L 1 KR 110/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 KR 1527/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 110/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine teilstationäre Krankenhausbehandlung.

Der 1961 geborene und bei der Klägerin krankenversicherte M.D. (im Folgenden: Versicherter) befand sich in der Zeit vom 24. Juli bis 4. August 2006 in der Klinik L. deren Träger der Beklagte ist. Die Diagnose lautete "Psychische Verhaltensstörung durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom" (ICD-10 F.10.2). Die Behandlung erfolgte teilstationär in der dortigen Tagesklinik für Suchtkrankheiten, nachdem der Versicherte zuvor eine Entzugsbehandlung in der Schlossgartenklinik Dülmen absolviert hatte. Sie wurde vorzeitig abgebrochen, nachdem die Ehefrau des Versicherten telefonisch mitgeteilt hatte, dass dieser am Wochenende getrunken und auch schon während des gesamten Aufenthalts in der Tagesklinik Alkohol in geringen Mengen konsumiert habe. Im Entlassungsbericht heißt es, die Fortführung der Behandlung unter teilstationären Bedingungen sei bei so ersichtlich fehlender Compliance und unzureichender Unterstützung seitens der Familie nicht mehr indiziert gewesen. Es sei dem Patienten vielmehr anzuraten, sich einer vollstationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung zu unterziehen.

Der Beklagte stellte der Klägerin für die Behandlung eine Vergütung von 1.360,71 EUR in Rechnung, welche die Klägerin zunächst zahlte. Der von der Klägerin beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung L. (MDK) vertrat sodann in mehreren Stellungnahmen die Auffassung, dass die Behandlung in einer Tagesklinik angesichts der bekannten unzureichenden Compliance des Versicherten nicht zielführend gewesen sei, was anhand der Unterlagen auch bei der Aufnahme erkennbar gewesen sei. Bei dem Versicherten habe eine langjährige Alkoholkrankheit mit häufigen Entzugsbehandlungen in den Vorjahren bestanden. Eine tagesklinische Behandlung sei aber nur für ein bestimmtes Patientenklientel geeignet, welches schon deutlich motiviert und ausreichend zuverlässig sei. Das daraufhin von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsverlangen lehnte der Beklagte ab.

Die Klägerin hat am 13. Oktober 2010 Klage erhoben und vorgetragen, die Behandlung sei auch aus der ex-ante-Sicht ungeeignet gewesen, denn es sei bei Aufnahme des Versicherten bekannt gewesen, dass es an der erforderlichen Compliance gefehlt habe und daher eine vollstationäre Behandlung das Mittel der Wahl gewesen sei. Den Krankenhausärzten sei die seit Jahren bestehende Alkoholabhängigkeit mit mehrfachen erfolglosen Entwöhnungsbehandlungen sowie das negative soziale Umfeld (Co-Abhängigkeit der Ehefrau, gekündigtes Arbeitsverhältnis) bekannt gewesen. Insoweit werde auf insgesamt acht vorangegangene Behandlungen des Versicherten in derselben Klinik verwiesen, anhand derer eine Neigung zu Rückfällen bekannt gewesen sei. Auch sei der Versicherte von vornherein als antriebslos, freud- und interessenlos sowie ambivalent hinsichtlich des Abstinenzwunsches beschrieben worden.

Der Beklagte hat dagegen eingewandt, die teilstationäre Aufnahme sei aufgrund einer Verordnung der Hausärztin erfolgt, die somit eine entsprechende Indikation gesehen habe. Aus Sicht der Ärzte der Klinik L. habe die Sozialanamnese (verheiratet, Vater zweier Töchter, bis kurz vor der Behandlung berufstätig) für eine nur tagesklinische Behandlung gesprochen. Auch der Umstand, dass der Versicherte täglich von Coesfeld nach Münster zur Behandlung angereist sei, habe sie in dieser Auffassung bestätigt. Erst später hätten sie erfahren, dass er niedrigschwellig weiterhin Alkohol konsumiert habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 14. Juli 2011. Sie hat unter Bezugnahme auf die Leitlinie "Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen" der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (i.F.: AWMF-Leitlinie, veröffentlicht in: Sucht, 52(1), 8-34, 2006) zunächst ausgeführt, die Wahl eines tagesklinischen Settings sei aus der ex-ante-Perspektive der Behandler zu vertreten gewesen, da zwar berufliche und familiäre Probleme erkennbar gewesen seien, dies aber bei noch erhaltener beruflicher und familiärer Integration. Insbesondere sei angesichts der vordergründigen Mitarbeit des Versicherten eine positive Prognose möglich gewesen. Allerdings fehle eine ausführliche Suchtanamnese und auch die medizinische Grundlage verschiedener Einwände des MDK sei nicht aktenkundig.

Nach Einsichtnahme in weitere Teile der Krankenakte ist die Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 12. Februar 2013 von ihrer bisherigen Einschätzung abgerückt: Aus den Unterlagen, die der der Klinik L. bei der Aufnahme des Versicherten bereits vorgelegen hätten, ergebe sich, dass es im sozialen Umfeld zusätzlich einen negativen Einfluss in Gestalt des Verhaltens der Ehefrau gegeben habe. Mehrfach sei notiert, dass die Ehefrau den Konsum im Sinne einer Co-Abhängigkeit unterstützt habe. Die soziale Situation sei von der Kündigung des Arbeitsverhältnisses als Folge der Alkoholkrankheit und von erheblichen Schulden geprägt gewesen. Auch in der Beziehung zu Eltern und Geschwistern hätten erhebliche Konflikte bestanden. Vor allem aber sei bekannt gewesen, dass es ab Dezember 2004 zu immer häufigeren Rückfällen und immer schneller aufeinander folgenden Entgiftungen gekommen sei.

Das Sozialgericht hat den Beklagten daraufhin mit Urteil vom 1. Juli 2013 verurteilt, die gezahlte Vergütung zu erstatten, da die teilstationäre Behandlung des Versicherten in einer Tagesklinik nicht geeignet und damit auch nicht erforderlich gewesen sei. Dies sei auch aus der ex-ante-Sicht der behandelnden Ärzte erkennbar gewesen, denn die Ärzte hätten aus den ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen erkennen können, dass der Versicherte bereits auf eine längere Krankengeschichte zurückgeblickt habe, in deren Verlauf selbst vollstationäre Behandlungen keinen auch nur ansatzweise dauerhaften Erfolg gezeigt hätten. Auch weitere Umstände, wie die Co-Abhängigkeit der Ehefrau und drohende Arbeitslosigkeit, hätten eindeutig gegen eine tagesklinische Behandlung gesprochen.

Der Beklagte hat dagegen am 26. Juli 2013 Berufung eingelegt. Er trägt vor, problematische Umstände seien bei Suchterkrankungen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es sei daher zweifelhaft, ob dies stets teilstationäre Maßnahmen ausschließe. Auch seien Suchterkrankungen stets mit einer Rückfallgefahr verbunden, und zwar unabhängig davon, ob die Behandlungen stationär oder teilstationär erfolgten. Im Übrigen sei die Eignung und Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allein nach medizinischen und nicht unter Berücksichtigung sozialer Umstände zu beurteilen. Die Sachverständige wie auch die Beklagte und das Sozialgericht hätten sich aber allein auf soziale Aspekte gestützt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juli 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Klägerin und die beigezogenen Krankenakten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin konnte den Rechtsstreit als Einzelrichterin (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht zur Erstattung von 1.360,71 EUR verurteilt. Die Klägerin hat nämlich in dieser Höhe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, denn sie hat die Vergütung für den hier streitigen Behandlungsfall ohne Rechtsgrund bezahlt, da die tagesklinische Behandlung des Versicherten nicht geeignet und damit nicht erforderlich war.

Rechtsgrundlage eines Vergütungsanspruchs des Beklagten ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2006 sowie dem am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den Krankenkassenverbänden (Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V medizinisch erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – Juris). Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein (§ 12 Abs. 1 S. 1 SGB V).

Ob eine Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen geeignet und erforderlich war, hat das Gericht im Streitfall grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen, es hat jedoch dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Vorliegend war die teilstationäre Behandlung des Versicherten in einer Tagesklinik nicht geeignet, um das Behandlungsziel zu erreichen und damit nicht wirtschaftlich und nicht erforderlich.

Das Gericht orientiert sich dabei, wie auch die Sachverständige Dr. L., an der AWMF-Leitlinie zur Postakutbehandlung alkoholbezogener Störungen. Hiernach wird ein teilstationäres (tagesklinisches) Setting empfohlen, wenn das soziale Umfeld eine ausreichend stützende Qualität bietet (z.B. eine stabile Wohnsituation), im sozialen Umfeld keine destruktiven oder pathogenen Einflüsse vorherrschen (z.B. stabile Partner- bzw. Familiensituation), die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit und zur Einhaltung des Behandlungsplans (unter Abstinenz von Alkohol) gegeben ist und die Patienten diese Behandlungsform präferieren. Demgegenüber wird ein stationäres Setting empfohlen, wenn gravierende Störungen im körperlichen, psychischen oder sozialen Bereich vorliegen, das soziale Umfeld des Patienten keine ausreichende Unterstützung bietet, keine berufliche Integration besteht, keine stabile Wohnsituation gegeben ist oder wiederholte Rückfälle während der ambulanten oder teilstationären Postakutbehandlung vorgekommen sind.

Nach diesen Maßstäben war ein teilstationäres Setting für die Behandlung des Versicherten nicht geeignet, was für die Krankenhausärzte auch im Aufnahmezeitpunkt erkennbar war. Die Nichteignung ergibt sich vor allem daraus, dass der Versicherte vor der hier streitigen Behandlung bereits siebenmal in der Klinik L. wegen seiner Alkoholkrankheit behandelt worden ist, und zwar vom 10. November bis 1. Dezember 2003 (vollstationär), vom 1. bis 5. Dezember 2003 (teilstationär) vom 3. bis 15. Dezember 2004 (vollstationär), vom 27. April bis 6. Mai 2005 (vollstationär), vom 10. bis 20. Mai 2005 (teilstationär), vom 22. bis 29. Mai 2005 (vollstationär) und vom 1. bis 3. Juni 2005 (teilstationär). Ein längerfristiger Erfolg ist dennoch nicht eingetreten. Vielmehr erfolgten, worauf auch Dr. L. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hingewiesen hat, Rückfälle insbesondere seit Dezember 2004 in immer kürzeren Abständen, sodass eher von einer Verschlimmerung der Krankheitssituation auszugehen sein dürfte. Bereits im Entlassungsbericht über die Entgiftungsbehandlung vom 27. April bis 6. Mai 2005 ist niedergelegt, dass der Versicherte zu einer über die Entzugsbehandlung hinaus gehenden Behandlung nicht habe motiviert werden können. Dennoch wurde er am 10. Mai 2005 in eine tagesklinische Behandlung aufgenommen, während der er ausweislich des Entlassungsberichts zunächst heimlich weiter Alkohol konsumierte, bis es an einem Wochenende zu einem massiven Rückfall kam und er am 22. Mai 2005 erneut auf der Entzugsstation aufgenommen wurde. Diese Entzugsbehandlung wurde nicht abgeschlossen, sondern der Versicherte wurde auf eigenen Wunsch gegen ärztlichen Rat entlassen.

Wie auch der MDK und die Sachverständige Dr. L. übereinstimmend ausgeführt haben, konnte es im Aufnahmezeitpunkt schon aufgrund dieses Verlaufs keine positive Prognose mehr für den erfolgreichen Abschluss einer erneuten teilstationären Behandlung geben.

Hinzu kommt, dass der Versicherte erheblichen störenden Einflüssen in seinem privaten Umfeld ausgesetzt war. Mehrfach finden sich in den Entlassungsberichten Hinweise darauf, dass die familiäre Situation des Versicherten keineswegs unterstützend, sondern sogar hinderlich für einen Therapieerfolg war. So ist im Entlassungsbericht zum hier streitigen Aufenthalt vermerkt, dass schon zu Beginn die angespannte eheliche Situation – die Ehefrau hatte den Versicherten zwischenzeitlich aus der Wohnung geworfen – zur Sprache gekommen war. Im Bericht über den Aufenthalt vom 10. bis 20. Mai 2005 ist außerdem vermerkt, dass die Ehefrau co-abhängig sei und häufig den Konsum unterstütze. Weiter heißt es, der Versicherte habe von ausgeprägten Zukunftssorgen berichtet, da er seine Arbeitsstelle wegen Trunkenheit verloren habe. Im Aufnahmezeitpunkt waren somit eine Reihe von Umständen bekannt, die nach den Kriterien der AWMF-Leitlinien eindeutig gegen ein teilstationäres Setting sprachen und einen Erfolg dieser Behandlungsform von vornherein unwahrscheinlich sein ließen. Dass der Versicherte selbst eine teilstationäre Behandlung präferiert haben mag, kann vor diesem Hintergrund nicht ausreichen, um eine andere Einschätzung zu rechtfertigen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten waren die dargelegten Umstände bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit der gewählten Behandlungsform zu berücksichtigen. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach Eignung und Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung allein nach medizinischen Erfordernissen zu beurteilen sind (BSG, Urteil des Großen Senats vom 25.09.2007 – GS 1/06; BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R; BSG, Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R; alle Juris). Dies folgt schon daraus, dass es allein Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung ist, die Gesundheit ihrer Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder zu bessern und die für diese Zwecke benötigte medizinische Versorgung bereitzustellen. Demgegenüber gehört es nicht zu den Aufgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite – etwa weil geeignete Betreuungseinrichtungen außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung stehen oder weil die Mittel für eine grundsätzlich mögliche, kostengünstigere Behandlungsalternative nicht beschafft werden können – durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Der Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 SGB V darf daher nicht auf andere als medizinisch begründete Behandlungsnotwendigkeiten erweitert werden (BSG, Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.; BSG, Urteil vom 10.03.2015, a.a.O.).

Darum geht es jedoch vorliegend nicht. Maßgebend ist vielmehr allein, dass für den Versicherten aufgrund der in seiner Person liegenden Umstände ein teilstationäres Setting nicht erfolgversprechend und daher medizinisch nicht indiziert war. Dass es sich bei den in der AWMF-Leitlinie genannten Kriterien zum Teil auch um Gegebenheiten handelt, die das soziale Umfeld des Patienten betreffen, hat seine Ursache darin, dass Suchterkrankungen und deren Therapien in besonderem Maße von den familiären, beruflichen und sozialen Begleitumständen beeinflusst werden und damit in Wechselwirkung stehen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei der leitliniengerechten Anwendung dieser Kriterien um eine Auswahl der geeigneten Behandlungsform nach rein medizinischen Erfordernissen handelt, denn die medizinische Indikation wird hier gerade auch durch diese Begleitumstände entscheidend geprägt. Es geht dabei nicht um eine Ausweitung des Leistungsspektrums der Gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund von Umständen, die nicht in der Person des Versicherten begründet sind, sondern allein darum, die für ihn konkret geeignete und erforderliche Behandlung zu finden, um das Behandlungsziel zu erreichen.

Schließlich ergibt sich ein Vergütungsanspruch des Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens. Ein solcher Anspruch ist denkbar in Fällen einer überlangen Behandlungsdauer oder wenn das Krankenhaus eine geeignete und ausreichende, aber nicht erforderliche Variante der Behandlung wählt (BSG, Urteil vom 10.03.2015, a.a.O.). Hier geht es aber nicht um eine kostengünstigere Alternativbehandlung, sondern der Beklagte hat eine ungeeignete und damit schon ihrer Art nach unwirtschaftliche Behandlungsform gewählt, sodass ein Vergütungsanspruch von vornherein ausgeschlossen ist.

Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V und § 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit § 15 Abs. 1 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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