L 5 KA 68/13 KL

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 68/13 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs des beklagten Landesschiedsamtes, der die vertragsärztliche Honorarvereinbarung 2013 betrifft.

Die Beigeladene und die Klägerinnen verhandelten Ende des Jahres 2012 erfolglos über die vertragsärztliche Honorarvereinbarung für das Jahr 2013. Nachdem die Beigeladene die Verhandlungen am 20. November 2012 für gescheitert erklärt hatte, rief sie am 12. April 2013 den Beklagten an, gem. § 89 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Vergütungsvereinbarung für das Kalenderjahr 2013 im kassenartenübergreifenden Schiedsverfahren festzusetzen.

In dem Verfahren vor dem Beklagten kam eine Einigung zwischen den Klägerinnen und der Beigeladenen nicht zustande. Zwischen den Verhandlungspartnern war unter anderem die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V streitig. Während die Beigeladene einen Zuschlag aufgrund der ungünstigen Kostensituation in H. forderte, lehnten die Klägerinnen einen Zuschlag unter Hinweis auf die Besonderheiten der Versorgungsstruktur und insbesondere einer in H. bestehenden Überversorgung sowie des ihrer Ansicht nach nicht erhöhten Kostenniveaus in H. ab. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2013 traf der Beklagte unter anderem folgende Regelung zur Honorarvereinbarung 2013: " 2. Der Punktwert zur Berechnung der regionalen Euro-Gebührenordnung (Anlage 1 zu dieser Vereinbarung) beträgt für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 30.9.2013 3,6099 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,0736 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert. Für die Zeit ab 1.10.2013 bis zum 31.12.2013 beträgt der Punktwert zur Berechnung der regionalen Euro-Gebührenordnung (Anlage 2 zu dieser Vereinbarung) 10,2083 Cent. Er ergibt sich als regionaler Punktwert aus dem um einen Zuschlag von 0,2083 Cent erhöhten bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert von 10 Cent (BA-Beschluss, 304. Sitzung am 19.4.2013, Ziffer I). " Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, mit dem Zuschlag regionale Besonderheiten bei der Kostenstruktur zu berücksichtigen. Die Befugnis dazu ergebe sich aus § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V. Mit dieser Vorschrift verfolge der Gesetzgeber das Ziel, landesbezogenen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur Rechnung zu tragen. Die Vertragspartner seien auch nicht länger verpflichtet, bei ihren Punktwertverhandlungen vom Bewertungsausschuss festgelegte Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten der Kostenstruktur zu beachten. Das gesetzgeberische Konzept zur Berücksichtigung individueller Besonderheiten der Kostenstruktur habe sich nach dem zwischenzeitlichen Wegfall des gesetzlichen Verbotes von Zuschlägen erst seit 2013 realisieren lassen. Die bei diesem "Umstieg" zu berücksichtigenden Unterschiede in der Höhe arztpraxisrelevanter Kosten in H. richteten sich nicht nach den unterschiedlichen Veränderungsraten im Vergleich mit dem Vorjahr, sondern nach den zur Zeit bestehenden Differenzen im Sockel. Nur so könne verhindert werden, dass die Unterschiede auf Dauer fortgeschrieben werden würden. Die Kosten einer städtischen H. Arztpraxis seien signifikant höher als im bundesdurchschnittlichen Stadt-Land-Mix. Das Niveau arztpraxisrelevanter Kosten ließe sich schätzen. Es könne auf amtliche Indikatoren wie Arbeitnehmerentgelte, Bruttoinlandsprodukt, Bruttolöhne und -Gehälter sowie das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen zurückgegriffen werden. Danach dürften die arztpraxisrelevanten Kosten in H. die bundesdurchschnittlichen um etwa 15 % überstiegen. Das gelte jedenfalls für Personalkosten und Mieten, die ca. 30% der Praxiskosten ausmachten. Der Beklagte halte wegen der höheren Praxiskosten in H. einen Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 für notwendig, begrenze ihn aber auf 3 %. Maßgeblich dafür sei zum einen der Umstand, dass H. offensichtlich für Ärzte und Psychotherapeuten ein betriebswirtschaftlich attraktiver Standort sei. Zum anderen sei der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zu berücksichtigen (§ 71 Abs. 1 - 3 SGB V). Zwar sei die Grundlohnsumme nur um 2,03 % gestiegen, doch verstieße die leichte Überschreitung des festgesetzten regionalen Punktwertes nicht gegen die in § 71 Abs. 2 SGB V gezogene Grenze, da auch der Gesetzgeber selbst den Grundsatz der Beitragssatzstabilität im Rahmen des § 87 a SGB V relativiert habe. Dies zeige sich an § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V gelte. Damit sei klar gestellt, dass die Erhöhung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, die sich aus Erhöhungen des Behandlungsbedarfs ergebe, nicht mehr nach dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität gekappt werde. Unausgesprochen gelte diese Relativierung aber auch im Bereich regionaler, die Besonderheiten der jeweiligen Kostenstruktur berücksichtigender Punktwerte nach § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V. Das ergebe sich aus dem Konzept regionaler Punktwerte, wonach nicht nur Zu- sondern auch Abschläge vorgesehen seien. Zuschläge in einem Bezirk glichen sich mit Abschlägen in anderen Bezirken aus.

Der Schiedsspruch wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 6. September 2013 zugestellt. Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 2013 erhobenen Klage wenden sie sich gegen die Festsetzung eines Zuschlags auf den Orientierungswert gemäß § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V. Der Schiedsspruch verletze insoweit die zwingenden gesetzlichen Vorgaben des § 71 SGB V und stelle zudem entgegen § 87 a Absatz 2 in Verbindung mit § 87 Abs. 2b und 2g sowie § 87b SGB V bei der Entscheidung über den Zuschlag auf den Orientierungswert nicht auf die Veränderungen gegenüber dem Jahr 2012 ab, sondern berücksichtige ausschließlich das absolute Kostenniveau in H ... Der Beklagte sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass § 71 SGB V in der vorliegenden Fallkonstellation anwendbar sei, von einer "gelockerten" Geltung dieser Vorschrift könne aber keine Rede sein. Die Vorschrift sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verbindlich und stehe nicht im Belieben des Beklagten. Auch die Fiktion des § 87a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V vermittele keine gelockerte Geltung des § 71 SGB V. Die Vorschrift diene der Risikoverteilung und betreffe ausschließlich die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs als Mengenkomponente der Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, nicht aber die Vereinbarung des Punktwertes als Preiskomponente. Ein gesetzlich geregelter Ausnahmefall nach § 71 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V (nicht gesicherte medizinische Versorgung) oder § 71 Abs. 1 Satz 2 SGB V (Leistungen für Vorsorge- oder Früherkennungsmaßnahmen) bzw. § 71 Abs. 2 Satz 2 SGB V (Ausgleich durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolge Einsparungen) liege nicht vor. Die Annahme, in anderen Bezirken würden Abschläge festgesetzt, sei rein spekulativ; dies sei bisher nicht erfolgt. Der festgesetzte regionale Zuschlag auf den Orientierungswert sei auch mit den Vorgaben von § 87d SGB V nicht vereinbar. Der Gesetzgeber habe darin zur Begrenzung der Ausgabenzuwächse die Orientierungswerte für die Jahre 2011 und 2012 selbst geregelt. Damit sei die hier erfolgte Festsetzung nicht kompatibel, da die ausgabenbegrenzende Wirkung für die Jahre 2011 und 2012 ohne die erforderliche Rechtsgrundlage wieder rückgängig gemacht und zudem auch der beabsichtigten Angleichung der Honorarunterschiede zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen entgegengewirkt werde. Gesetzliche Regeln zur Deckelung und Absenkung der Gesamtvergütung behielten entsprechend dem Prinzip der Vorjahresanknüpfung auch für die Folgejahre ihre Wirkung, soweit der Gesetzgeber nicht selbst ausdrücklich etwas anderes anordne (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. April 2005 – B 6 KA 42/04 R). Selbst wenn man den "Basisausgleich" für zulässig halte, müssten die für die Veränderung des Punktwertes maßgeblichen Faktoren geprüft und berücksichtigt werden. Nach der gesetzlichen Vorgabe in § 87a Abs. 2 SGB V sei der jährlich zu vereinbarende Punktwert auf der Grundlage des Orientierungswertes gem. § 87 Abs. 2e SGB V zu vereinbaren, der nach § 87 Abs. 2g SGB V gerade aufgrund jahresbezogener Veränderungen angepasst werde. Diese Frage dürfe der Beklagte nicht vollständig außer Acht lassen. Der von dem Beklagten festgesetzte Punktwertzuschlag sei aber auch mit dem allgemeinen rechtlichen Maßstab für die Vereinbarung eines Punktwertzuschlags aus § 87a Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 SGB V unvereinbar. Der Beklagte habe zwar zutreffend erfasst, dass die anhaltende Überversorgung in H. unter Marktbedingungen zu niedrigeren Preisen führen müsste. Die Festsetzung eines Punktwertzuschlags zur Anpassung der Differenz "im Sockel" sei dann aber nicht nachvollziehbar und jedenfalls unwirtschaftlich.

Die Klägerinnen beantragen,

den Schiedsspruch des Beklagten vom 15. August 2013 insoweit aufzuheben, als in Ziffer 2 der festgesetzten Honorarvereinbarung 2013 Zuschläge auf den Orientierungswert gemäß § 87 Absatz 2e SGB V für das Jahr 2013 zur Festsetzung der regionalen Punktwertes für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. September 2013 und vom 1. Oktober 2013 bis 31. Dezember 2013 festgesetzt worden sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die Begründung des angegriffenen Schiedsspruchs und weist ergänzend darauf hin, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. August 2014 (B 6 KA 6/14 R) das Prinzip der Vorjahresanknüpfung nicht für Zu- und Abschläge nach § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V gelte.

Die Beigeladene ist der Auffassung, der Beklagte habe die Grenzen seiner Vertragsgestaltungsfreiheit nicht überschritten. Eine Berücksichtigung von § 71 Abs. 1 SGB V sei für die Vereinbarung von Zu- oder Abschlägen auf den Orientierungswert nach § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht vorgesehen. Anderenfalls habe der Gesetzgeber die Regelung des § 87a Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V auch hier übernehmen müssen. Der Wortlaut spreche gegen die von den Klägern behauptete Deckelung der Zu- oder Abschläge. Denn § 87a Abs. 3 SGB V unterscheide zwischen "Behandlungsbedarf" und "vereinbartem Behandlungsbedarf". Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei erst auf den vereinbarten Behandlungsbedarf nach § 87a Abs. 3 SGB V anzuwenden. Auch der aus § 87a Abs. 4 Satz 1 SGB V folgende Grundsatz der Vorjahresanknüpfung beziehe sich nur auf § 87a Abs. 3 SGB V, nicht auf dessen Abs. 2 (Hinweis auf BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R). Zwischen den Abs. 2 – 4 des § 87a SGB V gebe es gerade keine einheitliche Regelungssystematik. § 87d SGB V enthaltene eine Regelung ausschließlich für die Jahre 2010 bis 2012, eine "konservierende Wirkung" der Ausgabenbegrenzung sei weder dem Wortlaut der Bestimmung noch seiner Gesetzesbegründung zu entnehmen. Vielmehr spreche die ausdrückliche Erwähnung der Zuschläge in § 87 d Abs. 1 Satz 3 SGB V dafür, dass diese gerade nicht der Systematik der Vorjahresanknüpfung unterlägen. Ob der hier gewährte Punktwertzuschlag wirtschaftlich sinnvoll sei, entziehe sich der gerichtlichen Überprüfung. Mit dem Zuschlag seien auch keine Auswirkungen auf eine Über- oder Unterversorgung verbunden, weil die Zahl der Vertragsärzte sich wegen der Zulassungssperren nicht verändere und die beabsichtigte Berücksichtigung der Kostenstruktur bei Überlegungen zum Versorgungsgrad keine Rolle spiele.

Der Senat hat über die Klage am 16. Dezember 2015 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf die beigezogene Verwaltungsakte (Az.: 10 -13[797]).

Entscheidungsgründe:

Die Klage erweist sich als unbegründet, da sich das beklagte Schiedsamt bei den angefochtenen Festsetzungen gemäß § 89 Abs. 1 SGB V im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bewegt hat.

1. Klage ist zulässig. Der Senat ist gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstinstanzlich zuständig, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung des Landesschiedsamtes richtet. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Damit wird berücksichtigt, dass die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R, SozR 4-2500 § 87a Nr. 2). Ein Vorverfahren war im Streitfall nicht durchzuführen. Die Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamtes, das bei der Vertragsfestsetzung an die Stelle der Vertragsparteien tritt, bringt es mit sich, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen kann (BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R, SozR 4-2500 § 87a Nr. 1, BSGE 110, 258). Die Kläger konnten ihre Klage auch auf die Anfechtung des festgesetzten regionalen Punktwertzuschlags beschränken. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind allein die angefochtene Feststellungen (zur Eingrenzung der gerichtlichen Überprüfung siehe BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 29/02 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 3, BSGE 91, 153).

2. Der Schiedsspruch ist – soweit die gerichtliche Überprüfung reicht – formell und materiell rechtmäßig, insbesondere verstößt die Festsetzung der Zuschläge auf den Orientierungswert nicht gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

a) Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Vertragsinhalt fest, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt. Bei der Vereinbarung über die von den Krankenkassen in für das Jahr 2013 mit befreiender Wirkung an die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) zu zahlende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV, dessen Inhalt der Beklagte festgesetzt hat, handelt es sich um einen Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung im Sinne dieser Vorschrift.

b) Schiedssprüche nach § 89 SGB V sind – auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin – nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 – B 6 KA 29/02 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 3, BSGE 91, 153; Urteil vom 9. April 2008 – B 6 KA 29/07 R, BSGE 100, 144, SozR 4-2500 § 85 Nr. 41). Die Vertragsgestaltungsfreiheit des Schiedsamtes ist nicht geringer als diejenige der Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2013 – B 6 KA 13/12 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 73). Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter. Dementsprechend sind sie inhaltlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft, ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die zwingenden rechtlichen Vorgaben beachtet hat und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt.

c) Der Schiedsspruch hält einer Überprüfung anhand der aufgezeigten Maßstäbe stand; der Beklagte war grundsätzlich berechtigt, derartige Zuschläge auf den Orientierungswert festzusetzen (dazu aa), die Festsetzung der Zuschläge verstößt auch weder gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V (bb) noch gegen den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (§§ 87a Abs. 2, 87d SGB V (cc)) oder den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (dd). § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V (hier in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 – BGBl. I 2983) erlaubt den Gesamtvertragsparteien, bei der Festsetzung des Punktwertes für die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen Besonderheiten der regionalen Kosten- und Versorgungsstruktur und andere sachliche Gründe zu berücksichtigen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zu der insoweit gleichlautenden Vorgängerregelung in § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) BT-Drs. 16/3100, S. 119) soll die Regelung vor allem eine regionale Differenzierung ermöglichen, da sich zwischen den Ländern Unterschiede der für die Arztpraxen relevanten Kostenstrukturen (Lohn- und Gehaltsniveau der Praxisangestellten, Mietniveau etc.) ebenso feststellen ließen wie Unterschiede in der Versorgungsstruktur. Den regionalen Vertragspartnern soll so die Möglichkeit gegeben werden, das wirtschaftliche Überleben von Praxen in Gebieten mit hohem Kostenniveau zu sichern (vgl. Rompf in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand 2/2015, § 87a SGB V, Anm. C 87a-7).

aa) Der Beklagte durfte im Rahmen seines Schiedsspruchs von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen. Er ist berechtigt, auch fakultative Vertragsbestandteile festzusetzen, da das Schiedsamt die gleiche Gestaltungsmacht hat wie die Vertragspartner selbst (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2012 ¬¬¬&822;&822; B 6 KA 21/11 R, juris, Rn. 27).

bb) Die Festsetzung führt nicht zu einer Verletzung von § 71 SGB V (Grundsatz der Beitragssatzstabilität).

(1) § 71 Abs. 2 SGB V konkretisiert die Gestaltungspflicht der Vertragsparteien nach dessen Abs. 1, soweit es um die Verpflichtung der Vertragspartner der Vergütungsverträge geht, Beitragssatzerhöhungen durch ihre Verträge auszuschließen. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist kein unverbindlicher "Programmsatz", sondern stellt eine verbindliche gesetzliche Vorgabe für Vergütungsvereinbarungen dar, deren Beachtung grundsätzlich auch der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, SozR 4-2500 § 72 Nr. 2, BSGE 94, 50). Das Risiko von Beitragssatzerhöhungen durch Vergütungsverträge ist immer dann ausgeschlossen, wenn die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütungen die für das gesamte Bundesgebiet nach § 71 Abs. 3 SGB V vorgegebene Veränderungsrate nicht überschreitet. Damit wird die mögliche Steigerungsrate der Vergütungsverträge auf die bundesweite Grundlohnsummensteigerung nach Abs. 3 begrenzt; die mögliche Veränderung der Vergütungsvereinbarung ist auf der Grundlage der Neufassung von § 71 SGB V durch die bundesdurchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied für das gesamte Bundesgebiet begrenzt. Die Berücksichtigung höherer als der bundesweiten Veränderungsrate in den alten Bundesländern ist damit ausgeschlossen. Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität ist als unbestimmter Rechtsbegriff für die Vertragspartner in der sozialen Krankenversicherung rechtlich verbindlich. Ihm ist ein sehr weitreichender Beurteilungsspielraum immanent, der von den Vertragspartnern, d.h. von den Selbstverwaltungen, konkret zu gestalten ist. Die Bewertung der dem Begriff der Beitragssatzstabilität immanenten Ziele und insbesondere die Zuordnung dieser Ziele zueinander, ist im vorgegebenen rechtlichen Rahmen Aufgabe der Vertragspartner und von den Aufsichtsbehörden bzw. den Gerichten nur im Rahmen der Rechtskontrolle zu überprüfen (Orlowski, in Orlowski/Rau/Wasem/Zipperer, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung – GKV, Stand 7/2014, § 71 Rn. 19).

(2) Dem Gesetzeswortlaut ist eine Erstreckung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V) auch auf die fakultativ zu vereinbarenden Zuschläge nach § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht zu entnehmen. § 71 Abs. 2 SGB V legt dies nicht nahe, wenn er als Weg, diesen Vorgaben zu entsprechen, die Veränderung der "jeweiligen Vergütung" an die Veränderungsrate nach § 71 Abs. 3 SGB V knüpft. Das Bundessozialgericht hat zu der früheren Rechtslage allerdings entschieden, der Grundsatz der Beitragssatzstabilität lasse sich nicht auf die Festsetzung des höchstzulässigen Ausgabenvolumens beschränken, sondern werde auch durch die Festsetzung der für die Einzelleistungen maßgeblichen Punktwerte berührt (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2005 – B 6 KA 22/04 R, juris). § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst nämlich nicht nur Bestimmungen, die die Vergütung als "Endprodukt" regeln, sondern auch solche, die lediglich einzelne Berechnungsfaktoren normieren, wenn sie die Höhe der Gesamtausgaben beeinflussen (vgl. Vießmann in Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 71 SGB V, Rn. 4).

In der Literatur wird der Grundsatz der Beitragssatzstabilität teilweise auch nach Inkrafttreten des GKV-WSG bei der Vereinbarung des Punktwertes durch die regionalen Vertragspartner für anwendbar gehalten (Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 87a Rn. 2 unter Hinweis auf Pfeifer/Altmikes, ZMGR 2010, 235, 240; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage, 2014, § 71 SGB V, Rn. 2). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität sei eine verbindliche Grenze für Vergütungsvereinbarungen und Schiedssprüche. Er sei aus gesetzessystematischen Gründen auch dann zu berücksichtigen, wenn er für die Vergütungsvereinbarungen nicht ausdrücklich vorgegeben sei. Ausnahmen seien nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig (vgl. Scholz a.a.O., § 71 Rn. 2).

Eine solche Ausnahme bestimmt § 87a Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V. Danach gilt der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung im Sinne des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität kann damit dem bestehenden Behandlungsbedarf und der dafür erforderlichen Vergütung nicht mehr entgegengehalten werden (vgl. Rompf in Liebold/Zalewski, a.a.O., § 87a SGB V Rn. C 87a-16). Diese Einschränkung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ergibt sich damit für den "vereinbarten Behandlungsbedarf" aus einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Die Beigeladene weist zutreffend darauf hin, dass neben der "Mengenkomponente" ("Behandlungsbedarf") auch die "Preiskomponente" (Bewertung mit dem vereinbarten Punktwert) zu dem vereinbarten Behandlungsbedarf gehören. Dafür spricht zunächst die systematische Auslegung der Norm, also eine Auslegung des § 87a Abs. 3 SGB V, die den Kontext, den Sinnzusammenhang des Gesetzes berücksichtigt (vgl. dazu Zuck, Juristische Methodenlehre, 10. Aufl. 2006, S. 52). Danach bezieht sich der zweite Halbsatz des § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V auf das Ergebnis der beiden zuvor benannten Parameter (Behandlungsbedarf und Punktwert). Im Rahmen der systematischen Auslegung spricht auch einen Vergleich von § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V mit § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V für eine vom Gesetzgeber gewollte Lockerung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität: § 85 SGB V betrifft seit der Umgestaltung des Vergütungssystems im vertragsärztlichen Bereich zum 1. Januar 2009 nur noch der Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung. Bis dahin lautete § 85 Abs. 3 Satz 2 SGB V (in der Fassung des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477):

"Bei der Vereinbarung der Veränderungen der Gesamtvergütungen ist der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71) in Bezug auf das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen zu beachten."

Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, 2983) wurde die Vorschrift des § 85 Abs. 3 SGB V für die Vereinbarung der vertragszahnärztlichen Gesamtvergütung neu gefasst. Neben der Erweiterung der zu berücksichtigenden Kriterien um die Zahl und die Struktur der Versicherten und die Morbiditätsentwicklung sowie der Ersetzung des Kriteriums der Praxiskosten durch das Kriterium der Kosten- und Versorgungsstruktur in § 85 Abs. 3 S. 1 SGB V wird in Satz 2 der Grundsatz der Beitragssatzstabilität zwar noch genannt, allerdings ist dieser im Unterschied zu der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung nicht mehr "zu beachten”, sondern nur noch "zu berücksichtigen". Der Gesetzgeber hat mit dieser Änderung der Formulierung die Bedeutung des Grundsatzes hinsichtlich der Veränderungen der Gesamtvergütungen abschwächen wollen (s. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) BT-Drs. 17/6906, S. 58f.; vgl. auch Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, Stand Mai 2014, § 85 SGB V, Rn. 56 und Axer, GesR 2013, 135-143). Im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (§ 87a SGB V) taucht dieses Gebot einer Beachtung/ Berücksichtigung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität gar nicht mehr auf. Stattdessen wird lediglich festgestellt, dass der vereinbarte Behandlungsbedarf als notwendige medizinische Versorgung gem. § 71 Abs. 1 SGB V gilt. Wäre der Gesetzgeber weiter von einer strikten Verbindlichkeit des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität ausgegangen, hätte es nahe gelegen, die frühere Formulierung an dieser Stelle zu wiederholen. Im Übrigen ging der Gesetzgeber davon aus, mit der Regelung für den vertragszahnärztlichen Bereich die zuvor bereits im vertragsärztlichen Bereich erfolgte Abschwächung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität nachzuholen, wenn es in der Gesetzesbegründung des GKV-VStG (a.a.O, S. 59) heißt:

"Ziel der Regelungen ist es – wie zuvor auch im vertragsärztlichen Bereich –, den Vertragsparteien für die Gesamtvergütungsvereinbarungen größere Verhandlungsspielräume zu eröffnen und Veränderungen der Gesamtvergütungen zu ermöglichen, die den morbiditätsbedingten Leistungsbedarf der Versicherten einer Krankenkasse widerspiegeln und nicht allein und vorrangig von der Einnahmesituation der Krankenkassen bestimmt werden".

Eine grammatische Auslegung (nach dem Wortsinn) des Begriffs "vereinbarter Behandlungsbedarf" steht einem Verständnis des "vereinbarten Behandlungsbedarfs" als Produkt von Mengen- und Preiskomponente jedenfalls nicht entgegen. Es spricht viel für die Argumentation der Beigeladenen, die insoweit zwischen dem "Behandlungsbedarf" und dem "vereinbarten Behandlungsbedarf" unterscheiden will. Zu demselben Ergebnis gelangen auch teleologische Erwägungen, die die Zwecksetzung der Norm berücksichtigen: Nach den Gesetzesmaterialien verletzen Erhöhungen der Gesamtvergütung, die sich aus einer Erhöhung des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs ergeben, nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität und werden somit nicht durch diesen "gekappt". Aus der Fiktion des § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V werde deutlich, dass die bisherige Budgetierung im Sinne einer Anknüpfung der Finanzvolumina der vertragsärztlichen Versorgung an die Grundlohnsumme beendet werde. (Fraktionsentwurf eines GKV-WSG vom 24. Oktober 2006, BT-Drs. 16/3100, S. 120). Es gibt damit keine Begrenzung der jährlich maximal möglichen Honorarsteigerungen mehr, die Honorare werden nicht mehr durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität "gedeckelt" (Knieps/Leber, VSSR 2008, 177, 181). Das BSG geht deshalb von einer sehr eingeschränkten Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität aus (BSG, Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 6/14 R, a.a.O). Anders als noch in den Jahren 1999 und 2000, dessen Rechtslage dem Urteil des BSG vom 27. April 2005, B 6 KA 22/04 R, a.a.O.) zu Grunde lag, hat der größere Verhandlungsspielraum, der den Gesamtvertragspartnern eingeräumt werden sollte, damit seinen Niederschlag im Gesetz gefunden.

Es ist deshalb davon auszugehen, dass sowohl der Behandlungsbedarf (= Zahl und Morbiditätsstruktur der Versicherten) als auch der vereinbarte Punktwert die "notwendige medizinische Versorgung" gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmen, sodass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität auch bei der Vereinbarung von Zuschlägen auf den Orientierungswert nach § 87 Abs. 2e SGB V nicht anwendbar ist.

Zwar kann der Argumentation des Beklagten nicht gefolgt werden, soweit er auch darauf abstellt, nach dem Konzept regionaler Punktwerte seien sowohl Zu- als auch Abschläge vorgesehen, so dass sich die in den einzelnen Bezirken vereinbarten Zu- und Abschläge ausglichen. Die gesetzliche Regelung in § 71 Abs. 2 Satz 1 SGB V sieht eine solche Kompensation gerade nicht vor, da dort auf die "jeweilige" Vergütung abgestellt und keine Gesamtbetrachtung angestellt wird. Abschläge sind gerade kein Instrument zur Gegenfinanzierung der Zuschläge, da eine Abhängigkeit von Zu- und Abschlägen den erforderlichen Spielraum der regionalen Vertragspartner unverhältnismäßig einschränkte (vgl. Rompf, a.a.O, Rn. C – 87a-11). Daran wird aber deutlich, dass die Anwendung des Grundsatzes der Beitragsstabilität auf dieser Ebene nicht passt, da Zuschläge sonst von vornherein nur in sehr beschränktem Rahmen und nicht entsprechend den gesetzlichen Intentionen in Betracht kämen.

cc) Die festgesetzten regionalen Punktwerte verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Vorjahresanknüpfung (§§ 87a Abs. 2, 87d SGB V). Das BSG hat bereits entschieden, dass der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung auch nach den Änderungen im vertragsärztlichen Vergütungssystem durch das GKV-WSG für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen Geltung beanspruchen könne, da das Prinzip der Vorjahresanknüpfung im Grundsatz der Beitragssatzstabilität eine "weitere eigenständige Verankerung" gefunden habe (BSG, Urteil vom 13. August 2014 – B 6 KA 6/14 R, SozR 4-2500 § 87a Nr. 2). Es hat aber zugleich darauf hingewiesen, dass anders als § 87a Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Behandlungsbedarf § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V für die Zu- und Abschläge auf den Orientierungswert keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswertes vorsehe, sodass daraus nichts für die Fragestellung der Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung hergeleitet werden könne. Dem Wortlaut des § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V kann deshalb gerade nicht entnommen werden, dass die Vorjahresregelung die Basis der aktuellen Vereinbarung bildet. Die ausdrückliche Erwähnung der Vorjahresanknüpfung in § 87a Abs. 4 SGB V ("aufsetzend auf dem für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf") spricht vielmehr gegen eine Übertragung dieses Grundsatzes auch auf die nach § 87a Abs. 2 SGBV zu treffenden Vereinbarungen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Intentionen des § 87d SGB V. § 87d Abs. 1 Satz 3 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl I 2309), a.F.) untersagt, die nach § 87a Abs. 2 Satz 2 bis 5 SGB V für das Jahr 2010 vereinbarten Zuschläge mit Wirkung für die Jahre 2011 und 2012 anzupassen und darüber hinaus gehende Zuschläge auf den Orientierungswert zu vereinbaren. Um dem für das Jahr 2011 in der Gesetzlichen Krankenversicherung drohenden Defizit durch eine Ausgabenbegrenzung einerseits und durch eine Stärkung der Finanzierungsgrundlage andererseits zu begegnen (vgl. zum GKV-FinG Schröder/Rompf, GuP 2011, 1 ff.), sollte der Ausgabenzuwachs in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt begrenzt werden (Fraktionsentwurf eines GKV-FinG, BT-Drs. 17/3040, S. 24 zu Nr. 8). Zwar gilt der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung – soweit er reicht – nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 2014, a.a.O) auch dann, wenn die Höhe der Vergütung im Vorjahr (nur) in der äußeren Form einer Vereinbarung geregelt oder sogar gesetzlich festgelegt wurde. Wenn das Gesetz aber für Zu- und Abschläge nach § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V keine Anpassung auf der Basis des Vorjahres vorsieht, dann spielt es keine Rolle, ob diese Basis gesetzlich festgelegt oder durch die zuständigen Vertragspartner vereinbart wurde. Das gesetzgeberische Ziel, für die Jahre 2011 und 2012 das Preisniveau auf dem Niveau des Jahres 2010 zu stabilisieren, wird durch die Vereinbarungen von Zuschlägen auf den Orientierungswert für das Jahr 2013 nicht berührt. Der damit bezweckte Ausgleich regionaler Besonderheiten hat nicht das Ziel, allgemeine Kostensteigerungen nachzuholen. Der Schiedsspruch ist deshalb auch insoweit nicht mit einer gesetzlichen Regelung unvereinbar.

dd) Die vereinbarten Zuschläge verstoßen auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 72 Abs. 2 SGB V). Die Kläger sehen eine Verletzung dieses Grundsatzes darin, dass die Festsetzung eines Punktwertzuschlags angesichts der Überversorgung in H. kein angemessener Ausgleich zwischen den für Zu- oder Abschlägen sprechenden Gesichtspunkten sei. Anders als der Beklagte bewerten sie die in H. herrschende Überversorgung stärker als die festgestellten Besonderheiten der Kostenstruktur. Es ist rechtlich aber nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte von der Erwägung hat leiten lassen, dass angesichts der höheren Praxiskosten in H. ein Zuschlag auf den Orientierungswert 2013 prinzipiell notwendig und gerechtfertigt sei, dieser aber wegen der Attraktivität des Standorts H. und der sich hier ergebenden Kostenvorteile durch einen hohen Anteil medizinischer Versorgungszentren und anderer beruflicher Kooperationsformen auf 3% zu begrenzen sei. Er hat allein für den Kostenblock Personal/Mieten auf der Basis geeigneter Indikatoren geschätzt, dass diese in H. etwa 15% über dem Bundesdurchschnitt liegen. Da Personal- und Mietkosten ca. 30% der Praxiskosten ausmachten, ließen sich die höheren Kosten rechnerisch durch einen Zuschlag von 4,5 % ausgleichen. Der davon vorgenommene Abschlag von einem Drittel erscheint nachvollziehbar und bewegt sich innerhalb des Gestaltungsspielraums. Das Gesetz gibt als Schranke für das Beurteilungsermessen der Vertragspartner (bzw. hier des Schiedsamts) bei der Vereinbarung der Zu- und Abschläge lediglich vor, dass gewährleistet bleiben muss, dass die medizinisch notwendige Versorgung der Versicherten sichergestellt ist (§ 87a Abs. 2 Satz 5 SGB V). Nach der Gesetzesbegründung zum GKV-WSG (BT-Drucks. 16/3100, S. 120 zu § 85a Abs. 2) soll die Regelung verdeutlichen, dass bei der Vereinbarung von Zu- oder Abschlägen eine Abwägung verlangt wird, die allerdings nach unten begrenzt ist, da in jedem Fall die notwendige Versorgung gewährleistet bleiben muss. Nur insoweit ist die Befugnis eingeschränkt, die Zu- und Abschläge abzusenken (vgl. Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 87a, Rn. 49). Die geforderte Sicherstellung ist im Bezirk der Beigeladenen schon angesichts der festgestellten flächendeckenden Überversorgung für sämtliche Arztgruppen gewährleistet. Da der Beklagte auch im Übrigen seinen Gestaltungsspielraum eingehalten hat, hält der Schiedsspruch auch insoweit der gerichtlichen Überprüfung stand.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

5. Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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