforderlich machte, sondern haben sich nach dem klägerischen Vortrag seit November 2007 über viele Jahre hinweg sukzessive entwickelt. Auch wenn es während dieser Entwicklung einzelne Situationen mit akuten Schmerzzuständen gegeben hat, rechtfertigen solche allenfalls Notfallmaßnahmen im Sinne einer sofortigen Schmerzbehandlung, nicht jedoch die hier streitige umfassende kieferorthopädische Behandlung.
Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V liegen nicht vor. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (vgl. BSG, Beschluss vom 01.04.2010 - B 1 KR 114/09 B; BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 15). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 15.04.1997 - 1 BK 31/96, SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). So lag der Fall hier.
Wie sich den vorgelegten Rechnungen entnehmen lässt, begann die Behandlung bereits im November 2010. Dies ergibt sich daraus, dass fast alle auf der Rechnung mit der Nr. 650263/01 vom 20. Januar 2011 (vgl. Bl. 34 der Prozessakte) für den 24. November 2010 aufgeführten Abrechnungspositionen Teil des Heil- und Kostenplans vom 8. Dezember 2010 (Bl. 8 ff der Verwaltungsakte) sind. Dies wird von der Klägerseite auch nicht bestritten. Demnach wurde vor dem Antrag bei der Beklagten und offensichtlich sogar vor der Erstellung des Heil- und Kostenplans mit der Behandlung begonnen. Ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Regelfall schon die Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans als Beginn der Behandlung anzusehen, wurde hier also sogar schon vor diesem Zeitpunkt und damit zu früh mit der Behandlung begonnen.
Das Erfordernis der vorherigen Befassung der Krankenkasse mit dem Behandlungsanliegen entfällt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht in Fällen, in denen von vornherein feststeht, dass die Krankenkasse eine ablehnende Entscheidung treffen würde (vgl. Noftz, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 3/2014, § 13 Rn. 55 mwN). Es kann daher dahinstehen, ob hier ein solcher Fall vorliegt.
Unbeachtlich ist schließlich auch der Umstand, dass die Behandlung bei Ablehnung durch die Beklagte am 25. Januar 2011 noch nicht abgeschlossen war. Grundsätzlich wird zwar bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2000 – B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl. BSG, Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R, SozR 3-2500 § 28 Nr. 6). Die kieferorthopädische Behandlung des Klägers ist ohne Zweifel als zusammenhängender Komplex zu sehen, so dass der Kausalzusammenhang auch für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erbrachten Leistungen zu verneinen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
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