Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 AS 2272/10 WA
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 535/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob das beim Sozialgericht Hamburg am 29. Mai 2008 anhängig gemachte Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 59 AS 1322/08 durch einen in der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2009 geschlossenen Vergleich beendet ist.
Die 1955 geborene Klägerin zu 1. und ihre 1995 geborene Tochter, die Klägerin zu 2., bildeten eine Bedarfsgemeinschaft und standen im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden: Beklagter) bewilligte den Klägerinnen u.a. mit Bescheid vom 5. November 2007 Leistungen für die Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 und rechnete dabei monatlich 247 Euro als Kindesunterhalt auf die Leistungen der Klägerin zu 2. an. Mit Bescheid vom 20. November 2007 setzte der Beklagte den Anrechnungsbetrag auf 500 Euro monatlich fest, was eine Einkommensanrechnung auch bei der Klägerin zu 1. zur Folge hatte. Mit Bescheid vom 21. Februar 2008 hob er die Anrechnung der Unterhaltsnachzahlung nur für Februar 2008 gänzlich auf. Den gegen die Anrechnung des Kinderunterhalts gerichteten Widerspruch der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008 zurück. Ein Überprüfungsantrag hinsichtlich der Anrechnung von Unterhaltsnachzahlungen in Höhe von 247 Euro monatlich auf die Grundsicherungsleistungen für September bis November 2007 war bei Erhebung der Klage noch nicht beschieden.
Mit der am 29. Mai 2008 beim Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage – Aktenzeichen S 59 AS 1322/08 – haben sich die Klägerinnen gegen die Anrechnung des Kindesunterhalts gewandt mit der Begründung, es handele sich um Nachzahlungen auf vor der Antragstellung beim Beklagten entstandene Unterhaltsschulden des Vaters der Klägerin zu 2 ... Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009, an dem die Klägerin zu 1. mit dem von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt teilgenommen hat, waren sich die Beteiligten darüber einig, dass der Streitgegenstand des Klageverfahrens der Bescheid vom 20. November 2007 in der Fassung des Bescheides vom 21. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 sei. Weiter heißt es im Protokoll:
"Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schließen die Beteiligten auf Anraten des Gerichts folgenden
Vergleich:
1. Die Beklagte hebt den Bescheid vom 20.11.2007 und ihren Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008 (W 3037/08) auf.
2. Die Beklagte gewährt der Klägerin für die Zeit vom 1.12.2007 bis 31.5.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie in dem Bescheid vom 5.11.2007 unter Berücksichtigung des Änderungsbescheides vom 21.2.2008 festgesetzt.
3. Im Hinblick auf den Zeitraum vom 1.9.2007 bis 30.11.2007 verbleibt es bei dem Bescheid vom 10. September 2007. Die Klägerin nimmt ihren Überprüfungsantrag zu-rück.
4. Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
V.u.g."
Der Beklagte hat den Klägerinnen mit Bescheiden vom 19. Januar 2010 und vom 11. März 2010 für Dezember 2007 bis Januar 2008 sowie für März bis Mai 2008 höhere Leistungen bewilligt, die entsprechende Nachzahlung ausgekehrt und damit den Vergleich ausgeführt (Mitteilung des Bevollmächtigten der Klägerinnen vom 20.9.2010). Der Nachzahlungsbetrag belief sich auf gut 1.000 Euro. Ein vollständiger Verzicht auf die Anrechnung des Kinderunterhalts in der Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 hätte zu einem weiteren Anspruch der Klägerinnen in Höhe von insgesamt knapp 1.000 Euro geführt.
Am 14. Juni 2010 haben die Klägerinnen den Vergleich beanstandet, u.a. mit der Begründung, der Rückzahlungsbetrag sei zu gering. Die Höhe sei im Vergleich nicht genannt. Die Nachzahlung müsse für eineinhalb Jahre erfolgen. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 59 AS 2272/10 WA beim Sozialgericht eingetragen und später unter dem Aktenzeichen S 26 AS 2272/10 WA fortgeführt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2015 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 15. Dezember 2009 beendet worden sei. Gemäß § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könnten die Beteiligten einen Vergleich zur Niederschrift des Gerichts schließen und damit den geltend gemachten Anspruch erledigen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen könnten. Dies hätten die Parteien getan, indem sie in der mündlichen Verhandlung eine einvernehmliche Regelung über alle in dem Rechtsstreit streitbefangenen Fragen getroffen hätten, die in das gerichtliche Protokoll aufgenommen worden sei. Die Parteien hätten über den Gegenstand der Klage verfügen können. Eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Vergleichs sei nicht ersichtlich.
Am 11. Dezember 2015 haben die Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Zur Begründung heißt es, der Klägerin zu 1. sei Unterhalt für die Klägerin zu 2. angerechnet worden. Es sei damals schwer gewesen, mit den Leistungen des Beklagten die Wohnung und den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid vom 17. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 5. November 2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20. November 2007 und vom 21. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2008 und der Änderungsbescheide vom 19. Januar 2010 und vom 11. März 2010 zu verurteilen, den Klägerinnen Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Nachzahlungen auf vor dem 1. September 2007 fällig gewordene Kindesunterhaltsansprüche zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 hat das Gericht die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, übertragen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2017 gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen hat.
Die Berufung der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid ist statthaft gemäß §§ 143, 144 SGG sowie form- und fristgemäß eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht festgestellt, dass das Verfahren durch den am 15. November 2009 geschlossenen Vergleich beendet ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den Gerichtsbescheid.
Insbesondere hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt, dass Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Vergleichs nicht vorliegen. Weder ist ersichtlich, dass die prozessrechtlichen Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss nicht vorgelegen hätten, noch bestehen Zweifel an der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Vergleichs. Dabei bestimmt sich die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit eines Prozessvergleichs nach den einschlägigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts (BSG, Urteil vom 27.6.1958 – 4 RJ 7/57). Insoweit bedeutende Umstände, die zu einer Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Vergleichs nach § 116 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– (geheimer Vorbehalt), § 117 BGB (Scheingeschäft), § 118 BGB (Mangel der Ernstlichkeit), § 120 BGB (falsche Übermittlung), § 123 (Täuschung oder Drohung), § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot), § 138 (Sittenwidrigkeit) oder § 779 BGB (Irrtum über die Vergleichsgrundlage) führen könnten, sind nicht ersichtlich.
Das Berufungsvorbringen der Klägerinnen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Dass sich die Klägerin zu 1. über die Bedeutung und Konsequenzen des Vergleichsschlusses in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht möglicherweise nicht voll umfänglich klar gewesen ist, und meint, der Nachzahlungsbetrag sei zu gering, führt insbesondere nicht zu einer Anfechtbarkeit des Vergleichs wegen Irrtums nach § 119 BGB. Die Grundlagen der Nachzahlungsberechnung sind im Vergleich durch die Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom 5.11.2007 und den Änderungsbescheid vom 21.2.2008 genannt worden. Der Nachzahlungsbetrag selbst ist und ohne weiteres durch einen Vergleich der in diesen Bescheiden ausgeworfenen Leistungen mit den tatsächlich gezahlten Leistungen zu ermitteln. Soweit die Klägerin dennoch mit einem höheren Betrag gerechnet haben sollte, dürfte es sich um einen allein auf ihre Willensbildung bezogenen, d.h. um einen unbeachtlichen Motivirrtum handeln (vgl. Gergen in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 119 BGB Rn. 106 ff.). Darüber hinaus wird die Wirksamkeit des Vergleichs durch den Kenntnisstand oder die Motivation der Klägerin zu 1. deshalb nicht berührt, weil sie wirksam durch einen Bevollmächtigten vertreten worden ist und die Prozesshandlungen des Bevollmächtigten sie binden (vgl. § 73 Abs. 6 S. 7 SGG i.V.m. § 785 Abs. 1 Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG vorliegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob das beim Sozialgericht Hamburg am 29. Mai 2008 anhängig gemachte Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 59 AS 1322/08 durch einen in der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2009 geschlossenen Vergleich beendet ist.
Die 1955 geborene Klägerin zu 1. und ihre 1995 geborene Tochter, die Klägerin zu 2., bildeten eine Bedarfsgemeinschaft und standen im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden: Beklagter) bewilligte den Klägerinnen u.a. mit Bescheid vom 5. November 2007 Leistungen für die Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 und rechnete dabei monatlich 247 Euro als Kindesunterhalt auf die Leistungen der Klägerin zu 2. an. Mit Bescheid vom 20. November 2007 setzte der Beklagte den Anrechnungsbetrag auf 500 Euro monatlich fest, was eine Einkommensanrechnung auch bei der Klägerin zu 1. zur Folge hatte. Mit Bescheid vom 21. Februar 2008 hob er die Anrechnung der Unterhaltsnachzahlung nur für Februar 2008 gänzlich auf. Den gegen die Anrechnung des Kinderunterhalts gerichteten Widerspruch der Klägerinnen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008 zurück. Ein Überprüfungsantrag hinsichtlich der Anrechnung von Unterhaltsnachzahlungen in Höhe von 247 Euro monatlich auf die Grundsicherungsleistungen für September bis November 2007 war bei Erhebung der Klage noch nicht beschieden.
Mit der am 29. Mai 2008 beim Sozialgericht Hamburg erhobenen Klage – Aktenzeichen S 59 AS 1322/08 – haben sich die Klägerinnen gegen die Anrechnung des Kindesunterhalts gewandt mit der Begründung, es handele sich um Nachzahlungen auf vor der Antragstellung beim Beklagten entstandene Unterhaltsschulden des Vaters der Klägerin zu 2 ... Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009, an dem die Klägerin zu 1. mit dem von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt teilgenommen hat, waren sich die Beteiligten darüber einig, dass der Streitgegenstand des Klageverfahrens der Bescheid vom 20. November 2007 in der Fassung des Bescheides vom 21. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2008 sei. Weiter heißt es im Protokoll:
"Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage schließen die Beteiligten auf Anraten des Gerichts folgenden
Vergleich:
1. Die Beklagte hebt den Bescheid vom 20.11.2007 und ihren Widerspruchsbescheid vom 6.5.2008 (W 3037/08) auf.
2. Die Beklagte gewährt der Klägerin für die Zeit vom 1.12.2007 bis 31.5.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie in dem Bescheid vom 5.11.2007 unter Berücksichtigung des Änderungsbescheides vom 21.2.2008 festgesetzt.
3. Im Hinblick auf den Zeitraum vom 1.9.2007 bis 30.11.2007 verbleibt es bei dem Bescheid vom 10. September 2007. Die Klägerin nimmt ihren Überprüfungsantrag zu-rück.
4. Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
V.u.g."
Der Beklagte hat den Klägerinnen mit Bescheiden vom 19. Januar 2010 und vom 11. März 2010 für Dezember 2007 bis Januar 2008 sowie für März bis Mai 2008 höhere Leistungen bewilligt, die entsprechende Nachzahlung ausgekehrt und damit den Vergleich ausgeführt (Mitteilung des Bevollmächtigten der Klägerinnen vom 20.9.2010). Der Nachzahlungsbetrag belief sich auf gut 1.000 Euro. Ein vollständiger Verzicht auf die Anrechnung des Kinderunterhalts in der Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 hätte zu einem weiteren Anspruch der Klägerinnen in Höhe von insgesamt knapp 1.000 Euro geführt.
Am 14. Juni 2010 haben die Klägerinnen den Vergleich beanstandet, u.a. mit der Begründung, der Rückzahlungsbetrag sei zu gering. Die Höhe sei im Vergleich nicht genannt. Die Nachzahlung müsse für eineinhalb Jahre erfolgen. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 59 AS 2272/10 WA beim Sozialgericht eingetragen und später unter dem Aktenzeichen S 26 AS 2272/10 WA fortgeführt worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2015 hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 15. Dezember 2009 beendet worden sei. Gemäß § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könnten die Beteiligten einen Vergleich zur Niederschrift des Gerichts schließen und damit den geltend gemachten Anspruch erledigen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen könnten. Dies hätten die Parteien getan, indem sie in der mündlichen Verhandlung eine einvernehmliche Regelung über alle in dem Rechtsstreit streitbefangenen Fragen getroffen hätten, die in das gerichtliche Protokoll aufgenommen worden sei. Die Parteien hätten über den Gegenstand der Klage verfügen können. Eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Vergleichs sei nicht ersichtlich.
Am 11. Dezember 2015 haben die Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Zur Begründung heißt es, der Klägerin zu 1. sei Unterhalt für die Klägerin zu 2. angerechnet worden. Es sei damals schwer gewesen, mit den Leistungen des Beklagten die Wohnung und den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid vom 17. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 5. November 2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20. November 2007 und vom 21. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2008 und der Änderungsbescheide vom 19. Januar 2010 und vom 11. März 2010 zu verurteilen, den Klägerinnen Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Nachzahlungen auf vor dem 1. September 2007 fällig gewordene Kindesunterhaltsansprüche zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2016 hat das Gericht die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, übertragen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2017 gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen hat.
Die Berufung der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid ist statthaft gemäß §§ 143, 144 SGG sowie form- und fristgemäß eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht festgestellt, dass das Verfahren durch den am 15. November 2009 geschlossenen Vergleich beendet ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den Gerichtsbescheid.
Insbesondere hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt, dass Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Vergleichs nicht vorliegen. Weder ist ersichtlich, dass die prozessrechtlichen Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss nicht vorgelegen hätten, noch bestehen Zweifel an der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Vergleichs. Dabei bestimmt sich die Frage der materiell-rechtlichen Wirksamkeit eines Prozessvergleichs nach den einschlägigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts (BSG, Urteil vom 27.6.1958 – 4 RJ 7/57). Insoweit bedeutende Umstände, die zu einer Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Vergleichs nach § 116 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– (geheimer Vorbehalt), § 117 BGB (Scheingeschäft), § 118 BGB (Mangel der Ernstlichkeit), § 120 BGB (falsche Übermittlung), § 123 (Täuschung oder Drohung), § 134 BGB (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot), § 138 (Sittenwidrigkeit) oder § 779 BGB (Irrtum über die Vergleichsgrundlage) führen könnten, sind nicht ersichtlich.
Das Berufungsvorbringen der Klägerinnen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Dass sich die Klägerin zu 1. über die Bedeutung und Konsequenzen des Vergleichsschlusses in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht möglicherweise nicht voll umfänglich klar gewesen ist, und meint, der Nachzahlungsbetrag sei zu gering, führt insbesondere nicht zu einer Anfechtbarkeit des Vergleichs wegen Irrtums nach § 119 BGB. Die Grundlagen der Nachzahlungsberechnung sind im Vergleich durch die Bezugnahme auf den Bewilligungsbescheid vom 5.11.2007 und den Änderungsbescheid vom 21.2.2008 genannt worden. Der Nachzahlungsbetrag selbst ist und ohne weiteres durch einen Vergleich der in diesen Bescheiden ausgeworfenen Leistungen mit den tatsächlich gezahlten Leistungen zu ermitteln. Soweit die Klägerin dennoch mit einem höheren Betrag gerechnet haben sollte, dürfte es sich um einen allein auf ihre Willensbildung bezogenen, d.h. um einen unbeachtlichen Motivirrtum handeln (vgl. Gergen in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 119 BGB Rn. 106 ff.). Darüber hinaus wird die Wirksamkeit des Vergleichs durch den Kenntnisstand oder die Motivation der Klägerin zu 1. deshalb nicht berührt, weil sie wirksam durch einen Bevollmächtigten vertreten worden ist und die Prozesshandlungen des Bevollmächtigten sie binden (vgl. § 73 Abs. 6 S. 7 SGG i.V.m. § 785 Abs. 1 Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved