L 1 P 3/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 P 152/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 P 3/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1934 geborene Kläger lebt seit Juli 2008 dauerhaft in Thailand.

Mit Bescheid vom 3. Juni 1953 stellte das Versorgungsamt L. den Versorgungsanspruch des Klägers nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) unter Anerkennung bestimmter Schädigungsfolgen fest. Die MdE wurde zuletzt im November 1955 auf 50 v.H. festgesetzt.

Mit Bescheid vom 7. Mai 1996 stellte das Versorgungsamt L. fest, dass bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 100 nach dem Schwerbehindertengesetz vorliege sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G, B, aG und H gegeben seien.

Mit Bescheid vom 29. August 2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe I ab dem 1. Juli 2000. Mit Schreiben vom 10. September 2001 teilte die Beklagte dies dem Beigeladenen mit und fragte an, in welcher Höhe und aufgrund welcher Schädigungen der Kläger Entschädigungsleistungen erhalte. Daraufhin antwortete der beigeladene mit Schreiben vom 12. September 2001, dass eine Pflegezulage nach § 35 BVG nicht gezahlt werde.

Am 30. April 2002 stellte der Kläger bei dem Beigeladenen einen Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage nach § 35 BVG. Dieser wurde mit Bescheid vom 27. August 2003 und Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2003 abschlägig beschieden. Die hiergegen beim Sozialgericht Lübeck unter dem Aktenzeichen S 23 V3 149/03 erhobene Klage wurde mit Urteil vom 20. Juli 2006 mit der Begründung abgewiesen, dass es an der erforderlichen Kausalität zwischen Hilfebedarf und Schädigungsfolgen fehle.

Nachdem die Beklagte im September 2007 die Leistungen der Pflegeversicherung aufgrund fehlender Mitwirkung des Klägers ab dem 1. Oktober 2007 entzogen hatte, lehnte sie die Weitergewährung der Leistung mit Bescheid vom 7. Mai 2008 ab. Dieser Bescheid war Gegenstand verschiedener Verfahren vor dem Sozialgericht Lübeck, dem Landessozialgericht Schleswig und dem Bundessozialgericht.

Am 27. Oktober 2009 hat der Kläger beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben, die mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 an das Sozialgericht Hamburg verwiesen wurde. Mit der Klage begehrt der Kläger der Sache nach die Feststellung, dass die Beklagte es schuldhaft versäumt habe, von ihm gestellte Anträge auf Pflegezulage an den Beigeladenen weiterzuleiten. Dadurch seien ihm Leistungen des Beigeladenen im Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 3. September 2008 in beträchtlicher Höhe vorenthalten worden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. April 2014 mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte den Beigeladenen von der Bewilligung des Pflegegeldes in Kenntnis gesetzt habe. Ob dem Kläger eine Pflegezulage nach den BVG zugestanden habe, sei allein vom Beigeladenen zu entscheiden gewesen. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht zu erkennen.

Gegen den dem Kläger am 16. Mai 2014 in Thailand zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 26. Mai 2014 Berufung eingelegt. Aus den ausführlichen Schriftsätzen des Klägers im Berufungsverfahren wird deutlich, dass es ihm – wie auch im letzten Schriftsatz vom 28. Juli 2015 zusammengefasst – darum geht, festzustellen, dass die Beklagte seinen Antrag auf Pflegeleistungen aus dem Jahr 2000 hätte an den Beigeladenen weiterleiten müssen. Aufgrund dieser unterlassenen Weiterleitung sind dem Kläger nach seiner Ansicht Leistungen nach § 35 BVG in beträchtlichem Umfang vorenthalten geblieben, die er nun im Wege des Schadensersatzes bzw. sozialrechtlichen Herstellungsanspruches von der Beklagten verlangt.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend.

Der Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Solange er für den Kläger zuständig gewesen sei, seien Leistungen nach dem BVG zu Recht abgelehnt worden. Diese Entscheidungen seien bestandskräftig geworden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakten (VA) der Beklagten und des Beigeladenen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat weder Anspruch auf die Festzustellung, dass die Beklagte seinen Antrag auf Pflegeleistungen aus dem Jahr 2000 rechtswidrig nicht an den Beigeladenen weiterleitet hat, noch auf hieran anknüpfende Schadensersatzansprüche. Dabei kann dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse des Klägers besteht und welche Anspruchsgrundlagen für einen möglichen Schadensersatzanspruch in Betracht kämen. Denn es ist zumindest kein Fehlverhalten der Beklagten ersichtlich, welches dem Kläger hätte zum Nachteil gereichen können.

Zwar trifft es zu, dass dann, wenn sich aus einem Antrag auf Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ergibt, dass die Pflegebedürftigkeit zumindest überwiegend aufgrund einer anerkannten Schädigung besteht, der Berechtigte vom Versorgungsamt aber keine oder nur eine geringe Pflegezulage nach § 35 BVG erhält, die Pflegekasse die Unterlagen an das örtlich zuständige Versorgungsamt weiterleiten sollte, da der bei der Pflegekasse gestellte Antrag im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die Zahlung oder Erhöhung einer Pflegezulage nach § 35 BVG begründet (vgl. Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. April 2013, Seite 3f zu § 34 SGB XI). Dem entsprechend hat die Beklagte jedoch den Beigeladenen mit Schreiben vom 10. September 2001 (vgl. Bl. 178 der Prozessakte) über die Erbringung von Leistungen nach dem SGB XI informiert. Dieses Schreiben hat den Beigeladenen auch erreicht, wie sich aus dem Antwortschreiben vom 12. September 2001 (vgl. Bl. 177 der Prozessakte) ergibt. Damit war der Beigeladene ausreichend informiert, um seinerseits die erforderlichen Ermittlungen im Hinblick auf die Leistungen nach § 35 BVG anzustellen.

Dass die Information des Beigeladenen dabei nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Bewilligung der Leistungen nach dem SGB XI durch Bescheid vom 29. August 2000 erfolgt ist, begründet ebenfalls kein Fehlverhalten der Beklagten. Denn der Antrag auf Pflegezulage nach § 35 BVG gilt nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem der Antrag auf Pflegeleistungen bei der Beklagten eingegangen ist (vgl. Gemeinsames Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 17. April 2013, a.a.O.).

Für die Zeit ab dem 30. April 2002 ist zudem darauf hinzuweisen, dass einer vermeintlich rechtswidrig unterlassenen Weiterleitung seines Antrages die Kausalität dafür fehlen würde, dass der Kläger ihm nach seiner Ansicht zustehende Leistungen nach § 35 BVG nicht von dem Beigeladenen erhalten hat. Denn zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger bei dem Beigeladenen selbst einen Antrag auf entsprechende Leistungen gestellt. Daher konnte ab diesem Zeitpunkt die Frage der Weiterleitung seines Antrages bei der Beklagten aus dem Jahr 2000 keine Rolle mehr spielen.

In diesem Verfahren war nicht zu entscheiden, ob dem Kläger gegenüber dem Beigeladenen tatsächlich ein Anspruch nach § 35 BVG zustand. Denn für eine entsprechende Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG fehlt es an der dafür erforderlichen Wechselwirkung zwischen dem geltend gemachten Anspruch und dem gegenüber dem Beigeladenen ggf. bestehenden Anspruch (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 Rn. 18 m.w.N.). Der geltend gemachte Feststellungs- bzw. Schadensersatzanspruch steht nämlich nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zu dem möglichen Anspruch nach § 35 BVG in dem Sinne, dass entweder der eine oder der andere Anspruch bestehen muss.

Dennoch sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass unabhängig von verfahrensrechtlichen Fragen erhebliche Zweifel daran angebracht sind, dass der Kläger gegenüber dem Beigeladenen ein Anspruch nach § 35 BVG für die Vergangenheit geltend machen kann. Denn für die Zeit ab 30. April 2002 dürfte über diese Frage rechtskräftig durch das Urteil des SG Lübeck vom 20. Juli 2006 entschieden worden sein. Für die davor liegende Zeit lassen sich der Verwaltungsakte des Beigeladenen zwar keine diesbezüglichen Unterlagen entnehmen. Es gibt allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom SG Lübeck verneinte Kausalität zwischen Hilfebedarf und Schädigungsfolgen für diese Zeit anders zu beurteilen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved