Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 17/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 22/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung eines Festkostenzuschusses zum Zahnersatz und die Erstattung von Gutachterkosten.
Der Kläger ist als Vertragszahnarzt zur vertragsärztlichen Versorgung in H. zugelassen. Am 10. Juli 2009 erstellte er für die bei der Beigeladenen versicherte Patientin Frau B. (geb. xxxxx 1963) Heil- und Kostenpläne für die Eingliederung von Zahnersatz. In der Folgezeit kam es bis zum ersten Behandlungsabbruch durch die Versicherte am 6. Dezember 2011 zu einer Vielzahl von Behandlungsterminen, in denen unter anderem nach Eingliederung einer Brücke immer wieder Korrekturmaßnahmen erfolgten, da die Versicherte mit "dem Biss" nicht zufrieden war. In der Zeit vom 29. August 2011 bis zum 6. Dezember 2011 fanden sechs Behandlungstermine mit einem CMD- (Craniomandibuläre Dysfunktion) Spezialisten statt, bei dem der Zahnersatz wiederholt remontiert und feingeschliffen wurde. Mit Schreiben vom 1. Februar 2012 teilte die Versicherte der Beigeladene mit, sie sei über die Bisssituation sehr unglücklich. Der Zahnersatz sei nur provisorisch eingeklebt, der "Biss" stimme nicht. Sie habe vergeblich versucht, mit dem Kläger telefonisch eine Lösung zu finden. Sie möchte einen Gutachtertermin. Am 28. März 2012 wurde die Versicherte durch den Zahnarzt Dr. K. begutachtet. Der Gutachter führte in seinem Gutachten vom 28. März 2012 aus, die von der Patientin vorgetragenen Beschwerden im Bereich des ersten und vierten Quadranten seien nachvollziehbar. Die Okklusion sollte hier ausgeglichen werden. Nach Aussage des Behandlers sei die Brücke nur provisorisch befestigt. Somit könne eine Reparatur durch Keramikauftragung erfolgen. Ansonsten müsse die Brücke erneuert werden. Für das Gutachten berechnete der Gutachter der Beigeladenen 97,48 EUR.
Am 27. Februar 2012 beantragte die Beigeladene die Überprüfung durch den Prothetik-Einigungsausschuss und die Erstattung des Kassenanteils einschließlich der Gutachter-gebühren. In seiner Stellungnahme vom 17. Juli 2012 erklärte der Kläger, er habe durch zweimaliges laborseitiges Remontieren und klinisches Einschleifen die Mängel in der Zeit vom 18. April bis 22. Juni 2012 unter Mitarbeit eines CMD-Spezialisten beseitigt. Am 25. Juni 2012 habe die Versicherte gegenüber seiner Empfangsmitarbeiterin versichert, dass der Biss jetzt in Ordnung sei. Sie wolle einen Termin zum endgültigen Zementieren vereinbaren. Erst auf eine Zahlungserinnerung zwei Tage später habe die Patientin eine "bitterböse E-Mail" geschickt und nun das Gegenteil vom Wohlbefinden behauptet. Insgesamt wurde die Patientin zwischen dem 28. März und 22. Juni 2012 zehn Mal in der Praxis des Klägers behandelt.
In seiner Sitzung am 1. August 2012 untersuchten die ärztlichen Mitglieder des Prothetik-Einigungsausschusses die Versicherte. Mit Bescheid vom 6. August 2012 gab der Prothetik-Einigungsausschuss dem Antrag der Beigeladenen auf Rückzahlung des Kassenanteils und der Erstattung der Gutachtergebühren für den bei der Versicherten eingegliederten Zahnersatz statt und setzte gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 1.162,44 EUR (Festkostenzuschuss 1.064,96 und Gutachterkosten 97,48 EUR) fest.
In seinem am 6. September 2012 erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, die Patientin sei seit 17. Juni 2009 bei ihm in Behandlung und schreibe immer, wenn sie Rechnungen bekomme, bitterböse E-Mails. Sie habe mit einwandfreier Okklusion am 22. Juni 2012 seine Praxis verlassen. Bei der Okklusionsprüfung im Ausschuss habe die Patientin falsch gebissen. Die Patientin müsse von einem CMD-Spezialisten begutachtet werden, der in der Lage sei, die Kaumuskeln so zu deprogrammieren, dass bewusst falsches Beißen nicht möglich sei. Die Mitwirkung der Patientin und deren anderweitige Behandlungen seien durch den Ausschuss nicht differenziert dokumentiert worden.
Zur Sitzung des Beklagten am 19. November 2012 erschien die Patienten und wurde von den ärztlichen Mitgliedern des Beklagten untersucht. Mit Beschluss vom gleichen Tage (ausgefertigt am 15. Dezember 2012) hat der Beklagte den Beschluss des Prothetik-Einigungsausschusses vom 1. August 2012 bestätigt und zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund der bestehenden Nonokklusion die im Oberkiefer eingegliederte Versorgung funktionsuntüchtig sei. Nach dem Erstgutachten sei die Versicherte erneut beim Kläger in Behandlung gewesen. Die Nachbehandlung habe zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt.
Mit seiner am 14. Januar 2013 erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheides des Beklagten begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, gegen das Gutachten von Herrn Dr. K. habe er keine Einwände gehabt, sondern die Nachbesserung durchgeführt. Er habe den CMD-Spezialisten Dr. R. acht Mal hinzugezogen. Dieser habe jeweils den richtigen Biss hergestellt, so dass der Zahnersatz fehlerfrei eingesetzt worden sei und in der natürlichen Bissposition habe bearbeitet werden können. Nach der Behandlung am 22. Juni 2012 sei die Versicherte zufrieden gewesen. Ob die Behandlung fehlerhaft gewesen sei und ob noch Mängel nachgebessert werden könnten, lasse sich nur bei einer Untersuchung der Patientin fehlerfrei beantworten, wenn die Muskeln für den Unterkiefer deprogrammiert würden. Nur so sei eine objektive Prüfung des Bisses und somit der Okklusion möglich. Die Situation beim Gutachter und vor den Ausschüssen habe nicht der Situation bei Beendigung der Behandlung entsprochen. Die Patientin habe eine Schiene gehabt. Sie sei auch während der Zeit in anderweitiger Behandlung z.B. wegen ihrer Halswirbelsäule gewesen. Möglicherweise sei sie auch in Psychotherapie gewesen.
Der Beklagte hat zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheides Bezug genommen und auf die Sachkompetenz der beiden Ausschüsse verwiesen. Die Patientin sei auch ihrer Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen, da sie zwischen Februar und Juni 2012 wiederholt zu Nachbesserungsarbeiten die Praxis des Klägers aufgesucht habe.
Dem Sozialgericht hat auch ein Gutachten von Prof. Dr. T. vom 2. Januar 2014 vorgelegen, das im Rahmen eines von der Patientin am 1. März 2013 beantragten selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg-B1 erstattet worden war.
Mit Urteil vom 19. Februar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 19. November 2012 sei rechtmäßig, da der Kläger der Beigeladenen den Schaden ersetzen müsse, der dieser durch die erneute prothetische Versorgung ihrer Versicherten entstehe. Die Voraussetzungen eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs seien erfüllt, denn die von dem Kläger bei der Versicherten der Beigeladenen vorgenommene Versorgung entspreche nicht dem zahnärztlichen Standard. Sowohl der Gutachter wie auch die ärztlichen Mitglieder des Prothetik-Einigungsausschusses und des Beklagten hätten übereinstimmend festgestellt, dass eine Nonokklusion vorliege und die Kronen 36, 37 und 46, 47 sowie 17 und 47 okkusal korrigiert werden müssten, um den fehlenden Zahnkontakt zu beseitigen. Eine Mitverantwortlichkeit der Versicherten liege nicht vor, eine Nachbesserung sei wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses nicht möglich. Dem Kläger sei es bei zwei Nachbesserungsversuchen nicht gelungen, die Nonokklusion zu beheben. Der Versicherten sei eine Neuanfertigung oder Nachbesserung durch den Kläger unzumutbar.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 7. März 2014 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Hamburg am 7. April 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht habe sich nicht ausreichend mit der kritischen Würdigung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Bescheids auseinandergesetzt. Die klinische Untersuchung durch den Beklagten hätte ebenso sachverständig begutachtet werden müssen wie die Frage, ob durch eine Keramikauftragung keine Nachbesserung möglich sei. Das Sozialgericht hätte sich auch damit auseinandersetzen müssen, dass sich die Versicherte zwischenzeitlich anderweitig habe behandeln lassen und dass die in einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2012 (Az.: B 6 KA 35/11 R) genannte Zahl von 30 erfolglosen Nachbehandlungen im Streitfall nicht annähernd erreicht sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Februar 2014 und den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Das Sozialgericht habe sich umfassend mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Nachbesserung einer vertragszahnärztlichen prothetischen Versorgung auseinandergesetzt. Angesichts der sachkundigen Besetzung des Sozialgerichts habe es der Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht bedurft.
Die Beigeladene hat sich in der Sache nicht geäußert und stellt keinen Antrag.
Der Senat hat über die Berufung am 7. Oktober 2015 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der beigezogenen Akte des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg-B1, Az.: 812 H 1/14.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, insbesondere gem. § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet, da der angegriffene Beschluss des Beklagten vom 19. November 2012 rechtmäßig und die Klägerin deshalb durch ihn nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.
1. Klagegegenstand ist allein der Beschluss des Beklagten vom 19. November 2012. Dieser hat als Widerspruchsbehörde in einem Verfahren zur Festsetzung eines Schadensersatzes wegen mangelhafter Prothetik entschieden, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 der zwischen der Beigeladenen zu 3 und den Landesverbänden der Primärkassen in H. geschlossenen Vereinbarung über das Prothetik-Einigungsverfahren (im Folgenden: Landesvereinbarung). In diesem Verfahren gelten die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden Grundsätze zum Streitgegenstand entsprechend (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 35/11 R, Juris).
2. Das Sozialgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger bejaht:
a) Die Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Schadensregresses ergibt sich auch im hier betroffenen Primärkassenbereich aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften der §§ 23 ff. Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) hinsichtlich der Pflichten der Vertragszahnärzte bei der prothetischen Versorgung der Versicherten. Danach ist die Klägerin verpflichtet, der Beigeladenen den Schaden zu ersetzen, der dieser entsteht, wenn sie der Versicherten erneut eine prothetische Versorgung gewähren muss, weil die prothetische Erstversorgung mangelhaft war (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 35/11 R, a.a.O.). Inhaltliche Voraussetzung der Ersatzpflicht ist eine schuldhafte Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die insbesondere darin liegen kann, dass eine prothetische Versorgung dem zahnärztlichen Standard nicht genügt (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 1997 – 6 RKa 40/96, Juris; vom 28. April 2004 – B 6 KA 64/03 R, Juris und vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, Juris). Zudem muss eine Nachbesserung – wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses – nicht möglich und/oder eine Nachbesserung bzw. Neuanfertigung durch den bisher behandelnden Vertragszahnarzt nicht zumutbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteile vom 16. Januar 1991 – 6 RKa 25/89, Juris; vom 2. Dezember 1992 – 14a/6 RKa 43/91, Juris und vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, a.a.O.). Nach der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung im Bezirk der kassenzahnärztlichen Vereinigung H. entscheidet der Beklagte über Widersprüche gegen die Entscheidungen des Prothetik-Einigungsausschusses, der wiederum nach Durchführung des Gutachterverfahrens über Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen entscheidet; er setzt einen Regress fest, wenn und soweit die Beanstandung begründet ist und nicht behoben werden kann, vgl. § 2 Abs. 3 BMV-Z i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 seiner Anlage 12 sowie § 1 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b, § 1 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 6 Satz 1 und 3 der Landesvereinbarung.
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die von dem Kläger bei der Versicherten der Beigeladenen durchgeführte prothetische Versorgung entspricht nicht dem zahnärztlichen Standard, da nach der von dem Kläger durchgeführten prothetischen Versorgung mehrere Zahnfehlstellungen festgestellt werden mussten: Im Bereich des Zahnes 36 besteht eine Kreuzbisssituation und im Bereich der Zähne 46, 47 und 17 eine Kopfbisssituation. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Ergebnissen der sachverständig durchgeführten Begutachtung durch die zahnärztlichen Mitglieder des Prothetik-Einigungsausschusses und des Beklagten. Deren Feststellungen decken sich mit den Erkenntnissen, zu denen der Sachverständige in dem selbständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg-B1 (Gutachten des Prof. Dr. T. vom 2. Januar 2014) kam, der zusammenfassend feststellte, dass Herstellung und Eingliederung der Kronen bei der Versicherten deutliche Mängel aufwiesen. Der sachverständig besetzte Senat schließt sich dieser Erkenntnis nach eigener Prüfung an. Insbesondere mit der in dem Gutachten des Prof. T. enthaltenen Dokumentation können die festgellten Zahnfehlstellungen gut nachvollzogen werden, so dass an dem Befund keine Zweifel bestehen.
c) Auch der Kläger bestreitet die Mangelhaftigkeit der Versorgung insoweit nicht. Ihm kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass die Patientin eine Mitverantwortung an der misslungenen prothetischen Versorgung trifft und eine Nachbesserung der prothetischen Versorgung möglich und der Patientin auch zuzumuten sei.
aa) Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass keine objektiv nachvollziehbaren Umstände für eine Mitverantwortlichkeit der Versicherten vorliegen. Bereits der Prothetik-Einigungsausschuss hat in seinem Beschluss vom 1. August 2012 festgestellt, dass die Patientin ihrer Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Auch hat der Sachverständige Prof. Dr. T. die Behauptung des Klägers nicht bestätigt, die notwendigen Feststellungen ließen sich nur nach einer sogen. "Deprogrammierung" der Muskeln des Unterkiefers der Versicherten feststellen. Er hat eingehend und überzeugend dargelegt, dass diese Frage in der Fachwelt überaus kontrovers diskutiert wird. Entsprechende klinische Studien hätten Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Deprogrammierung bei der Überprüfung von Zahnersatz ergeben, deshalb verzichteten namhafte Autoren auf diese Vorgehensweise. Auch er habe die Überprüfung mit Okklusionsindikatoren (Okklusionsfolie) durchgeführt und jeden Zahnkontakt mehrfach überprüft. Der sachverständig besetzte Senat hat angesichts dieser Vorgehensweise keinen Zweifel an den von einer Vielzahl an den mehrfachen Begutachtungen der Versicherten beteiligten Zahnärzte übereinstimmend getroffenen Feststellungen.
bb) Im Streitfall ist eine Nachbesserung entgegen der Annahme des Sozialgerichts zwar möglich, doch ist diese der Patientin nicht zuzumuten. In Anlehnung an den Gedanken des § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V, wonach ein Zahnarztwechsel innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen soll, kann ein Behandlungsabbruch bei nicht erfolgreicher Prothetikbehandlung grundsätzlich nur dann akzeptiert werden, wenn eine Nachbesserung – wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses – nicht möglich und/oder wenn eine Nachbesserung bzw. Neuanfertigung durch den bisher behandelnden Vertragszahnarzt nicht zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, Juris). Von einer unzumutbaren Nachbesserung bzw. Neuanfertigung ist etwa dann auszugehen, wenn das Vertrauensverhältnis zu dem behandelnden Arzt objektiv zerstört ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, SozR 4-5555 § 15 Nr. 1).
(1) Der Behandlungsabbruch ist nicht schon wegen Unmöglichkeit der Nachbesserung gerechtfertigt. Bereits der zunächst beauftragte Gutachter Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 28. März 2012 fest, dass die nur provisorisch befestigte Brücke durch einen Keramikauftrag repariert werden könne oder die Brücke ggf., erneuert werden müsse. Auch der Sachverständige Prof. Dr. T. hält eine Nachbesserung des vorhandenen Zahnersatzes für das fachlich geeignete Mittel, um die vorhandenen Mängel an der Okklusion zu beheben.
(2) Einem Zahnarzt ist grundsätzlich auch eine mehrfache Nachbehandlung zuzugestehen, gerade wenn eine komplizierte Bisssituation sowohl im Bereich der Schneidezähne als auch im Seitenzahnbereich bei bestehender Kreuzbisssituation zu beheben ist. Allein aus der Zahl der Nachbehandlungstermine kann deshalb eine Unzumutbarkeit weiterer Nachbesserungsversuche noch nicht gefolgert werden (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 29. Mai 2013 – L 1 KA 13/10, juris). Im Streitfall haben allerdings allein im ersten Halbjahr 2012 zehn erfolglose Nachbesserungsversuche durch den Kläger stattgefunden, die nicht zu dem geplanten Behandlungsverlauf gehörten. Die Grenze des Zumutbaren dürfte deshalb überschritten sein. Bei einer Vielzahl erfolgloser Nachbesserungsversuche, bei denen es dem behandelnden Zahnarzt nicht gelungen ist, die Mängel zu beseitigen, kann die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Patientin und dem behandelnden Zahnarzt angenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 35/11 R, SozR 4-5545 Allg. Nr. 1). Dies gilt umso mehr, wenn der Zahnarzt sich uneinsichtig zeigt und seine Leistungen für ordnungsgemäß hält (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 a.a.O., in dem dort entschiedenen Fall wird im Übrigen von einer Unzumutbarkeit nach (nur) vier erfolglosen Nachbehandlungen ausgegangen) oder – wie der Kläger im Streitfall in seiner Klageschrift¬ – mutmaßt, anderweitige ärztliche Behandlung z.B. durch einen Psychotherapeuten könnte die Ursache für nicht passenden Zahnersatz sein.
Jedenfalls ergibt sich aber die Unzumutbarkeit einer Nachbesserung durch den Kläger aus dessen Verhalten gegenüber der Patientin. In seinem Widerspruchsschreiben vom 5. September 2012 an den Prothetik-Einigungsausschuss bezieht er sich auf die Mitwirkungspflicht der Patientin. Dieses Schreiben befindet sich in zwei Versionen in den Akten. In der Version, die der Klageschrift als Anlage K1 beigefügt worden ist, heißt es: "Ich traue Frau (Patientin) zu, dass sie bei der Okklusionsprüfung wissentlich falsch beißt, um die Kollegen aufs Glatteis zu führen". Die Kaumuskeln seien so zu deprogrammieren, dass die Patientin "keinen falschen Biss vortäuschen" könne. In dem Widerspruchsschreiben gleichen Datums, das sich in den Verwaltungsakten des Beklagten (S. 42, 43) findet, ist diese Passage etwas abgemildert. Der Kläger behauptet aber auch hier, die Patientin habe offenbar bei der Okklusionsprüfung falsch gebissen. Angesichts der durch zwei Sachverständige und zwei sachverständig besetzte Ausschüsse übereinstimmend festgestellten mangelhaften Arbeiten des Klägers und der Vielzahl erfolgloser Nachbesserungsversuche sieht der Senat darin ein Verhalten des Klägers, das entweder ein bereits zerstörtes Vertrauensverhältnis belegt oder jedenfalls geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt/Patientin künftig zu zerstören. Grundsätzlich kann den Zahnarzt ein unkooperatives Verhalten seines Patienten entlasten, etwa wenn ein Zahnersatz nicht getragen wird und deshalb der Behandlungserfolg ausbleibt. Dann müssten dafür aber greifbare Anhaltspunkte vorliegen, während der Kläger im Streitfall einen Verdacht gegenüber seiner Patientin äußert, dem jede Grundlage fehlt. Es erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar, warum die Patientin den fehlenden Behandlungserfolg bewusst unwahr behaupten sollte und warum dies bei mehrfacher gutachterlicher Untersuchung der Patientin, die die mangelhafte Arbeit des Klägers belegt und dokumentiert, nicht auffallen sollte. Der Prothetik-Einigungsausschuss stellt in seinem Bescheid vom 6. August 2012 ausdrücklich fest, dass die Patientin ihrer Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Einer Patientin kann eine weitere Nachbesserung oder Neuanfertigung durch einen Zahnarzt, der ihr unterstellt, sie würde die Sachverständigen bewusst täuschen, nicht zugemutet werden.
3. Bedenken gegen die festgesetzte Schadenshöhe von 1.162,44 Euro bestehen nicht. Die Berechtigung dieser Summe ist von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen worden. Diese stellt den Kostenaufwand der Beigeladenen für die vergebliche Erstbehandlung sowie das Sachverständigenhonorar Dr. K. dar, wobei allerdings zu beachten ist, dass der Schaden an sich in dem erforderlichen zusätzlichen Aufwand für die Zweitbehandlung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass dieser geringer gewesen sein könnte als der Aufwand für die Erstbehandlung, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
5. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Erstattung eines Festkostenzuschusses zum Zahnersatz und die Erstattung von Gutachterkosten.
Der Kläger ist als Vertragszahnarzt zur vertragsärztlichen Versorgung in H. zugelassen. Am 10. Juli 2009 erstellte er für die bei der Beigeladenen versicherte Patientin Frau B. (geb. xxxxx 1963) Heil- und Kostenpläne für die Eingliederung von Zahnersatz. In der Folgezeit kam es bis zum ersten Behandlungsabbruch durch die Versicherte am 6. Dezember 2011 zu einer Vielzahl von Behandlungsterminen, in denen unter anderem nach Eingliederung einer Brücke immer wieder Korrekturmaßnahmen erfolgten, da die Versicherte mit "dem Biss" nicht zufrieden war. In der Zeit vom 29. August 2011 bis zum 6. Dezember 2011 fanden sechs Behandlungstermine mit einem CMD- (Craniomandibuläre Dysfunktion) Spezialisten statt, bei dem der Zahnersatz wiederholt remontiert und feingeschliffen wurde. Mit Schreiben vom 1. Februar 2012 teilte die Versicherte der Beigeladene mit, sie sei über die Bisssituation sehr unglücklich. Der Zahnersatz sei nur provisorisch eingeklebt, der "Biss" stimme nicht. Sie habe vergeblich versucht, mit dem Kläger telefonisch eine Lösung zu finden. Sie möchte einen Gutachtertermin. Am 28. März 2012 wurde die Versicherte durch den Zahnarzt Dr. K. begutachtet. Der Gutachter führte in seinem Gutachten vom 28. März 2012 aus, die von der Patientin vorgetragenen Beschwerden im Bereich des ersten und vierten Quadranten seien nachvollziehbar. Die Okklusion sollte hier ausgeglichen werden. Nach Aussage des Behandlers sei die Brücke nur provisorisch befestigt. Somit könne eine Reparatur durch Keramikauftragung erfolgen. Ansonsten müsse die Brücke erneuert werden. Für das Gutachten berechnete der Gutachter der Beigeladenen 97,48 EUR.
Am 27. Februar 2012 beantragte die Beigeladene die Überprüfung durch den Prothetik-Einigungsausschuss und die Erstattung des Kassenanteils einschließlich der Gutachter-gebühren. In seiner Stellungnahme vom 17. Juli 2012 erklärte der Kläger, er habe durch zweimaliges laborseitiges Remontieren und klinisches Einschleifen die Mängel in der Zeit vom 18. April bis 22. Juni 2012 unter Mitarbeit eines CMD-Spezialisten beseitigt. Am 25. Juni 2012 habe die Versicherte gegenüber seiner Empfangsmitarbeiterin versichert, dass der Biss jetzt in Ordnung sei. Sie wolle einen Termin zum endgültigen Zementieren vereinbaren. Erst auf eine Zahlungserinnerung zwei Tage später habe die Patientin eine "bitterböse E-Mail" geschickt und nun das Gegenteil vom Wohlbefinden behauptet. Insgesamt wurde die Patientin zwischen dem 28. März und 22. Juni 2012 zehn Mal in der Praxis des Klägers behandelt.
In seiner Sitzung am 1. August 2012 untersuchten die ärztlichen Mitglieder des Prothetik-Einigungsausschusses die Versicherte. Mit Bescheid vom 6. August 2012 gab der Prothetik-Einigungsausschuss dem Antrag der Beigeladenen auf Rückzahlung des Kassenanteils und der Erstattung der Gutachtergebühren für den bei der Versicherten eingegliederten Zahnersatz statt und setzte gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 1.162,44 EUR (Festkostenzuschuss 1.064,96 und Gutachterkosten 97,48 EUR) fest.
In seinem am 6. September 2012 erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, die Patientin sei seit 17. Juni 2009 bei ihm in Behandlung und schreibe immer, wenn sie Rechnungen bekomme, bitterböse E-Mails. Sie habe mit einwandfreier Okklusion am 22. Juni 2012 seine Praxis verlassen. Bei der Okklusionsprüfung im Ausschuss habe die Patientin falsch gebissen. Die Patientin müsse von einem CMD-Spezialisten begutachtet werden, der in der Lage sei, die Kaumuskeln so zu deprogrammieren, dass bewusst falsches Beißen nicht möglich sei. Die Mitwirkung der Patientin und deren anderweitige Behandlungen seien durch den Ausschuss nicht differenziert dokumentiert worden.
Zur Sitzung des Beklagten am 19. November 2012 erschien die Patienten und wurde von den ärztlichen Mitgliedern des Beklagten untersucht. Mit Beschluss vom gleichen Tage (ausgefertigt am 15. Dezember 2012) hat der Beklagte den Beschluss des Prothetik-Einigungsausschusses vom 1. August 2012 bestätigt und zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund der bestehenden Nonokklusion die im Oberkiefer eingegliederte Versorgung funktionsuntüchtig sei. Nach dem Erstgutachten sei die Versicherte erneut beim Kläger in Behandlung gewesen. Die Nachbehandlung habe zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt.
Mit seiner am 14. Januar 2013 erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheides des Beklagten begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, gegen das Gutachten von Herrn Dr. K. habe er keine Einwände gehabt, sondern die Nachbesserung durchgeführt. Er habe den CMD-Spezialisten Dr. R. acht Mal hinzugezogen. Dieser habe jeweils den richtigen Biss hergestellt, so dass der Zahnersatz fehlerfrei eingesetzt worden sei und in der natürlichen Bissposition habe bearbeitet werden können. Nach der Behandlung am 22. Juni 2012 sei die Versicherte zufrieden gewesen. Ob die Behandlung fehlerhaft gewesen sei und ob noch Mängel nachgebessert werden könnten, lasse sich nur bei einer Untersuchung der Patientin fehlerfrei beantworten, wenn die Muskeln für den Unterkiefer deprogrammiert würden. Nur so sei eine objektive Prüfung des Bisses und somit der Okklusion möglich. Die Situation beim Gutachter und vor den Ausschüssen habe nicht der Situation bei Beendigung der Behandlung entsprochen. Die Patientin habe eine Schiene gehabt. Sie sei auch während der Zeit in anderweitiger Behandlung z.B. wegen ihrer Halswirbelsäule gewesen. Möglicherweise sei sie auch in Psychotherapie gewesen.
Der Beklagte hat zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheides Bezug genommen und auf die Sachkompetenz der beiden Ausschüsse verwiesen. Die Patientin sei auch ihrer Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen, da sie zwischen Februar und Juni 2012 wiederholt zu Nachbesserungsarbeiten die Praxis des Klägers aufgesucht habe.
Dem Sozialgericht hat auch ein Gutachten von Prof. Dr. T. vom 2. Januar 2014 vorgelegen, das im Rahmen eines von der Patientin am 1. März 2013 beantragten selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg-B1 erstattet worden war.
Mit Urteil vom 19. Februar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 19. November 2012 sei rechtmäßig, da der Kläger der Beigeladenen den Schaden ersetzen müsse, der dieser durch die erneute prothetische Versorgung ihrer Versicherten entstehe. Die Voraussetzungen eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs seien erfüllt, denn die von dem Kläger bei der Versicherten der Beigeladenen vorgenommene Versorgung entspreche nicht dem zahnärztlichen Standard. Sowohl der Gutachter wie auch die ärztlichen Mitglieder des Prothetik-Einigungsausschusses und des Beklagten hätten übereinstimmend festgestellt, dass eine Nonokklusion vorliege und die Kronen 36, 37 und 46, 47 sowie 17 und 47 okkusal korrigiert werden müssten, um den fehlenden Zahnkontakt zu beseitigen. Eine Mitverantwortlichkeit der Versicherten liege nicht vor, eine Nachbesserung sei wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses nicht möglich. Dem Kläger sei es bei zwei Nachbesserungsversuchen nicht gelungen, die Nonokklusion zu beheben. Der Versicherten sei eine Neuanfertigung oder Nachbesserung durch den Kläger unzumutbar.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 7. März 2014 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Hamburg am 7. April 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht habe sich nicht ausreichend mit der kritischen Würdigung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Bescheids auseinandergesetzt. Die klinische Untersuchung durch den Beklagten hätte ebenso sachverständig begutachtet werden müssen wie die Frage, ob durch eine Keramikauftragung keine Nachbesserung möglich sei. Das Sozialgericht hätte sich auch damit auseinandersetzen müssen, dass sich die Versicherte zwischenzeitlich anderweitig habe behandeln lassen und dass die in einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2012 (Az.: B 6 KA 35/11 R) genannte Zahl von 30 erfolglosen Nachbehandlungen im Streitfall nicht annähernd erreicht sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Februar 2014 und den Bescheid des Beklagten vom 19. November 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Das Sozialgericht habe sich umfassend mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Nachbesserung einer vertragszahnärztlichen prothetischen Versorgung auseinandergesetzt. Angesichts der sachkundigen Besetzung des Sozialgerichts habe es der Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht bedurft.
Die Beigeladene hat sich in der Sache nicht geäußert und stellt keinen Antrag.
Der Senat hat über die Berufung am 7. Oktober 2015 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der beigezogenen Akte des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg-B1, Az.: 812 H 1/14.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, insbesondere gem. § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung erweist sich als unbegründet, da der angegriffene Beschluss des Beklagten vom 19. November 2012 rechtmäßig und die Klägerin deshalb durch ihn nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.
1. Klagegegenstand ist allein der Beschluss des Beklagten vom 19. November 2012. Dieser hat als Widerspruchsbehörde in einem Verfahren zur Festsetzung eines Schadensersatzes wegen mangelhafter Prothetik entschieden, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 der zwischen der Beigeladenen zu 3 und den Landesverbänden der Primärkassen in H. geschlossenen Vereinbarung über das Prothetik-Einigungsverfahren (im Folgenden: Landesvereinbarung). In diesem Verfahren gelten die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden Grundsätze zum Streitgegenstand entsprechend (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 35/11 R, Juris).
2. Das Sozialgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger bejaht:
a) Die Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Schadensregresses ergibt sich auch im hier betroffenen Primärkassenbereich aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften der §§ 23 ff. Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) hinsichtlich der Pflichten der Vertragszahnärzte bei der prothetischen Versorgung der Versicherten. Danach ist die Klägerin verpflichtet, der Beigeladenen den Schaden zu ersetzen, der dieser entsteht, wenn sie der Versicherten erneut eine prothetische Versorgung gewähren muss, weil die prothetische Erstversorgung mangelhaft war (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 35/11 R, a.a.O.). Inhaltliche Voraussetzung der Ersatzpflicht ist eine schuldhafte Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die insbesondere darin liegen kann, dass eine prothetische Versorgung dem zahnärztlichen Standard nicht genügt (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 1997 – 6 RKa 40/96, Juris; vom 28. April 2004 – B 6 KA 64/03 R, Juris und vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, Juris). Zudem muss eine Nachbesserung – wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses – nicht möglich und/oder eine Nachbesserung bzw. Neuanfertigung durch den bisher behandelnden Vertragszahnarzt nicht zumutbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteile vom 16. Januar 1991 – 6 RKa 25/89, Juris; vom 2. Dezember 1992 – 14a/6 RKa 43/91, Juris und vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, a.a.O.). Nach der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung im Bezirk der kassenzahnärztlichen Vereinigung H. entscheidet der Beklagte über Widersprüche gegen die Entscheidungen des Prothetik-Einigungsausschusses, der wiederum nach Durchführung des Gutachterverfahrens über Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen entscheidet; er setzt einen Regress fest, wenn und soweit die Beanstandung begründet ist und nicht behoben werden kann, vgl. § 2 Abs. 3 BMV-Z i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 seiner Anlage 12 sowie § 1 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe b, § 1 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 6 Satz 1 und 3 der Landesvereinbarung.
b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die von dem Kläger bei der Versicherten der Beigeladenen durchgeführte prothetische Versorgung entspricht nicht dem zahnärztlichen Standard, da nach der von dem Kläger durchgeführten prothetischen Versorgung mehrere Zahnfehlstellungen festgestellt werden mussten: Im Bereich des Zahnes 36 besteht eine Kreuzbisssituation und im Bereich der Zähne 46, 47 und 17 eine Kopfbisssituation. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Ergebnissen der sachverständig durchgeführten Begutachtung durch die zahnärztlichen Mitglieder des Prothetik-Einigungsausschusses und des Beklagten. Deren Feststellungen decken sich mit den Erkenntnissen, zu denen der Sachverständige in dem selbständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Hamburg-B1 (Gutachten des Prof. Dr. T. vom 2. Januar 2014) kam, der zusammenfassend feststellte, dass Herstellung und Eingliederung der Kronen bei der Versicherten deutliche Mängel aufwiesen. Der sachverständig besetzte Senat schließt sich dieser Erkenntnis nach eigener Prüfung an. Insbesondere mit der in dem Gutachten des Prof. T. enthaltenen Dokumentation können die festgellten Zahnfehlstellungen gut nachvollzogen werden, so dass an dem Befund keine Zweifel bestehen.
c) Auch der Kläger bestreitet die Mangelhaftigkeit der Versorgung insoweit nicht. Ihm kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass die Patientin eine Mitverantwortung an der misslungenen prothetischen Versorgung trifft und eine Nachbesserung der prothetischen Versorgung möglich und der Patientin auch zuzumuten sei.
aa) Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass keine objektiv nachvollziehbaren Umstände für eine Mitverantwortlichkeit der Versicherten vorliegen. Bereits der Prothetik-Einigungsausschuss hat in seinem Beschluss vom 1. August 2012 festgestellt, dass die Patientin ihrer Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Auch hat der Sachverständige Prof. Dr. T. die Behauptung des Klägers nicht bestätigt, die notwendigen Feststellungen ließen sich nur nach einer sogen. "Deprogrammierung" der Muskeln des Unterkiefers der Versicherten feststellen. Er hat eingehend und überzeugend dargelegt, dass diese Frage in der Fachwelt überaus kontrovers diskutiert wird. Entsprechende klinische Studien hätten Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Deprogrammierung bei der Überprüfung von Zahnersatz ergeben, deshalb verzichteten namhafte Autoren auf diese Vorgehensweise. Auch er habe die Überprüfung mit Okklusionsindikatoren (Okklusionsfolie) durchgeführt und jeden Zahnkontakt mehrfach überprüft. Der sachverständig besetzte Senat hat angesichts dieser Vorgehensweise keinen Zweifel an den von einer Vielzahl an den mehrfachen Begutachtungen der Versicherten beteiligten Zahnärzte übereinstimmend getroffenen Feststellungen.
bb) Im Streitfall ist eine Nachbesserung entgegen der Annahme des Sozialgerichts zwar möglich, doch ist diese der Patientin nicht zuzumuten. In Anlehnung an den Gedanken des § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V, wonach ein Zahnarztwechsel innerhalb eines Quartals nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgen soll, kann ein Behandlungsabbruch bei nicht erfolgreicher Prothetikbehandlung grundsätzlich nur dann akzeptiert werden, wenn eine Nachbesserung – wegen Unbrauchbarkeit des Arbeitsergebnisses – nicht möglich und/oder wenn eine Nachbesserung bzw. Neuanfertigung durch den bisher behandelnden Vertragszahnarzt nicht zumutbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, Juris). Von einer unzumutbaren Nachbesserung bzw. Neuanfertigung ist etwa dann auszugehen, wenn das Vertrauensverhältnis zu dem behandelnden Arzt objektiv zerstört ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 – B 6 KA 21/06 R, SozR 4-5555 § 15 Nr. 1).
(1) Der Behandlungsabbruch ist nicht schon wegen Unmöglichkeit der Nachbesserung gerechtfertigt. Bereits der zunächst beauftragte Gutachter Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 28. März 2012 fest, dass die nur provisorisch befestigte Brücke durch einen Keramikauftrag repariert werden könne oder die Brücke ggf., erneuert werden müsse. Auch der Sachverständige Prof. Dr. T. hält eine Nachbesserung des vorhandenen Zahnersatzes für das fachlich geeignete Mittel, um die vorhandenen Mängel an der Okklusion zu beheben.
(2) Einem Zahnarzt ist grundsätzlich auch eine mehrfache Nachbehandlung zuzugestehen, gerade wenn eine komplizierte Bisssituation sowohl im Bereich der Schneidezähne als auch im Seitenzahnbereich bei bestehender Kreuzbisssituation zu beheben ist. Allein aus der Zahl der Nachbehandlungstermine kann deshalb eine Unzumutbarkeit weiterer Nachbesserungsversuche noch nicht gefolgert werden (vgl. Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 29. Mai 2013 – L 1 KA 13/10, juris). Im Streitfall haben allerdings allein im ersten Halbjahr 2012 zehn erfolglose Nachbesserungsversuche durch den Kläger stattgefunden, die nicht zu dem geplanten Behandlungsverlauf gehörten. Die Grenze des Zumutbaren dürfte deshalb überschritten sein. Bei einer Vielzahl erfolgloser Nachbesserungsversuche, bei denen es dem behandelnden Zahnarzt nicht gelungen ist, die Mängel zu beseitigen, kann die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Patientin und dem behandelnden Zahnarzt angenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 35/11 R, SozR 4-5545 Allg. Nr. 1). Dies gilt umso mehr, wenn der Zahnarzt sich uneinsichtig zeigt und seine Leistungen für ordnungsgemäß hält (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006 a.a.O., in dem dort entschiedenen Fall wird im Übrigen von einer Unzumutbarkeit nach (nur) vier erfolglosen Nachbehandlungen ausgegangen) oder – wie der Kläger im Streitfall in seiner Klageschrift¬ – mutmaßt, anderweitige ärztliche Behandlung z.B. durch einen Psychotherapeuten könnte die Ursache für nicht passenden Zahnersatz sein.
Jedenfalls ergibt sich aber die Unzumutbarkeit einer Nachbesserung durch den Kläger aus dessen Verhalten gegenüber der Patientin. In seinem Widerspruchsschreiben vom 5. September 2012 an den Prothetik-Einigungsausschuss bezieht er sich auf die Mitwirkungspflicht der Patientin. Dieses Schreiben befindet sich in zwei Versionen in den Akten. In der Version, die der Klageschrift als Anlage K1 beigefügt worden ist, heißt es: "Ich traue Frau (Patientin) zu, dass sie bei der Okklusionsprüfung wissentlich falsch beißt, um die Kollegen aufs Glatteis zu führen". Die Kaumuskeln seien so zu deprogrammieren, dass die Patientin "keinen falschen Biss vortäuschen" könne. In dem Widerspruchsschreiben gleichen Datums, das sich in den Verwaltungsakten des Beklagten (S. 42, 43) findet, ist diese Passage etwas abgemildert. Der Kläger behauptet aber auch hier, die Patientin habe offenbar bei der Okklusionsprüfung falsch gebissen. Angesichts der durch zwei Sachverständige und zwei sachverständig besetzte Ausschüsse übereinstimmend festgestellten mangelhaften Arbeiten des Klägers und der Vielzahl erfolgloser Nachbesserungsversuche sieht der Senat darin ein Verhalten des Klägers, das entweder ein bereits zerstörtes Vertrauensverhältnis belegt oder jedenfalls geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt/Patientin künftig zu zerstören. Grundsätzlich kann den Zahnarzt ein unkooperatives Verhalten seines Patienten entlasten, etwa wenn ein Zahnersatz nicht getragen wird und deshalb der Behandlungserfolg ausbleibt. Dann müssten dafür aber greifbare Anhaltspunkte vorliegen, während der Kläger im Streitfall einen Verdacht gegenüber seiner Patientin äußert, dem jede Grundlage fehlt. Es erscheint dem Senat nicht nachvollziehbar, warum die Patientin den fehlenden Behandlungserfolg bewusst unwahr behaupten sollte und warum dies bei mehrfacher gutachterlicher Untersuchung der Patientin, die die mangelhafte Arbeit des Klägers belegt und dokumentiert, nicht auffallen sollte. Der Prothetik-Einigungsausschuss stellt in seinem Bescheid vom 6. August 2012 ausdrücklich fest, dass die Patientin ihrer Mitwirkungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Einer Patientin kann eine weitere Nachbesserung oder Neuanfertigung durch einen Zahnarzt, der ihr unterstellt, sie würde die Sachverständigen bewusst täuschen, nicht zugemutet werden.
3. Bedenken gegen die festgesetzte Schadenshöhe von 1.162,44 Euro bestehen nicht. Die Berechtigung dieser Summe ist von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen worden. Diese stellt den Kostenaufwand der Beigeladenen für die vergebliche Erstbehandlung sowie das Sachverständigenhonorar Dr. K. dar, wobei allerdings zu beachten ist, dass der Schaden an sich in dem erforderlichen zusätzlichen Aufwand für die Zweitbehandlung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2006, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass dieser geringer gewesen sein könnte als der Aufwand für die Erstbehandlung, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und 3 sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
5. Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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