Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 47 AL 405/12 WA
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 1/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der Entscheidung in der Hauptsache wie folgt gefasst wird: Es wird festgestellt, dass das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 47 AL 302/08 durch Klagerücknahme erledigt ist. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich der Sache nach gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten.
Mit Bescheid vom 25. August 1998 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 6. August 1998 teilweise auf mit der Begründung, nach einer Änderung seiner Lohnsteuerklasse (von III auf II mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998) habe dem Kläger wöchentlich nur mehr ein Betrag von 433,02 DM anstelle der geleisteten 488,11 DM zugestanden. Die auf diese Weise entstandene Überzahlung von 1.711,66 DM habe der Kläger zu erstatten. Den hiergegen am 2. September 1998 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1999 zurück.
Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Hamburg Klage erhoben. Die Klage ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 12 AL 112/99 geführt worden. Der Kläger hat ausgeführt, die Änderung der Steuerklasse hätte erst mit Wirkung zum 5. Juli 1998 erfolgen dürfen. Mit Beschlüssen vom 4. Februar 2002 und 26. März 2002 hat das SG das Ruhen des Verfahrens mit der Begründung angeordnet, dem Kläger solle Gelegenheit gegeben werden, eine entsprechende Änderung seiner Lohnsteuerklasse zu erreichen. Im April 2004 ist das Klageverfahren statistisch ausgetragen worden. Im November 2005 hat das Finanzgericht (FG) Hamburg mitgeteilt, dass das dortige Verfahren erledigt sei.
Die Beklagte hat am 7. Mai 2008 die Fortführung des Verfahrens beantragt und ausgeführt, die vom Kläger vor dem FG Hamburg angestrengte Klage auf Änderung der Lohnsteuerklasse sei offenbar ohne Erfolg geblieben. Auf die Bitte der Beklagten, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG zu übersenden, habe der Kläger nicht reagiert. Das SG hat das Verfahren – nunmehr unter dem Aktenzeichen S 47 AL 302/08 – fortgeführt und im Juli 2008 zum Erörterungstermin geschrieben. Mit Schreiben des Kammervorsitzenden vom 25. November 2011 hat das SG den Kläger aufgefordert, den in seiner Sache ergangenen Beschluss des BFH vorzulegen. Es hat angefragt, ob der Kläger noch an einer Fortführung des Rechtsstreits interessiert sei. Unter dem 6. Dezember 2011 hat das SG – offenbar auf Wunsch des Klägers – diesem eine Ablichtung der Klageschrift und des Widerspruchsbescheides übersandt und erneut nachgefragt, ob noch Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens bestehe.
Am 19. Januar 2012 hat der Kammervorsitzende in einer mit vollem Namen unterzeichneten Verfügung angeordnet, dass dem Kläger folgendes Schreiben übersandt wurde:
"Sehr geehrter Herr S.,
das Gericht hatte mit Schreiben vom 28. November 2011 sowie vom 6. Dezember 2011 angefragt, ob das Klageverfahren, das seinen Grund in einem Vorgang aus dem Jahr 1998 hat, fortgeführt werden soll. Bislang haben Sie hierzu keine Erklärung abgegeben.
Besteht noch Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens?
Sie werden gebeten, das Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Zustellung dieses Schreibens durch Erklärung zur Fortsetzung und ggf. der Abgabe einer weitergehenden Begründung zu betreiben.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gilt, wenn das Verfahren nach Zustellung dieser Aufforderung länger als drei Monate nicht betrieben wird.
gez. Vorsitzender Kammer
Ausgefertigt worden ist das Schreiben am 24. Januar 2012. Nachdem am 25. Februar 2012 noch keine Zustellungsnachweise eingegangen waren, hat der Kammervorsitzende am 27. Februar 2012 erneut die Zustellung des Schreibens, diesmal unter dem Datum 29. Februar 2012 verfügt. Ausweislich einer am 5. März 2012 zu den Akten des Gerichts gelangten Postzustellungsurkunde hat der Zusteller das Schreiben am 1. März 2012 zu übergeben versucht und es – da eine Übergabe nicht möglich gewesen sei – in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung gelegt. Nachdem der Kläger nicht reagiert hatte, hat das SG das Klageverfahren am 22. Juni 2012 als durch Rücknahme erledigt ausgetragen.
Am 9. Juli 2012 hat sich der Kläger an das SG gewandt und erklärt, ihm liege keine Betreibensaufforderung vor. Die Klage werde nicht zurückgenommen. Er hat nähere Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht und seinen Schwerbehindertenausweis sowie ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners (vom 8. November 2011) vorgelegt, in dem die Diagnosen unkenntlich gemacht worden waren. Der Kläger sei nach seiner Rückkehr aus einer Krankenhausbehandlung "gesundheitlich und auch sonst" nicht in der Lage gewesen, das Verfahren "ohne gerichtliche Hilfe" fortzusetzen. Er sei "überwiegend bettlägerig" und könne nicht "ohne weiteres lesen, schreiben, mit einem Aktenstück umgehen".
Das SG hat das Verfahren nunmehr unter dem Aktenzeichen S 47 AL 405/12 WA geführt und durch Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 (dem Kläger zugestellt am 30. November 2016) die Klage abgewiesen. Es sei festzustellen, dass das Klageverfahren durch fiktive Klagerücknahme seine Beendigung gefunden habe. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG lägen vor. Der Kläger habe das Verfahren ungeachtet der gerichtlichen Aufforderung zweifelsfrei mehr als drei Monate lang nicht betrieben. Zwischen der Zustellung der Betreibensaufforderung am 1. März 2012 und der Austragung des Verfahrens am 21. Juni 2012 habe er überhaupt nicht reagiert. Er habe weder die gewünschten inhaltlichen Einlassungen abgegeben, noch habe er Hinderungsgründe mitgeteilt.
Die Betreibensaufforderung vom 29. Februar 2012, die der Kläger nicht befolgt habe, sei ordnungsgemäß gewesen. Sie sei vom Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet gewesen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 58/09 R). Die inhaltlichen Anforderungen seien gewahrt, insbesondere seien die in § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG genannten Hinweise enthalten gewesen. Schließlich sei die Betreibensaufforderung dem Kläger auch nachweislich (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 13. Juli 2016 – L 6 R 149/16 zum Erfordernis des Zustellungsnachweises) am 1. März 2012 zugegangen.
Es habe auch ausreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung bestanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Hinweis auf Kammerbeschluss vom 19. Mai 1993 – 2 BvR 1972/92) müssten bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestehen, die den späteren Eintritt der Fiktion vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG als gerechtfertigt erscheinen ließen. Ob das der Fall sei, sei vom Einzelfall abhängig.
Hier sprächen die Gesamtumstände dafür, einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Das Gericht stütze diese Einschätzung darauf, dass der Kläger im Jahr 2011 mehrere gerichtliche Anfragen überhaupt nicht beantwortet habe. Zwar möge nicht jede Untätigkeit oder jede Nichtbeachtung einer gerichtlichen Anfrage automatisch Anhaltspunkte für ein mangelndes Interesse des Klägers sprechen. Habe das Gericht aber konkrete Auflagen zu bestimmten verfahrensfördernden Handlungen verfügt, die es vom Kläger verlange, so werde das vollständige Ausbleiben einer klägerseitigen Reaktion für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses sprechen (Hinweis auf Hessisches LSG, Beschluss vom 17. August 2015 – L 6 AS 659/14 B; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. Dezember 2009 – L 5 R 884/09). Diese Anforderungen seien hier erfüllt. Das Gericht habe mit seiner Verfügung vom 25. November 2011 dem Kläger konkret mitgeteilt, welche Information und Unterlagen es benötige, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Informationen entscheidungserheblich seien.
Dass die Entscheidung des BFH über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers im finanzgerichtlichen Rechtsstreit für das hier in Rede stehende Verfahren über die Rückforderung von "Arbeitslosengeld" [recte: Arbeitslosenhilfe] von Bedeutung sei, folge aus dem Umstand, dass die Höhe von "Arbeitslosengeld" auch von der Lohnsteuerklasse des Versicherten abhängig sei (Hinweis auf die §§ 36, 137, 195, 198 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] in der 1998 geltenden Fassung). Wenn das Gericht die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer "Arbeitslosengeldbewilligung" und eines Rückforderungsbegehrens zu prüfen habe, dann gehe dies nicht ohne zutreffende Angaben zur Lohnsteuerklasse des Klägers. Ohne die Vorlage einer finanzgerichtlichen Entscheidung zu dieser – zeitweise offenen – Frage habe eine Sachentscheidung über den Bezug von SGB-III-Leistungen nicht getroffen werden können.
Der Kläger hat am 29. Dezember 2016 Berufung eingelegt und diese nicht näher begründet.
Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Der Senat hat am 5. April 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Der per Postzustellungsurkunde vom 1. März 2017 geladene Kläger ist zum Termin nicht erschienen. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Sache entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß zum Termin geladen worden und ordnungsgemäß über die möglichen Folgen seines Ausbleibens belehrt worden ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 126 Rn. 4).
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat in dem mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend darauf erkannt, dass über die am 22. Januar 1999 erhobenen Klage, die sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1999 richtete und die zunächst unter dem Aktenzeichen S 12 AL 112/99 und später unter dem Aktenzeichen S 47 AL 302/08 anhängig war, in der Sache nicht mehr zu entscheiden ist. Zwar hat das SG im Tenor des Gerichtsbescheides vom 28. November 2016 die Klage ausdrücklich abgewiesen, allerdings ergibt sich aus den Entscheidungsgründen eindeutig, dass es die genannte Klage als durch Rücknahme erledigt angesehen hat. Dass es die Erledigung nicht auch im Tenor festgestellt hat, begründet keine eigene Beschwer auf Seiten des Klägers und eröffnet insbesondere keine erneute Prüfung in der Sache. Ebenso ist im Übrigen unbeachtlich, dass das SG in seiner Entscheidung durchgängig irrtümlich angenommen hat, es sei der Sache nach um Arbeitslosengeld und nicht um Arbeitslosenhilfe gegangen.
Das Sozialgericht hat zutreffend die Erledigung der Klage durch Rücknahme angenommen. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache. Eine Klagerücknahme hat der Kläger nicht erklärt, allerdings gilt die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Voraussetzungen dieser Klagerücknahmefiktion haben vorgelegen. Der Kläger hat das Klageverfahren trotz Aufforderung durch das Sozialgericht länger als drei Monate nicht betrieben.
Den förmlichen Anforderungen an die Betreibensaufforderung hat das SG genügt. Die Betreibensaufforderung enthielt insbesondere den in § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG angeordneten Hinweis auf die Rechtsfolge des § 102 Abs. 1 SGG. Einen Hinweis auf die Rechtsfolge der im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Vorschriften in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VwGO brauchte sie hingegen nicht zu enthalten. Weiterhin muss die Betreibensaufforderung vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden, eine Paraphe genügt als Unterschrift nicht. Ebenso muss die § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift diesen Umstand erkennen lassen, das heißt durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 58/09 R, BSGE 106, 254 = juris, Rn. 49). Die vom 19. Januar 2012 datierende Betreibensaufforderung ist ausweislich der Prozessakte vom zuständigen Richter mit vollem Namen unterzeichnet worden. Nachdem Zustellnachweise am 25. Februar 2012 nicht vorlagen, hat der Richter am 27. Februar 2012 erneut die Zustellung verfügt. Eine in den Akten enthaltene Leseabschrift der nun unter dem 29. Februar 2012 versandten Betreibensaufforderung trägt maschinenschriftlich nach der Abkürzung "gez." den Namen des Richters. Sie ist ausweislich der in den Akten enthaltenen Postzustellungsurkunde am 1. März 2012 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten gelegt worden.
Soweit der Kläger eingewandt hat, ihm liege die Betreibensaufforderung nicht vor, dringt er hiermit nicht durch. Die Betreibensaufforderung ist ihm am 1. März 2012 wirksam zugestellt worden. Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, übergibt die Geschäftsstelle gemäß § 176 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag und ein vorbereitetes Formular einer Zustellungsurkunde. Gemäß den §§ 176 Abs. 2, 180 ZPO in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Schriftstück, wenn die Zustellung durch Übergabe an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigten Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner in der Wohnung des Adressaten oder an eine in den Geschäftsräumen des Adressaten beschäftigte Person nicht ausführbar ist, in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung. Die Anforderungen an den Inhalt der Zustellungsurkunde regelt § 182 Abs. 2 ZPO (hier i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). Diesbezügliche Mängel sind weder gerügt noch ersichtlich. Die Zustellungsurkunde ist – wie sich aus den §§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 Abs. 1 ZPO (hier i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG) ergibt – eine öffentliche Urkunde und begründet vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, der nur durch Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens widerlegt werden kann (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auf. 2016, § 182 Rn. 1 m.w.N.). Einen entsprechenden Beweis hat der Kläger nicht einmal angetreten, geschweige denn erbracht.
Auch die materiellen Voraussetzungen der Klagerücknahmefiktion lagen vor. Das Verhalten des Klägers bot – wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 58/09 R, BSGE 106, 254 = juris, Rn. 40, unter Hinweis auf die Rspr. des Bundesverfassungsgerichts u.a. zu § 92 VwGO: BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 – 2 BvR 2662/95, DVBl 1999, 166) – Anlass zu der Annahme, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen war. Der Kläger hatte sich im Wesentlich darauf berufen, die Finanzverwaltung habe auf seiner Lohnsteuerkarte eine unzutreffende Steuerklasse eingetragen. Dementsprechend wurde durch Beschlüsse vom 4. Februar 2002 und 26. März 2002 das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, einen Anspruch auf Änderung der Lohnsteuerkarte zu verfolgen. Im Jahr 2005 erhielt das Sozialgericht sodann Kenntnis davon, dass ein Verfahren vor dem FG Hamburg Verfahren (Az. II 95/05) anhängig war. Im November 2005 teilte das FG Hamburg mit, das Verfahren sei abgeschlossen.
Zur Fortsetzung des Klageverfahrens kam es, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, das Urteil des FG sei nach einer Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers inzwischen möglicherweise rechtskräftig. Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht den Kläger mit Schreiben vom 28. November 2011 aufgefordert, die Entscheidung des BFH über seine Nichtzulassungsbeschwerde zu übersenden und mitzuteilen, ob noch Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens bestehe. Zu diesem Zeitpunkt lag die letzte Äußerung des Klägers in der Sache bereits beinahe zehn Jahre zurück. In Anbetracht dessen, dass der Kläger sich nicht auf eine für ihn positive Entscheidung der Finanzgerichte berufen hatte, lag die Annahme nahe, dass er dort unterlegen war und sich infolge des Arguments, mit dem er die Klage vor dem Sozialgericht im Wesentlichen begründet hatte, beraubt sah. Somit bestand Anlass zur Nachfrage, ob der Kläger das Verfahren überhaupt noch fortführen wolle. Der Kläger hat auf diese Nachfrage sowie auf ein weiteres Schreiben des SG vom 6. Dezember 2011 nicht reagiert.
Der Kläger hat auch auf die ihm am 1. März 2012 zugestellte Betreibensaufforderung nicht fristgerecht reagiert. Hierbei musste ihm aus der Betreibensaufforderung klar sein, was von ihm erwartet wurde, denn diese bezog sich ausdrücklich auf die Anfragen des Gerichts vom 28. November 2011 und vom 6. Dezember 2011, so dass es genügt hätte, den Sachstand des finanzgerichtlichen Verfahrens mitzuteilen und sich dazu zu äußern, ob das Verfahren fortgesetzt werden solle. Soweit der Kläger dem entgegenhält, er habe nicht fristgerecht reagieren können, dringt er hiermit nicht durch.
Eine Wiedereinsetzung in die in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG normierte dreimonatige Betreibensfrist kommt nicht in Betracht. § 67 Abs. 1 SGG ermöglicht die Wiedereinsetzung in eine versäumte gesetzliche Verfahrensfrist. Bei der Frist aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG handelt es sich indes um eine im Interesse der Rechtssicherheit gesetzte Ausschlussfrist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 22. Januar 2016 – L 19 AS 1863/15 B, juris, Rn. 13, vom 28. August 2015 – L 16 KR 224/15 B, juris, Rn. 11, und vom 12. Oktober 2012 – L 19 AS 1437/12 B, juris, Rn. 17; zur Parallelvorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2007 – 8 B 51/07, juris, Rn. 4, und aus neuerer Zeit etwa OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 1 L 244/12, juris, Rn. 13), die der Wiedereinsetzung nur im Falle höherer Gewalt zugänglich ist (BVerwG, a.a.O.). Letztere wiederum setzt voraus, dass sämtliche Umstände, die für die Frage nach einem Fristversäumnis infolge höherer Gewalt relevant sind, grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist aus § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG substantiiert und schlüssig dargelegt werden (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., juris, Rn. 14 zur entsprechenden Rechtslage nach der VwGO). Der Kläger hat diesen Erfordernissen nicht genügt, sondern zunächst (mit Schreiben vom 5. Juli 2012, bei Gericht eingegangen am 9. Juli 2012) lediglich ausgeführt, er sei nach seiner Rückkehr aus einer Krankenhausbehandlung (zu der jede nähere Angabe fehlt) "gesundheitlich und auch sonst" nicht in der Lage, das Verfahren "ohne gerichtliche Hilfe" fortzusetzen. Derartig nebulöses Vorbringen vermag genügt weder den Anforderungen an die Darlegung höherer Gewalt noch den insoweit niedrigeren Voraussetzungen aus § 67 Abs. 1 SGG. Auch soweit der Kläger später – mit Schreiben vom 13. September 2012 – ausgeführt hat, er sei "überwiegend bettlägerig" und könne nicht "ohne weiteres lesen, schreiben, mit einem Aktenstück umgehen", genügt dies ebenso wenig wie ein ärztliches Attest aus dem Jahr 2011, in dem die Diagnosen unkenntlich gemacht wurden. All dies gilt umso mehr, als das Gericht dem Kläger mit Schreiben vom 28. November 2011 detaillierte Angaben dazu gemacht hatte, welche Angaben von ihm erwartet wurden. Dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen wäre, den Sachstand seines Verfahrens vor dem BFH mitzuteilen – verbunden mit einem Hinweis, er halte an seiner Klage fest – ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe die für Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich der Sache nach gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten.
Mit Bescheid vom 25. August 1998 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 6. August 1998 teilweise auf mit der Begründung, nach einer Änderung seiner Lohnsteuerklasse (von III auf II mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998) habe dem Kläger wöchentlich nur mehr ein Betrag von 433,02 DM anstelle der geleisteten 488,11 DM zugestanden. Die auf diese Weise entstandene Überzahlung von 1.711,66 DM habe der Kläger zu erstatten. Den hiergegen am 2. September 1998 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1999 zurück.
Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Hamburg Klage erhoben. Die Klage ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 12 AL 112/99 geführt worden. Der Kläger hat ausgeführt, die Änderung der Steuerklasse hätte erst mit Wirkung zum 5. Juli 1998 erfolgen dürfen. Mit Beschlüssen vom 4. Februar 2002 und 26. März 2002 hat das SG das Ruhen des Verfahrens mit der Begründung angeordnet, dem Kläger solle Gelegenheit gegeben werden, eine entsprechende Änderung seiner Lohnsteuerklasse zu erreichen. Im April 2004 ist das Klageverfahren statistisch ausgetragen worden. Im November 2005 hat das Finanzgericht (FG) Hamburg mitgeteilt, dass das dortige Verfahren erledigt sei.
Die Beklagte hat am 7. Mai 2008 die Fortführung des Verfahrens beantragt und ausgeführt, die vom Kläger vor dem FG Hamburg angestrengte Klage auf Änderung der Lohnsteuerklasse sei offenbar ohne Erfolg geblieben. Auf die Bitte der Beklagten, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG zu übersenden, habe der Kläger nicht reagiert. Das SG hat das Verfahren – nunmehr unter dem Aktenzeichen S 47 AL 302/08 – fortgeführt und im Juli 2008 zum Erörterungstermin geschrieben. Mit Schreiben des Kammervorsitzenden vom 25. November 2011 hat das SG den Kläger aufgefordert, den in seiner Sache ergangenen Beschluss des BFH vorzulegen. Es hat angefragt, ob der Kläger noch an einer Fortführung des Rechtsstreits interessiert sei. Unter dem 6. Dezember 2011 hat das SG – offenbar auf Wunsch des Klägers – diesem eine Ablichtung der Klageschrift und des Widerspruchsbescheides übersandt und erneut nachgefragt, ob noch Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens bestehe.
Am 19. Januar 2012 hat der Kammervorsitzende in einer mit vollem Namen unterzeichneten Verfügung angeordnet, dass dem Kläger folgendes Schreiben übersandt wurde:
"Sehr geehrter Herr S.,
das Gericht hatte mit Schreiben vom 28. November 2011 sowie vom 6. Dezember 2011 angefragt, ob das Klageverfahren, das seinen Grund in einem Vorgang aus dem Jahr 1998 hat, fortgeführt werden soll. Bislang haben Sie hierzu keine Erklärung abgegeben.
Besteht noch Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens?
Sie werden gebeten, das Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Zustellung dieses Schreibens durch Erklärung zur Fortsetzung und ggf. der Abgabe einer weitergehenden Begründung zu betreiben.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zurückgenommen gilt, wenn das Verfahren nach Zustellung dieser Aufforderung länger als drei Monate nicht betrieben wird.
gez. Vorsitzender Kammer
Ausgefertigt worden ist das Schreiben am 24. Januar 2012. Nachdem am 25. Februar 2012 noch keine Zustellungsnachweise eingegangen waren, hat der Kammervorsitzende am 27. Februar 2012 erneut die Zustellung des Schreibens, diesmal unter dem Datum 29. Februar 2012 verfügt. Ausweislich einer am 5. März 2012 zu den Akten des Gerichts gelangten Postzustellungsurkunde hat der Zusteller das Schreiben am 1. März 2012 zu übergeben versucht und es – da eine Übergabe nicht möglich gewesen sei – in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung gelegt. Nachdem der Kläger nicht reagiert hatte, hat das SG das Klageverfahren am 22. Juni 2012 als durch Rücknahme erledigt ausgetragen.
Am 9. Juli 2012 hat sich der Kläger an das SG gewandt und erklärt, ihm liege keine Betreibensaufforderung vor. Die Klage werde nicht zurückgenommen. Er hat nähere Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht und seinen Schwerbehindertenausweis sowie ein Attest des behandelnden Allgemeinmediziners (vom 8. November 2011) vorgelegt, in dem die Diagnosen unkenntlich gemacht worden waren. Der Kläger sei nach seiner Rückkehr aus einer Krankenhausbehandlung "gesundheitlich und auch sonst" nicht in der Lage gewesen, das Verfahren "ohne gerichtliche Hilfe" fortzusetzen. Er sei "überwiegend bettlägerig" und könne nicht "ohne weiteres lesen, schreiben, mit einem Aktenstück umgehen".
Das SG hat das Verfahren nunmehr unter dem Aktenzeichen S 47 AL 405/12 WA geführt und durch Gerichtsbescheid vom 28. November 2016 (dem Kläger zugestellt am 30. November 2016) die Klage abgewiesen. Es sei festzustellen, dass das Klageverfahren durch fiktive Klagerücknahme seine Beendigung gefunden habe. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG lägen vor. Der Kläger habe das Verfahren ungeachtet der gerichtlichen Aufforderung zweifelsfrei mehr als drei Monate lang nicht betrieben. Zwischen der Zustellung der Betreibensaufforderung am 1. März 2012 und der Austragung des Verfahrens am 21. Juni 2012 habe er überhaupt nicht reagiert. Er habe weder die gewünschten inhaltlichen Einlassungen abgegeben, noch habe er Hinderungsgründe mitgeteilt.
Die Betreibensaufforderung vom 29. Februar 2012, die der Kläger nicht befolgt habe, sei ordnungsgemäß gewesen. Sie sei vom Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet gewesen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 58/09 R). Die inhaltlichen Anforderungen seien gewahrt, insbesondere seien die in § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG genannten Hinweise enthalten gewesen. Schließlich sei die Betreibensaufforderung dem Kläger auch nachweislich (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 13. Juli 2016 – L 6 R 149/16 zum Erfordernis des Zustellungsnachweises) am 1. März 2012 zugegangen.
Es habe auch ausreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung bestanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Hinweis auf Kammerbeschluss vom 19. Mai 1993 – 2 BvR 1972/92) müssten bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestehen, die den späteren Eintritt der Fiktion vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG als gerechtfertigt erscheinen ließen. Ob das der Fall sei, sei vom Einzelfall abhängig.
Hier sprächen die Gesamtumstände dafür, einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen. Das Gericht stütze diese Einschätzung darauf, dass der Kläger im Jahr 2011 mehrere gerichtliche Anfragen überhaupt nicht beantwortet habe. Zwar möge nicht jede Untätigkeit oder jede Nichtbeachtung einer gerichtlichen Anfrage automatisch Anhaltspunkte für ein mangelndes Interesse des Klägers sprechen. Habe das Gericht aber konkrete Auflagen zu bestimmten verfahrensfördernden Handlungen verfügt, die es vom Kläger verlange, so werde das vollständige Ausbleiben einer klägerseitigen Reaktion für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses sprechen (Hinweis auf Hessisches LSG, Beschluss vom 17. August 2015 – L 6 AS 659/14 B; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. Dezember 2009 – L 5 R 884/09). Diese Anforderungen seien hier erfüllt. Das Gericht habe mit seiner Verfügung vom 25. November 2011 dem Kläger konkret mitgeteilt, welche Information und Unterlagen es benötige, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Informationen entscheidungserheblich seien.
Dass die Entscheidung des BFH über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers im finanzgerichtlichen Rechtsstreit für das hier in Rede stehende Verfahren über die Rückforderung von "Arbeitslosengeld" [recte: Arbeitslosenhilfe] von Bedeutung sei, folge aus dem Umstand, dass die Höhe von "Arbeitslosengeld" auch von der Lohnsteuerklasse des Versicherten abhängig sei (Hinweis auf die §§ 36, 137, 195, 198 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] in der 1998 geltenden Fassung). Wenn das Gericht die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer "Arbeitslosengeldbewilligung" und eines Rückforderungsbegehrens zu prüfen habe, dann gehe dies nicht ohne zutreffende Angaben zur Lohnsteuerklasse des Klägers. Ohne die Vorlage einer finanzgerichtlichen Entscheidung zu dieser – zeitweise offenen – Frage habe eine Sachentscheidung über den Bezug von SGB-III-Leistungen nicht getroffen werden können.
Der Kläger hat am 29. Dezember 2016 Berufung eingelegt und diese nicht näher begründet.
Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Der Senat hat am 5. April 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Der per Postzustellungsurkunde vom 1. März 2017 geladene Kläger ist zum Termin nicht erschienen. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Sache entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß zum Termin geladen worden und ordnungsgemäß über die möglichen Folgen seines Ausbleibens belehrt worden ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 126 Rn. 4).
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat in dem mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend darauf erkannt, dass über die am 22. Januar 1999 erhobenen Klage, die sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1999 richtete und die zunächst unter dem Aktenzeichen S 12 AL 112/99 und später unter dem Aktenzeichen S 47 AL 302/08 anhängig war, in der Sache nicht mehr zu entscheiden ist. Zwar hat das SG im Tenor des Gerichtsbescheides vom 28. November 2016 die Klage ausdrücklich abgewiesen, allerdings ergibt sich aus den Entscheidungsgründen eindeutig, dass es die genannte Klage als durch Rücknahme erledigt angesehen hat. Dass es die Erledigung nicht auch im Tenor festgestellt hat, begründet keine eigene Beschwer auf Seiten des Klägers und eröffnet insbesondere keine erneute Prüfung in der Sache. Ebenso ist im Übrigen unbeachtlich, dass das SG in seiner Entscheidung durchgängig irrtümlich angenommen hat, es sei der Sache nach um Arbeitslosengeld und nicht um Arbeitslosenhilfe gegangen.
Das Sozialgericht hat zutreffend die Erledigung der Klage durch Rücknahme angenommen. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache. Eine Klagerücknahme hat der Kläger nicht erklärt, allerdings gilt die Klage gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Voraussetzungen dieser Klagerücknahmefiktion haben vorgelegen. Der Kläger hat das Klageverfahren trotz Aufforderung durch das Sozialgericht länger als drei Monate nicht betrieben.
Den förmlichen Anforderungen an die Betreibensaufforderung hat das SG genügt. Die Betreibensaufforderung enthielt insbesondere den in § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG angeordneten Hinweis auf die Rechtsfolge des § 102 Abs. 1 SGG. Einen Hinweis auf die Rechtsfolge der im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Vorschriften in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VwGO brauchte sie hingegen nicht zu enthalten. Weiterhin muss die Betreibensaufforderung vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet werden, eine Paraphe genügt als Unterschrift nicht. Ebenso muss die § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG zuzustellende Ausfertigung/beglaubigte Abschrift diesen Umstand erkennen lassen, das heißt durch Wiedergabe des vollen Namens des Richters ausweisen, dass die Betreibensaufforderung von ihm stammt (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 58/09 R, BSGE 106, 254 = juris, Rn. 49). Die vom 19. Januar 2012 datierende Betreibensaufforderung ist ausweislich der Prozessakte vom zuständigen Richter mit vollem Namen unterzeichnet worden. Nachdem Zustellnachweise am 25. Februar 2012 nicht vorlagen, hat der Richter am 27. Februar 2012 erneut die Zustellung verfügt. Eine in den Akten enthaltene Leseabschrift der nun unter dem 29. Februar 2012 versandten Betreibensaufforderung trägt maschinenschriftlich nach der Abkürzung "gez." den Namen des Richters. Sie ist ausweislich der in den Akten enthaltenen Postzustellungsurkunde am 1. März 2012 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten gelegt worden.
Soweit der Kläger eingewandt hat, ihm liege die Betreibensaufforderung nicht vor, dringt er hiermit nicht durch. Die Betreibensaufforderung ist ihm am 1. März 2012 wirksam zugestellt worden. Wird der Post ein Zustellungsauftrag erteilt, übergibt die Geschäftsstelle gemäß § 176 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG das zuzustellende Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag und ein vorbereitetes Formular einer Zustellungsurkunde. Gemäß den §§ 176 Abs. 2, 180 ZPO in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Schriftstück, wenn die Zustellung durch Übergabe an einen erwachsenen Familienangehörigen, eine in der Familie beschäftigten Person oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner in der Wohnung des Adressaten oder an eine in den Geschäftsräumen des Adressaten beschäftigte Person nicht ausführbar ist, in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung. Die Anforderungen an den Inhalt der Zustellungsurkunde regelt § 182 Abs. 2 ZPO (hier i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). Diesbezügliche Mängel sind weder gerügt noch ersichtlich. Die Zustellungsurkunde ist – wie sich aus den §§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 Abs. 1 ZPO (hier i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG) ergibt – eine öffentliche Urkunde und begründet vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, der nur durch Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens widerlegt werden kann (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auf. 2016, § 182 Rn. 1 m.w.N.). Einen entsprechenden Beweis hat der Kläger nicht einmal angetreten, geschweige denn erbracht.
Auch die materiellen Voraussetzungen der Klagerücknahmefiktion lagen vor. Das Verhalten des Klägers bot – wie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 58/09 R, BSGE 106, 254 = juris, Rn. 40, unter Hinweis auf die Rspr. des Bundesverfassungsgerichts u.a. zu § 92 VwGO: BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 – 2 BvR 2662/95, DVBl 1999, 166) – Anlass zu der Annahme, dass ihm an einer Sachentscheidung nicht mehr gelegen war. Der Kläger hatte sich im Wesentlich darauf berufen, die Finanzverwaltung habe auf seiner Lohnsteuerkarte eine unzutreffende Steuerklasse eingetragen. Dementsprechend wurde durch Beschlüsse vom 4. Februar 2002 und 26. März 2002 das Ruhen des Klageverfahrens angeordnet, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, einen Anspruch auf Änderung der Lohnsteuerkarte zu verfolgen. Im Jahr 2005 erhielt das Sozialgericht sodann Kenntnis davon, dass ein Verfahren vor dem FG Hamburg Verfahren (Az. II 95/05) anhängig war. Im November 2005 teilte das FG Hamburg mit, das Verfahren sei abgeschlossen.
Zur Fortsetzung des Klageverfahrens kam es, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, das Urteil des FG sei nach einer Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers inzwischen möglicherweise rechtskräftig. Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht den Kläger mit Schreiben vom 28. November 2011 aufgefordert, die Entscheidung des BFH über seine Nichtzulassungsbeschwerde zu übersenden und mitzuteilen, ob noch Interesse an der Fortführung des Klageverfahrens bestehe. Zu diesem Zeitpunkt lag die letzte Äußerung des Klägers in der Sache bereits beinahe zehn Jahre zurück. In Anbetracht dessen, dass der Kläger sich nicht auf eine für ihn positive Entscheidung der Finanzgerichte berufen hatte, lag die Annahme nahe, dass er dort unterlegen war und sich infolge des Arguments, mit dem er die Klage vor dem Sozialgericht im Wesentlichen begründet hatte, beraubt sah. Somit bestand Anlass zur Nachfrage, ob der Kläger das Verfahren überhaupt noch fortführen wolle. Der Kläger hat auf diese Nachfrage sowie auf ein weiteres Schreiben des SG vom 6. Dezember 2011 nicht reagiert.
Der Kläger hat auch auf die ihm am 1. März 2012 zugestellte Betreibensaufforderung nicht fristgerecht reagiert. Hierbei musste ihm aus der Betreibensaufforderung klar sein, was von ihm erwartet wurde, denn diese bezog sich ausdrücklich auf die Anfragen des Gerichts vom 28. November 2011 und vom 6. Dezember 2011, so dass es genügt hätte, den Sachstand des finanzgerichtlichen Verfahrens mitzuteilen und sich dazu zu äußern, ob das Verfahren fortgesetzt werden solle. Soweit der Kläger dem entgegenhält, er habe nicht fristgerecht reagieren können, dringt er hiermit nicht durch.
Eine Wiedereinsetzung in die in § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG normierte dreimonatige Betreibensfrist kommt nicht in Betracht. § 67 Abs. 1 SGG ermöglicht die Wiedereinsetzung in eine versäumte gesetzliche Verfahrensfrist. Bei der Frist aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG handelt es sich indes um eine im Interesse der Rechtssicherheit gesetzte Ausschlussfrist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 22. Januar 2016 – L 19 AS 1863/15 B, juris, Rn. 13, vom 28. August 2015 – L 16 KR 224/15 B, juris, Rn. 11, und vom 12. Oktober 2012 – L 19 AS 1437/12 B, juris, Rn. 17; zur Parallelvorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch BVerwG, Beschluss vom 6. Juli 2007 – 8 B 51/07, juris, Rn. 4, und aus neuerer Zeit etwa OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 1 L 244/12, juris, Rn. 13), die der Wiedereinsetzung nur im Falle höherer Gewalt zugänglich ist (BVerwG, a.a.O.). Letztere wiederum setzt voraus, dass sämtliche Umstände, die für die Frage nach einem Fristversäumnis infolge höherer Gewalt relevant sind, grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist aus § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG substantiiert und schlüssig dargelegt werden (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., juris, Rn. 14 zur entsprechenden Rechtslage nach der VwGO). Der Kläger hat diesen Erfordernissen nicht genügt, sondern zunächst (mit Schreiben vom 5. Juli 2012, bei Gericht eingegangen am 9. Juli 2012) lediglich ausgeführt, er sei nach seiner Rückkehr aus einer Krankenhausbehandlung (zu der jede nähere Angabe fehlt) "gesundheitlich und auch sonst" nicht in der Lage, das Verfahren "ohne gerichtliche Hilfe" fortzusetzen. Derartig nebulöses Vorbringen vermag genügt weder den Anforderungen an die Darlegung höherer Gewalt noch den insoweit niedrigeren Voraussetzungen aus § 67 Abs. 1 SGG. Auch soweit der Kläger später – mit Schreiben vom 13. September 2012 – ausgeführt hat, er sei "überwiegend bettlägerig" und könne nicht "ohne weiteres lesen, schreiben, mit einem Aktenstück umgehen", genügt dies ebenso wenig wie ein ärztliches Attest aus dem Jahr 2011, in dem die Diagnosen unkenntlich gemacht wurden. All dies gilt umso mehr, als das Gericht dem Kläger mit Schreiben vom 28. November 2011 detaillierte Angaben dazu gemacht hatte, welche Angaben von ihm erwartet wurden. Dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen wäre, den Sachstand seines Verfahrens vor dem BFH mitzuteilen – verbunden mit einem Hinweis, er halte an seiner Klage fest – ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Gründe die für Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved