Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 161/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 33/13 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit sind die Höhe des praxisbezogenen Regelversorgungsvolumens (pRVV) und damit des Honoraranspruchs der Klägerin für das Quartal I/2005 sowie vorab die Frage, ob der Rechtsstreit sich durch ein von der Beklagten für unwirksam gehaltenes, von der Klägerin jedoch angenommenes Anerkenntnis im Berufungsverfahren erledigt hat.
Die Klägerin nimmt seit Januar 2005 als Internistin an der hausärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbezirk der Beklagten teil.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2005 beantragte sie eine Erhöhung ihrer pRVV, weil sie als Fachärztin auch für Lungen- und Bronchialheilkunde mit der Zusatzbezeichnung Allergologie überproportional viele Patienten mit aufwändig zu behandelnden pulmonalen Symptomen und Erkrankungen habe, die auch durch umliegende Kollegen überwiesen würden.
Nachdem sie der Klägerin mit Bescheid vom 28. Februar 2005 deren pRVV für das Quartal I/2005 zugewiesen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 den Antrag der Klägerin auf Erhöhung ab, weil nur in bei ihr nicht vorliegenden Ausnahmefällen von den Berechnungsvorgaben nach Anlage B zum Verteilungsmaßstab (VM) abgewichen werden könne.
Die Honorarabrechnung der Klägerin für das Quartal I/2005 vom 22. August 2005 ergab einen Umsatz von EUR 13.843,72 bei einer Fallzahl von 267; für die unter die pRVV fallenden Leistungen hatte sie 413.235,0 Punkte angefordert, von denen ihr angesichts des kassengruppenübergreifenden arztgruppendurchschnittlichen Regelversorgungsvolumens (aRVV) von 567.806,2 und einer Basisfallzahl von 810 nur 234.220,1 Punkte abgerechnet wurden.
Die gegen die Honorarabrechnung und den Bescheid vom 10. Oktober 2005 eingelegten Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurück; die Honorarabstaffelung nach den Bestimmungen der Anlage B des VM sei sachgerecht, weil bei erheblich unterdurchschnittlichen Fallzahlen kein Honorar auf der Grundlage der fachgruppendruchschnittlichen Fallzahl zur Verfügung gestellt werden könne und eine Erhöhung der pRVV nur in Härtefällen wie einer mehr als 4-wöchiger Abwesenheit von der Praxis im Vergleichszeitraum oder einer Gefährdung der Sicherstellung der Versorgung möglich sei, Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherstellung der Versorgung von pulmologisch erkrankten Patienten seien aber angesichts der auch im Bereich pulmologischer Behandlungen bestehenden Versorgungsdichte in Hamburg nicht zu erkennen.
Dagegen hat die Klägerin am 15. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht hat, dass die für ihren Fall unverhältnismäßige und schematische Abstaffelungsregelung gegen den Grundsatz der Honorargerechtigkeit verstoße, indem ihr nicht ermöglicht werde, in angemessener Zeit den Durchschnitt ihrer Fachkollegen zu erreichen; zudem sei nach Anlage B zum VM die Abstaffelungsregelung hinsichtlich der pRVV für neu zugelassene Ärzte bei Zugrundelegung des aRVV gar nicht anwendbar; auch habe die Beklagte zu Unrecht einen Härtefall bei der Klägerin unter Berufung auf die nur beispielhaft aufgezählten Fälle der Anlage B des VM abgelehnt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. Januar 2010 als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Nach dem zwischen der Beklagten und den Krankenkassenverbänden für das Quartal I/2005 vereinbarten VM (Vereinbarung vom 15. Dezember 2004 zur Weitergeltung des VM vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 25. September 2003 sowie mehrerer Übergangsregelungen) sei nach Vorabberücksichtigung bestimmter Teile des auf den hausärztlichen Bereich entfallenden Anteils der Gesamtvergütungen die verbliebene hausärztliche Gesamtvergütung nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 VM nach Durchführung der Mengenbegrenzung durch die pRVV nach Anlage B VM aufgeteilt worden. Nach der Anlage B des VM sei die Abrechnung der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthaltenen ärztlichen Leistungen je Kassengruppe und Quartal durch pRVV begrenzt gewesen, deren Grundlage der für jede Praxis zu berechnende anerkannte Leistungsbedarf in Punkten des jeweiligen Vergleichsquartals gewesen sei. Daneben sei die entsprechende Fallzahl der Vergleichsquartale festgestellt und bei Unterschreitung der Fallzahl im Abrechnungsquartal um mehr als 20 % gegenüber der Fallzahl des entsprechenden Vergleichsquartals das pRVV um jeden vollen Prozentpunkt zusätzlicher Unterschreitung um 1,25 % gekürzt worden. Nach Nr. 4 Buchst. a) der Anlage B des VM sei zur Ermittlung der Abrechnungsbegrenzung für Neuzulassungen nach dem 30. Juni 1999 ein aRVV gebildet worden, und nach Nr. 4 Buchst. c) der Anlage B des VM hätten "kleine" Praxen, d.h. solche, deren Summe der pRVV kleiner gewesen sei als das aRVV, quartalsweise fallbezogene Zusatzvolumina erhalten, errechnet aus der Multiplikation des pRVV-relevanten Fallwertes mit der Fallzahldifferenz zwischen dem Abrechnungsquartal und dem entsprechenden Quartal des Vorjahres, und begrenzt auf 10% der Summe der pRVV und höchstens bis zum Umfang des aRVV. Danach habe sich im Fall der Klägerin für das Quartal I/05 angesichts ihrer die Basisfallzahl des aRVV von 810 um 67 % unterschreitenden Fallzahl eine Kürzung um 47 x 1,25 % = 58,75 % ergeben. Dabei treffe die Annahme der Klägerin, die Abstaffelungsregelung der pRVV nach Nr. 2 der Anlage B des VM gelte nicht auch bei Zugrundelegung des aRVV bei Neuzulassungen nach Nr. 4 Buchst. a) der Anlage B des VM, nicht zu; denn wenngleich dies nicht ausdrücklich so in Nr. 4 der Anlage B des VM bestimmt sei, bleibe bei verständiger Auslegung der Vorschriften kein Zweifel, dass das aRVV nicht etwa losgelöst von noch so geringen konkreten Fallzahlen uneingeschränkt zu Grunde zu legen sei, sondern lediglich an die Stelle nicht oder nur kleiner zu errechnender pRVV mit dementsprechend auch anzuwendender Abstaffelung bei Unterschreitung der Basisfallzahl um mehr als 20% trete. Für das Gericht sei auch nicht zu erkennen, dass der Klägerin mit dieser Regelung keine genügenden Wachstumsmöglichkeiten geblieben wären; vielmehr sei mit ihr bei nur Erreichen von mindestens 80% der Fallzahl des Arztgruppendurchschnitts aus dem Vergleichsquartal gerade ohne Einschränkung das aRVV zu erreichen, wie es im Übrigen die Klägerin nach ihrem Vorbringen auch tatsächlich ab dem Quartal II/07 erreicht habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine Erweiterung der pRVV der Klägerin nach der Härtefallregelung der Anlage B des VM abgelehnt habe. Nach Nr. 4 Buchst. f) der Anlage B des VM habe der Vorstand der Beklagten in besonderen Ausnahmefällen das pRVV abweichend von den vorgenannten Bestimmungen der Anlage B des VM festlegen können, wenn die vorgegebene Berechnung insbesondere wegen nach § 32 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte angezeigter Abwesenheiten von der Praxis von mehr als 4 Wochen in einem Quartal des Vergleichszeitraumes zu einer unbilligen Härte führen würde oder um die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bezeichneten Umfang sicherzustellen; in diesem Fall habe die Auswirkung der nach Anpassung verbleibenden Leistungsmengenbegrenzung der Auswirkung in der Arztgruppe entsprechen sollen; für die Entscheidung seien die Auswirkungen auf die von den übrigen Ärzten der Honorarkontingentgruppe geleistete Sicherstellung mit zu berücksichtigen gewesen.
Diese Voraussetzungen der Nr. 4 Buchst. f) respektive Nr. 3 Buchst. g) Anlage B des VM seien im Falle der Klägerin nicht erfüllt gewesen. Ein Härtefall nach der ersten Alternative dieser Regelung – etwa wegen umfangreicherer angezeigter Abwesenheitszeiten im Vergleichszeitraum – habe nicht vorgelegen, und die zweite Alternative einer abweichenden Berechnung habe vorausgesetzt, dass eine solche aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung geboten gewesen wäre; konkrete Anhaltspunkte für ein derartiges Sicherstellungsproblem seien in Hamburg aber auch im Bereich der Lungen- und Bronchialheilkunde angesichts der Zahl entsprechender Fachärzte nicht zu erkennen. Einen Härtefall könne die Klägerin auch nicht aus ihrer Honorarsituation herleiten; denn in welcher Höhe der einzelne Vertragsarzt Honoraransprüche erwerben und ob seine Praxis einen ausreichenden Gewinn abwerfen könne, hänge nicht nur von der Höhe der insgesamt zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen und der Ausgestaltung der normativen Regelungen über die Honorarverteilung ab, sondern werde von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die der Verantwortungssphäre des einzelnen Vertragsarztes zuzurechnen seien wie etwa die Ausrichtung seiner Praxis, die Qualität seines Dienstleistungsangebotes, die Qualität seiner medizinischen Leistungen, aber auch strukturelle Faktoren wie zum Beispiel die Infrastruktur des Praxisstandortes (Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkplatzsituation), die Größe des Einzugsbereichs der Praxis, die Patientenstruktur (Verhältnis von Primärkassen- und Ersatzkassenpatienten und Privatpatienten) und die Konkurrenzsituation (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, BSGE 94, 50), und für eine womöglich verfassungsrechtlich relevante Benachteiligung der gesamten Arztgruppe der Klägerin gebe es keine ernsthaften Anhaltspunkte.
Mit ihrer am 7. April 2010 eingelegten Berufung gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 8. März 2010 zugestellte Urteil des SG wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die von der Beklagten vorgenommene Abstaffelung bei Unterschreitung der Fallzahl gegen § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorargerechtigkeit verstoße. Arztgruppenspezifische Grenzwerte und Vergütungsabstaffelungen über die Mengenbegrenzung hinaus stünden auch mit § 85 Abs. 4 Sätze 6 - 8, Abs. 1a Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht im Einklang. Die Regelung hinsichtlich der Jungpraxen sei auch deshalb rechtswidrig, weil nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BSG kleine Praxen stets die Möglichkeit haben müssten, mittels Wachstum den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen, und Jungpraxen in der Aufbauphase nicht behindert werden dürften, sondern vielmehr für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung völlig freigestellt werden müssten. Die Klägerin bleibt bei ihrer Auffassung, dass die Regelung in Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM nur auf pRVV, aber nicht auf aRVV und damit nicht auf neu gegründete Praxen anwendbar sei und dass jedenfalls die Härtefallregelung auf sie Anwendung finden müsse. Sie habe die schwierige Anfangsphase nur durch externe finanzielle Zuschüsse überstanden und nur dadurch auch tatsächlich ab dem Quartal II/2007 den Durchschnitt der Facharztgruppe erreicht.
Nachdem der damals noch zuständige 1. Senat mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 das Ruhen des Verfahrens mit Blick auf die beim BSG anhängigen Revisionsverfahren B 6 KA 11-13/12 R angeordnet und nach Ergehen des Urteils des BSG vom 6. Februar 2013 in dem Verfahren B 6 KA 13/12 R und der Rücknahme der beiden übrigen Revisionen das Verfahren von Amts wegen hatte, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 erklärt, dass sie sich verpflichte, die Honoraranforderung der Klägerin gemäß der Rechtsauffassung des BSG im Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R – auf der Grundlage eines neuen, im Einvernehmen mit den Krankenkassen zu beschließenden Honorarverteilungsmaßstabes neu zu bescheiden. Es werde angefragt, ob vorliegendes Verfahren vor diesem Hintergrund für erledigt erklärt werde. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013, dem Tag an dem der vorherige Schriftsatz vom Gericht an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gesandt worden ist, hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Entscheidung des BSG vom 6. Februar 2013 nicht das vorliegend streitgegenständliche Quartal I/2005 betreffe und daher keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren haben könne. Sowohl die Beklagte als auch die Klägerin hätten sich in den Quartalen geirrt. Die Beklagte bitte, ihr Versehen zu entschuldigen. Weder ein Anerkenntnis komme in Betracht noch eine Erledigungserklärung. Das Verfahren sei streitig fortzusetzen. Im Einklang mit einem Hinweis der damals zuständigen Berichterstatterin des 1. Senats hat die Klägerin die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ein Anerkenntnis abgegeben, von dem jene sich nicht mehr lösen könne, und hat schließlich nach vorübergehender Beantragung eines Anerkenntnisurteils mit Schriftsatz vom 16. September 2013 erklärt, dass sie das Anerkenntnis der Beklagten annehme und der Rechtsstreit damit erledigt sei.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit sich durch angenommenes Anerkenntnis erledigt hat, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Januar 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 sowie den Honorarbescheid vom 22. August 2005 – beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2007 – abzuändern, den Bescheid vom 10. Oktober 2005 – ebenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2007 – aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, sie – die Klägerin – hinsichtlich der Höhe ihres pRVV sowie ihres Honoraranspruchs für das Quartal I/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Rechtstreit nicht für erledigt und vertritt die Auffassung, es liege schon kein annahmefähiges Anerkenntnis vor, weil die darin ausgesprochene Bindung an die Rechtsauffassung des BSG rechtlich und tatsächlich unmöglich sei; anders als dort sei vorliegend weder ein Quartal ab II/2005 noch die Einführung von Regelleistungsvolumina Streitgegenstand. Jedenfalls sei ihre Erklärung vom 2. Juli 2013 nach ihrer unverzüglichen Anfechtungserklärung wegen Irrtums mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013 unwirksam. In der Sache hält sie ihre angefochtenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für richtig. Bei der Regelung in Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM handele es sich nicht um eine Honorarbegrenzungsregelung, sondern um eine mengenbegrenzende Abstaffelungsregelung, die nicht in erster Linie eine Beschränkung des ärztlichen Honorarvolumens bezwecke, sondern vor allem die Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens intendiere, um auf diese Weise sowohl dem mit der Leistungsmengensteigerung einhergehenden Punktwertverfall entgegenzuwirken und den Vertragsärzten mehr Sicherheit bei der Kalkulation ihrer Praxiseinnahmen zu geben. Nicht zuletzt handele es sich um eine rechtmäßige Ausgestaltung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit sowie des Grundsatzes der leistungsproportionalen Honorarverteilung, wonach die nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehende Gesamtvergütung gerecht unter die Vertragsärzte zu verteilen sei. Danach sei es insbesondere geboten, dass sich das zu vergütende Honorar regelmäßig in Relation zum jeweiligen Umfang der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bemesse. Insbesondere eine Fallwertbegrenzungsregelung sei ihrer Ansicht nach zur Erreichung des intendierten Zwecks als geeignet, erforderlich und angemessen zu sehen. Diese Regelung sei nicht nur auf junge Praxen anwendbar, bei denen das aRVV an die Stelle des pRVV trete, sondern die Nichtanwendung der Norm auf Praxen in der Aufbauphase würde diese im Vergleich zu etablierten Praxen ungerechtfertigt privilegieren. Dass jungen Praxen die Möglichkeit einzuräumen sei, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen, bedeute nicht, dass Praxen während der Aufbauphase das von ihnen zur Abrechnung gestellte Punktevolumen ohne Einschränkung, insbesondere ohne Berücksichtigung der Zahl der versorgten Behandlungsfälle zu vergüten sei. Die atypischen Versorgungssituationen vorbehaltene Härtefallregelung sei zu Recht nicht angewandt worden, weil eine solche vorliegend nicht ersichtlich sei. Die Erlössituation einer jungen Praxis im Aufbau wie derjenigen der Klägerin entspreche typischerweise noch nicht derjenigen einer etablierten und prosperierenden Praxis. Unter Anwendung der Abstaffelungsregelung habe die Klägerin in der Honorarabrechnung für das Quartal I/2005 im Vergleich zu ihrer Fachgruppe 41 % des durchschnittlichen budgetrelevanten Honorars erzielt, obwohl ihre Fallzahl lediglich 33 % der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Fachgruppe betragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Oktober 2015, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), abgewiesen.
Der Senat entscheidet in der Sache, weil der Rechtsstreit sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nach § 101 Abs. 2 SGG durch angenommenes Anerkenntnis erledigt hat. Der diesbezügliche Feststellungsantrag der Klägerin ist unbegründet. Die von ihr mit Schriftsatz vom 16. September 2013 erklärte Annahme des Anerkenntnisses der Beklagten geht ins Leere, weil kein Anerkenntnis vorgelegen hat. Die allein als solches in Betracht kommende Erklärung der Beklagten in deren Schriftsatz vom 2. Juli 2013, dass sie sich verpflichte, die Honoraranforderung der Klägerin gemäß der Rechtsauffassung des BSG im Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R – auf der Grundlage eines neuen, im Einvernehmen mit den Krankenkassen zu beschließenden Honorarverteilungsmaßstabes neu zu bescheiden, ist unwirksam. Das Anerkenntnis ist Prozesshandlung, hat aber auch – wie der Vergleich – eine Doppelnatur, sodass sich die Unwirksamkeit aus prozessrechtlichen und aus materiell-rechtlichen Gründen wie einer Nichtigkeit oder wirksamen Anfechtung nach §§ 116 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben kann (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 101 Rn. 21, 24 und 13 ff., m.w.N.; Letzteres bestritten vom 1. Senat des BSG, der jedenfalls in Rechtsstreiten zwischen – anders als vorliegend – im Gleichordnungsverhältnis stehenden Beteiligten keinen sachlichen Grund sieht, die anders lautende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs nicht anzuwenden, s. Anfragebeschluss beim 4. und 9. Senat des BSG vom 10. März 2015 – B 1 KR 1/15 R, NZS 2015, 594). Bei der Erklärung der Beklagten vom 2. Juli 2013 handelt es sich um eine so genannte perplexe, widersprüchliche Willenserklärung (zum Begriff: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 2004 – 19 A 2962/02, juris, m.w.N.), da die Klägerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigten als Erklärungsempfänger, deren Verständnis nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für die Auslegung maßgeblich ist (Ellenberger in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.), dieser bei objektiver Betrachtungsweise keinen eindeutigen Erklärungswert beimessen konnten. Diesen war bekannt, dass sich die genannte Entscheidung des BSG vom 6. Februar 2013 auf den für rechtswidrig befundenen, am 11. August 2005 durch das Schiedsamt festgesetzten und ab dem Quartal II/2005 geltenden VM der Beklagten bezog, wohingegen Gegenstand des hiesigen Verfahrens die Vergütung im Quartal I/2005 ist, in dem aufgrund verschiedener, durch öffentlich-rechtliche Verträge zwischen der Beklagten und den Krankenkassen(verbänden) geschlossener Übergangsregelungen, zuletzt vom 15. Dezember 2014, noch der VM vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 25. September 2003 mit geringfügigen Änderungen galt. Eine Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BSG war mithin erkennbar nicht möglich bzw. hätte – auch hieran zeigt sich die Perplexität der Erklärung – nur zu einem Bescheid des Inhalts führen können, dass sich unter Zugrundelegung des genannten BSG-Urteils kein höherer Honoraranspruch ergebe. Selbst wenn man der Erklärung der Beklagten einen auslegungsfähigen und nicht widersprüchlichen Inhalt zubilligen wollte, wäre die entsprechende Willenserklärung jedenfalls wirksam angefochten worden. Da die Beklagte bei Erstellung des Schriftsatzes vom 2. Juli 2013 versehentlich davon ausging, dass auch dieser, im Hinblick auf die anstehenden Revisionsentscheidungen des BSG zuvor zum Ruhen gebrachte Rechtsstreit ein Quartal ab II/2005 zum Gegenstand habe, befand sie sich in einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB, bei dem es sich um einen Irrtum über eine Eigenschaft des Geschäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit und um einen ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum handelt (vgl. Ellenberger, a.a.O., § 119 Rn. 23, m.w.N.). Bei der zeitlichen Erstreckung des Streitgegenstandes handelt es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Verfahrens, welches als nicht körperlicher Gegenstand eine Sache im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sein kann (vgl. Ellenberger, a.a.O., § 119 Rn. 27, m.w.N.). Bereits mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013 hat die Beklagte nach Erkennen ihres Irrtums mitgeteilt, dass die Entscheidung des BSG nicht das vorliegend streitgegenständliche Quartal betreffe und daher keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren haben könne. Sowohl die Beklagte als auch die Klägerin hätten sich in den Quartalen geirrt. Sie bitte, das Versehen zu entschuldigen. Weder komme ein Anerkenntnis in Betracht noch eine Erledigungserklärung. Das Verfahren sei streitig fortzusetzen. Hierin wäre, wenn die Erklärung vom 2. Juli 2013 nicht schon wegen Perplexität nichtig wäre, zwar kein rechtzeitiger Widerruf des vermeintlichen Anerkenntnisses zu erblicken, weil Ersterer der Gegenseite nicht vor Letzterem zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 Satz. 2 BGB; Leitherer, a.a.O., § 102 Rn. 24 m.w.N.), jedoch eine unverzügliche Anfechtung nach §§ 119, 121 BGB.
Der hilfsweise gestellte Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht nur der in der Klageschrift, im angefochtenen Urteil und zunächst auch in der Berufungsschrift (dort als Honorarbescheid bezeichnete) ausschließlich genannte Bescheid vom 10. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. September 2007, mit dem der Antrag der Klägerin auf Erhöhung ihres pRVV abgelehnt wurde, sondern auch der ebenfalls mit durch den Widerspruchbescheid beschiedenem Widerspruch angegriffene Honorarbescheid vom 22. August 2005, auf den sich die Erhöhung des pRVV auswirken würde; schließlich hat die Klägerin stets deutlich gemacht, dass sie ein höheres Honorar begehrt, und ohne dieses Begehren würde es ihr auch am Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Ablehnung einer pRVV-Erhöhung für einen vergangenen Zeitraum fehlen. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip ist von Widerspruch, Widerspruchsbescheid, Klage und Berufung auch der pRVV-Zuweisungsbescheid vom 28. Februar 2005 erfasst, dessen Änderung der pRVV-Erhöhungsantrag der Klägerin im Erfolgsfall nach sich zöge, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und der daher zulässigerweise innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe angegriffen werden konnte.
Die so verstandene Berufung hat aus den vom SG genannten Gründen keinen Erfolg; das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren vermag keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Festsetzung eines höheren pRVV und ihrer Honorarabrechnung für das Quartal I/2005 zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus einer etwa unzutreffenden Anwendung des im streitgegenständlichen Quartal geltenden VM vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 15. Dezember 2004 (1.). Die Honorarverteilungsvereinbarung war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig (2.), und der von der Klägerin als Inhaberin einer jungen Praxis angeführte Verstoß gegen das Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars und den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit lässt sich nicht feststellen (3.).
1. Der erste von lediglich zwei Streitpunkten bei der Frage der richtigen Anwendung des einschlägigen VM ist, ob die Kürzungsregel nach Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM bei der Berechnung des pRVV auch für sogenannte Jungpraxen gilt, bei denen – wie im Fall der Klägerin – nach Nr. 4 Buchst. a Anlage B des VM für die Abrechnungsbegrenzung anstelle des pRVV das aRVV zu Grunde gelegt worden ist. Dies ist entgegen der Ansicht der Klägerin der Fall, auch wenn Nr. 2 Anlage B des VM ausweislich der Überschrift (lediglich) die Berechnung des pRVV regelt. Die Klägerin übersieht, dass in bestimmten, in Nr. 4 Buchst. a Anlage B des VM genannten Konstellationen das aRVV mit der Folge an die Stelle des pRVV tritt, dass die für das pRVV an anderer Stelle des VM aufgestellten Regeln auch hier zwingend gelten müssen. Dies wird schon daran deutlich, dass ausweislich der unter den drei Spiegelstrichen in Nr. 4 Buchst. a Anlage B des VM genannten Regelungen auch bei Jungpraxen, soweit dies möglich ist, das pRVV gilt, jedoch jeweils ein Günstigkeitsvergleich zum aRVV angestellt wird. Es kann jedoch nicht vom Ausgang dieser Vergleichsberechnung abhängen, ob – im Fall der Geltung des pRVV – die Kürzungsregelung in Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM Anwendung findet oder – nach Auffassung der Klägerin im Fall der Geltung des aRVV – nicht. Außerdem müsste ansonsten für die Fälle der Vergleichsberechnungen auf Seiten der pRVV die Berücksichtigung der Kürzungsregelung angeordnet worden sein, was jedoch nicht der Fall ist.
Auch bei dem zweiten Streitpunkt, nämlich der Frage, ob die Härtefallregelung nach Nr. 4 Buchst. f Anlage B des VM greift, vermag der Senat der Argumentation der Klägerin nicht zu folgen. Der unter dem ersten Spiegelstrich genannte, ein wegen besonderer Umstände im vorliegend nicht vorhandenen Vergleichsquartal zu gering bemessenes pRVV betreffende Regelbeispielfall ist nicht gegeben, und auch ansonsten gibt es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls. Stattdessen beruft sich die Klägerin auf die typischen Schwierigkeiten einer neu gegründeten Praxis, die zu Beginn noch über geringe Fallzahlen verfügt. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Nichtanwendung der Kürzungsregelung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des zweiten Spiegelstrichs nach Nr. 4 Buchst. f Anlage B des VM erforderlich sein sollte.
2. Der geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung ergibt sich auch nicht daraus, dass der im streitigen Quartal anzuwendende VM gegen höherrangiges Recht verstoßen hat. Zwar lag ein Verstoß gegen § 85 Abs. 4 SGB V vor; dieser führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der Honorarverteilungsvereinbarung, wie der Senat bereits mehrfach, erstmals in den Urteilen vom 5. November 2014 und 3. Dezember 2014 (L 5 KA 28/11 bzw. L 5 KA 76/13 WA, jeweils juris; Revisionen anhängig unter den Aktenzeichen B 6 KA 46/14 R bzw. B 6 KA 4/15 R), ausgeführt hat. Weil es der Beklagten und den anderen Partnern der Honorarverteilungsvereinbarung wegen der noch fehlenden, gesetzlich jedoch vorgeschriebenen und der Sache nach zwingend erforderlichen Vorgaben des Bewertungsausschusses rein objektiv nicht möglich war, im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu handeln, haben die Partner nicht im Sinne von § 58 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sodass die Honorarverteilungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht nichtig war und damit Geltung beanspruchen konnte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Senatsauffassung wird auf das vorgenannte Senatsurteil vom 3. Dezember 2014 (L 5 KA 76/13 WA) Bezug genommen, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der auch in jenem Fall die dortige Klägerin vertrat, und der auch dortigen Beklagten bekannt ist.
3. Schließlich lässt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht feststellen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es auf eine ungerechtfertigte Privilegierung von Jungpraxen hinausliefe, diese von der Kürzungsregelung nach Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM auszunehmen. Den typischen Schwierigkeiten in der Gründungsphase einer Praxis wird durch die Zugrundelegung des aRVV anstelle des – wie im Fall der Klägerin – noch nicht berechenbaren oder – in den Fällen nach Nr. 4 Buchst. a Spiegelstriche 1 bis 3 Anlage B des VM – ungünstigeren pRVV ausreichend Rechnung getragen. Eine von ihr geforderte völlige Entkoppelung der Honorierung der Klägerin von den Fallzahlen in ihrer neu gegründeten Praxis würde sie im Verhältnis zu etablierten Praxen ungerechtfertigt besser stellen und den Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung und damit Honorarverteilungsgerechtigkeit gerade dadurch verletzen. Entgegen der Behauptung der Klägerin handelt es sich bei der genannten Kürzungsregelung nicht um eine Wachstumsbegrenzung im Sinne der von ihr zitierten BSG-Rechtsprechung, von der danach Praxen in der Aufbauphase völlig freizustellen seien (s. nur Urteile vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R, BSGE 92, 233, und vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 5/08 R, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45). Ganz im Gegenteil war es der Klägerin – ebenso wie anderen jungen Praxen – nach dem streitgegenständlichen VM nicht nur möglich, binnen 5 Jahren durch Fallzahlsteigerung den durchschnittlichen Umsatz ihrer Fachgruppe zu erreichen, sondern dies war ihr aufgrund der Zugrundelegung des aRVV und des Fehlens von Wachstumsbegrenzungsregelungen in jedem einzelnen Quartal möglich, wenn sie nur die Durchschnittsfallzahl ihrer Fachgruppe erreicht hätte. Dass die Klägerin, anders als sie meint, im Verhältnis zu etablierten Praxen durch die Fallwertregelungen sogar privilegiert war, zeigt sich daran, dass sie im streitgegenständlichen Quartal ausweislich der Auskunft der Beklagten im Vergleich zu ihrer Fachgruppe 41 % des durchschnittlichen budgetrelevanten Honorars erzielte, obwohl ihre Fallzahl lediglich 33 % der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Fachgruppe betrug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision mit Blick auf die bereits beim BSG anhängige Rechtsfrage, ob der vor dem Quartal II/2005 geltende, noch als öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossener VM nichtig war (B 6 KA 46/14 R bzw. B 6 KA 4/15 R), wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit sind die Höhe des praxisbezogenen Regelversorgungsvolumens (pRVV) und damit des Honoraranspruchs der Klägerin für das Quartal I/2005 sowie vorab die Frage, ob der Rechtsstreit sich durch ein von der Beklagten für unwirksam gehaltenes, von der Klägerin jedoch angenommenes Anerkenntnis im Berufungsverfahren erledigt hat.
Die Klägerin nimmt seit Januar 2005 als Internistin an der hausärztlichen Versorgung im Zuständigkeitsbezirk der Beklagten teil.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2005 beantragte sie eine Erhöhung ihrer pRVV, weil sie als Fachärztin auch für Lungen- und Bronchialheilkunde mit der Zusatzbezeichnung Allergologie überproportional viele Patienten mit aufwändig zu behandelnden pulmonalen Symptomen und Erkrankungen habe, die auch durch umliegende Kollegen überwiesen würden.
Nachdem sie der Klägerin mit Bescheid vom 28. Februar 2005 deren pRVV für das Quartal I/2005 zugewiesen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 den Antrag der Klägerin auf Erhöhung ab, weil nur in bei ihr nicht vorliegenden Ausnahmefällen von den Berechnungsvorgaben nach Anlage B zum Verteilungsmaßstab (VM) abgewichen werden könne.
Die Honorarabrechnung der Klägerin für das Quartal I/2005 vom 22. August 2005 ergab einen Umsatz von EUR 13.843,72 bei einer Fallzahl von 267; für die unter die pRVV fallenden Leistungen hatte sie 413.235,0 Punkte angefordert, von denen ihr angesichts des kassengruppenübergreifenden arztgruppendurchschnittlichen Regelversorgungsvolumens (aRVV) von 567.806,2 und einer Basisfallzahl von 810 nur 234.220,1 Punkte abgerechnet wurden.
Die gegen die Honorarabrechnung und den Bescheid vom 10. Oktober 2005 eingelegten Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurück; die Honorarabstaffelung nach den Bestimmungen der Anlage B des VM sei sachgerecht, weil bei erheblich unterdurchschnittlichen Fallzahlen kein Honorar auf der Grundlage der fachgruppendruchschnittlichen Fallzahl zur Verfügung gestellt werden könne und eine Erhöhung der pRVV nur in Härtefällen wie einer mehr als 4-wöchiger Abwesenheit von der Praxis im Vergleichszeitraum oder einer Gefährdung der Sicherstellung der Versorgung möglich sei, Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherstellung der Versorgung von pulmologisch erkrankten Patienten seien aber angesichts der auch im Bereich pulmologischer Behandlungen bestehenden Versorgungsdichte in Hamburg nicht zu erkennen.
Dagegen hat die Klägerin am 15. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht hat, dass die für ihren Fall unverhältnismäßige und schematische Abstaffelungsregelung gegen den Grundsatz der Honorargerechtigkeit verstoße, indem ihr nicht ermöglicht werde, in angemessener Zeit den Durchschnitt ihrer Fachkollegen zu erreichen; zudem sei nach Anlage B zum VM die Abstaffelungsregelung hinsichtlich der pRVV für neu zugelassene Ärzte bei Zugrundelegung des aRVV gar nicht anwendbar; auch habe die Beklagte zu Unrecht einen Härtefall bei der Klägerin unter Berufung auf die nur beispielhaft aufgezählten Fälle der Anlage B des VM abgelehnt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. Januar 2010 als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Nach dem zwischen der Beklagten und den Krankenkassenverbänden für das Quartal I/2005 vereinbarten VM (Vereinbarung vom 15. Dezember 2004 zur Weitergeltung des VM vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 25. September 2003 sowie mehrerer Übergangsregelungen) sei nach Vorabberücksichtigung bestimmter Teile des auf den hausärztlichen Bereich entfallenden Anteils der Gesamtvergütungen die verbliebene hausärztliche Gesamtvergütung nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 VM nach Durchführung der Mengenbegrenzung durch die pRVV nach Anlage B VM aufgeteilt worden. Nach der Anlage B des VM sei die Abrechnung der im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthaltenen ärztlichen Leistungen je Kassengruppe und Quartal durch pRVV begrenzt gewesen, deren Grundlage der für jede Praxis zu berechnende anerkannte Leistungsbedarf in Punkten des jeweiligen Vergleichsquartals gewesen sei. Daneben sei die entsprechende Fallzahl der Vergleichsquartale festgestellt und bei Unterschreitung der Fallzahl im Abrechnungsquartal um mehr als 20 % gegenüber der Fallzahl des entsprechenden Vergleichsquartals das pRVV um jeden vollen Prozentpunkt zusätzlicher Unterschreitung um 1,25 % gekürzt worden. Nach Nr. 4 Buchst. a) der Anlage B des VM sei zur Ermittlung der Abrechnungsbegrenzung für Neuzulassungen nach dem 30. Juni 1999 ein aRVV gebildet worden, und nach Nr. 4 Buchst. c) der Anlage B des VM hätten "kleine" Praxen, d.h. solche, deren Summe der pRVV kleiner gewesen sei als das aRVV, quartalsweise fallbezogene Zusatzvolumina erhalten, errechnet aus der Multiplikation des pRVV-relevanten Fallwertes mit der Fallzahldifferenz zwischen dem Abrechnungsquartal und dem entsprechenden Quartal des Vorjahres, und begrenzt auf 10% der Summe der pRVV und höchstens bis zum Umfang des aRVV. Danach habe sich im Fall der Klägerin für das Quartal I/05 angesichts ihrer die Basisfallzahl des aRVV von 810 um 67 % unterschreitenden Fallzahl eine Kürzung um 47 x 1,25 % = 58,75 % ergeben. Dabei treffe die Annahme der Klägerin, die Abstaffelungsregelung der pRVV nach Nr. 2 der Anlage B des VM gelte nicht auch bei Zugrundelegung des aRVV bei Neuzulassungen nach Nr. 4 Buchst. a) der Anlage B des VM, nicht zu; denn wenngleich dies nicht ausdrücklich so in Nr. 4 der Anlage B des VM bestimmt sei, bleibe bei verständiger Auslegung der Vorschriften kein Zweifel, dass das aRVV nicht etwa losgelöst von noch so geringen konkreten Fallzahlen uneingeschränkt zu Grunde zu legen sei, sondern lediglich an die Stelle nicht oder nur kleiner zu errechnender pRVV mit dementsprechend auch anzuwendender Abstaffelung bei Unterschreitung der Basisfallzahl um mehr als 20% trete. Für das Gericht sei auch nicht zu erkennen, dass der Klägerin mit dieser Regelung keine genügenden Wachstumsmöglichkeiten geblieben wären; vielmehr sei mit ihr bei nur Erreichen von mindestens 80% der Fallzahl des Arztgruppendurchschnitts aus dem Vergleichsquartal gerade ohne Einschränkung das aRVV zu erreichen, wie es im Übrigen die Klägerin nach ihrem Vorbringen auch tatsächlich ab dem Quartal II/07 erreicht habe. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine Erweiterung der pRVV der Klägerin nach der Härtefallregelung der Anlage B des VM abgelehnt habe. Nach Nr. 4 Buchst. f) der Anlage B des VM habe der Vorstand der Beklagten in besonderen Ausnahmefällen das pRVV abweichend von den vorgenannten Bestimmungen der Anlage B des VM festlegen können, wenn die vorgegebene Berechnung insbesondere wegen nach § 32 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte angezeigter Abwesenheiten von der Praxis von mehr als 4 Wochen in einem Quartal des Vergleichszeitraumes zu einer unbilligen Härte führen würde oder um die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bezeichneten Umfang sicherzustellen; in diesem Fall habe die Auswirkung der nach Anpassung verbleibenden Leistungsmengenbegrenzung der Auswirkung in der Arztgruppe entsprechen sollen; für die Entscheidung seien die Auswirkungen auf die von den übrigen Ärzten der Honorarkontingentgruppe geleistete Sicherstellung mit zu berücksichtigen gewesen.
Diese Voraussetzungen der Nr. 4 Buchst. f) respektive Nr. 3 Buchst. g) Anlage B des VM seien im Falle der Klägerin nicht erfüllt gewesen. Ein Härtefall nach der ersten Alternative dieser Regelung – etwa wegen umfangreicherer angezeigter Abwesenheitszeiten im Vergleichszeitraum – habe nicht vorgelegen, und die zweite Alternative einer abweichenden Berechnung habe vorausgesetzt, dass eine solche aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung geboten gewesen wäre; konkrete Anhaltspunkte für ein derartiges Sicherstellungsproblem seien in Hamburg aber auch im Bereich der Lungen- und Bronchialheilkunde angesichts der Zahl entsprechender Fachärzte nicht zu erkennen. Einen Härtefall könne die Klägerin auch nicht aus ihrer Honorarsituation herleiten; denn in welcher Höhe der einzelne Vertragsarzt Honoraransprüche erwerben und ob seine Praxis einen ausreichenden Gewinn abwerfen könne, hänge nicht nur von der Höhe der insgesamt zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen und der Ausgestaltung der normativen Regelungen über die Honorarverteilung ab, sondern werde von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die der Verantwortungssphäre des einzelnen Vertragsarztes zuzurechnen seien wie etwa die Ausrichtung seiner Praxis, die Qualität seines Dienstleistungsangebotes, die Qualität seiner medizinischen Leistungen, aber auch strukturelle Faktoren wie zum Beispiel die Infrastruktur des Praxisstandortes (Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkplatzsituation), die Größe des Einzugsbereichs der Praxis, die Patientenstruktur (Verhältnis von Primärkassen- und Ersatzkassenpatienten und Privatpatienten) und die Konkurrenzsituation (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, BSGE 94, 50), und für eine womöglich verfassungsrechtlich relevante Benachteiligung der gesamten Arztgruppe der Klägerin gebe es keine ernsthaften Anhaltspunkte.
Mit ihrer am 7. April 2010 eingelegten Berufung gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 8. März 2010 zugestellte Urteil des SG wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die von der Beklagten vorgenommene Abstaffelung bei Unterschreitung der Fallzahl gegen § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorargerechtigkeit verstoße. Arztgruppenspezifische Grenzwerte und Vergütungsabstaffelungen über die Mengenbegrenzung hinaus stünden auch mit § 85 Abs. 4 Sätze 6 - 8, Abs. 1a Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht im Einklang. Die Regelung hinsichtlich der Jungpraxen sei auch deshalb rechtswidrig, weil nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BSG kleine Praxen stets die Möglichkeit haben müssten, mittels Wachstum den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen, und Jungpraxen in der Aufbauphase nicht behindert werden dürften, sondern vielmehr für die Zeit des Aufbaus von der Wachstumsbegrenzung völlig freigestellt werden müssten. Die Klägerin bleibt bei ihrer Auffassung, dass die Regelung in Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM nur auf pRVV, aber nicht auf aRVV und damit nicht auf neu gegründete Praxen anwendbar sei und dass jedenfalls die Härtefallregelung auf sie Anwendung finden müsse. Sie habe die schwierige Anfangsphase nur durch externe finanzielle Zuschüsse überstanden und nur dadurch auch tatsächlich ab dem Quartal II/2007 den Durchschnitt der Facharztgruppe erreicht.
Nachdem der damals noch zuständige 1. Senat mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 das Ruhen des Verfahrens mit Blick auf die beim BSG anhängigen Revisionsverfahren B 6 KA 11-13/12 R angeordnet und nach Ergehen des Urteils des BSG vom 6. Februar 2013 in dem Verfahren B 6 KA 13/12 R und der Rücknahme der beiden übrigen Revisionen das Verfahren von Amts wegen hatte, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 erklärt, dass sie sich verpflichte, die Honoraranforderung der Klägerin gemäß der Rechtsauffassung des BSG im Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R – auf der Grundlage eines neuen, im Einvernehmen mit den Krankenkassen zu beschließenden Honorarverteilungsmaßstabes neu zu bescheiden. Es werde angefragt, ob vorliegendes Verfahren vor diesem Hintergrund für erledigt erklärt werde. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013, dem Tag an dem der vorherige Schriftsatz vom Gericht an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gesandt worden ist, hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Entscheidung des BSG vom 6. Februar 2013 nicht das vorliegend streitgegenständliche Quartal I/2005 betreffe und daher keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren haben könne. Sowohl die Beklagte als auch die Klägerin hätten sich in den Quartalen geirrt. Die Beklagte bitte, ihr Versehen zu entschuldigen. Weder ein Anerkenntnis komme in Betracht noch eine Erledigungserklärung. Das Verfahren sei streitig fortzusetzen. Im Einklang mit einem Hinweis der damals zuständigen Berichterstatterin des 1. Senats hat die Klägerin die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ein Anerkenntnis abgegeben, von dem jene sich nicht mehr lösen könne, und hat schließlich nach vorübergehender Beantragung eines Anerkenntnisurteils mit Schriftsatz vom 16. September 2013 erklärt, dass sie das Anerkenntnis der Beklagten annehme und der Rechtsstreit damit erledigt sei.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit sich durch angenommenes Anerkenntnis erledigt hat, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Januar 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 sowie den Honorarbescheid vom 22. August 2005 – beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2007 – abzuändern, den Bescheid vom 10. Oktober 2005 – ebenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2007 – aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, sie – die Klägerin – hinsichtlich der Höhe ihres pRVV sowie ihres Honoraranspruchs für das Quartal I/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Rechtstreit nicht für erledigt und vertritt die Auffassung, es liege schon kein annahmefähiges Anerkenntnis vor, weil die darin ausgesprochene Bindung an die Rechtsauffassung des BSG rechtlich und tatsächlich unmöglich sei; anders als dort sei vorliegend weder ein Quartal ab II/2005 noch die Einführung von Regelleistungsvolumina Streitgegenstand. Jedenfalls sei ihre Erklärung vom 2. Juli 2013 nach ihrer unverzüglichen Anfechtungserklärung wegen Irrtums mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013 unwirksam. In der Sache hält sie ihre angefochtenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für richtig. Bei der Regelung in Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM handele es sich nicht um eine Honorarbegrenzungsregelung, sondern um eine mengenbegrenzende Abstaffelungsregelung, die nicht in erster Linie eine Beschränkung des ärztlichen Honorarvolumens bezwecke, sondern vor allem die Lenkung und Steuerung des ärztlichen Behandlungsverhaltens intendiere, um auf diese Weise sowohl dem mit der Leistungsmengensteigerung einhergehenden Punktwertverfall entgegenzuwirken und den Vertragsärzten mehr Sicherheit bei der Kalkulation ihrer Praxiseinnahmen zu geben. Nicht zuletzt handele es sich um eine rechtmäßige Ausgestaltung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit sowie des Grundsatzes der leistungsproportionalen Honorarverteilung, wonach die nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehende Gesamtvergütung gerecht unter die Vertragsärzte zu verteilen sei. Danach sei es insbesondere geboten, dass sich das zu vergütende Honorar regelmäßig in Relation zum jeweiligen Umfang der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bemesse. Insbesondere eine Fallwertbegrenzungsregelung sei ihrer Ansicht nach zur Erreichung des intendierten Zwecks als geeignet, erforderlich und angemessen zu sehen. Diese Regelung sei nicht nur auf junge Praxen anwendbar, bei denen das aRVV an die Stelle des pRVV trete, sondern die Nichtanwendung der Norm auf Praxen in der Aufbauphase würde diese im Vergleich zu etablierten Praxen ungerechtfertigt privilegieren. Dass jungen Praxen die Möglichkeit einzuräumen sei, durch Erhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen, bedeute nicht, dass Praxen während der Aufbauphase das von ihnen zur Abrechnung gestellte Punktevolumen ohne Einschränkung, insbesondere ohne Berücksichtigung der Zahl der versorgten Behandlungsfälle zu vergüten sei. Die atypischen Versorgungssituationen vorbehaltene Härtefallregelung sei zu Recht nicht angewandt worden, weil eine solche vorliegend nicht ersichtlich sei. Die Erlössituation einer jungen Praxis im Aufbau wie derjenigen der Klägerin entspreche typischerweise noch nicht derjenigen einer etablierten und prosperierenden Praxis. Unter Anwendung der Abstaffelungsregelung habe die Klägerin in der Honorarabrechnung für das Quartal I/2005 im Vergleich zu ihrer Fachgruppe 41 % des durchschnittlichen budgetrelevanten Honorars erzielt, obwohl ihre Fallzahl lediglich 33 % der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Fachgruppe betragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Oktober 2015, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), abgewiesen.
Der Senat entscheidet in der Sache, weil der Rechtsstreit sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nach § 101 Abs. 2 SGG durch angenommenes Anerkenntnis erledigt hat. Der diesbezügliche Feststellungsantrag der Klägerin ist unbegründet. Die von ihr mit Schriftsatz vom 16. September 2013 erklärte Annahme des Anerkenntnisses der Beklagten geht ins Leere, weil kein Anerkenntnis vorgelegen hat. Die allein als solches in Betracht kommende Erklärung der Beklagten in deren Schriftsatz vom 2. Juli 2013, dass sie sich verpflichte, die Honoraranforderung der Klägerin gemäß der Rechtsauffassung des BSG im Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R – auf der Grundlage eines neuen, im Einvernehmen mit den Krankenkassen zu beschließenden Honorarverteilungsmaßstabes neu zu bescheiden, ist unwirksam. Das Anerkenntnis ist Prozesshandlung, hat aber auch – wie der Vergleich – eine Doppelnatur, sodass sich die Unwirksamkeit aus prozessrechtlichen und aus materiell-rechtlichen Gründen wie einer Nichtigkeit oder wirksamen Anfechtung nach §§ 116 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben kann (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 101 Rn. 21, 24 und 13 ff., m.w.N.; Letzteres bestritten vom 1. Senat des BSG, der jedenfalls in Rechtsstreiten zwischen – anders als vorliegend – im Gleichordnungsverhältnis stehenden Beteiligten keinen sachlichen Grund sieht, die anders lautende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs nicht anzuwenden, s. Anfragebeschluss beim 4. und 9. Senat des BSG vom 10. März 2015 – B 1 KR 1/15 R, NZS 2015, 594). Bei der Erklärung der Beklagten vom 2. Juli 2013 handelt es sich um eine so genannte perplexe, widersprüchliche Willenserklärung (zum Begriff: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 2004 – 19 A 2962/02, juris, m.w.N.), da die Klägerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigten als Erklärungsempfänger, deren Verständnis nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für die Auslegung maßgeblich ist (Ellenberger in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.), dieser bei objektiver Betrachtungsweise keinen eindeutigen Erklärungswert beimessen konnten. Diesen war bekannt, dass sich die genannte Entscheidung des BSG vom 6. Februar 2013 auf den für rechtswidrig befundenen, am 11. August 2005 durch das Schiedsamt festgesetzten und ab dem Quartal II/2005 geltenden VM der Beklagten bezog, wohingegen Gegenstand des hiesigen Verfahrens die Vergütung im Quartal I/2005 ist, in dem aufgrund verschiedener, durch öffentlich-rechtliche Verträge zwischen der Beklagten und den Krankenkassen(verbänden) geschlossener Übergangsregelungen, zuletzt vom 15. Dezember 2014, noch der VM vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 25. September 2003 mit geringfügigen Änderungen galt. Eine Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BSG war mithin erkennbar nicht möglich bzw. hätte – auch hieran zeigt sich die Perplexität der Erklärung – nur zu einem Bescheid des Inhalts führen können, dass sich unter Zugrundelegung des genannten BSG-Urteils kein höherer Honoraranspruch ergebe. Selbst wenn man der Erklärung der Beklagten einen auslegungsfähigen und nicht widersprüchlichen Inhalt zubilligen wollte, wäre die entsprechende Willenserklärung jedenfalls wirksam angefochten worden. Da die Beklagte bei Erstellung des Schriftsatzes vom 2. Juli 2013 versehentlich davon ausging, dass auch dieser, im Hinblick auf die anstehenden Revisionsentscheidungen des BSG zuvor zum Ruhen gebrachte Rechtsstreit ein Quartal ab II/2005 zum Gegenstand habe, befand sie sich in einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB, bei dem es sich um einen Irrtum über eine Eigenschaft des Geschäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit und um einen ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum handelt (vgl. Ellenberger, a.a.O., § 119 Rn. 23, m.w.N.). Bei der zeitlichen Erstreckung des Streitgegenstandes handelt es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Verfahrens, welches als nicht körperlicher Gegenstand eine Sache im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sein kann (vgl. Ellenberger, a.a.O., § 119 Rn. 27, m.w.N.). Bereits mit Schriftsatz vom 10. Juli 2013 hat die Beklagte nach Erkennen ihres Irrtums mitgeteilt, dass die Entscheidung des BSG nicht das vorliegend streitgegenständliche Quartal betreffe und daher keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren haben könne. Sowohl die Beklagte als auch die Klägerin hätten sich in den Quartalen geirrt. Sie bitte, das Versehen zu entschuldigen. Weder komme ein Anerkenntnis in Betracht noch eine Erledigungserklärung. Das Verfahren sei streitig fortzusetzen. Hierin wäre, wenn die Erklärung vom 2. Juli 2013 nicht schon wegen Perplexität nichtig wäre, zwar kein rechtzeitiger Widerruf des vermeintlichen Anerkenntnisses zu erblicken, weil Ersterer der Gegenseite nicht vor Letzterem zugegangen ist (§ 130 Abs. 1 Satz. 2 BGB; Leitherer, a.a.O., § 102 Rn. 24 m.w.N.), jedoch eine unverzügliche Anfechtung nach §§ 119, 121 BGB.
Der hilfsweise gestellte Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht nur der in der Klageschrift, im angefochtenen Urteil und zunächst auch in der Berufungsschrift (dort als Honorarbescheid bezeichnete) ausschließlich genannte Bescheid vom 10. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. September 2007, mit dem der Antrag der Klägerin auf Erhöhung ihres pRVV abgelehnt wurde, sondern auch der ebenfalls mit durch den Widerspruchbescheid beschiedenem Widerspruch angegriffene Honorarbescheid vom 22. August 2005, auf den sich die Erhöhung des pRVV auswirken würde; schließlich hat die Klägerin stets deutlich gemacht, dass sie ein höheres Honorar begehrt, und ohne dieses Begehren würde es ihr auch am Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Ablehnung einer pRVV-Erhöhung für einen vergangenen Zeitraum fehlen. Nach dem Meistbegünstigungsprinzip ist von Widerspruch, Widerspruchsbescheid, Klage und Berufung auch der pRVV-Zuweisungsbescheid vom 28. Februar 2005 erfasst, dessen Änderung der pRVV-Erhöhungsantrag der Klägerin im Erfolgsfall nach sich zöge, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und der daher zulässigerweise innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe angegriffen werden konnte.
Die so verstandene Berufung hat aus den vom SG genannten Gründen keinen Erfolg; das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren vermag keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Festsetzung eines höheren pRVV und ihrer Honorarabrechnung für das Quartal I/2005 zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus einer etwa unzutreffenden Anwendung des im streitgegenständlichen Quartal geltenden VM vom 14. Dezember 1995 in der Fassung vom 15. Dezember 2004 (1.). Die Honorarverteilungsvereinbarung war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig (2.), und der von der Klägerin als Inhaberin einer jungen Praxis angeführte Verstoß gegen das Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars und den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit lässt sich nicht feststellen (3.).
1. Der erste von lediglich zwei Streitpunkten bei der Frage der richtigen Anwendung des einschlägigen VM ist, ob die Kürzungsregel nach Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM bei der Berechnung des pRVV auch für sogenannte Jungpraxen gilt, bei denen – wie im Fall der Klägerin – nach Nr. 4 Buchst. a Anlage B des VM für die Abrechnungsbegrenzung anstelle des pRVV das aRVV zu Grunde gelegt worden ist. Dies ist entgegen der Ansicht der Klägerin der Fall, auch wenn Nr. 2 Anlage B des VM ausweislich der Überschrift (lediglich) die Berechnung des pRVV regelt. Die Klägerin übersieht, dass in bestimmten, in Nr. 4 Buchst. a Anlage B des VM genannten Konstellationen das aRVV mit der Folge an die Stelle des pRVV tritt, dass die für das pRVV an anderer Stelle des VM aufgestellten Regeln auch hier zwingend gelten müssen. Dies wird schon daran deutlich, dass ausweislich der unter den drei Spiegelstrichen in Nr. 4 Buchst. a Anlage B des VM genannten Regelungen auch bei Jungpraxen, soweit dies möglich ist, das pRVV gilt, jedoch jeweils ein Günstigkeitsvergleich zum aRVV angestellt wird. Es kann jedoch nicht vom Ausgang dieser Vergleichsberechnung abhängen, ob – im Fall der Geltung des pRVV – die Kürzungsregelung in Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM Anwendung findet oder – nach Auffassung der Klägerin im Fall der Geltung des aRVV – nicht. Außerdem müsste ansonsten für die Fälle der Vergleichsberechnungen auf Seiten der pRVV die Berücksichtigung der Kürzungsregelung angeordnet worden sein, was jedoch nicht der Fall ist.
Auch bei dem zweiten Streitpunkt, nämlich der Frage, ob die Härtefallregelung nach Nr. 4 Buchst. f Anlage B des VM greift, vermag der Senat der Argumentation der Klägerin nicht zu folgen. Der unter dem ersten Spiegelstrich genannte, ein wegen besonderer Umstände im vorliegend nicht vorhandenen Vergleichsquartal zu gering bemessenes pRVV betreffende Regelbeispielfall ist nicht gegeben, und auch ansonsten gibt es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls. Stattdessen beruft sich die Klägerin auf die typischen Schwierigkeiten einer neu gegründeten Praxis, die zu Beginn noch über geringe Fallzahlen verfügt. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Nichtanwendung der Kürzungsregelung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne des zweiten Spiegelstrichs nach Nr. 4 Buchst. f Anlage B des VM erforderlich sein sollte.
2. Der geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung ergibt sich auch nicht daraus, dass der im streitigen Quartal anzuwendende VM gegen höherrangiges Recht verstoßen hat. Zwar lag ein Verstoß gegen § 85 Abs. 4 SGB V vor; dieser führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der Honorarverteilungsvereinbarung, wie der Senat bereits mehrfach, erstmals in den Urteilen vom 5. November 2014 und 3. Dezember 2014 (L 5 KA 28/11 bzw. L 5 KA 76/13 WA, jeweils juris; Revisionen anhängig unter den Aktenzeichen B 6 KA 46/14 R bzw. B 6 KA 4/15 R), ausgeführt hat. Weil es der Beklagten und den anderen Partnern der Honorarverteilungsvereinbarung wegen der noch fehlenden, gesetzlich jedoch vorgeschriebenen und der Sache nach zwingend erforderlichen Vorgaben des Bewertungsausschusses rein objektiv nicht möglich war, im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu handeln, haben die Partner nicht im Sinne von § 58 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in Verbindung mit § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sodass die Honorarverteilungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht nichtig war und damit Geltung beanspruchen konnte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Senatsauffassung wird auf das vorgenannte Senatsurteil vom 3. Dezember 2014 (L 5 KA 76/13 WA) Bezug genommen, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der auch in jenem Fall die dortige Klägerin vertrat, und der auch dortigen Beklagten bekannt ist.
3. Schließlich lässt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht feststellen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es auf eine ungerechtfertigte Privilegierung von Jungpraxen hinausliefe, diese von der Kürzungsregelung nach Nr. 2 Satz 4 Anlage B des VM auszunehmen. Den typischen Schwierigkeiten in der Gründungsphase einer Praxis wird durch die Zugrundelegung des aRVV anstelle des – wie im Fall der Klägerin – noch nicht berechenbaren oder – in den Fällen nach Nr. 4 Buchst. a Spiegelstriche 1 bis 3 Anlage B des VM – ungünstigeren pRVV ausreichend Rechnung getragen. Eine von ihr geforderte völlige Entkoppelung der Honorierung der Klägerin von den Fallzahlen in ihrer neu gegründeten Praxis würde sie im Verhältnis zu etablierten Praxen ungerechtfertigt besser stellen und den Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung und damit Honorarverteilungsgerechtigkeit gerade dadurch verletzen. Entgegen der Behauptung der Klägerin handelt es sich bei der genannten Kürzungsregelung nicht um eine Wachstumsbegrenzung im Sinne der von ihr zitierten BSG-Rechtsprechung, von der danach Praxen in der Aufbauphase völlig freizustellen seien (s. nur Urteile vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R, BSGE 92, 233, und vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 5/08 R, SozR 4 – 2500 § 85 Nr. 45). Ganz im Gegenteil war es der Klägerin – ebenso wie anderen jungen Praxen – nach dem streitgegenständlichen VM nicht nur möglich, binnen 5 Jahren durch Fallzahlsteigerung den durchschnittlichen Umsatz ihrer Fachgruppe zu erreichen, sondern dies war ihr aufgrund der Zugrundelegung des aRVV und des Fehlens von Wachstumsbegrenzungsregelungen in jedem einzelnen Quartal möglich, wenn sie nur die Durchschnittsfallzahl ihrer Fachgruppe erreicht hätte. Dass die Klägerin, anders als sie meint, im Verhältnis zu etablierten Praxen durch die Fallwertregelungen sogar privilegiert war, zeigt sich daran, dass sie im streitgegenständlichen Quartal ausweislich der Auskunft der Beklagten im Vergleich zu ihrer Fachgruppe 41 % des durchschnittlichen budgetrelevanten Honorars erzielte, obwohl ihre Fallzahl lediglich 33 % der durchschnittlichen Fallzahl ihrer Fachgruppe betrug.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Senat hat die Revision mit Blick auf die bereits beim BSG anhängige Rechtsfrage, ob der vor dem Quartal II/2005 geltende, noch als öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossener VM nichtig war (B 6 KA 46/14 R bzw. B 6 KA 4/15 R), wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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