L 3 U 27/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 160/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 27/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen. I. Die Beteiligten streiten um die Übernahme weiterer Behandlungskosten durch die Beklagte für die Behandlung des rechten Ellenbogengelenkes der Klägerin.

Tatbestand:

Die 1987 geborene Klägerin ist Physiotherapeutin und erlitt während versicherter Tätigkeit am 24. August 2009 einen Arbeitsunfall, als sie im Rahmen der Vorführung einer Übung mit dem rechten Ellenbogen gegen einen Rollator stieß. Die Klägerin arbeitete zunächst weiter und stellte sich am 27. August 2009 beim Durchgangsarzt Dr. K. vor, dem gegenüber sie Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens angab, welche in den dorsalen Oberarm bis zur Schulter und bis zur Wirbelsäule zögen. Dr. K. diagnostizierte eine Prellung am rechten Ellenbogen und schloss eine Fraktur oder Luxation aus. Bei freier Beugung, Streckung sowie Pro- und Supination und fehlenden äußeren Verletzungszeichen wurde der Klägerin die Anlegung eines Salbenverbandes und Schonung empfohlen und Arbeitsunfähigkeit verneint. Im Nachschaubericht vom 5. November 2009 des Dr. K. heißt es, die Klägerin klage noch über Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens. Die daraufhin durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) ergab eine freie Darstellung des nervus ulnaris und der Gefäße im Bereich der Ulnarisrinne und nachbarschaftlich nur wenig vermehrte Ellenbogengelenksflüssigkeit, keine Entzündungszeichen, keine Kapselreaktion. In einem weiteren Nachschaubericht vom 28. Januar 2010 des Dr. S. heißt es, bei dem Unfall sei es zu einer Prellung des rechten Ellenbogengelenkes gekommen mit komplizierter nachfolgender Behandlung und Diagnostik. Insgesamt sei damals kein richtunggebender pathologischer Befund erhoben worden. Nunmehr lasse sich ein hyperlaxes Ellenbogengelenk rechts mit Überstreckbarkeit von 15° und ein deutlicher Kubitus valgus diagnostizieren. Der Ulnarisnerv sei gut tastbar, frei verschieblich und ohne Hinweis für narbige Einschnürungen. Aus seiner Sicht sei das BG-liche Verfahren abzuschließen.

Mit Bescheid vom 11. März 2010 teilte die Beklagte der Klägerin den Abbruch der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung mit. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchs¬bescheid vom 27. Mai 2010). In dem sich anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein chirurgisches Gutachten des Dr. M. eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 27. Januar 2012 zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin leide im Bereich des rechten Ellenbogens unter einer chronischen Luxation des Ellennervens. Bis zum Unfallzeitpunkt sei sie beschwerdefrei gewesen. Nach dem Unfall sei es durch die Prellung und das damit verbundene Ödem zu persistierenden Beschwerden im Sinne der beschriebenen Schmerzen und Kribbelparästhesien gekommen. Es handele sich um eine anatomische Variante einer engen Ellenrinne, die den Ellennerven bei Beugung in eine Verrenkungsposition bringe, wodurch es zu einer Reizung des Ellennervens kommen könne. Eine durch den Unfall bedingte Schwellung solle nach einem Zeitraum von 6-12 Monaten vollständig abgeklungen sein, so dass die verbliebenen Beschwerden nach diesem Zeitraum nicht mehr auf den Unfall zurückzuführen seien, sondern wahrscheinlich die angeborene Formvariante der Ellenrinne für die vorliegenden Beschwerden verantwortlich sei. Durch den Arbeitsunfall seien die bestehenden Gesundheitsstörungen dauernd, jedoch nicht richtunggebend verschlimmert worden. Ein elektrophysiologische Zusatzgutachten des Dr. L. hat eine Signifikanz der Herabsetzung der Leitgeschwindigkeit beschrieben, welche eine Markscheidenschädigung des rechten nervus ulnaris im Bereich des Sulcus belege. In der Voruntersuchung vom 3. Juni 2010 sei die Leitfähigkeit der Ulnarisfasern in diesem Abschnitt noch normwertig gewesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25. April 2013 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, Anspruch auf die Übernahme weiterer Behandlungskosten ab dem 28. Januar 2010 bestehe nicht, da die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr unter den Folgen des Versicherungsfalles vom 24. August 2009 gelitten habe. Insbesondere gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die bei der Klägerin diagnostizierten Befunde eines Ödems, von Schmerzen und Kribbelparästhesien am rechten Ellenbogen sowie die signifikante Herabsetzung der Leitgeschwindigkeit des nervus ulnaris hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Gegen einen Zusammenhang spreche bereits, dass die Klägerin nach dem Vorfall nicht sofort bei einem Durchgangsarzt vorstellig geworden sei, sondern zunächst weitergearbeitet habe. Erst drei Tage nach dem Ereignis sei der Durchgangsarzt aufgesucht worden, dessen Diagnose einer Prellung am rechten Ellenbogen in keiner Weise mit den später aufgetretenen Beschwerden in Einklang zu bringen sei. Der Durchgangsarzt habe keinerlei innere oder äußere Verletzungszeichen ausfindig machen können. Eine Röntgenuntersuchung habe weder eine Fraktur noch eine Luxation ergeben. Die Klägerin habe auch danach zunächst weitergearbeitet und erst am 5. November 2009 erneut mit Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens einen Arzt aufgesucht. Gegen einen Zusammenhang spreche insbesondere auch, dass bei der Klägerin erhebliche Vorschäden festgestellt worden seien, wie ein hyperlaxes Ellenbogengelenk rechts mit einer Überstreckbarkeit von 15° und ein deutlicher Kubitus valgus (Deformität des Ellenbogengelenkes). Auch Dr. M. weise darauf hin, dass wahrscheinlich die angeborene Formvariante der Ellenbogen für die vorliegenden Beschwerden verantwortlich sei. Soweit dieser die Auffassung vertrete, die bestehenden Gesundheitsstörungen seien durch den Unfall dauernd verschlimmert worden, sei dies nicht überzeugend. Das von Dr. M. genannte Ödem sei zeitnah zum Unfall nicht diagnostiziert worden und spreche auch nicht automatisch für ein traumatisches Geschehen. Ein solches sei von dem zuerst aufgesucht Durchgangsarzt Dr. K. gerade nicht in dem von Dr. M. diskutierten erheblichen Umfang beschrieben worden.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen das der Klägerin am 11. Mai 2013 zugestellte Urteil am 17. Mai 2013 Berufung eingelegt, mit welcher sie im Wesentlichen vorträgt, vorliegend fänden sich zwei unterschiedliche denkbare Ursachen im kausalen Sinne, die zu dem gegenwärtigen Beschwerdebild der Klägerin geführt haben könnten. Der Arbeitsunfall als Gelegenheitsursache bei anderweitiger Vorschädigung sei nur dann anspruchsausschließend, wenn dieser nur rein zufällig den Schaden ausgelöst habe. Es müsse feststehen, dass die Vorschädigung auch ohne das Unfallereignis zu etwa gleichen Zeit und in gleichem Maße zu dem Schaden geführt hätte. Der Arbeitsunfall dürfe damit nur zufällig den Schaden ausgelöst haben. Dies sei vorliegend nicht festgestellt. Ein Kausalzusammenhang mit dem Arbeitsunfall könne nur dann verneint werden, wenn dieser nicht wesentlich gewesen sei. Soweit mehrere Ursachen wesentlich gewesen seien, sei die Kausalität aber zu bejahen. Die Klägerin befinde sich seit dem Vorfall durchgängig wegen der durch den Unfall ausgelösten Beschwerden in Behandlung. Hieran ändere auch die Vorschädigung nichts, da diese keinen eigenen Kausalverlauf in Gang gesetzt habe, welcher den Arbeitsunfall als wesentliche Bedingung ausschließen würde. Auch am linken Arm bestehe ein hyperlaxes Ellenbogengelenk, hier sei die Klägerin aber weiterhin beschwerdefrei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen des Arbeitsunfalls vom 24. August 2009 berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung über den 28. Januar 2010 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Das Berufungsgericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Dr. M. angefordert, welcher am 3. Dezember 2014 ausgeführt hat, die Angabe in dem im erstinstanzlichen Verfahren erstellten Gutachten, die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen seien durch den Unfall dauernd jedoch nicht Richtung gebend verschlimmert worden, sei so zu verstehen, dass ohne die angeborene Normvariante das Unfalltrauma vermutlich keinen Krankheitswert gehabt hätte.

Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, sie habe sich natürlich wie jeder andere auch schon einmal den Ellenbogen gestoßen, es sei aber eben nie zu solch gravierenden Auswirkungen gekommen, wie sie nunmehr vorlägen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der andere Arm der Klägerin nicht betroffen sei. Sie sei auch nicht einfach mit dem Ellenbogen gegen einen Rollator gestoßen, sondern in erheblichem Maße dagegen geprallt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Der Senat konnte sie nach erfolgter vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückweisen, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG).

Auch zur Überzeugung des Senats ist der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2010 rechtmäßig, da gesundheitliche Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. August 2009 bei der Klägerin über den 28. Januar 2010 hinaus nicht mehr festzustellen sind. Streitig ist allein, ob die von der Klägerin angegebenen Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Ellenbogens – Schmerzen mit Ausstrahlung über den Unterarm in den Ring- und Kleinfinger – wesentlich ursächlich auf den am 24. August 2009 erlittenen Unfall zurückzuführen sind. Diese Frage ist vom Sozialgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht verneint worden.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R – zitiert nach juris). Dabei ist der Begriff "wesentlich" nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Ist allerdings eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur sie "wesentlich" und damit Ursache im Rechtsinne. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersätzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – und – B 2 U 40/05 R–, zitiert nach juris). Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Gerichts eine unfallbedingte Kausalität für die über den 28. Januar 2009 geltend gemachte Gesundheitsstörung der Klägerin im Bereich des rechten Ellenbogens nicht vor.

Der Senat folgt insoweit auf den Ausführungen des Sozialgerichts und nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Nachdem auch Dr. M. auf Nachfrage des Berufungsgerichts bestätigt hat, dass der Anstoß am Rollator ohne die angeborene Normvariante nicht zu Beeinträchtigungen von Krankheitswert geführt hätte, war dieser Anstoß zwar naturwissenschaftlich ursächlich für die persistierenden Beschwerden, er war aber nicht "wesentlich" ursächlich hierfür und scheidet damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung aus. Entscheidend ist insoweit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die Vorschädigung auch ohne das Unfallereignis zu etwa gleichen Zeit und in gleichem Maße zu dem Schaden geführt hätte, sondern vielmehr, dass auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit geeignet gewesen wäre, die akuten Krankheitserscheinungen auszulösen. Dies ist vorliegend wie dargelegt der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.

Die Revision gegen diesen Beschluss war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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