L 2 R 90/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 11 R 744/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 90/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist ein Erstattungsanspruch wegen von der Klägerin aufgewandter Kosten für eine stationäre Leistung zur Kinderrehabilitation (Behandlungskosten nach Pflegesatz in Höhe von 3.925,60 Euro, Kosten für eine Begleitperson in Höhe von 1.201,48 Euro, Fahrkosten in Höhe von 39,70 Euro, insgesamt 5.166,78 Euro).

Die zur Pflegerin bestellte Stadt M. – Fachbereich Jugend – beantragte am 20. Februar 2012 in Vertretung für den am xxxxx 1980 geborenen, bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherten und bei der Beklagten gesetzlich rentenversicherten S.G. bei der Beklagten eine Leistung zur Kinderrehabilitation (Leistung zur Teilhabe für nichtversicherte Angehörige) für dessen am xxxxx 2006 geborene, zu der Zeit bei Pflegeeltern im Kinderhaus F. in R. lebende, über ihn bei der Klägerin familienversicherte Tochter A.S. (im Folgenden: A.S.). Diese leidet an einem Microcephalus (Fehlbildung des Schädels im Sinne einer Verkleinerung des Umfangs) mit Pachygyrie und Balkenmangel (Fehlbildungen des Gehirns) mit einer erheblichen psychomotorischen, psychomentalen und herausragenden sprachlich-expressiven Retardierung (Entwicklungsverzögerung). A.S. ist schwerbehindert mit einem anerkannten Grad der Behinderung von 90 (bis 20. April 2011: 80) sowie den Merkzeichen G, B und H. Des Weiteren ist sie schwerpflegebedürftig (Pflegestufe II nach dem bis Ende 2016 geltenden Recht).

Dem Antrag waren verschiedene ärztliche, logopädische und heilpädagogische Berichte beigefügt: - Die behandelnde Kinderärztin Dr. K. vertrat die Auffassung, dass bei drohender oder vorliegender Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Sprachheilrehabilitationsmaßnahme erforderlich sei und aussichtsreich erscheine. - Die Pflegemutter aus der Einrichtung Kinderhaus F. gab unter dem 25. Januar 2012 an, dass A.S. dort 2007 aufgenommen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe A.S. weder robben, noch sitzen noch wie andere Kinder feste Nahrung aufnehmen können und habe ausschließlich mit der Babyflasche ernährt werden müssen. Durch eine kontinuierliche Förderung im Kinderhaus im Zusammenhang mit verschiedenen Therapeuten wie Logopäden, Physiotherapeuten und Heilpädagogen des Früherkennungszentrums habe sich A.S. Stück für Stück entgegen ihrer negativen Anfangsprognose entwickeln können. Sie besuche im dritten Jahr die additive Kindertagesstätte Sonnenschein der Lebenshilfe in L. und erhalte dort ebenfalls eine gute Förderung durch entsprechendes Fachpersonal. A.S. könne nun gehen, laufen, hüpfen und klettern. Sie sei in der Lage, kleine Mengen fester Nahrung und einen Teil ihrer täglichen Flüssigkeitsmenge durch Trinken aus einem Becher aufzunehmen. Sie gebärde mit einfachen Kindergebärden und teile sich über Bildkarten mit, lautiere und fange an, immer mehr kürzere Wörter nachzusprechen. Eine Rehabilitationsmaßnahme vor der Einschulung im Sommer 2012 wäre für A.S. ideal, da sie sehr viel lautiere und sich bemühe, Namen anderer Kinder, mit denen sie zusammenlebe, nachzusprechen. Sie wende die Wörter "ja" und "nein" oft zielgerichtet an, spreche die Pflegeeltern mit "Mama" und "Papa" an und bilde erste einfache Dreiwortsätze. A.S. sei am 17. Januar 2012 in der Rehabilitationsklinik W. vorgestellt worden. Dort habe man sich eine Behandlung gut vorstellen können. - Die behandelnde Logopädin beschrieb die angewandte Therapie und bezeichnete deren Fortsetzung zur Sprachförderung als unbedingt erforderlich. - Das Früherkennungszentrum des Klinikums M. berichtete unter dem 28. Juni 2011 ausführlich die dort erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen mit einer erheblichen Entwicklungsverzögerung bei einem mittleren Niveau einer Zweieinhalbjährigen. Abschließend wurde ausgeführt, dass im Vorfeld der Einschulung zum Sommer 2012 in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme z.B. in der Rehaklinik W. erwogen werden sollte. Ziel sei es, A.S. eine wirkliche Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen und ihr Selbstvertrauen zu stärken. - Der behandelnde Physiotherapeut berichtete über Befund und Therapie. - Schließlich wurde der Befund aus einer Verlaufskontrolle in der Orthopädischen Klinik im A. der Medizinischen Hochschule H. vom 22. Juli 2011 eingereicht.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 leitete die Beklagte den Rehabilitationsantrag an die Klägerin weiter. Die Beklagte verwies darauf, dass es sich bei den möglicherweise in Betracht kommenden Leistungen nicht um solche im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Verbindung mit den Kinderheilbehandlungsrichtlinien der Rentenversicherung handele. Die Prüfung habe ergeben, dass zur Behandlung der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen könnten. In Anwendung des § 14 Absatz 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit der Gemeinsamen Empfehlung zur Zuständigkeitsklärung übersende die Beklagte daher die Antragsunterlagen.

Die Klägerin gab die Unterlagen (zweimal) an die Beklagte mit der Begründung zurück, jene habe wegen der Gleichrangigkeit zwischen den Trägern der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung bei Leistungen nach § 31 SGB VI den Antrag nicht weiter leiten dürfen, sondern über diesen als erstangegangener Träger entscheiden müssen. Nachdem die Beklagte ihre Auffassung bekräftigt hatte, wonach die Klägerin jedenfalls nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX für die Entscheidung über den Antrag zuständig sei, wurde die Kinderheilbehandlung in Form einer stationären Sprachintensivtherapie sodann zulasten der Klägerin im Zeitraum vom 14. November bis 12. Dezember 2012 in der Rehabilitationsklinik W. durchgeführt. In dem Entlassungsbericht vom 17. Januar 2013 wurde als Ergebnis der stationären Sprachintensivtherapie festgehalten, dass A.S. zunehmend eine bessere Luftstromlenkung und der Mundschluss gelungen seien. Die Identifikation und Diskrimination von Alltagsgeräuschen und Tiergeräuschen habe erweitert werden können. A.S. habe zum vermehrten Lautieren angeregt werden können und versuche nun, sich sprachlich mehr auszudrücken. Ein Kommunikationsgerät habe Erfolg versprechend getestet werden können. Fortschritte hätten sich zudem in den Bereichen Selbstvertrauen, Körpertonus und Gleichgewichtsfähigkeit gezeigt. A.S. habe grob- sowie feinmotorisch sicherer und handlungskompetenter werden können. Im Abschlussgespräch sei die begleitende Pflegemutter eingehend beraten worden. Empfohlen wurden die Verordnung einer elektronischen Kommunikationshilfe (Talker) und die Einarbeitung unter Begleitung einer Logopädin. A.S. solle in den gesamten Alltagstätigkeiten, dem motorischen Bereich, den Wahrnehmungsbereichen und der Feinmotorik/Graphomotorik weiterhin verstärkt therapeutisch unterstützt werden, um ihre Selbstständigkeit im Alltag zu erhöhen. Die Ergotherapie solle erneut aufgenommen werden, könne eventuell in der Schule durchgeführt werden. Dabei sollten die Eltern und Lehrer eng mit einbezogen werden, damit das Erlernte oder die Strategien im Alltag ebenfalls adäquat umgesetzt werden könnten.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2012 meldete die Klägerin bei der Beklagten dem Grunde nach einen Erstattungsanspruch an und beantragte mit Schreiben vom 6. Februar 2013 auch der Höhe nach die Erstattung der von ihr für die durchgeführte Kinderrehabilitation getragenen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 5.166,78 Euro (Pflegesatz für den Zeitraum vom 14. November bis 12. Dezember 2012 in Höhe von 3.925,60 Euro (28 Tage x 140,20 Euro) zuzüglich Kosten für eine Begleitperson in Höhe von 1.201,48 Euro (28 Tage x 42,91 Euro) zuzüglich Fahrkosten in Höhe von 39,70 Euro).

Die Beklagte erwiderte unter dem 21. Februar 2013, dass sie das Erstattungsbegehren der Klägerin nicht anerkenne. Die Beklagte habe den Antrag im Rahmen des § 14 SGB IX abgegeben, weil bei A.S. der medizinische Befund davon ausgehen lasse, dass das Kind niemals auf dem ersten Arbeitsmarkt eingesetzt werden könne. Eine Leistung durch die Beklagte sei demgemäß unter Beachtung des § 31 SGB VI in Verbindung mit § 10 SGB VI ausgeschlossen. Auch nach erneuter Auswertung der medizinischen Unterlagen müsse dieser Sachverhalt verneint werden, sodass die Zuständigkeit der Beklagten nicht gegeben sei und die fristgerechte Weiterleitung zu Recht erfolgt sei.

Nach einem weiteren Schriftwechsel (Schreiben der Klägerin vom 12. Mai 2012, Schreiben der Beklagten vom 26. Mai 2015), in dem beide Beteiligte an ihren jeweiligen Positionen festgehalten hatten, hat die Klägerin am 26. Mai 2015 beim Sozialgericht (SG) Hamburg Klage auf Zahlung von 5.166,78 Euro gegen die Beklagte erhoben und dabei die Auffassung vertreten, dass sich schon aus den rechtlichen Arbeitsanweisungen der Beklagten zu § 31 SGB VI ergebe, dass derjenige Kostenträger für eine Kinderrehabilitation als Rehabilitationsträger zuständig sei, bei dem die Leistung beantragt worden sei. Der Antrag sei bei der Beklagten gestellt worden. Ferner teile die Klägerin die Auffassung der Beklagten nicht, dass eine Leistung durch jene nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in Verbindung mit den Kinderheilbehandlungsrichtlinien an die spätere Erwerbsfähigkeit der Betroffenen auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt gebunden sein solle. Lediglich in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI bestehe ein Bezug zwischen Leistungen und der Eingliederung in das Erwerbsleben bzw. der Sicherung der Erwerbsfähigkeit. Für onkologische Nachsorgebehandlungen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI und stationäre Heilbehandlungen für Kinder nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI gelte dieser Bezug zur Erwerbsfähigkeit nicht. Das Kriterium des Einflusses der Rehabilitationsmaßnahme auf die spätere Erwerbsfähigkeit sei lediglich in § 2 Abs. 1 der Kinderheilbehandlungsrichtlinien aufgeführt. Diese Kinderheilbehandlungsrichtlinie, deren Rechtsgrundlage in § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI geregelt sei, nehme durch die zusätzliche Leistungsvoraussetzung bestimmte Kinder entgegen dem Wortlaut des Gesetzes vom Anwendungsbereich des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI aus. Die Klägerin sehe hierin einen Verstoß gegen höherrangiges Recht, wodurch die untergesetzliche Norm insoweit unwirksam sei. Vor diesem Hintergrund wirke das vorgebrachte Erfordernis einer Erwerbsfähigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt umso unverständlicher. Diese Auffassung der Beklagten würde dazu führen, dass die Rentenversicherung gar keine Rehabilitationsmaßnahmen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder leisten würde. Gerade in derartigen Fällen sei aber eine Rehabilitationsbeförderung zur Ermöglichung einer späteren Teilhabe am Arbeitsleben, gegebenenfalls in einer Werkstatt für Behinderte, erforderlich. Im Übrigen stelle sich die Frage, wie bei noch relativ jungen Kindern eine verlässliche Prognose hinsichtlich ihrer späteren Erwerbsfähigkeit erstellt werden könne.

Die Beklagte ist dem unter Hinweis auf die Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sowie die Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung für Kinderheilbehandlungen vom 5. September 1991 in der Fassung vom 17. Dezember 2012 (Kinderreha-Richtlinien) entgegengetreten. Danach sei eine Voraussetzung für die Erbringung einer Kinderrehabilitation für Kinder und Jugendliche, dass hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne und dies Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben könne. Diese Voraussetzungen lägen bei A.S. nicht vor. Die Kosten der durchgeführten Behandlung könnten folglich nicht erstattet werden.

Das SG hat über die Klage am 21. Juli 2016 mündlich verhandelt und ihr unter Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung mit Urteil vom selben Tag stattgegeben. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig; eines Vorverfahrens habe es nicht bedurft. Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Erstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe von insgesamt 5.166,78 Euro. Der Anspruch ergebe sich aus § 14 Abs. 4 SGB IX. Die Vorschrift treffe eine spezielle Regelung für den Erstattungsanspruch eines Leistungsträgers, der als zweitangegangener Träger nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB IX Leistungen erbringe, obwohl hierfür an sich ein anderer Träger für die Leistung zuständig gewesen wäre. § 14 Abs. 4 SGB IX sei lex specialis gegenüber den Erstattungsansprüchen nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 14/13 R). Die Klägerin habe für das Kind A.S. ein Heilverfahren in der Rehabilitationsklinik W. erbracht. Allerdings sei die Beklagte erstangegangener Träger des Antrages, den sie an die Klägerin mit der Begründung weitergeleitet habe, dass sie für die beantragte Leistung nicht zuständig sei. Diese Auffassung treffe nicht zu. Die Beklagte sei für die durchgeführte Rehabilitation zuständig gewesen. Es hätten sowohl die versicherungsrechtlichen als auch die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Kinderrehabilitation zulasten der Beklagten vorgelegen. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI werde eine Kinderheilbehandlung erbracht, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Soweit ersichtlich, seien die medizinischen Voraussetzungen für die Erbringung der Rehabilitationsleistung auch aus Sicht der Beklagten nicht strittig. Diese wende gegen ihre Leistungspflicht allein das Argument ein, dass sie nach ihren Richtlinien nicht zuständig sei, weil aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen des Kindes nicht zu erwarten sei, dass es jemals auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein werde. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 der Kinderreha-Richtlinien würden Kinderheilbehandlungen erbracht, wenn hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder eine beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne und dies Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben könne. Dieser Auffassung schließe sich die Kammer nicht an. Entgegen der Ansicht der Beklagten komme es auf das Merkmal "Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit" hinsichtlich der Durchführung einer Kinderrehabilitation nicht an. Die Erbringung der Leistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI stehe sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich des "Wie" der Erbringung im Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften bewirkten die Selbstbindung der Verwaltung und gäben dem Anspruchsberechtigten einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Habe ein Versicherungsträger über die Gewährung von Ermessensleistungen – wie vorliegend die Rentenversicherungsträger hinsichtlich der Durchführung von Kinderrehabilitation – Richtlinien erstellt, so sei die Verwaltung bei ihrer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung hieran grundsätzlich gebunden. Die Verwaltung übe ihr Ermessen im Allgemeinen dann fehlerfrei aus, wenn ihre Entscheidung dem objektiven Inhalt der in den Richtlinien festgelegten Normen entspreche. Eine solche Rechtswirkung im Außenbereich setze jedoch voraus, dass durch die Richtlinien selbst die Grenzen des Ermessens eingehalten seien und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sei (Hinweis auf BSG, Urteile vom 20. August 1970 – 1 RA 211/68 – und vom 1. September 2005 – B 3 KR 19/04 R). Insbesondere dürften bei einer Ermessensentscheidung keine Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art berücksichtigt werden, die nach Sinn und Zweck des zu vollstreckenden Gesetzes oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften oder allgemeiner Rechtsgrundsätze dabei keine Rolle spielen dürften (Hinweis auf SG Berlin, Urteil vom 29. September 2015 – S 208 KR 2197/14). Wie das SG Berlin in der angeführten Entscheidung weiterhin ausführe, seien diese an Verwaltungsvorschriften zu stellenden Voraussetzungen hinsichtlich des § 2 Abs. 1 Satz 1 Kinderreha-Richtlinien nicht erfüllt mit der Folge, dass die Prognose eines nicht anzunehmenden positiven Einflusses der Maßnahme auf die spätere Erwerbsfähigkeit die Rentenversicherungsträger nicht dazu berechtige, die Bewilligung einer Maßnahme abzulehnen. Dieser Auffassung schließe sich die erkennende Kammer in vollem Umfange an. Unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI handele es sich bei dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Kinderreha-Richtlinien genannten Erfordernis eines voraussichtlichen, positiven Einflusses der Rehabilitationsleistung auf die spätere Erwerbsfähigkeit um eine sachfremde Erwägung und entspreche nicht dem Zweck der Ermessensermächtigung in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Der Gesetzgeber habe im Unterschied zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB VI in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und hier insbesondere Nr. 4 ausdrücklich darauf verzichtet, einen Bezug zur Erwerbsfähigkeit herzustellen. Verzichte der Gesetzgeber aber auf die Normierung einer bestimmten Voraussetzung, könne nicht gerade diese Voraussetzung bei der Ermessensentscheidung ausgeglichen sein. Schließlich solle dieser Aspekt nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine Rolle spielen. Es könne daher angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, das Merkmal gerade nicht auch in die Nummern 3 und 4 aufzunehmen, auch nicht der Zweck der gesetzlichen Regelung darin bestehen, die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen positiv zu beeinflussen (Hinweis auf SG Berlin, a.a.O.; SG Fulda, Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2011 – S 1 R 352/08). Vielmehr werde in § 31 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bezüglich der Kinderheilbehandlungen ausdrücklich lediglich die Einhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch den Versicherten verlangt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der fehlende Bezug zur Erwerbsfähigkeit hinsichtlich der Kinderheilbehandlungen als bewusste Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Leistungsvoraussetzungen den Voraussetzungen, unter denen Leistungen gegenüber den Versicherten gewährt würden, entsprechen sollten, zu erkennen sei. Nach alledem halte § 2 Abs. 1 Satz 1 Kinderreha-Richtlinien mit der Forderung eines voraussichtlichen Einflusses auf die spätere Erwerbsfähigkeit die Ermessensgrenzen nicht ein und könne deshalb der Zuständigkeit der Beklagten nicht entgegenstehen. Letztlich dürfte auch die Beklagte diese Rechtsauffassung vertreten, denn diese führe selber in ihren Rehabilitationsberichten, beispielsweise von 2012 und 2014, aus, dass "gemäß dem Grundsatz "Reha vor Rente" bei der Mehrzahl der medizinischen Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung die Sicherung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten im Vordergrund steht. Für Tumorerkrankungen und Kinderrehabilitation ist dies jedoch keine notwendige Voraussetzung". Eine derartige Kinderrehabilitation sei sowohl vom Leistungskatalog der Beklagten (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) als auch von demjenigen der Klägerin (§ 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) umfasst. Ein Rangverhältnis zwischen den Leistungen bestehe dabei ausdrücklich nicht (§ 40 Abs. 4 SGB V). Die Leistungen stünden vielmehr gleichrangig nebeneinander, die Versicherten hätten mithin die Wahl, ob sie die Leistungen bei der Krankenversicherung oder der Rentenversicherung beantragten (Hinweis auf Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Beschluss vom 18. Dezember 2012 – L 5 R 369/12). Infolgedessen sei für die Leistungserbringung derjenige Träger zuständig, bei dem die versicherte Person die Kinderrehabilitation beantrage (so auch die Arbeitsanweisung der Deutschen Rentenversicherung zu § 31 SGB VI, R 5.2.1). Dieses sei die Beklagte gewesen. Der Erstattungsanspruch der Klägerin sei mithin in vollem Umfange zu erfüllen. Er richte sich nach den Rechtsvorschriften des Rehabilitationsträgers, der die Leistung erbracht habe, mithin also denen der Klägerin. Die Beklagte sei mithin verpflichtet, sowohl die Kosten der Rehabilitationsklinik, als auch die Kosten der Begleitperson sowie die Fahrtkosten an die Klägerin zu erstatten.

Gegen dieses ihr am 15. August 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. September 2016 eingelegte Berufung der Beklagten. Die pauschale Annahme des SG, dass stets und undifferenziert derjenige Träger die Leistungen der Kinderrehabilitation erbringe, bei dem sie zuerst beantragt worden seien, sei zwar verbreitet, aber unzutreffend. Denn nach § 40 Abs. 4 SGB V bestehe für diese Leistungen – im Gegensatz zu solchen zur Rehabilitation für Erwachsene – lediglich keine vorrangige Zuständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Die auf dieser Grundlage oftmals dargestellte "Gleichrangigkeit" gelte indes nur für die Leistungen, die Krankenversicherung und Rentenversicherung gleichermaßen erbringen könnten. Da die Rentenversicherung nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf der Grundlage von geltenden Richtlinien leiste, könne sich die Gleichrangigkeit nur auf das Vorliegen der Zugangsvoraussetzungen nach diesen Richtlinien beziehen. Die Auffassung des SG, dass das in den Kinderreha-Richtlinien normierte Erfordernis eines voraussichtlichen positiven Einflusses der Rehabilitationsleistung auf die spätere Erwerbsfähigkeit eine sachfremde Erwägung darstelle, die nicht als Begründung für eine Ablehnung der beantragten Leistung dienen dürfe, entspreche nicht der geltenden Rechtslage. Zwar stelle zumindest nach seinem Wortlaut § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Kinder (nur) auf die wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Gesundheit ab. Die gesetzliche Rentenversicherung habe diese Zielsetzung aber im Kontext zu ihrem originären erwerbsspezifischen Leistungsauftrag zu sehen, wie er sich auch bereits in den rehabilitationsrechtlichen Grundlagen der §§ 9 ff. SGB VI wiederfinde, nicht zuletzt in Abgrenzung zu den Leistungsaufträgen der anderen Träger im gegliederten Sozialleistungssystem. Im Ergebnis der ihr vom Gesetzgeber ausdrücklich eingeräumten Richtlinienkompetenz (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) konkretisiere die Rentenversicherung deshalb in ihren Kinderreha-Richtlinien den Bezug zu einer späteren Erwerbsfähigkeit. Soweit das SG die Auffassung vertrete, die Gesetzgebungsmaterialien böten hierfür keinen Anhalt, werde entgegnet, dass der Gesetzgeber bereits in der Gesetzesbegründung zu dem 1992 in Kraft getretenen SGB VI unter § 31 dargestellt habe, Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ermögliche dem Rentenversicherungsträger, " Kinderheilbehandlungen unter denselben Voraussetzungen und in demselben Umfang wie bisher durchzuführen ". Zuvor habe der Kinderrehabilitation durch die gesetzliche Rentenversicherung § 84 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) bzw. § 1305 Reichsversicherungsordnung (RVO) n.F.) zugrunde gelegen. Danach hätten unter anderem allgemeine Maßnahmen oder Einzelmaßnahmen zur Erhaltung oder Erlangung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten ihrer Angehörigen durchgeführt werden können, Kinderheilbehandlungen zur Beseitigung einer Gesundheitsgefährdung bzw. zur Besserung oder Wiederherstellung der Gesundheit aber nur in zahlenmäßig begrenztem Umfang. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI hätten die Rentenversicherungsträger über das Ob und Wie der Leistungserbringung auch heutzutage im konkreten Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei müssten sie sich an die hierzu im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) ergangenen Richtlinien halten. Würden in diesen Richtlinien weitere Voraussetzungen normiert, stelle dies nicht bereits einen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Eine Leistungserbringung ohne Berücksichtigung der dazu vorher mit Einwilligung des BMAS aufgestellten Richtlinien würde dagegen ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln darstellen. Der vom SG Hamburg herangezogenen (gegenteiligen) Auslegung der SGs Fulda und Berlin sei entgegenzuhalten, dass nicht erst die Richtlinien einzelne Kinder von Reha-Leistungen der Rentenversicherung ausnähmen, sondern bereits der gesetzlich definierte, erwerbsorientierte Leistungsrahmen der Rentenversicherung. Bei den angewendeten Kinderreha-Richtlinien handele es sich um vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene untergesetzliche Regelungen mit entsprechender Rechtswirkung. Der Leistungsträger kreiere hier nicht allein und gegebenenfalls unkontrolliert Parameter für sein Verwaltungshandeln, sondern er sei verpflichtet, über die Richtlinien und deren Inhalte das Benehmen mit den ihm übergeordneten Ministerium herzustellen, welches als oberste Bundesbehörde gewissermaßen den Gesetzgeber und dessen Willen repräsentiere. Soweit dieser Repräsentant keine Einwände gegen die Inhalte der jeweiligen Richtlinien erhebe, träten sie in Kraft und blieben für die ausführende Behörde verbindlich. Eine gerichtliche Überprüfung wäre demzufolge nach dem Dafürhalten der Beklagten darauf beschränkt zu untersuchen, ob der Träger sein Ermessen unter Beachtung der geltenden Richtlinien ausgeübt habe und ob die Grenzen Ermessensausübung eingehalten worden seien. Dass die Erwerbsbezogenheit bei der Kinderrehabilitation der Intention des Gesetzgebers entspreche, werde im Übrigen auch in dem (zur Zeit des Vortrags der Beklagten noch) geplanten Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung der Leistungen zur Teilhabe (Flexirentengesetz – FlexiG) deutlich. In dem (damaligen) Entwurf zu § 15a Abs. 1 SGB VI – neu – heiße es, die Träger der Rentenversicherung erbrächten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation u.a. für Kinder von Versicherten unter der Voraussetzung, dass hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit beseitigt oder die insbesondere durch chronische Erkrankungen beeinträchtigte Gesundheit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne und dies Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben könne. Das Gesetz übernehme somit den bereits in den geltenden Kinderreha-Richtlinien normierten Grundsatz und mache deutlich, dass die Auslegung des SG Hamburg gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Soweit die Klägerin hilfsweise auf die eventuelle Möglichkeit einer späteren Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen abstelle, werde darauf hingewiesen, dass für den Leistungsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung allein die spätere Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend und für die Feststellung einer Leistungsverpflichtung zu Grunde zu legen sei (Hinweis auf BSG, Urteile vom 16. Juni 2015 – B 13 R 12/14 R – und vom 23. Februar 2000 – B 5 RJ 8/99). Im Falle des Kindes A.S. sei aus sozialmedizinischer Sicht leider eine nachhaltige Besserung der aufgrund der Anomalie des Gehirns vorliegenden Funktionsstörungen und der damit einhergehenden ausgeprägten Behinderungen durch medizinische Rehabilitationsleistungen nicht zu erzielen. Die schwere angeborene Missbildung des Gehirns stelle keine therapierbare Erkrankung, sondern eine irreversible Behinderung des Kindes dar. Der Entlassungsbericht der Klinik H1 zeige auf, dass versucht worden sei, einzelne Symptome dieser Behinderung hinsichtlich der Schluckfähigkeit und der Mundmotorik zu lindern. Dies habe jedoch nur eingeschränkten Erfolg gehabt, an der bestehenden globalen geistigen Behinderung habe das nichts zu ändern vermocht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Juli 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt und vertieft ihren vorgerichtlichen und erstinstanzlichen Vortrag. Sie komme aufgrund der von der Beklagten geschilderten Gesetzeshistorie zu einer anderen Schlussfolgerung als die Beklagte. Trotz des erwerbsspezifischen Leistungsauftrages der Rentenversicherung habe der Gesetzgeber in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB VI das Erfordernis des Einflusses auf die Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung für eine Leistungserbringung ausdrücklich benannt. Lediglich in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3 und 4 SGB VI werde diese Voraussetzung nicht genannt. Es sei nicht erklärbar, warum genau in dieser Fallgestaltung, die naturgemäß noch am weitesten von einem Bezug zur Erwerbsfähigkeit entfernt sei, gerade nicht der erwerbsorientierte Leistungsrahmen auch ausdrücklich benannt worden sei, wenn er denn beabsichtigt oder gewünscht gewesen sei. Demzufolge könne die Frage, ob die Rehabilitationsmaßnahmen bei A.S. eine positive Auswirkung auf eine spätere Erwerbsfähigkeit haben würden, dahingestellt bleiben. Für A.S. sei der Rehabilitationsantrag im Hinblick auf ihre anstehende Einschulung gestellt worden. Es solle hier zunächst die bestmögliche Teilhabe am Schulunterricht erreicht werden. Grundsätzlich stelle sich die Frage, wie bei noch relativ jungen Kindern eine verlässliche Prognose hinsichtlich ihrer späteren Erwerbsfähigkeit erstellt werden könne. Es müsse also genügen, dass die Rehabilitationsmaßnahme geeignet sei, den Gesundheitszustand des Kindes zu verbessern oder eine Verschlechterung zu vermeiden. Die Beklagte hätte den Antrag auf Kinderrehabilitation nicht an die Klägerin weiterleiten dürfen, da deren Leistungspflicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI bestanden habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 22. Februar 2017 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund der Zulassung durch das SG statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr für die durchgeführte Kinderrehabilitationsbehandlung der A.S. getragenen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 5.166,78 Euro (Behandlungskosten nach Pflegesatz in Höhe von 3.925,60 Euro (§ 26 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 SGB IX), Kosten für eine Begleitperson in Höhe von 1.201,48 Euro sowie Fahrkosten in Höhe von 39,70 Euro (§ 53 Abs. 1 SGB IX)).

Der Erstattungsanspruch folgt aus § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Das SG führt zu Recht aus, dass ausschließlich diese Norm als lex specialis gegenüber den im SGB X (§§ 102 ff.) geregelten Erstattungsansprüchen als Anspruchsgrundlage des zweiteingegangenen Rehabilitationsträgers heranzuziehen ist (s.a. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 9. Oktober 2015 – L 2 R 6/14, NZS 2016, 71, m.w.N.). Danach erstattet der Rehabilitationsträger, dessen Zuständigkeit nach der Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX – also denjenigen, an den der Rehabilitationsantrag fristgerecht weitergeleitet worden ist – festgestellt wird, dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften.

Die Klägerin war vorliegend Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SGB IX. Dass sie auf dem vom Jugendamt für A.S. am 20. Februar 2012 bei der Beklagten eingereichten Reha-Antragsformular auf Seite 8 bereits am 26. Januar 2012 das Vorliegen einer Familienversicherung bescheinigte, macht sie nicht zum erstangegangen Träger. Denn die vertretene Klägerin entschied sich in Ausübung ihres Wahlrechts (s. dazu unten) bewusst dafür, sich wegen der Reha an die Beklagte zu halten und verwendete dementsprechend auch deren Antragsformular.

Die Beklagte war auch zuständiger Rehabilitationsträger für die in der Klinik W. durchgeführte Kinderreha der A. S. in Form der vom 14. November bis 12. Dezember 2012 durchgeführten stationären Sprachintensivtherapie nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der vor dem 14. Dezember 2016 geltenden Fassung (a.F.).

A.S. erfüllte zum Zeitpunkt der Leistungserbringung sowohl die versicherungsrechtlichen (über ihren Vater) als auch die persönlichen Voraussetzungen für die Rehabilitationsbehandlung, die weder in einer interdisziplinären Frühförderstelle noch in einem sozialpädiatrischen Zentrum als Komplexleistung ausgeführt wurde und konkret der Vorbereitung der Einschulung dienen sollte und wegen der aufgrund der mehrfachen Weiterleitung und Rückgabe des Reha-Antrags durch die Beteiligten dieses Rechtsstreits tatsächlich erst nach der Einschulung erfolgte, sodass die Zuständigkeit der Beklagten nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX als Leistung zur Früherkennung und Frühförderung ausgeschlossen war (vgl. §§ 1 ff. Frühförderungsverordnung (BGBl. I 2003, 998)).

Dass A. S. im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI durch die in der Klinik W. behandelte Sprachentwicklungsverzögerung erheblich in ihrer Gesundheit beeinträchtigt war und durch die Behandlung diese voraussichtlich wesentlich gebessert werden konnte, ergibt sich aus den bei der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen ärztlichen und sonstigen Unterlagen, die die Entwicklungsverzögerung von A. S., aber auch deren Entwicklungsmöglichkeiten beschreiben, die Sprachintensivtherapie dringend empfehlen und letztlich in Gestalt des Rehabilitationsberichts der Klinik W. auch die durch die Behandlung erzielten Fortschritte beschreiben. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

Soweit die Beklagte ihre Zuständigkeit allein deshalb verneint, weil nach ihrer Auffassung die Kinderrehabilitation keinen Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit von A. S. haben konnte, dies aber in § 2 Abs. 1 Kinderreha-Richtlinien ermessenslenkend wirksam zur Voraussetzung gemacht worden sei, vermag der Senat ihr ebenso wenig wie die Klägerin und das SG zu folgen.

Zu Recht schließt sich das SG den Ausführungen des SG Berlin in dessen Urteil vom 29. September 2015 (S 208 KR 2197/14, juris) an, wonach § 2 Abs. 1 Kinderreha-Richtlinien insoweit höherrangigem Recht, nämlich dem § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI a.F. widersprechen und daher unwirksam sind, als dort ein möglicher Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit verlangt wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe des SG (ebenfalls in diesem Sinne: LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.; SG Fulda, Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2011 – S 1 R 352/08, juris; Ramm/Willig/Welti in Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, www.reha-recht.de, Forum A – Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe – Diskussionsbeitrag Nr. 26/2012 – vom 20. November 2012).

Auch der erkennende Senat vermag der Ansicht der Beklagten nicht näher zu treten, dass die historische und systematische Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI a.F. nahelegten, dass die Aufnahme des Merkmals des Einflusses auf die spätere Erwerbsfähigkeit in § 2 Abs. 1 Kinderreha-Richtlinien nicht dem Gesetzeszweck zuwiderlaufe, sondern vielmehr dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI a.F. ergibt, dass mit dieser Vorschrift ermöglicht werden sollte, dass die Rentenversicherungsträger Kinderrehabilitation unter denselben Voraussetzungen und in demselben Umfang erbringen wie unter Geltung von § 1305 RVO und § 84 AVG. Es ist auch richtig, dass bereits die ab 1984 geltende Richtlinie der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für die Gewährung von Kinder- Heilbehandlungen den Bezug zur späteren Erwerbsfähigkeit herstellte (vgl. Ramm/Willig/Welti, a.a.O., m.N.), sodass man erwägen müsste zu unterstellen, dass dem Gesetzgeber dieses bei der Schaffung des SGB VI bekannt war und er dies in seinen Willen mit aufgenommen hat. Dagegen spricht, dass er erstmals mit dem Flexirentengesetz vom 8. Dezember 2016 (BGBl. I 2838) in dem neu geschaffenen § 15a SGB VI selbst formuliert hat, dass Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen zur Kinderrehabilitation durch die Träger der Rentenversicherung unter anderem sei, dass diese Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben könnten. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 18/9787, dort insbesondere S. 2, 32, 34) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber insoweit lediglich bislang geltendes Recht habe klarstellen wollen. Allerdings ergibt sich ebenfalls nicht, dass der Gesetzgeber davon ausging, insoweit eine Änderung des geltenden Rechts vorzunehmen. Nach Überzeugung des Senats hätte jedenfalls ein etwaiger zuvor bestehender diesbezüglicher Wille des Gesetzgebers nach der bisherigen Rechtslage keinen entsprechenden Ausdruck im Gesetz gefunden. Insbesondere kann angesichts der in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Gewaltenteilung nicht der Umstand, dass die Kinderreha-Richtlinien von der Beklagten im Einvernehmen mit dem BMAS als Teil der Exekutive erlassen werden, als Ausdruck des Willens der Legislative herangezogen werden. Vielmehr ist mit Ramm/Willig/Welti (a.a.O.) darauf zu verweisen, dass die Vorschriften für die Rentenversicherung zur Zuständigkeit für die Erbringung von Kinderrehabilitation auch schon zu einem Zeitpunkt, als diese noch ausschließlich war und eine Zuständigkeit der Krankenkassen gar nicht bestand, praktisch denjenigen entsprachen, die letztlich bis Dezember 2016 galten und insoweit anders als für daneben aufgezählte Leistungen lediglich die voraussichtliche Beseitigung einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit oder eine wesentliche Besserung oder Wiederherstellung einer beeinträchtigten Gesundheit machten, ohne auf eine voraussichtliche Verbesserung, Erhaltung oder Erlangung der Erwerbsfähigkeit abzustellen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass auch die unter der Geltung von § 84 AVG ab 1984 erlassenen Kinderreha-Richtlinien insoweit höherrangigem Recht zuwiderliefen und daher nichtig waren.

Selbst wenn man § 2 Abs. 1 Satz 1 Kinderreha-Richtlinien, die vorliegend zwar nicht in der Fassung vom 17. Dezember 2012, sondern in der vorhergehenden, insoweit jedoch identischen Fassung, für wirksam halten und als persönliche Voraussetzung für die Gewährung einer Kinderrehabilitation durch die Beklagte auch verlangen wollte, dass diese Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit haben könne, änderte sich vorliegend an der Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen durch A.S. und die dadurch begründete Zuständigkeit der Beklagten nichts.

Die streitgegenständliche Behandlung sollte die Sprachfähigkeit von A.S. verbessern und damit die unmittelbar bevorstehende bzw. tatsächlich dann kurz zuvor erfolgte Einschulung erleichtern. Die Schul- und Ausbildungsfähigkeit begründet jedoch bereits einen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Kinderreha-Richtlinien hinreichenden Zusammenhang mit der späteren Erwerbsfähigkeit (Haak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 31 Rn. 33.1, m.w.N.).

Im Übrigen vermag der Senat der Beklagten nicht darin zu folgen, dass aufgrund einer Beurteilung nach Aktenlage durch ihren sozialmedizinischen Dienst unter Verwertung der auch dem Senat vorliegenden ärztlichen und sonstigen Berichte davon ausgegangen werden könne, dass A.S. nicht erwerbsfähig werden könne. In den vorliegenden Unterlagen wird vielmehr ein nicht unerheblicher Fortschritt im Alter zwischen eineinhalb und 6 Jahren bei unmittelbar bevorstehender Einschulung beschrieben. Je jünger das Kind ist, desto schwieriger ist es zu prognostizieren, ob sich eine Rehabilitation langfristig positiv auf die Erwerbsfähigkeit auswirken wird, wobei zu bedenken ist, dass diese nicht nur von den Fähigkeiten des Betroffenen abhängt, sondern auch davon, welche Leistungen behinderten Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen (Ramm/Willig/Welti, a.a.O.). Dabei kann selbst bei einem behinderten Menschen, der allein keine Erwerbsfähigkeit erlangen könnte, mit Hilfe von Mitteln sachlicher oder auch personaler Art – wie zum Beispiel der Unterstützung der bei demselben Arbeitgeber tätigen eigenen Mutter (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 1990 – 5 RJ 68/88, BSGE 67,1) – jedenfalls für den Zeitraum, in dem das Hilfsmittel zur Verfügung steht, Erwerbsfähigkeit und damit Versicherungspflicht für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eintreten. Dementsprechend hat auch der Gesetzgeber in den Materialien zum Flexirentengesetz (a.a.O., S. 34) ausdrücklich formuliert, dass die persönlichen Voraussetzungen nach dem neuen § 15a Abs. 1 Satz 2 SGB VI, soweit ein Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit verlangt wird, auch bei behinderten Kindern vorliegen, deren zukünftige Erwerbsfähigkeit nicht ausgeschlossen ist. Dies traf nach Überzeugung des Senats vorliegend bei A.S. jedenfalls zum Zeitpunkt der Beantragung und Durchführung der streitgegenständlichen Kinderrehabilitation zu.

Da die Beklagte demnach zuständiger Rehabilitationsträger war, hätte sie den bei ihr gestellten Antrag nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX an die grundsätzlich nach § 40 Abs. 2 SGB V ebenfalls und nach § 40 Abs. 4 SGB V gleichrangig neben der Beklagten (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 18. Dezember 2012 – L 5 R 369/12, juris; jeweils m.w.N) zuständige Klägerin weiterleiten dürfen. Eine solche Vorgehensweise widerspricht sowohl dem Regelungszweck des § 14 SGB IX, zu einer schnellen Zuständigkeitsklärung gegenüber den behinderten Menschen zu kommen, als auch dem Ziel, das gegliederte Sozialsystem zu erhalten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen,a.a.O., m.w.N.). Da der Versicherte bei gleichrangig nebeneinander stehenden Leistungen die Wahl hat, ob er Leistungen zulasten der Krankenversicherung oder zulasten des Rentenversicherungsträgers in Anspruch nehmen will (vgl. Sächsisches LSG, a.a.O.), hat die Klägerin vorliegend, vertreten durch das Jugendamt, mit der Antragstellung ihr Wahlrecht (vgl. § 9 SGB IX, § 33 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) in Richtung der Beklagten mit der Folge ausgeübt, dass sich die zuvor bestehende gleichrangige Zuständigkeit der Beteiligten gewandelt hat zu einer Zuständigkeit der Beklagten. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Klägerin der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zusteht. Für die vom LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) ebenfalls in Erwägung gezogene Kostenteilung der Träger ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere kann vor dem Hintergrund keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (mehr) angenommen werden, dass die streitentscheidende Norm durch das Flexirentengesetz vom 8. Dezember 2016 wesentlich geändert worden ist.
Rechtskraft
Aus
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