L 2 R 130/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
53
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 53 R 506/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 130/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Neufeststellung und Erhöhung ihrer Rente unter Anerkennung der Zeit vom 6. November 1969 bis 28. Februar 2002 als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit.

Vorgeschichte Die am 4. Februar 1937 geborene Klägerin hat 1955 eine kaufmännische Berufsausbildung zur Verkäuferin mit dem Kaufmannsgehilfenbrief abgeschlossen und war bis 1960 als Verkäuferin, von 1960 bis 1961 als Buchhalterin und von August 1969 bis 4. November 1969 bei der Firma H., die seinerzeit als Firma A. firmierte, als Leiterin des Fotolabors beschäftigt. Mit Schreiben vom 3. November 1969 übersandte die Klägerin dieser Arbeitgeberin Fotokopie eines Attestes des Arztes Dr. D. aus Hamburg vom 2. Oktober 1969. Sie teilte mit, dass dieser ihr, wie dem Attest zu entnehmen sei, ärztlicherseits empfohlen habe, ihren Beruf für längere Zeit zu unterbrechen und bat darum, ihre Tätigkeit ab 5. November 1969 für etwa sechs Monate zu unterbrechen. Sie werde sich sodann erneut untersuchen lassen und das Ergebnis mitteilen. Das genannte Attest selbst ist in keiner der vorliegenden Akten enthalten und liegt bis heute nicht vor. Mit Schreiben vom 4. November 1969 erklärte sich die Arbeitgeberin damit einverstanden, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 5. November 1969 aufgelöst sei und erklärte sich ausdrücklich dazu bereit, die Klägerin nach Wiederherstellung ihrer Gesundheit – also voraussichtlich nach sechs Monaten – zu dem gegenwärtigen Gehalt wieder einzustellen, wenn die Klägerin dies wünsche. Arbeitslohn erhielt die Klägerin bis einschließlich 5. November 1969. Zu einer Wiedereinstellung oder der Aufnahme einer anderen Beschäftigung kam es in der Folgezeit indessen nicht. Zur Begründung dieser Tatsache gab die Klägerin später an, sie habe ihre Tätigkeit im Labor der Firma H. unterbrechen müssen, weil durch das stete Einatmen von Dämpfen Lungen- bzw. Bronchialkrankheiten hervorgerufen worden seien und deshalb Arbeitsunfähigkeit fortbestanden habe. Aufgrund der im Oktober 1969 bestehenden Gesundheitsstörungen (chronische Bronchitis/Bronchialasthma) sei es zu weiteren schwerwiegenden Erkrankungen (Ovarialzystom bzw. Adnextumor rechts, Adhäsionen, Bauchfellverwachsungen und chronisch wiederkehrenden Entzündungen der Adnexe) gekommen mit der Folge, dass ihre Arbeitsunfähigkeit fortbestanden habe Diese Beeinträchtigungen wirkten immer noch nach. Wegen der gesundheitlichen Einschränkungen hätten sich am Arbeitsmarkt keine Chancen ergeben und sei ihr eine neue Festanstellung nicht gelungen. Auch der Versuch einer selbstständigen Tätigkeit als Maklerin vom 1. Oktober 1976 bzw. vom 24. Januar 1977 bis 1. Dezember 1978 bzw. bis 1. Mai 1979 (hierzu liegen uneinheitliche Angaben vor) habe wieder aufgegeben werden müssen, und sie sei weiterhin langzeitarbeitslos geblieben.

Unter dem 8. November 1969 übersandte die Kaufmännische Krankenkasse H., bei der die Klägerin gesetzlich krankenversichert war, ihr einen vorgedruckten Auszahlungsschein für Krankengeld. Zu einer Zahlung von Krankengeld kam es indessen nicht. Die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren auf die Gewährung dieser Leistung ab 1969 gerichtete Klage S 48 KR 830/09 wurde vom Sozialgericht Hamburg (nachfolgend: SG) mit Gerichtsbescheid vom 5. September 2013 abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung L 1 KR 26/12 wies das Landessozialgericht Hamburg (nachfolgend: LSG) mit Urteil vom 5. September 2013 zurück. Eine weitere Klage mit dem Ziel der Gewährung u.a. von Krankengeld seit 1969 ist beim SG unter dem Aktenzeichen 2 KR 1092/12 anhängig.

Seit dem 1. März 2002 bezieht die Klägerin Regelaltersrente (Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2002). Bei der Berechnung dieser Rente hatte die Beklagte Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 und wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 30. Dezember 1981/1. Januar 1982 bis 28. Februar 2002, deren Berücksichtigung die Klägerin sowohl im Verfahren der Kontenklärung als auch in dem Rentenverfahren verlangt hatte, weder in den Versicherungsverlauf eingestellt noch rentensteigernd berücksichtigt.

In der Folgezeit sind sämtliche Bemühungen der Klägerin, eine Steigerung der ihr zuerkannten Rente, eine früher einsetzende Rente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres oder eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erreichen, ohne Erfolg geblieben. Wegen diesbezüglicher Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Prozessakten des SG und des LSG zu den Aktenzeichen S 49 R 2624/05, S 49 R 859/06, S 49 R 1159/07, L 3 R 203/05, L 3 R 23/06, L 3 R 4/08, L 2 R 41/12, L 2 R 48/12, L 2 R 4/13, L 2 R 5/13, L 2 R 6/13, L 2 R 7/13, L 2 R 19/13 verwiesen. In einigen dieser Verfahren hatte die Klägerin ihr Vorbringen zu der nach ihrer Auffassung seit 2. Oktober 1969 bestehenden, ärztlich festgestellten und fortdauernden Arbeitsunfähigkeit wiederholt und die vorerwähnten sowie weitere Unterlagen vorgelegt.

Mit dem im Klageverfahren S 42 RA 645/99 ergangenen Urteil vom 26. September 2005 verurteilte das SG die Beklagte, den Antrag der Klägerin vom 12. April 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, soweit mit dem Antrag die Anerkennung der Zeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 einschließlich als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit begehrt werde. Im Übrigen wies es die gegen die Nichtanerkennung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vom 30. Dezember 1981 bis 31. Dezember 1998 gerichtete Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung erklärte die Klägerin am 7. August 2007 für erledigt.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Kaufmännische Krankenkasse mit Schreiben vom 19. Januar 2006 mit, dass ihr Unterlagen zu Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin nicht vorlägen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2006 die Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 mit der Begründung ab, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei. Zur Begründung des hiergegen am 1. Februar 2006 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, die Beklagte sei durch das im Verfahren S 42 RA 645/99 ergangene Urteil vom 26. September 2005 verurteilt worden, die Zeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen. Im Übrigen treffe nicht zu, dass der Krankenkasse keine Arbeitsunfähigkeitszeiten vorlägen. Der zuständigen Geschäftsstelle sei unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit der Klägerin unter Übermittlung des ärztlichen Gutachtens vom 2. Oktober 1969 des Arztes Dr. D. gemeldet worden. Die Einreichung jenes Attests habe auch der frühere Arbeitgeber mit Schreiben vom 4. November 1969 bestätigt. Ihr behandelnder Arzt Dr. D. habe sie am 2. Oktober 1969 untersucht und aufgrund begründeter negativer Gesundheitsprognose arbeitsunfähig krankgeschrieben. In der gesamten Folgezeit habe sie weiterhin in ärztlicher Behandlung gestanden und sei nicht in der Lage gewesen, eine Erwerbstätigkeit wieder aufzunehmen. 1973 sei sie für 10 Tage in der Klinik B. in H. und 1980 für 15 Tage in der Klinik F. behandelt worden. Leider seien diese Heimstätten inzwischen geschlossen, so dass auch von dort keine Nachweise mehr zu beschaffen seien. Auch das Landesarbeitsamt habe nach sechs Jahren ihre Akte mit sämtlichen einschlägigen zeitnahen Dokumenten zu der am 2. Oktober 1969 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit vernichtet. Ihre Krankenkasse habe bei einem Gespräch am 27. Februar 2006 mitgeteilt, dass an sie übersandte ärztliche Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit nur zwei Jahre lang aufbewahrt würden und danach die Vernichtung erfolgt sei, die frühere Arbeitgeberfirma nicht mehr existiere und ihr früherer behandelnder Arzt Dr. D. nicht mehr praktiziere. Zur Stützung ihres Vorbringens überreichte die Klägerin erneut die bereits mehrfach vorgelegten Unterlagen, ferner eine Bescheinigung des Arztes Prof. Dr. H. vom 14. Oktober 1980, in der ihr u.a. bescheinigt worden war, dass sie seit dem 6. Oktober 1980 in der Klinik F. stationärer Behandlung sei. Während des Widerspruchsverfahrens blieb auch eine Anfrage der Beklagten bei der AOK H. wegen der streitigen Krankheitszeiten ohne Ergebnis. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit ähnlicher Begründung wie derjenigen des Ausgangsbescheides zurück. Auch Krankengeld, welches zum Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit hätte dienen können, sei nicht bezogen worden. Die hiergegen erhobene Klage S 49 R 859/06 erklärte die Klägerin im Verhandlungstermin vor dem SG am 19. Februar 2008 auf den Hinweis der Vorsitzenden für erledigt, dass über die rentenrechtliche Relevanz der Zeit vom 6. November 1969 bis 30. November 1976 schriftliche Nachweise vorgelegt werden müssten, die bisher nicht beigebracht worden seien.

Verwaltungsverfahren Am 21. Juli 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie habe inzwischen die Nachweise über die rentenrechtliche Relevanz der Zeit ab 6. November 1969 vorliegen, weshalb die Rente und das Krankengeld neu berechnet werden könnten. An die Beweislast der arbeitsunfähigen Klägerin als Patientin dürften keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Im Übrigen nahm die Klägerin auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug, die sie wiederholte und vertiefte.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe weder neue Beweismittel vorgelegt noch neue Tatsachen vorgetragen, die geeignet wären, eine für sie günstige Entscheidung durch Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 zu treffen. Auf den Bescheid vom 26. Januar 2006 werde verwiesen.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs wandte die Klägerin ein, sie habe nachgewiesen, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, die maßgeblichen Rechtsvorschriften unrichtig angewendet habe und deshalb die beantragten Leistungen zu Unrecht nicht erbracht habe. Für die zahlreichen, von ihr begangenen Fehler sei die Beklagte verantwortlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Es sei nicht nachgewiesen, dass zum 5. November 1969 eine attestierte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bestanden habe, in deren Folge die Beschäftigung unterbrochen worden sei. Auch sei der Bezug von Krankengeld nicht bestätigt worden, und die am 15. November 1976 ausgestellte Aufrechnungskarte Nr. 6 weise keine Ausfallzeiten aus.

Klageverfahren erster Instanz Die Klägerin hat am 10. März 2009 Klage erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt. Diese Klage ist jedoch erst auf Hinweis des Berichterstatters im Verfahren L 2 R 41/13 erfasst und bearbeitet worden. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, ihr Anspruch sei schon deshalb begründet, weil die Kaufmännische Krankenkasse mit ihrem Schreiben vom 3. September 2008 an das LSG Hamburg im Verfahren L 1 KR 21/08 die Schadensersatzforderung der Klägerin aus gesamtschuldnerischer Haftung mit der Beklagten vollen Umfangs und ohne Einschränkungen anerkannt habe. Die Beklagte habe ihr deshalb die Schäden, die durch die rechts- und verfassungswidrigen Zahlungssperren entstanden seien und (zukünftig) entstünden, zu ersetzen. Mit der ärztlich festgestellten Erkrankung ab dem 2. Oktober 1969 sei eine versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin durch Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden. Daraus habe sich bei ihr eine chronische Erkrankung entwickelt. In der Zeit vom 6. bis 19. Oktober 1980 habe sie wegen Verwachsungen im Bauch- und Beckenraum operiert werden müssen, und diese Operationen hätten auch noch viele Jahre später zu chronischen Schmerzen, meist in Darmnähe, geführt. Ihre mit einem langen Leidensweg verbundenen Erkrankungen seien auch als unfallbedingt zu werten und stellten eine Behinderung dar, wegen derer die Klägerin nicht diskriminiert werden dürfe, und aus der sie ihr Recht ableite, mit entsprechenden Sozialleistungen versorgt zu werden. Die Beklagte nehme die ihr obliegenden Fürsorge- und Betreuungspflichten nicht wahr und die ärztlichen Gutachten zu sämtlichen unfallabhängigen Beschwerden der Klägerin und die zeitnahen medizinischen Befunde ihrer behandelnden Ärzte einfach nicht zur Kenntnis. Leider seien die Ärzte Dres. D., H. und K. inzwischen verstorben.

Das Arbeitsverhältnis sei, ebenso wie die Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenkasse fortgesetzt worden. Die Klägerin habe das Angebot ihrer früheren Arbeitgeberin angenommen, nach Wiederherstellung ihrer Gesundheit an anderer Stelle im Verlag bei gleichem Gehalt wieder eingestellt zu werden. Ihr Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sei auch verfassungsrechtlich geschützt, und das durch langjährige Mitarbeit erdiente Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses müsse berücksichtigt werden. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 24. September 2008 (Aktenzeichen: B 12 KR 10/07 R) entschieden, dass selbst eine unwiderrufliche Freistellung nicht dazu führe, dass die Sozialversicherungspflicht ende. Ihre Arbeitswilligkeit habe die Klägerin auch bekundet. Auf den Inhalt der Versicherungskarte Nr. 6 vom 15. November 1976 könne sich die Beklagte nicht berufen, denn diese Karte sei trotz Vorliegens des noch nicht ausgewerteten, von der Klägerin vorgelegten Kontrollmaterials erstellt worden und dürfe deshalb im Gerichtsprozess nicht verwertet werden. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin die bereits bekannten und weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Im Verhandlungstermin vor dem SG am 11. November 2013 hat der Ehemann und Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, ausgehend von einem Leistungsfall vom 6. November 1969, gestellt. Weiter hat er gem. § 44 SGB X eine Überprüfung durch die Beklagte beantragt, ob für den Zeitraum vom 1. Oktober 1976 bis zum Rentenfall 2002 eine Anrechnungszeit anzuerkennen sei.

Mit seinem Urteil vom 11. November 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei nur insoweit zulässig, als es um die Anerkennung der Anrechnungszeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 gehe. Soweit die Klägerin zum Ausdruck gebracht habe, dass es ihr darüber hinaus auch um die Zeit bis heute gehe, fehle es an dem erforderlichen Verwaltungsverfahren, das aufgrund des gestellten Überprüfungsantrages zunächst von der Beklagten durchzuführen sei. Gleiches gelte für den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 6. November 1969; dieses Begehren könne deshalb ebenfalls nicht Gegenstand des Klageverfahrens sein. Hinsichtlich des zur Überprüfung gestellten Rentenbescheides vom 10. Januar 2002 sei nicht erkennbar, dass dieser in Bezug auf die Nichtberücksichtigung des Zeitraums vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit rechtswidrig wäre. Die Voraussetzungen einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien nicht erfüllt, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen worden sei und die Klägerin auch kein Krankengeld erhalten habe. Einen solchen Anspruch habe die Krankenkasse entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht anerkannt. Das Anerkenntnis vom 3. September 2008 habe sich nur auf die Höhe des von ihr und ihrem Ehemann zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrags bezogen. Bescheinigungen über eine Arbeitsunfähigkeit lägen für den Zeitraum ab 6. November 1969 nicht vor, insbesondere auch nicht das Attest des Dr. D. vom 2. Oktober 1969. Sein genauer Inhalt sei deshalb nicht erkennbar und daher keineswegs nachgewiesen, dass mit ihm eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei offen, bis wann Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden sei. Weitere Ermittlungsansätze seien nicht erkennbar. Es erscheine nicht angezeigt, noch mehr als 40 Jahren zu versuchen, Unterlagen des damals behandelnden Arztes Dr. D. zu beschaffen, zumal die Klägerin bereits im März 2006 der Beklagten mitgeteilt habe, dass dieser Arzt nicht mehr praktiziere. Zeugenaussagen medizinischer Laien reichten grundsätzlich nicht aus, um Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen.

Berufungsverfahren Gegen das ihr am 19. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen und rügt, dass dem Sozialgericht alle Unterlagen vorgelegen hätten und es sich deshalb nicht auf "Verjährung" berufen dürfe. Das Gericht hätte berücksichtigen müssen, dass die Klägerin als Opfer der Vernichtung der Atteste durch bösgläubige Besitzer schutzwürdig sei und deshalb nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihre Ansprüche gegen die Beklagte und die Krankenkasse durchzusetzen. Sie sei auch wegen erhöhter Pflegebedürftigkeit dringend auf die ihr zu Unrecht versagten Mittel angewiesen.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen. Sie trägt vor, das Vorbringen der Klägerin sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren bekannt gewesen. Auf das Urteil des SG werde deshalb Bezug genommen

Der Senat hat sämtliche erreichbaren Akten über frühere Verfahren der Klägerin beigezogen, die Klägerin hierüber informiert und ihr Gelegenheit zur Akteneinsichtnahme gegeben. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erteilt, dass der Senat im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheidet.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der vorliegenden und beigezogenen Prozessakten des SG und des LSG zu den – hier in chronologischer Reihenfolge aufgeführten – Aktenzeichen S 2 AL 418/01 BW, L 3 B 299/05 ER R, L 3 R 303/05, S 49 R 2624/05, L 3 R 23/06, S 49 R 859/06, L 1 KR 13/07, S 49 R 1159/07, L 3 R 4/08, L 1 KR 21/08, L 1 KR 23/08 NZB, L 1 B 37/08 SE, S 48 KR 1503/08, L 1 B 182/09 ER KR, L 1 B 345/09 ER KR; L 1 KR 26/12, L 2 R 41/12, L 2 R 48/12, S 2 KR 1092/12, L 2 R 4/13, L 2 R 5/13, L 2 R 6/13, L 2 R 7/13, L 2 R 19/13, S 9 P 27/13, L 2 R 130/13 und S 40 U 167/14 sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (4 Bände). Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses beider Beteiligter ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), gemäß ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden.

Sie ist jedoch unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom Bescheid vom 8. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2009, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, unter Anwendung von § 44 SGB X den Rentenbescheid vom 10. Januar 2002 abzuändern und die Altersrente der Klägerin unter Berücksichtigung einer Anrechnungszeit vom 6. November 1969 bis 30. September 1976 neu zu berechnen. Das hierauf gerichtete Klagebegehren kann mit der hier zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht erhobenen kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) verfolgt werden. Soweit die Klägerin ihr Klagebegehren über den 30. September 1976 hinaus auf die Zeit bis 28. Februar 2002 erstreckt hat, ist die Klage unzulässig, weil es insoweit an einem Verwaltungsverfahren fehlt. Die Klägerin hat dementsprechend im Verhandlungstermin vor dem SG hinsichtlich dieser Zeit nochmals einen Überprüfungsantrag gestellt, der zunächst zu bescheiden ist.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), hat das SG die Klage abgewiesen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

Er kann allerdings nicht ausschließen, dass die Klägerin in der Zeit ab 2. Oktober 1969 arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Auch ist nicht zu verkennen, dass sich die Klägerin in Beweisnot befindet. Indessen reichen die vorliegenden Unterlagen nicht aus, um den Senat davon zu überzeugen, dass die Klägerin überhaupt, und, falls das der Fall gewesen sein sollte, für welche Zeiträume außerstande war, ihre zuletzt bei der Firma H. ausgeübte Tätigkeit als Leiterin des Fotolabors weiter zu verrichten. Diesbezüglich lassen sich auch heute keine Feststellungen mehr treffen. Für die Zeit vom 2. Oktober 1969 bis Oktober 1980 fehlt es schon an konkreten, ärztlich festgestellten Befunden und Diagnosen, durch die die Behauptungen der Klägerin belegt werden könnten. Entgegen ihrer Auffassung kann weder der Beklagten noch der Krankenkasse der Klägerin oder der Arbeitsverwaltung vorgeworfen werden, für die entstandene Beweisnot verantwortlich zu sein. Es entspricht üblichem Verwaltungshandeln, Altakten nach Ablauf bestimmter Aufbewahrungsfristen zu vernichten, ohne dass hieraus auf die von der Klägerin unterstellten böswilligen Absichten geschlossen werden könnte. Im Übrigen mutet es auch seltsam an, dass die schon damals mit ihrem Ehemann und Bevollmächtigten verheiratete Klägerin ihre Ansprüche auf Krankengeld nicht zeitnah nach dem 5. November 1969 mit gleicher Energie wie später verfolgt hat, sondern erst in dem am 22. Oktober 1994 eingeleiteten Kontenklärungs- und den späteren Gerichtsverfahren die lange zurückliegende Zeit der Arbeitsunfähigkeit und deren Anerkennung als Anrechnungszeit geltend gemacht hat.

Soweit es in dem noch durchzuführenden Neufeststellungsverfahren um die Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Oktober 1976 bis 28. Februar 2002 geht, weist der Senat bereits jetzt auf folgendes hin:

Soweit die Klägerin im Oktober 1980 an einem Ovarialzystom rechts bzw. Adnextumor erkrankt war, mag in der Tat für eine längere Zeit Arbeitsunfähigkeit bestanden haben. Diese hätte sich aber, da die Klägerin inzwischen eine selbstständige Tätigkeit als Maklerin aufgenommen hatte, am ehesten auf diese Tätigkeit und nicht mehr auf die frühere Tätigkeit als Leiterin des Fotolabors bei der Firma H. beziehen müssen, um Grundlage für eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sein zu können (vgl. dazu und zum Ende des krankenversicherungsrechtlichen Berufsschutzes nach spätestens drei Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit nur BSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – B 13 R 116/08 R, SozR 4-2600 § 58 Nr. 11 und juris; Fichte in Hauck-Noftz, SGB VI, Stand August 2014, Randnr. 26; Kreikebohm, SGB VI, 4. Auflage 2013, Randnr. 4 zu § 58, beide m.w.N.). Selbst wenn ab Oktober 1980 auch für die selbstständige Tätigkeit als Maklerin Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte, wäre hierdurch die für die Anerkennung einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 2 S. 1 1. Halbsatz SGB VI erforderliche Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nicht mehr gegeben. Aus dem gesetzlichen Erfordernis der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit folgt grundsätzlich, dass die Tatsache, welche die Anrechnungszeit begründet, in der Regel spätestens innerhalb eines Monats einer in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Beschäftigung oder Tätigkeit oder einer solchen nachfolgen muss, die einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit gleichgestellt ist und dass für diese Beschäftigung oder Tätigkeit Pflichtbeiträge wirksam entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten (vgl. nur Fichte, a.a.O., Randnrn. 187 f. und 201 zu § 58; Kreikebohm, a.a.O., Randnrn. 46 und 48 zu § 58, beide m.w.N.). Hieran dürfte es bereits deshalb fehlen, weil die Klägerin nach ihren eigenen, in zeitlicher Hinsicht uneinheitlichen Angaben vom 1. Oktober 1976 bzw. vom 24. Januar 1977 bis 1. Dezember 1978 bzw. bis 1. Mai 1979 eine selbstständige Tätigkeit als Maklerin ausgeübt hat, in der sie offenbar schon nicht der Versicherungspflicht in der damaligen Arbeiterrentenversicherung nach § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. der damaligen Angestelltenversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) unterlegen war. Ausweislich des Versicherungsverlaufs des Rentenbescheides vom 10. Januar 2002 sind dann auch nach 1969 keine Pflichtbeiträge für die Klägerin gezahlt worden, und Anhaltspunkte dafür, dass solche Beiträge gleichwohl gezahlt worden sind, oder dass ein Sachverhalt vorliegen könnte, nach dem sie als gezahlt gelten müssten, sind bisher weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Hinsichtlich einer möglichen Anknüpfung an die versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Firma H. bis 4. November 1969 kommt hinzu, dass die Zeit der Selbstständigkeit nur bis zur Dauer von sechs Monaten Überbrückungstatbestand zur Wahrung des Anschlusses bei Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung hätte sein können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 26. Februar 2007 – B 13 R 8/07 R, SozR 4-2200 § 1259 Nr. 1 und juris), was hier schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil sie über diese Begrenzung hinaus ausgeübt worden ist. Auf die – nach dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens der Firma H. vom 4. November 1969 und im Hinblick auf die zumindest konkludent erklärte Akzeptanz der Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen auch rechtsirrige – Auffassung der Klägerin, das Arbeitsverhältnis mit der Firma H. sei über den 4. November 1969 hinaus fortgesetzt worden, kommt es deshalb schon nicht an.

Die Kostenentscheidung fällt entsprechend dem Ausgang des Verfahrens zu Lasten der Klägerin aus (§ 193 SGG).

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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