Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 38 KR 1700/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 93/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer stationären Rehabilitationsleistung.
Die am xxxxx 1948 geborene Klägerin stellte am 27. März 2014 einen Antrag auf stationäre Rehabilitation bei der Beklagten. Zur Begründung ihres Antrages reichte sie am 23. Juni 2014 eine Verordnung ihres behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie E. bei der Beklagten ein, in welcher es heißt, die Klägerin leide unter einer Angstkrankheit mit Panikattacken sowie einer Dysthymie. Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer stationären Rehabilitationsleistung ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung N. (MDK) ein, welches Dr. B. am 1. August 2014 nach Aktenlage erstellte. Dieser kam zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin keine Rehabilitationsbedürftigkeit bestehe. Vielmehr seien eine Intensivierung der fachärztlichen Behandlung und Psychotherapie angezeigt. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2014 zurück.
Auf die am 9. Dezember 2014 erhobene Klage hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. M. vom 14. August 2015. Diese hat im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin leide seit 1973 an einer Angsterkrankung mit gelegentlichen Panikattacken sowie unter einer langjährigen Dysthymie. Die Dysthymie erfordere keine stationäre psychiatrische Maßnahme, da sie in der Regel gut ambulant psychotherapeutisch behandelt werden könne. Die Angstzustände mit Panikattacken seien ausschließlich abends aufgetreten, wenn die Versicherte allein zuhause sei. Hier bestehe in erster Linie eine Indikation für eine ambulante verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie, um die inzwischen chronifizierten Ängste zu bearbeiten. Hierfür sei es wichtig, dass die Klägerin lerne, im Rahmen ihres häuslichen Umfeldes die entsprechenden Coping-Strategien zur Regulation ihrer Angstsymptomatik anzuwenden und diese nicht in einem zeitlich begrenzten und wohnortfernen Krankenhaus umzusetzen, zumal bereits aus den Krankenhausvoraufenthalten bekannt sei, dass die Klägerin nicht in Anwesenheit anderer, sondern nur wenn sie zuhause alleine sei, Angst und Panikattacken bekomme. Eine ambulante Psychotherapie bestehe jedoch seit 2012 nicht mehr, andere ambulante Versorgungsstrukturen seien bisher seitens der Versicherten nicht in Anspruch genommen worden. Erst wenn die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft seien und sich als insuffizient erwiesen, könne gegebenenfalls ein teilstationärer Klinikaufenthalt in einer Tagesklinik mit dem Schwerpunkt Angststörung indiziert sein. Im Vordergrund solle jedoch primär eine ambulante Ausdehnung der Therapiemaßnahmen stehen, auch eine PPM-Maßnahme (ambulante Leistung der Eingliederungshilfe) sei sicherlich für die Klägerin hilfreich. Eine medizinische Indikation für eine medizinische Rehabilitation bestehe nicht, zumal auch nicht davon auszugehen sei, dass diese geeignet wäre, die hinter der Angstsymptomatik stehenden Ursachen im kausalen Sinne zu bearbeiten und längerfristig zu beheben. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wäre für die Klägerin weder ausreichend noch notwendig, ihre Symptomatik im positiven Sinne zu beeinflussen. Stattdessen wären ambulante Behandlungsmaßnahmen ausreichend und zweckmäßig, um längerfristig die depressiv-ängstliche Symptomatik der Klägerin zu reduzieren. Vorzuschlagen seien des Weiteren soziotherapeutische Maßnahmen sowie das Erlernen von Entspannungstechniken.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. September 2016, der Klägerin zugestellt am 30. September 2016, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des § 40 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Gemäß §§ 40 Abs. 1 und 2, 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V erbringe die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche stationäre Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht ausreichten, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Nach §§ 8 ff. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinie) setze eine erforderliche Rehabilitationsleistung, Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Im Falle der Klägerin fehle es an der Rehabilitationsbedürftigkeit. Gemäß § 8 Rehabilitations-Richtlinie bestehe Rehabilitationsbedürftigkeit, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorlägen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe drohe oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestünden und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. M., denen die Kammer folge, nicht gegeben. Dr. Dr. M. lege in ihrem Gutachten plausibel dar, dass bei den Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz einer medizinischen Rehabilitation im stationären Rahmen geeignet und erforderlich sei. Bei der Klägerin lägen als Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung und Dysthymie vor. Sofern die Klägerin unter einer Angst bei U-Bahnfahrten und einer Höhenangst leide, werde sie aufgrund der Möglichkeit sowohl das Auto als auch den Bus zu nutzen durch diese Ängste im Alltag nur geringfügig beeinträchtigt. Die darüber hinaus bestehenden Angstzustände mit Panikattacken träten ausschließlich abends auf, wenn die Versicherte alleine zu Hause sei. Hinsichtlich dieser Angstzustände bestehe jedoch vorrangig eine Indikation zu einer ambulanten verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie. Erst wenn die ambulanten Maßnahmen – wie ambulante Einzel- und Gruppentherapie, hochfrequente psychiatrische Behandlung, psychosoziale Unterstützungsangebote, soziotherapeutische Maßnahmen – ausgeschöpft seien und sich als insuffizient erwiesen, wäre aufgrund des Krankheitsbildes ein teilstationärer Klinikaufenthalt, jedoch keine stationäre Rehabilitationsmaßnahme indiziert.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 6. Oktober 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, erschwerend leide sie auch noch unter einer COPD nebst Herzinsuffizienz, ihr sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt. Sie sei auch der Meinung, die Reha sei notwendig zur Abwendung von Pflegebedürftigkeit. Sie sei bis 2012 in ambulanter Psychotherapie gewesen, die Therapie sei jedoch abgebrochen worden, weil die Beschwerden oftmals erst abends oder in der Nacht aufgetreten seien. Sie nehme seit 1998 Medikamente gegen Depressionen, hiervon seien bereits ihre Nieren geschädigt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2017 die Sachverständige Dr. Dr. M. zu ihrem Gutachten angehört. Diese hat ausgeführt, dass bei der Klägerin Ängste im Vordergrund stünden, die vorwiegend abends auftreten. Sobald jemand da sei, seien die Ängste weg. Unter stationären Bedingungen gäbe es keine Panikattacken, weshalb diese auch mit stationären Maßnahmen kaum in Griff zu bekommen seien, weil sie dort eben nicht auftreten. Die Pankattacken hätten " kommunikative Intention" und seien durch die nächtliche Einsamkeit ausgelöst. Die Klägerin leide durchaus auch unter diversen körperlichen Erkrankungen. Diese seien aber nicht so relevant, dass sie im Alltagsleben die Klägerin einschränken würden. Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, sie fühle sich nicht einsam, sie habe einen großen Bekanntenkreis und eine Tochter. Ihre körperlichen Erkrankungen seien durchaus auch einschränkend, zumal auch die Psyche darunter leide.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31. August 2017 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des angefochtenen Urteils, denen das Berufungsgericht folgt, wird daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Umstände, die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnten, sind nicht erkennbar. Anzeichen dafür, dass der Klägerin Pflegebedürftigkeit drohen könnte, die durch eine Rehabilitationsmaßnahme abzuwenden wäre, sind ebenso wenig vorhanden, wie Anhaltspunkte dafür, dass eine medizinische Rehabilitation wegen der somatischen Beschwerden notwendig sein könnte. Auch folgt die Festsetzung des GdB im Schwerbehindertenrecht gänzlich anderen Maßstäben als die Prüfung der Notwendigkeit medizinischer Rehabilitation und hat hierfür keinerlei Aussagekraft. Schließlich erscheint es auch dem Berufungsgericht schlüssig und nachvollziehbar, dass Panikattacken, die unter stationären Bedingungen nicht auftreten, weil dort rund um die Uhr und damit auch abends und nachts potentielle Ansprechpartner verfügbar sind, in einem stationären Setting nicht behandelbar sind. Auf die Frage, ob die Klägerin im Übrigen gute und ausreichende soziale Kontakte hat, kommt es insoweit nicht an. Da nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht geeignet wäre, die Angstsymptomatik der Klägerin nachhaltig zu beeinflussen, ist sie auch nicht geeignet, dauerhaft nachhaltig positiv den Konsum an Antidepressiva der Klägerin zu beeinflussen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer stationären Rehabilitationsleistung.
Die am xxxxx 1948 geborene Klägerin stellte am 27. März 2014 einen Antrag auf stationäre Rehabilitation bei der Beklagten. Zur Begründung ihres Antrages reichte sie am 23. Juni 2014 eine Verordnung ihres behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie E. bei der Beklagten ein, in welcher es heißt, die Klägerin leide unter einer Angstkrankheit mit Panikattacken sowie einer Dysthymie. Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer stationären Rehabilitationsleistung ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung N. (MDK) ein, welches Dr. B. am 1. August 2014 nach Aktenlage erstellte. Dieser kam zu der Einschätzung, dass bei der Klägerin keine Rehabilitationsbedürftigkeit bestehe. Vielmehr seien eine Intensivierung der fachärztlichen Behandlung und Psychotherapie angezeigt. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2014 zurück.
Auf die am 9. Dezember 2014 erhobene Klage hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. M. vom 14. August 2015. Diese hat im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin leide seit 1973 an einer Angsterkrankung mit gelegentlichen Panikattacken sowie unter einer langjährigen Dysthymie. Die Dysthymie erfordere keine stationäre psychiatrische Maßnahme, da sie in der Regel gut ambulant psychotherapeutisch behandelt werden könne. Die Angstzustände mit Panikattacken seien ausschließlich abends aufgetreten, wenn die Versicherte allein zuhause sei. Hier bestehe in erster Linie eine Indikation für eine ambulante verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie, um die inzwischen chronifizierten Ängste zu bearbeiten. Hierfür sei es wichtig, dass die Klägerin lerne, im Rahmen ihres häuslichen Umfeldes die entsprechenden Coping-Strategien zur Regulation ihrer Angstsymptomatik anzuwenden und diese nicht in einem zeitlich begrenzten und wohnortfernen Krankenhaus umzusetzen, zumal bereits aus den Krankenhausvoraufenthalten bekannt sei, dass die Klägerin nicht in Anwesenheit anderer, sondern nur wenn sie zuhause alleine sei, Angst und Panikattacken bekomme. Eine ambulante Psychotherapie bestehe jedoch seit 2012 nicht mehr, andere ambulante Versorgungsstrukturen seien bisher seitens der Versicherten nicht in Anspruch genommen worden. Erst wenn die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft seien und sich als insuffizient erwiesen, könne gegebenenfalls ein teilstationärer Klinikaufenthalt in einer Tagesklinik mit dem Schwerpunkt Angststörung indiziert sein. Im Vordergrund solle jedoch primär eine ambulante Ausdehnung der Therapiemaßnahmen stehen, auch eine PPM-Maßnahme (ambulante Leistung der Eingliederungshilfe) sei sicherlich für die Klägerin hilfreich. Eine medizinische Indikation für eine medizinische Rehabilitation bestehe nicht, zumal auch nicht davon auszugehen sei, dass diese geeignet wäre, die hinter der Angstsymptomatik stehenden Ursachen im kausalen Sinne zu bearbeiten und längerfristig zu beheben. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wäre für die Klägerin weder ausreichend noch notwendig, ihre Symptomatik im positiven Sinne zu beeinflussen. Stattdessen wären ambulante Behandlungsmaßnahmen ausreichend und zweckmäßig, um längerfristig die depressiv-ängstliche Symptomatik der Klägerin zu reduzieren. Vorzuschlagen seien des Weiteren soziotherapeutische Maßnahmen sowie das Erlernen von Entspannungstechniken.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. September 2016, der Klägerin zugestellt am 30. September 2016, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen zur Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des § 40 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Gemäß §§ 40 Abs. 1 und 2, 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V erbringe die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche stationäre Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht ausreichten, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Nach §§ 8 ff. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinie) setze eine erforderliche Rehabilitationsleistung, Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Im Falle der Klägerin fehle es an der Rehabilitationsbedürftigkeit. Gemäß § 8 Rehabilitations-Richtlinie bestehe Rehabilitationsbedürftigkeit, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorlägen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe drohe oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestünden und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. M., denen die Kammer folge, nicht gegeben. Dr. Dr. M. lege in ihrem Gutachten plausibel dar, dass bei den Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz einer medizinischen Rehabilitation im stationären Rahmen geeignet und erforderlich sei. Bei der Klägerin lägen als Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung und Dysthymie vor. Sofern die Klägerin unter einer Angst bei U-Bahnfahrten und einer Höhenangst leide, werde sie aufgrund der Möglichkeit sowohl das Auto als auch den Bus zu nutzen durch diese Ängste im Alltag nur geringfügig beeinträchtigt. Die darüber hinaus bestehenden Angstzustände mit Panikattacken träten ausschließlich abends auf, wenn die Versicherte alleine zu Hause sei. Hinsichtlich dieser Angstzustände bestehe jedoch vorrangig eine Indikation zu einer ambulanten verhaltenstherapeutisch orientierten Psychotherapie. Erst wenn die ambulanten Maßnahmen – wie ambulante Einzel- und Gruppentherapie, hochfrequente psychiatrische Behandlung, psychosoziale Unterstützungsangebote, soziotherapeutische Maßnahmen – ausgeschöpft seien und sich als insuffizient erwiesen, wäre aufgrund des Krankheitsbildes ein teilstationärer Klinikaufenthalt, jedoch keine stationäre Rehabilitationsmaßnahme indiziert.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid am 6. Oktober 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, erschwerend leide sie auch noch unter einer COPD nebst Herzinsuffizienz, ihr sei ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt. Sie sei auch der Meinung, die Reha sei notwendig zur Abwendung von Pflegebedürftigkeit. Sie sei bis 2012 in ambulanter Psychotherapie gewesen, die Therapie sei jedoch abgebrochen worden, weil die Beschwerden oftmals erst abends oder in der Nacht aufgetreten seien. Sie nehme seit 1998 Medikamente gegen Depressionen, hiervon seien bereits ihre Nieren geschädigt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2017 die Sachverständige Dr. Dr. M. zu ihrem Gutachten angehört. Diese hat ausgeführt, dass bei der Klägerin Ängste im Vordergrund stünden, die vorwiegend abends auftreten. Sobald jemand da sei, seien die Ängste weg. Unter stationären Bedingungen gäbe es keine Panikattacken, weshalb diese auch mit stationären Maßnahmen kaum in Griff zu bekommen seien, weil sie dort eben nicht auftreten. Die Pankattacken hätten " kommunikative Intention" und seien durch die nächtliche Einsamkeit ausgelöst. Die Klägerin leide durchaus auch unter diversen körperlichen Erkrankungen. Diese seien aber nicht so relevant, dass sie im Alltagsleben die Klägerin einschränken würden. Hierzu hat die Klägerin ausgeführt, sie fühle sich nicht einsam, sie habe einen großen Bekanntenkreis und eine Tochter. Ihre körperlichen Erkrankungen seien durchaus auch einschränkend, zumal auch die Psyche darunter leide.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31. August 2017 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden kann, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe des angefochtenen Urteils, denen das Berufungsgericht folgt, wird daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Umstände, die zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnten, sind nicht erkennbar. Anzeichen dafür, dass der Klägerin Pflegebedürftigkeit drohen könnte, die durch eine Rehabilitationsmaßnahme abzuwenden wäre, sind ebenso wenig vorhanden, wie Anhaltspunkte dafür, dass eine medizinische Rehabilitation wegen der somatischen Beschwerden notwendig sein könnte. Auch folgt die Festsetzung des GdB im Schwerbehindertenrecht gänzlich anderen Maßstäben als die Prüfung der Notwendigkeit medizinischer Rehabilitation und hat hierfür keinerlei Aussagekraft. Schließlich erscheint es auch dem Berufungsgericht schlüssig und nachvollziehbar, dass Panikattacken, die unter stationären Bedingungen nicht auftreten, weil dort rund um die Uhr und damit auch abends und nachts potentielle Ansprechpartner verfügbar sind, in einem stationären Setting nicht behandelbar sind. Auf die Frage, ob die Klägerin im Übrigen gute und ausreichende soziale Kontakte hat, kommt es insoweit nicht an. Da nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht geeignet wäre, die Angstsymptomatik der Klägerin nachhaltig zu beeinflussen, ist sie auch nicht geeignet, dauerhaft nachhaltig positiv den Konsum an Antidepressiva der Klägerin zu beeinflussen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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