Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 KR 217/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 182/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung der Klägerin um Euro 922,57.
Eine bei der Beklagten Versicherte befand sich vom 23. September 2009 bis 20. Oktober 2009 in stationärer Behandlung bei der Klägerin. Die Klägerin erstellte zunächst eine Rechnung vom 26. Oktober 2009 in Höhe von Euro 23.292,62. Diese wurde am 30. Oktober 2009 bei der Beklagten im Wege des DTA verarbeitet und fristgerecht beglichen. Mit weiterer Rechnung vom 29. Dezember 2009 korrigierte die Klägerin den Rechnungsbetrag auf Euro 24.215,19 und forderte nun wegen bisher nicht abgerechneter Beatmungsstunden, welche zwischen den Beteiligten unstreitig sind, eine weitere Vergütung von der Beklagten in Höhe der streitigen Klageforderung von Euro 922,57. Diese lehnte es mit Schreiben vom 15. Januar 2010 ab, die Nachforderung zu begleichen, da eine Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur innerhalb von sechs Wochen nach Erstellung der Schlussrechnung möglich sei. Diese Frist sei hier überschritten. Mit Schreiben vom 1. März 2010 verwies die Klägerin auf die Regelung in § 11 Abs. 2 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (im Folgenden: § 112-Vertrag) und forderte die Beklagte erneut unter Fristsetzung auf, die restliche Vergütung in Höhe von Euro 922,57 zu begleichen. Hierzu äußerte sich die Beklagte nicht.
Die Klägerin hat am 2. März 2011 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Ihre Nachforderung könne nach § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages noch innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Rechtsprechung des BSG hier nicht anwendbar, weil die dortigen Entscheidungen vorbehaltlich einer abweichenden landesgesetzlichen Regelung ergangen seien, welche hier vorliege. Sie sei daher, auch nach Treu und Glauben, berechtigt, die hier sachlich und medizinisch gerechtfertigte weitere Vergütung mit der streitigen Rechnung vom 29. Dezember 2009 nachzufordern.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2013 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Euro 922,57 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen. Die Rechnungskorrektur sei zulässig, da sie innerhalb der Frist des § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages erfolgt sei. Sie sei auch innerhalb des gleichen Haushaltsjahres erfolgt und der Nachforderungsbetrag liege über dem Wert der Aufwandspauschale des § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), womit auch die diesbezüglichen Vorgaben des BSG erfüllt seien. Soweit das BSG zudem gefordert habe, dass der Nachforderungsbetrag mehr als 5% der Rechnungssumme betragen müsse, sei dies vorliegend zwar nicht der Fall. Diese Voraussetzung sei jedoch neben der Wertgrenze der Aufwandspauschale nicht überzeugend und daher nach Ansicht des Sozialgerichts nicht maßgebend.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Sozialgerichts, welches ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2013 zugestellt wurde, am 18. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Diese stützt sie darauf, dass die vom 3. Senat des BSG entwickelte 5%-Bagatellgrenze im vorliegenden Fall nicht erreicht sei. Zudem müsse die 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages im Lichte des seit 1. April 2007 geltenden § 275 Abs. 1c SGB V gesehen werden. Die dort geregelte 6-Wochen-Frist sei auf die Situation der Nachforderungen von Krankenhäusern zu übertragen. Eine vertragliche Regelung dürfe auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht von diesen gesetzlichen Vorgaben abweichen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und vermag keine gesetzliche Regelung zu erkennen, die der vertraglichen Regelung zur Rechnungskorrektur in § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages entgegenstehe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf Ausgleich der mit Rechnung vom 29. Dezember 2009 zusätzlich geltend gemachten 922,57 Euro.
Der Senat hält die Entscheidung des Sozialgerichtes, auf die nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, nicht nur vom Ergebnis, sondern auch in der Begründung für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Argumente, die eine andere Sichtweise rechtfertigen.
Auf der Grundlage der vom Sozialgericht zutreffend dargestellten Rechtsgrundlagen gilt es dabei zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Zum einen die Frage, ob die Korrekturrechnung zeitgerecht gestellt wurde (dazu unter 1.) und zum anderen die Frage, ob dabei eine oder mehrere Wertgrenzen zu berücksichtigten sind und diese eingehalten wurden (dazu unter 2.).
1. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Korrekturrechnung zeitgerecht gestellt wurde.
Der 1. und 3. Senat des BSG haben in jeweils 2 Entscheidungen grundlegend zu der Frage Stellung genommen, wann eine Korrekturrechnung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Der 1. Senat (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R; BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 1 KR 6/12 R) hat dabei mehr auf das Zeitmoment abgestellt und hält zumindest eine Korrektur in dem Haushaltsjahr (= Kalenderjahr), in dem die Ursprungsrechnung gestellt wurde, in jedem Fall für zulässig. Dies ist hier geschehen, da die Ursprungsrechnung aus Oktober 2009 und die Korrekturrechnung aus Dezember 2009 stammen.
Der 3. Senat, der mehr auf den Gesichtspunkt der wertmäßigen Verhältnismäßigkeit abstellt (dazu unter 2.), hat keine in zeitlicher Hinsicht darüber hinausgehenden Voraussetzungen statuiert.
Die Korrekturrechnung ist auch innerhalb der 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 des § 112er Vertrages gestellt worden. Es kommt daher in diesem Fall auf die Wirksamkeit dieser Fristenregelung nicht an (vgl. dazu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. August 2015 – L 1 KR 6/13).
Soweit die Beklagte mit der Berufung der Ansicht ist, dass die 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 § 112er-Vertrages im Lichte des § 275 Abs. 1c SGB V quasi in eine 6-Wochen-Frist umzudeuten ist, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Beklagte stützt sich dabei auf die Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 13. November 2012 (B 1 KR 27/11 R). In dieser Entscheidung ging es um eine vertragliche Regelung, die die Frist der Krankenkasse von Einwendungen bzgl. der Notwendigkeit und Dauer eines Krankenhausaufenthaltes betraf und diese auf 6 Monate begrenzt hat. Hierzu hat das BSG entschieden, dass eine solche Regelung nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar sei. Dabei hat das BSG aber gerade darauf abgestellt, dass § 275 Abs. 1c SGB V nur zu einer Beschränkung der verwertbaren medizinischen Informationen bei der Prüfung durch die Krankenkasse führe, nicht jedoch zu einem generellen Einwendungsausschluss. Die in Rede stehende vertragliche Regelung war also rechtswidrig, weil sie zu einer Ausschlussfrist führte, die im Gesetz nicht vorgesehen war. Dass die 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c SGB V damit auf vertragliche Regelungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus übertragen worden ist, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass das BSG in dieser Entscheidung betont, dass es im Rahmen der Wirtschaftlichkeit darum gehe, dass die Krankenkasse nicht für unwirtschaftliche Behandlungen zahlen dürfe. Das ist bei der Korrekturrechnung aber gerade nicht der Fall. Vielmehr besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass die korrigierte Rechnung den Behandlungsfall korrekt erfasst. Die Beklagte möchte sich also mit der Weigerung, die Nachforderung zu bezahlen, letztlich einer grundsätzlich bestehenden Zahlungspflicht widersetzen. Mit dem vom BSG stets betonten Wirtschaftlichkeitsgebot kollidiert die Nachforderung der Klägerin daher nicht.
2. Nach der Ansicht des Senats ist mit dem BSG über die zeitliche Begrenzung von Rechnungskorrekturen durch die Krankenhäuser hinaus zu fordern, dass der Korrekturbetrag über dem Wert der Aufwandspauschale des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in der jeweils zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung geltenden Fassung liegt (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 16). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da der streitige Betrag von Euro 922,57 über dem Wert der maßgeblichen Aufwandspauschale von Euro 300,- liegt.
Der Senat vermag dem BSG allerdings nicht zu folgen, wenn dieses darüber hinaus eine weitere Wertgrenze von 5% des ursprünglichen Rechnungsbetrages statuiert (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 15, 17; BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 1 KR 6/12 R, Rn. 20).
Der 3. Senat des BSG stellt für die Begründung beider Wertgrenzen darauf ab, ob das Interesse des Krankenhauses am Ausgleich seines Rechnungsfehlbetrages weniger schutzwürdig ist als das Interesse der Krankenkasse an der Vermeidung des Zusatzaufwands für die erneute Rechnungsprüfung (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 11). Dieser Ansatz ist überzeugend. Darauf aufbauend ist die Anknüpfung an die Aufwandspauschale systematisch konsequent. Denn sie kann als Anhaltspunkt dafür gesehen werden, welchen wertmäßigen Aufwand die Prüfung eines Krankenhausfalles erzeugt.
Für die Forderung einer weiteren 5%-Grenze vermag der Senat hingegen keine Notwendigkeit zu erkennen (so auch Knispel, NZS 2013, 685, 691). Sie steht nicht in einer nachvollziehbaren Verbindung zu dem genannten Ausgleich zwischen Forderungsrealisierung des Krankenhauses und Verwaltungsaufwand der Krankenkasse. Der 3. Senat des BSG erweitert in diesem Zusammenhang seine zuvor im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben vorgenommene Konkretisierung der vorzunehmenden Abwägung, wenn er formuliert, das Interesse an der Fehlerkorrektur müsse das der Krankenkasse am endgültigen Verfahrensabschluss überwiegen und dies sei nur anzunehmen, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handele, welcher wiederum bei einer Nachforderung von weniger als 5% der ursprünglichen Rechnungssumme vorliege (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 15, 17). Für diese Erweiterung liegen nach Ansicht des erkennenden Senats keine überzeugenden Gründe vor. Es ist nicht zu erkennen, welchen anderen anerkennenswerten Grund eine Krankenkasse in wertmäßiger Hinsicht haben sollte, die Zahlung einer berechtigten Nachforderung verweigern zu dürfen, als der bei ihr dadurch entstehende Verwaltungsaufwand. Ein Abstellen auf den ursprünglichen Rechnungsbetrag wäre daher nur dann nachvollziehbar, wenn ein plausibler Zusammenhang zwischen Rechnungshöhe und Verwaltungsaufwand bestehen würde. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch weder ersichtlich noch stellt der 3. Senat des BSG auf einen solchen ab. Zudem sind sicherlich von Fall zu Fall bestehende Schwankungen des Verwaltungsaufwands dadurch berücksichtigt, dass es sich bei der Wertgrenze des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V um eine Pauschale handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Streitig ist die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung der Klägerin um Euro 922,57.
Eine bei der Beklagten Versicherte befand sich vom 23. September 2009 bis 20. Oktober 2009 in stationärer Behandlung bei der Klägerin. Die Klägerin erstellte zunächst eine Rechnung vom 26. Oktober 2009 in Höhe von Euro 23.292,62. Diese wurde am 30. Oktober 2009 bei der Beklagten im Wege des DTA verarbeitet und fristgerecht beglichen. Mit weiterer Rechnung vom 29. Dezember 2009 korrigierte die Klägerin den Rechnungsbetrag auf Euro 24.215,19 und forderte nun wegen bisher nicht abgerechneter Beatmungsstunden, welche zwischen den Beteiligten unstreitig sind, eine weitere Vergütung von der Beklagten in Höhe der streitigen Klageforderung von Euro 922,57. Diese lehnte es mit Schreiben vom 15. Januar 2010 ab, die Nachforderung zu begleichen, da eine Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur innerhalb von sechs Wochen nach Erstellung der Schlussrechnung möglich sei. Diese Frist sei hier überschritten. Mit Schreiben vom 1. März 2010 verwies die Klägerin auf die Regelung in § 11 Abs. 2 des Vertrages Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (im Folgenden: § 112-Vertrag) und forderte die Beklagte erneut unter Fristsetzung auf, die restliche Vergütung in Höhe von Euro 922,57 zu begleichen. Hierzu äußerte sich die Beklagte nicht.
Die Klägerin hat am 2. März 2011 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Ihre Nachforderung könne nach § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages noch innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Rechtsprechung des BSG hier nicht anwendbar, weil die dortigen Entscheidungen vorbehaltlich einer abweichenden landesgesetzlichen Regelung ergangen seien, welche hier vorliege. Sie sei daher, auch nach Treu und Glauben, berechtigt, die hier sachlich und medizinisch gerechtfertigte weitere Vergütung mit der streitigen Rechnung vom 29. Dezember 2009 nachzufordern.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2013 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Euro 922,57 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen. Die Rechnungskorrektur sei zulässig, da sie innerhalb der Frist des § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages erfolgt sei. Sie sei auch innerhalb des gleichen Haushaltsjahres erfolgt und der Nachforderungsbetrag liege über dem Wert der Aufwandspauschale des § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), womit auch die diesbezüglichen Vorgaben des BSG erfüllt seien. Soweit das BSG zudem gefordert habe, dass der Nachforderungsbetrag mehr als 5% der Rechnungssumme betragen müsse, sei dies vorliegend zwar nicht der Fall. Diese Voraussetzung sei jedoch neben der Wertgrenze der Aufwandspauschale nicht überzeugend und daher nach Ansicht des Sozialgerichts nicht maßgebend.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Sozialgerichts, welches ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2013 zugestellt wurde, am 18. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Diese stützt sie darauf, dass die vom 3. Senat des BSG entwickelte 5%-Bagatellgrenze im vorliegenden Fall nicht erreicht sei. Zudem müsse die 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages im Lichte des seit 1. April 2007 geltenden § 275 Abs. 1c SGB V gesehen werden. Die dort geregelte 6-Wochen-Frist sei auf die Situation der Nachforderungen von Krankenhäusern zu übertragen. Eine vertragliche Regelung dürfe auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht von diesen gesetzlichen Vorgaben abweichen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und vermag keine gesetzliche Regelung zu erkennen, die der vertraglichen Regelung zur Rechnungskorrektur in § 11 Abs. 2 des § 112-Vertrages entgegenstehe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat Anspruch auf Ausgleich der mit Rechnung vom 29. Dezember 2009 zusätzlich geltend gemachten 922,57 Euro.
Der Senat hält die Entscheidung des Sozialgerichtes, auf die nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird, nicht nur vom Ergebnis, sondern auch in der Begründung für zutreffend. Aus der Berufungsbegründung ergeben sich keine Argumente, die eine andere Sichtweise rechtfertigen.
Auf der Grundlage der vom Sozialgericht zutreffend dargestellten Rechtsgrundlagen gilt es dabei zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Zum einen die Frage, ob die Korrekturrechnung zeitgerecht gestellt wurde (dazu unter 1.) und zum anderen die Frage, ob dabei eine oder mehrere Wertgrenzen zu berücksichtigten sind und diese eingehalten wurden (dazu unter 2.).
1. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Korrekturrechnung zeitgerecht gestellt wurde.
Der 1. und 3. Senat des BSG haben in jeweils 2 Entscheidungen grundlegend zu der Frage Stellung genommen, wann eine Korrekturrechnung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Der 1. Senat (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R; BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 1 KR 6/12 R) hat dabei mehr auf das Zeitmoment abgestellt und hält zumindest eine Korrektur in dem Haushaltsjahr (= Kalenderjahr), in dem die Ursprungsrechnung gestellt wurde, in jedem Fall für zulässig. Dies ist hier geschehen, da die Ursprungsrechnung aus Oktober 2009 und die Korrekturrechnung aus Dezember 2009 stammen.
Der 3. Senat, der mehr auf den Gesichtspunkt der wertmäßigen Verhältnismäßigkeit abstellt (dazu unter 2.), hat keine in zeitlicher Hinsicht darüber hinausgehenden Voraussetzungen statuiert.
Die Korrekturrechnung ist auch innerhalb der 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 des § 112er Vertrages gestellt worden. Es kommt daher in diesem Fall auf die Wirksamkeit dieser Fristenregelung nicht an (vgl. dazu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. August 2015 – L 1 KR 6/13).
Soweit die Beklagte mit der Berufung der Ansicht ist, dass die 6-Monats-Frist des § 11 Abs. 2 § 112er-Vertrages im Lichte des § 275 Abs. 1c SGB V quasi in eine 6-Wochen-Frist umzudeuten ist, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Beklagte stützt sich dabei auf die Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 13. November 2012 (B 1 KR 27/11 R). In dieser Entscheidung ging es um eine vertragliche Regelung, die die Frist der Krankenkasse von Einwendungen bzgl. der Notwendigkeit und Dauer eines Krankenhausaufenthaltes betraf und diese auf 6 Monate begrenzt hat. Hierzu hat das BSG entschieden, dass eine solche Regelung nicht mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar sei. Dabei hat das BSG aber gerade darauf abgestellt, dass § 275 Abs. 1c SGB V nur zu einer Beschränkung der verwertbaren medizinischen Informationen bei der Prüfung durch die Krankenkasse führe, nicht jedoch zu einem generellen Einwendungsausschluss. Die in Rede stehende vertragliche Regelung war also rechtswidrig, weil sie zu einer Ausschlussfrist führte, die im Gesetz nicht vorgesehen war. Dass die 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c SGB V damit auf vertragliche Regelungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus übertragen worden ist, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass das BSG in dieser Entscheidung betont, dass es im Rahmen der Wirtschaftlichkeit darum gehe, dass die Krankenkasse nicht für unwirtschaftliche Behandlungen zahlen dürfe. Das ist bei der Korrekturrechnung aber gerade nicht der Fall. Vielmehr besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass die korrigierte Rechnung den Behandlungsfall korrekt erfasst. Die Beklagte möchte sich also mit der Weigerung, die Nachforderung zu bezahlen, letztlich einer grundsätzlich bestehenden Zahlungspflicht widersetzen. Mit dem vom BSG stets betonten Wirtschaftlichkeitsgebot kollidiert die Nachforderung der Klägerin daher nicht.
2. Nach der Ansicht des Senats ist mit dem BSG über die zeitliche Begrenzung von Rechnungskorrekturen durch die Krankenhäuser hinaus zu fordern, dass der Korrekturbetrag über dem Wert der Aufwandspauschale des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in der jeweils zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung geltenden Fassung liegt (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 16). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da der streitige Betrag von Euro 922,57 über dem Wert der maßgeblichen Aufwandspauschale von Euro 300,- liegt.
Der Senat vermag dem BSG allerdings nicht zu folgen, wenn dieses darüber hinaus eine weitere Wertgrenze von 5% des ursprünglichen Rechnungsbetrages statuiert (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 15, 17; BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 1 KR 6/12 R, Rn. 20).
Der 3. Senat des BSG stellt für die Begründung beider Wertgrenzen darauf ab, ob das Interesse des Krankenhauses am Ausgleich seines Rechnungsfehlbetrages weniger schutzwürdig ist als das Interesse der Krankenkasse an der Vermeidung des Zusatzaufwands für die erneute Rechnungsprüfung (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 11). Dieser Ansatz ist überzeugend. Darauf aufbauend ist die Anknüpfung an die Aufwandspauschale systematisch konsequent. Denn sie kann als Anhaltspunkt dafür gesehen werden, welchen wertmäßigen Aufwand die Prüfung eines Krankenhausfalles erzeugt.
Für die Forderung einer weiteren 5%-Grenze vermag der Senat hingegen keine Notwendigkeit zu erkennen (so auch Knispel, NZS 2013, 685, 691). Sie steht nicht in einer nachvollziehbaren Verbindung zu dem genannten Ausgleich zwischen Forderungsrealisierung des Krankenhauses und Verwaltungsaufwand der Krankenkasse. Der 3. Senat des BSG erweitert in diesem Zusammenhang seine zuvor im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben vorgenommene Konkretisierung der vorzunehmenden Abwägung, wenn er formuliert, das Interesse an der Fehlerkorrektur müsse das der Krankenkasse am endgültigen Verfahrensabschluss überwiegen und dies sei nur anzunehmen, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handele, welcher wiederum bei einer Nachforderung von weniger als 5% der ursprünglichen Rechnungssumme vorliege (vgl. BSG, Urt. v. 17. Dezember 2009 – B 3 KR 12/08 R, Rn. 15, 17). Für diese Erweiterung liegen nach Ansicht des erkennenden Senats keine überzeugenden Gründe vor. Es ist nicht zu erkennen, welchen anderen anerkennenswerten Grund eine Krankenkasse in wertmäßiger Hinsicht haben sollte, die Zahlung einer berechtigten Nachforderung verweigern zu dürfen, als der bei ihr dadurch entstehende Verwaltungsaufwand. Ein Abstellen auf den ursprünglichen Rechnungsbetrag wäre daher nur dann nachvollziehbar, wenn ein plausibler Zusammenhang zwischen Rechnungshöhe und Verwaltungsaufwand bestehen würde. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch weder ersichtlich noch stellt der 3. Senat des BSG auf einen solchen ab. Zudem sind sicherlich von Fall zu Fall bestehende Schwankungen des Verwaltungsaufwands dadurch berücksichtigt, dass es sich bei der Wertgrenze des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V um eine Pauschale handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen.
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