L 4 AS 294/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 AS 3908/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 294/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1954 geborene Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger beantragte erstmals am 4. Februar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Weiteren einheitlich: Beklagter). Er gab im Antrag an, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen. Als Konto benannte er eines bei der S.-Bank mit der Kontonummer. Die Richtigkeit seiner Angaben versicherte er mit seiner Unterschrift auf dem Antrag. Mit Bescheid vom 3. März 2005 (später geändert durch Bescheid vom 8.2.2006) wurden ihm erstmals Leistungen ab dem 1. März 2005 bis zum 31. August 2005 bewilligt. Im Bescheid erfolgte der Hinweis, dass der Kläger verpflichtet sei, alle wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen. Nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnittes beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen und erklärte dabei jeweils, dass sich seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geändert hätten. Der Beklagte gewährte deshalb auch in der Folge Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen und zwar mit Bescheiden vom 2. August 2005 (1.9.2005 bis 31.12.2005) i.d.F. der Änderungsbescheide vom 8. Februar 2006 und 19. Juni 2006, vom 16. Mai 2006 (1.6.2006 bis 30.11.2006) i.d.F. der Änderungsbescheide vom 4. August 2006, 25. August 2006, 10. Oktober 2006, 23. Oktober 2006 und 29. November 2006, vom 6. Dezember 2006 (1.12.2006 bis 31.5.2007) i.d.F. des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2007, vom 26. April 2008 (1.6.2007 bis 30.11.2007) i.d.F. der Änderungsbescheide vom 2. Juni 2007 und 26. September 2007, vom 7. November 2007 (1.12.2007 bis 31. Mai 2008), vom 26. Mai 2008 (1.6.2008 bis 30.11.2008), vom 12. November 2008 (1.12.2008 bis 31.5.2009), vom 13. Mai 2009 (1.6.2009 bis 30.9.2009) i.d.F. des Änderungsbescheides vom 7. Juni 2009, vom 3. September 2009 (1.10.2009 bis 31.3.2010), mit vorläufigem Bescheid vom 16. April 2010 (1.4.2010 bis 30.9.2010) i.d.F. der Änderungsbescheide vom 28. Mai 2010 und 11. Juni 2010, mit vorläufigem Bescheid vom 1. März 2011 (13.1.2011 bis 30.6.2011) sowie mit vorläufigem Bescheid vom 24. März 2011 (13.1.2011 bis 31.3.2011) i.d.F. des Änderungsbescheides vom 26. März 2011. Die zuletzt genannten vorläufigen Bewilligungen – ab 1. April 2010 – wurden dabei mit noch nicht feststehenden Betriebseinnahmen und -ausgaben begründet.

Nachdem der Beklagte den Kläger zur Senkung seiner Unterkunftskosten aufgefordert hatte, erhielt der Kläger ab 1. Januar 2007 nur noch Leistungen unter Anerkennung einer Nettokaltmiete auf der Grundlage der jeweils geltenden Fachanweisung des Beklagten. Daraus ergaben sich bewilligte Kosten der Unterkunft i.H.v. 413,- Euro bzw. seit Dezember 2007 i.H.v. 439,12 Euro und seit Oktober 2009 i.H.v. 448,16 Euro. Die tatsächliche Miete betrug dagegen zunächst 558,40 Euro und seit dem 1. März 2008 587,84 Euro.

Im April 2008 gab der Kläger bei der Arbeitsvermittlung des Beklagten in einem Gespräch an, ein Nebengewerbe aufgenommen zu haben, und legte die zum 3. März 2008 erfolgte Gewerbeanmeldung ("Erstellung von Internetseiten") vor. Einkommen aus der Tätigkeit zeigte der Kläger dagegen nicht an.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 bat der Kläger gegenüber dem Beklagten um eine Beratung im Zusammenhang mit seinem Kleingewerbe. Der Beklagte forderte den Kläger auf, zu erklären, wie er in der Vergangenheit die monatliche Mietdifferenz aufgebracht habe, und eine Gewinn- und Verlustrechnung sowie weitere Unterlagen über die Betriebseinnahmen und -ausgaben seiner gewerblichen Tätigkeit des letzten Jahres vorzulegen. Der Beklagte erhielt anschließend Kenntnis vom Hauptzollamt (HZA), dass der Kläger über erhebliche Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit verfüge.

Der Kläger legte beim Beklagten Unterlagen aus den Jahren 2009 und 2010 vor, aus denen sich ein geringer Verlust aus seiner gewerblichen Tätigkeit ergab. Angaben dazu, woraus er die Mietdifferenz bezahlt hatte, machte der Kläger dagegen nicht. Der Beklagte bewilligte daraufhin ab April 2010 vorläufig Leistungen unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens i.H.v. 450,- Euro.

Zum 20. April 2010 meldete der Kläger sein Gewerbe um und gab als weitere Tätigkeit neben der Erstellung von Internetseiten den Bau und Verkauf von Computern, elektronischen Geräten und Lautsprecheranlagen an.

Nach erhobenem Widerspruch und Durchführung eines Eilverfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg (S 51 AS 2031/10 ER) bewilligte der Beklagte sodann ab April 2010 vorläufig Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen (Bescheid vom 11.6.2010).

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 7. Oktober 2010 hin wurde der Kläger aufgefordert, Kontoauszüge und die Anlage EKS über die abschließenden Betriebseinnahmen und -ausgaben für den vergangenen Bewilligungsabschnitt sowie die vorläufigen Betriebseinnahmen und -ausgaben für den kommenden Bewilligungsabschnitt einzureichen.

Der Kläger teilte mit, dass er die Unterlagen wegen einer Beschlagnahme nicht einreichen könne. Hintergrund war ein vom HZA eingeleitetes Verfahren gegen den Kläger, das durch einen anonymen Hinweisgeber im Dezember 2009 ausgelöst worden war. Das Verfahren wurde von der HZA im Mai 2010 an die Staatsanwaltschaft (StA) H3 abgegeben. Das HZA führte im Laufe der weiteren Ermittlungen im Auftrag der StA und aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses eine Hausdurchsuchung beim Kläger durch, bei der verschiedene Dokumente beschlagnahmt wurden.

Der Weiterbewilligungsantrag des Klägers wurde sodann mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Dabei ging der Beklagte von einem monatlichen Einkommen i.H.v. 1.200,- Euro aus. Im Rahmen eines erneut angestrengten Eilverfahrens (S 57 AS 180/11 ER) wurde der Beklagte sodann vorläufig verpflichtet, für die Zeit vom 13. Januar 2011 bis zum 31. März 2011 unter Anrechnung eines Einkommens aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 425,- Euro Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erbringen. Der Verpflichtung kam der Beklagte mit Bescheiden vom 1. März 2011 und 24. März 2011 nach, jeweils in Form vorläufiger Bewilligungen.

Den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Dezember 2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2011 als unbegründet zurück. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Nach Bekanntwerden zweier weiterer Konten neben dem besagten Konto bei der S.-Bank durch ein Kontenabrufverfahren wurde der Kläger auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 5. April 2011 hin aufgefordert, weitere Kontoauszüge vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach, weshalb die Leistungen durch Bescheid vom 23. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2012 versagt wurden.

Mit weiterem Schreiben vom 23. Mai 2011 hörte der Beklagte den Kläger außerdem zu einer Überzahlung von Leistungen vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2011 i.H.v. 56.022,97 Euro an.

Mit Bescheid vom 18. April 2012 hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide sodann für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2011 ganz auf und verlangte Erstattung i.H.v. 56.022,97 Euro. Der Bescheid nannte dabei ausdrücklich die o.g. Bewilligungs- und Änderungsbescheide – mit Ausnahme des Bescheides vom 19. Juni 2006 – und zusätzlich einen Bescheid vom "19.mai 2006", der tatsächlich nicht existent ist. Die Erstattungsforderung wurde in einer Summe ohne Aufschlüsselung nach Monaten genannt. Der Beklagte stützte die Aufhebungsentscheidung auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und führte zur Begründung aus, dass der Kläger – wie dem Beklagten durch das HZA mitgeteilt worden war – Einkommen aus E.-Verkäufen erzielt habe. Kontoauszüge seien nicht vorgelegt worden, weshalb davon auszugehen sei, dass tatsächlich keine Hilfebedürftigkeit bestanden habe. Der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, habe Einkommen erzielt und hätte zudem wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch weggefallen sei.

Am 23. Juli 2012 übersandte das HZA dem Beklagten einen Aktenvermerk über die Auswertung eines Kontos bei der H. Sparkasse (H.) zur Kto-Nr., dessen Inhaberin und alleinige Verfügungsberechtigte die Schwester des Klägers und spätere Zeugin, Frau B1 (geb. P.), war. Danach waren diesem Konto im Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 29. Dezember 2008 insgesamt 63.695,20 Euro gutgeschrieben worden, nicht zuletzt in Form diverser Bareinzahlungen, wobei nicht ermittelt werden konnte, durch wen diese Einzahlungen erfolgt waren.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 erhob der Bevollmächtigte des Klägers vorsorglich Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. April 2012. Der Kläger habe eine Zahlungsaufforderung erhalten, die auf den Bescheid vom 18. April 2012 Bezug nehme. Diesen Bescheid habe der Kläger jedoch tatsächlich nicht erhalten.

Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2012 als unzulässig, da die Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sei.

Der Kläger hat am 17. Dezember 2012 Klage erhoben.

Der Beklagte hat am 19. April 2013 einen weiteren Widerspruchsbescheid erlassen, mit dem der Widerspruchsbescheid vom 14. November 2012 aufgehoben und durch den neuen Bescheid ersetzt wurde. Die Aufhebungsentscheidung wurde nunmehr nur noch für den ersten Bewilligungsbescheid auf § 48 SGB X gestützt und für die folgenden Bescheide auf § 45 SGB X. Im Begründungsteil heißt es zur Erstattungsforderung, dem Kläger seien in der Zeit vom "01.03.2005 bis 28.02.2011 Leistungen in Höhe von 55.458,49 Euro bewilligt und ausgezahlt" worden. Dieser Betrag sei vollumfänglich zu erstatten. Die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen durch das HZA habe ergeben, dass der Kläger das Konto seiner Schwester für sich selbst genutzt habe und sich hieraus Einnahmen i.H.v. 63.695,20 Euro für den Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 29. Dezember 2008 ergäben. So habe der Kläger – wie aus Email-Verkehr und Buchungstexten ersichtlich sei – seine Geschäftspartner aufgefordert, Zahlungen auf das Konto seiner Schwester vorzunehmen. Zudem seien vom Konto einige Male die Miete für seine Wohnung sowie sein Internetanschluss gezahlt und Abbuchung von Bargeld auf M. zu einer Zeit vorgenommen worden, in der sich der Kläger dort befunden habe. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt und keine weiteren Kontoauszüge vorgelegt, weshalb im Wege einer Beweislastumkehr davon auszugehen sei, dass er bereits im März 2005 über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt habe. Aus den vom HZA ermittelten Einnahmen ergebe sich ein durchschnittlicher monatlicher Gewinn i.H.v. 1.415,45 Euro, der auf den Bedarf des Klägers anzurechnen sei.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Berechnung des Beklagten hinsichtlich des durchschnittlichen Einkommens bereits falsch sei, da das ermittelte Einkommen sich auf einen längeren Zeitraum beziehe, als angegeben. Unabhängig davon würde es sich jedoch nicht um sein Einkommen handeln. Sämtliche Zahlungen vom Konto seiner Schwester seien von ihr selbst vorgenommen worden. Nur sie sei verfügungsberechtigt über das Konto. Er habe sein E.-Konto dazu benutzt, im Rahmen von Freundschaftsdiensten für Verwandte und Freunde Gegenstände zu ersteigern oder zu verkaufen. Einnahmen habe er hieraus nicht erzielt. Zwischen ihm und seiner Schwester habe eine Vereinbarung bestanden, wonach die Schwester ihm lediglich darlehensweise Gelder zur Verfügung gestellt habe. Dies ergebe sich auch aus den Kontoauszügen, denn danach habe er Zahlungen auf das Konto seiner Schwester mit dem Verwendungszweck "Abtrag, Schulden" überwiesen. Wer Bareinzahlungen auf das Konto vorgenommen habe, sei nicht geklärt. Diese stünden jedenfalls nicht im Zusammenhang mit ihm.

Das Gericht hat die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten beigezogen. Die Ermittlungen ergaben dabei Folgendes:

Auf den Namen des Klägers waren bei E. insgesamt fünf Nutzerkonten eingetragen unter folgenden Benutzernamen: F., J., J1, P. und J2. Unter dem Benutzernahmen "J1" wurden seit Eröffnung des Mitgliedskontos im Juli 2005 bis Anfang 2008 Verkäufe mit einem Umsatz von 7.786,72 Euro vorgenommen. Ersteigert wurden unter dem Benutzernamen bis November 2010 Waren im Wert von 12.192,45 Euro.

Die Auswertung des Email-Verkehrs ergab, dass der Kläger mit diversen Personen im Kontakt zwecks Erstellung bzw. Änderung von Internetseiten stand, die ihm teils auf sein Konto, teils auf das Konto der Schwester Geld überwiesen haben. Teilweise hatte der Kläger in Emails ausdrücklich um Überweisung auf das Konto der Schwester gebeten, einmal um eine Bargeldübergabe an seinen Schwager, den Ehemann der Schwester. Die Auswertung des Internets durch das Sozialgericht ergab, dass auf diversen Internetseiten (C2, A2, A1 und M4) als Urheber des Designs "G2" angegeben war. Der Kläger war im Impressum als Inhaber dieser Seite angegeben. Eine Rechnung über die Benutzung dieser Domain befand sich in den Unterlagen des Klägers. Sie war an ihn adressiert.

Insgesamt wurden vom Konto der Schwester 52.752,11 Euro überwiesen bzw. abgehoben. Demgegenüber standen Gutschriften i.H.v. 63.695,20 Euro, davon 17.243,59 Euro Bareinzahlungen und 3.250,- Euro Überweisungsgutschriften vom Konto des Klägers.

Das Sozialgericht hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2013 gerichtete Klage mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2015, in der sich die als Zeugin geladene Frau B1 auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der formell rechtmäßige Bescheid vom 18. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2013 entspreche dem Bestimmtheitsgebot nach § 33 SGB X, da die Bezeichnung des Bescheides vom 19. Juni 2006 als "19. mai 2006" als offensichtliche Unrichtigkeit, die nach § 38 SGB X jederzeit beseitigt werden könne, zu bewerten sei. Angesichts des Inhalts des Aufhebungsbescheides hätten unzweifelhaft sämtliche Bewilligungs- und Änderungsbescheide für den gesamten Zeitraum ab dem 1. März 2005 und dies in vollem Umfang aufgehoben werden sollen. Die Rücknahme der Leistungsbewilligung richte sich für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2010 nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Denn es hätten mit den Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheiden begünstigende Verwaltungsakte vorgelegen, die infolge fehlender Hilfebedürftigkeit des Klägers von Anfang an gegen § 19 Abs. 1, § 7 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 SGB II verstoßen hätten und damit rechtswidrig gewesen seien. Dass der Beklagte seine Entscheidung teils auf § 48 Abs. 1 Satz Nr. 2 bis 4 SGB X gestützt habe, sei alleine nicht klagebegründend. Die erlassenen Bewilligungs- und Änderungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, da der Kläger nicht hilfebedürftig gewesen sei. Die Kammer sei überzeugt, dass der Kläger seit Beginn des Leistungsbezuges über zu berücksichtigendes Einkommens im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II verfügt habe, welches er gegenüber dem Beklagten nicht angegeben, sondern sich zur Verschleierung dieses Umstandes des Kontos seiner Schwester bedient habe.

Tatsächlich könne zwar nicht aufgeklärt werden, in welchem Umfang der Kläger Einkommen erzielt habe und ob dies ausreichend gewesen sei, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Die Nichterweislichkeit des Umfangs des anrechenbaren Einkommens gehe jedoch zu Lasten des Klägers. Dem Kläger seien während des Bewilligungszeitraums durch zahlreiche Bareinzahlungen und Überweisungen auf das Konto der Schwester, welches zur Überzeugung der Kammer tatsächlich vom Kläger genutzt und ihm daher wirtschaftlich zuzurechnen gewesen sei, Einnahmen in Geldeswert und damit bei der Berechnung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigendes Einkommen i.S.d. § 11 SGB II zugeflossen. Die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über das Konto der Schwester ergebe sich dabei aus den Gesamtumständen der Kontonutzung, die einen ganz überwiegenden Bezug zum Kläger aufwiesen.

Aus den Kontoauszügen des betreffenden Kontos der Schwester seien mit Ausnahme der monatlichen Kontoführungsgebühren und Barabhebungen überwiegend Überweisungen an den Kläger selbst oder zur Erfüllung von Verbindlichkeiten des Klägers ersichtlich. Dies betreffe zum einen neben den Direktüberweisungen in 18 Teilzahlungen auf das Konto des Klägers i.H.v. insgesamt 4.150,- Euro die an die Vermieterin oder Versorger des Klägers geleisteten Zahlungen (insgesamt 87 Einzelbuchungen), sei es die laufende Miete (am 2.6.2005, 5.12.2006, 5.6.2007, 13.8.2007, 13.5.2008 und 14.1.2009) oder die Begleichung von aufgelaufenen Mietschulden (so am 13.10.2008, 13.3.2009 und 10.6.2010), Vorauszahlungen an den Heizungsanbieter E2 AG (am 2.6.2005, 4.7.2005 und 5.12.2006) bzw. sich aus Abrechnungen ergebene Nachzahlungen bzw. Schulden (18.9.2007, 8.9.2008 und 23.10.2008), an den Stromversorger H1 (am 26.9.2005 i.H.v. 198,- Euro), an den Telefonanbieter H2 (monatlich zwischen 32,20 Euro und 122,23 Euro), an den Stromanbieter (ab 2006 V., vormals H1, am 6.7.2006) oder an die G. (am 25.10.2006 i.H.v. 47,28 Euro sowie am 26.5.2010 i.H.v. 19,51 Euro). Dass diese Zahlungen zur Tilgung der Verbindlichkeiten des Klägers getätigt worden seien, ergebe sich dabei zum einen aus der ausdrücklichen Nennung seines Namens bzw. seiner Kundenummer im Verwendungszweck. Zum anderen folge dies auch aus den Einlassungen des Klägers selbst, wonach sein Telefonanschluss bei H2 über das Konto seiner Schwester bezahlt worden sei.

Darüber hinaus weise das Konto insgesamt 120 Überweisungen an Dritte unter Bezugnahme auf E.-Käufe des E.-Käufers "J1" – dem Benutzernamen des Klägers bei E. seit dem 11. Oktober 2002 – bzw. des E.-Käufers "J6" – dem Benutzernamen des Klägers bei E. seit dem 7. April 2005 – auf. Der Einwand des Klägers, dass diese Einkäufe tatsächlich für Dritte getätigt worden seien, sei dagegen nicht anhand der vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar. Der beschlagnahmte Rechnungsordner weise keine Rechnung auf, bei der der Gegenstand an eine andere Adresse, als die des Klägers, gesandt worden sei. Der Kläger selbst habe zu den Käufen keine näheren Angaben mehr machen können.

Weitere 39 Überweisungen seien darüber hinaus im Namen des Klägers ("J.P.", "P1", "P.", "J3", "P2", "J4") oder unter Nennung seiner Internetseite "J5" bzw. auf an den Kläger adressierte Rechnungen, die der Kläger in seinem Rechnungsordner bzw. in seinem Email-Verkehr aufbewahrt habe, erfolgt (im Einzelnen: Überweisung am 21.12.2006 an die D. GmbH = Rechnung vom 29.12.2006, im Rechnungsordner unter "D" abgeheftet; Überweisung am 21.12.2006 an M.E. = Rechnung vom 21.12.2006, im Rechnungsordner unter "PQ" für P.C. abgeheftet; Überweisung am 22.12.2006 an die M1 GmbH = Rechnung vom 28.12.2006, im Rechnungsordner unter "M" abgeheftet; Überweisung am 2.2.2007 an M.E. = Rechnung vom 2.2.2007, im Rechnungsordner unter "PQ" abgeheftet für P.C.; Überweisungen am 3.5.2007, 11.6.2007, 19.6.2007 und 18.10.2007 an G. = Rechnungen vom 2.5.2007, 8.6.2007, 18.6.2008 und 18.10.2007, im Rechnungsordner unter "G" abgeheftet; Überweisung am 10.3.2008 an C1 = Rechnung vom 11.3.2008, im Rechnungsordner unter "C" abgeheftet; Überweisung am 24.4.2008 an N. = Rechnung vom 19.7.2009, Beweismittelordner [BAO], Abschn. E, Bl. 7; Überweisung am 27.11.2008 an die L1 = Rechnung vom 25.11.2008, im Rechnungsordner unter "L" abgeheftet; Überweisung am 29.12.2008 an P.G. = Rechnung vom 30.12.2008, BMO, Abschn. E, Bl. 55; Überweisung vom 25.5.2009 an N.S. = Rechnung vom 26.5.2008, im Rechnungsordner unter "Sch" abgeheftet; Überweisung an A3 = Rechnung vom 23.11.2009, im Rechnungsordner unter "A" abgeheftet).

Darüber hinaus sei eine Abbuchung dem Kläger dadurch zurechenbar, dass ausweislich der Ankaufsliste über die bei E. ersteigerten Gegenstände (BMO, Abschn. D) nachzuvollziehen gewesen sei, dass der Kläger im gleichen Zeitraum für diesen Betrag zzgl. Versandkosten etwas bei E. ersteigert habe (Überweisung am 22.12.2006 "E. L." ersteigert am 14.12.2006: L. Router zu einem Preis vom 6,37 Euro).

Von den insgesamt 461 Abbuchungen im Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis 16. September 2010 seien direkt 264 Abbuchungen dem Kläger zuzurechnen.

Die weiteren, nicht zurechenbaren Abbuchungen bezögen sich im Wesentlichen auf Kontoführungsgebühren, Sollzinsen und 59 Bargeldabhebungen ausschließlich mit EC-Karte. Dabei gehe die Kammer davon aus, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung die EC-Karte für das betreffende Konto habe nutzen können. Die Überzeugungsbildung beruhe dabei im Wesentlichen auf folgenden Umständen: Am 9. Januar 2007 sei bei der Firma A. in einem Ladengeschäft in B. eine gebrauchte "Classic Movie"-Anlage der Firma L2 für einen Preis von 1.900,- Euro gekauft und vor Ort per EC-Karte gezahlt worden. Die Lastschrift sei vom Konto der Schwester des Klägers am 10. Januar 2007 erfolgt. Dass es sich hierbei um einen Kauf per EC-Karte gehandelt habe, ergebe sich dabei nicht nur aus dem Buchungstext der Kontoauszüge, sondern auch aus der Original-Rechnung, die der Kläger in seinem Rechnungsordner aufbewahrt habe und die handschriftlich neben dem Vordruck "Betrag dankend erhalten" mit dem Vermerk "per Karte" versehen gewesen sei. Die Rechnung sei an den Kläger adressiert gewesen. Auf Vorhalt der Rechnung aus seinem Rechnungsordner habe der Kläger eingeräumt, das Gerät gekauft und für die Vertonung von Filmen genutzt zu haben. Auf weitere Nachfrage habe sich der Kläger an das Zustandekommen des Kaufvertrages nicht mehr erinnern können. Die folgende Einlassung des Klägers, dass seine Schwester den Receiver gekauft haben müsse, sei dagegen erst auf Vorhalt der Bezahlung per EC-Karte erfolgt. Aus Sicht der Kammer stelle sich diese Sachverhaltsdarstellung des Klägers als bloße Schutzbehauptung dar. Der Kläger habe zuvor zu den zahlreichen E.-Einkäufen auf seinen Benutzernamen erklärt, dass er aufgrund seines technischen Sachverstandes von seinen Familienmitgliedern beauftragt worden sei, sich um technische Dinge zu kümmern und benötigte Gerätschaften und Zubehör bei E. zu ersteigern. Weshalb dann ausgerechnet bei einer derart teuren Anlage der Kläger dagegen seine Schwester den Kauf habe abwickeln lassen, habe der Kläger nicht plausibel machen und nicht erklären können.

Dafür, dass der Kläger auch tatsächlich über die EC-Karte habe verfügen können, spreche zudem der Umstand, dass am 3. Februar 2007 am Geldautomaten in N1 mit der EC-Karte für das Konto der Zeugin 200,- Euro Bargeld abgehoben worden seien und der Kläger sich zu dieser Zeit in N1 aufgehalten habe. Dies ergebe sich wiederum aus einer Rechnung und Reservierungsbestätigung vom 23. Januar 2007 für einen Flug mit Abreisedatum 3. Februar 2007. Auf der Reservierungsbestätigung des Flugtickets sei als Reisender der Kläger persönlich benannt. Auch die Rechnung des W1 Hotels in N1 vom 4. Februar 2007, die eine Anreise am 3. Februar 2007 bestätige, sei auf den Namen des Klägers ausgestellt. Der Hotelaufenthalt sei am 4. Februar 2007 laut Rechnung mit einer Visakarte vor Ort bezahlt worden. Am 13. Februar 2007 sei eine Überweisung an Frau W.P. vom Konto der Schwester des Klägers in gleicher Höhe mit dem Verwendungszweck "J3 W1 Hotel N1" erfolgt.

Weitere Lastschriften seien unter Verwendung der EC-Karte am 1. Juli 2005 und am 7. Mai 2007, jeweils bei der Firma S2 GmbH, i.H.v. 176,30 Euro bzw. 260,61 Euro erfolgt. Die an die E1 GmbH und an den Kläger adressierten Rechnungen vom 30. Juni 2005 und 5. Mai 2007 befänden sich im Rechnungsordner des Klägers unter dem Buchstaben "S" abgeheftet. Sie bestätigten die Zahlung durch EC-Karte ("Betrag durch EC-Kartenzahlung dankend erhalten."). Für die Firma E1 GmbH sei der Kläger bis zur Trennung der Geschäftspartner tätig gewesen. Ein Zusammenhang mit der Schwester des Klägers sei dagegen nicht ersichtlich.

Der tatsächlichen Verfügungsbefugnis des Klägers über das Konto seiner Schwester stehe auch nicht entgegen, dass nach der Auskunft des Bundeszentralamtes für Steuern im Rahmen des Kontenabrufverfahrens der Kläger nicht als Verfügungsberechtigter des Kontos eingetragen gewesen sei. Durch Überlassung der EC-Karte und der TANs für das Onlinebanking sei ein Girokonto auch ohne entsprechend hinterlegte Bankvollmacht faktisch von einem Dritten nutzbar. Dass für das Konto ein Onlinebanking eingerichtet gewesen sei, ergebe sich aus den Kontoauszügen selbst (einmalige Lastschrift H. Onlinebanking vom 28.6.2005 i.H.v. 10,95 Euro).

Eindeutig Dritten wirtschaftlich zurechenbare Überweisungen seien dagegen nur vereinzelt erkennbar, so bei zwei Überweisungen im Namen des E.-Nutzers "G1" (22.8.2005 und 31.8.2005), bei dem es sich aufgrund der auffälligen Namensgleichheit um die Zeugin B1 gehandelt haben dürfte, sowie bei einer Überweisung der Miete für den Neffen des Klägers, E.B. (am 7.2.2007). Regelmäßige Einnahmen oder Ausgaben, die auf die Nutzung des Kontos durch die Zeugin schließen lassen könnten, seien dem Konto dagegen nicht zu entnehmen. Auch die Gutschriften auf dem Konto wiesen, abgesehen von den nicht direkt zurechenbaren Bareinzahlungen und Überweisungen des Klägers selbst, ebenfalls überwiegend einen Bezug zum Kläger auf.

Angesichts des so deutlichen Übergewichts der im Zusammenhang mit dem Kläger stehenden Abbuchungen und Einnahmen, der Überzeugung des Gerichts von der Nutzung der EC-Karte durch den Kläger und der fehlenden Verbindung des Kontos zur eigentlichen Kontoinhaberin habe der Kläger zur Überzeugung der Kammer nach der Gesamtschau und unter Abwägung aller Umstände mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit tatsächlich über das Konto seiner Schwester verfügen können und dies auch getan.

Soweit der Kläger erklärt habe, teilweise durch Darlehen von seiner Schwester finanziert worden zu sein, was einer Anrechnung dieser Gelder auf den Bedarf gemäß § 19 Abs. 3 und § 9 SGB II entgegenstünde, sei die Darlehensvereinbarung nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger habe die Darlehenshöhe nicht annähernd beziffern können. Gemäß der im Verfahren eingereichten Übersicht (Schriftsatz vom 10.9.2013) habe die Schwester ihm 14.456,- Euro geliehen, wovon er im September 2013 bisher 3.250,- Euro zurückgezahlt habe. In der Auflistung würden die monatlichen Zahlungen der Telefon- und Internetgebühren an H2 jedoch nicht auftauchen. Gleichwohl habe sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen, dass die Gebühren vom Konto der Schwester abgebucht worden seien und erst auf Vorhalt des Inhalts der eingereichten Darlehensliste ausgeführt, die Liste müsse dann noch ergänzt werden. Die insgesamt damit in der Auflistung unberücksichtigt gelassene Summe von 3.243,48 Euro könne auch nicht als unerheblich bezeichnet werden. Wenn der Kläger aber schon die Summe der Darlehen nicht beziffern könne und dies auch bereits 2013 nicht gekonnt habe, so sei seine Aussage, er habe bis heute alles an seine Schwester zurückgezahlt, für die Kammer nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe sich auch weder an die in der Liste aufgeführte einmalige Zahlung von 4.150,55 Euro an ihn erinnern noch den Grund hierfür nennen können. Auch wenn der Kläger nachvollziehbar ausgeführt habe, dass die Kosten seines Telefon- und Internetanschlusses vom Konto der Schwester abgebucht worden seien, weil dies die Grundlage seiner berufliche Zukunft gewesen sei und er keine Kündigung des Vertrages des Telefonanbieters habe riskieren wollen, so habe er weitere Gründe für die Darlehensgewährung nicht dargetan. Dies betreffe insbesondere die Zahlungen vor der Absenkung der vom Beklagten übernommenen Mietkosten. So seien vom Konto der Schwester in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt 3.972,36 Euro an den Kläger direkt gezahlt oder an Dritte zur Tilgung einer Verbindlichkeit des Klägers gezahlt worden, obwohl bis zu diesem Zeitpunkt der Beklagte den Bedarf des Klägers noch vollständig gedeckt habe und der Kläger ohne Not die Miete selbst hätte aus den Leistungen des Beklagten decken können. Auch trage das Argument des Klägers nicht, aus den Buchungstexten "Anleihe" und "Abtrag Schulden" sei hinreichend deutlich eine Darlehensabrede ersichtlich. Dies möge allenfalls ein Indiz sein. Hinzu komme, dass kaum ernsthaft von einer Schuldentilgung die Rede sein könne, wenn zur Überzeugung der Kammer der Kläger jederzeit über den auf das Konto der Schwester überwiesenen Betrag habe verfügen können. Die Kammer habe sich daher allein aufgrund der Einlassungen des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es die vom Kläger behauptete Darlehensabrede tatsächlich gegeben habe. Die Schwester des Klägers habe sich dagegen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Für die Darlehensabrede sei der Kläger jedoch beweisbelastet. Denn der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen sei, betreffe allein seine Sphäre.

Die Kammer sei hingegen davon überzeugt, dass der Kläger entgegen seinen Einlassungen tatsächlich für Dritte Internetseiten gestaltet und hieraus Einkommen erzielt habe: Am 18. Juni 2007 habe Herr F1 auf das Konto der Schwester 451,65 Euro überwiesen, wovon laut Verwendungszweck 150,- Euro für die Internetseite haben sein sollen. Am 5. Februar 2008 habe Herr F.M. nochmals 508,- Euro unter dem Verwendungszweck "F2 Seite" überwiesen und am 2. März 2010 nochmals 376,10 Euro mit dem Verwendungszweck "für Internetseite an J3". In seiner Email an vom 1. April 2010 habe der Kläger aufgelistet, was er noch in die neue Seite einstellen und was dies "F1" kosten werde und die Kosten auf komplett 300,- Euro beziffert. Am 22. April 2010 habe Herr F.M. auf das Konto der Schwester 250,- Euro für die "C.-Seite" als Restzahlung für den Januar überwiesen. Dabei stehe die Abkürzung "C." im allgemeinen Sprachgebrauch für Content-Management-System, einer Software zur gemeinschaftlichen Erstellung, Bearbeitung und Organisation von Inhalten auf Internetseiten. Mit Email vom 9. September 2009 an Frau Andrea S1, die Betreiberin der Internetseite "M2.de", habe der Kläger geschrieben, dass der Einbau dieser "Dinger" fürchterlich sei und er für "normale" 30,- Euro und für "Aufwendige" 50,- bis 70,-Euro nehme. Er fände 150,- Euro fair. Frau S1 habe am 29. März 2010 150,- Euro auf das Konto der Schwester mit dem Verwendungszweck "Fotostudio" überwiesen. Auf der Internetseite der Frau S1 sei als Urheber des Designs "G2" genannt, eine Internetseite, dessen Betreiber der Kläger sei und dessen Kosten er trage. Am 18. Februar 2010 habe der Kläger Frau W. als Bankverbindung jene der Zeugin gemailt, woraufhin Frau W. geschrieben habe, dass sie alsbald die erste Rate schicken werde. Am 3. März 2010 habe Frau W. auf das angegebene Konto mit dem Verwendungszweck "Erste Rate C. F2 für J4" 200,- Euro überwiesen. Mit Email vom 4. März 2010 habe sich der Kläger bei Frau W. für den Geldeingang auf dem Konto bedankt.

Hinweise darauf, dass der Kläger, wie er geltend gemacht habe, die Aufträge nicht selbst ausgeführt, sondern den Auftrag an einen Dritten vermittelt habe, ohne selbst Einnahmen aus der Vermittlung zu erzielen, seien nicht ersichtlich. Der Inhalt des Email-Verkehrs widerspreche vielmehr offenkundig dem Einwand des Klägers, dass er entsprechende Aufträge nur an Dritte vermittelt und dabei keinen Gewinn erzielt habe. Nachprüfbare Angaben über die Vermittlung der Aufträge an Dritte habe der Kläger dagegen nicht gemacht. Soweit der Kläger ausführe, dass er einem "M3" derartige Aufträge erteilt habe, so habe er weder den Nachnamen benennen noch andere sachdienliche Angaben über die Firma des Betreffenden machen können.

Aus der Nutzung des Kontos der Schwester zu eigenen Zwecken ohne Darlehensabrede sowie der Erzielung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit folge, dass es dem Kläger obliege, die Gutschriften auf dem Konto abzüglich der vom Konto des Klägers selbst getätigten Überweisungen, insbesondere auch die Herkunft der nicht unerheblichen Bareinzahlungen zu erläutern. Dabei sei gänzlich ungeklärt, woher die Bareinzahlungen stammten und ob weiteres Bargeld vorhanden gewesen sei. Da der Kläger zur Aufklärung nicht beigetragen habe und es dem Gericht ohne die Angaben des Klägers nicht möglich gewesen sei, den Sachverhalt weiter von Amts wegen zu ermitteln, sei davon auszugehen, dass der Kläger über ausreichendes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II verfügt habe und nicht hilfebedürftig gewesen sei. Zwar trage im Regelfall der Beklagte die Beweislast für die Voraussetzungen der Rücknahme, weshalb die Nichterweislichkeit von Tatsachen, wie hier die Höhe der Erzielung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, zu seinen Lasten gehe. Hier bestehe aber eine Beweislastumkehr zulasten des Klägers mit der Folge, dass eine fehlende Hilfebedürftigkeit von Anfang an, also seit Antragstellung im März 2005, anzunehmen sei. Denn bei der Höhe des Einkommens handele es sich um einen Umstand aus der Sphäre des Klägers, der ohne seine Mitwirkung nicht aufklärbar sei. Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass nicht die Zeugin selbst, sondern der Kläger das Konto der Zeugin zu eigenen Zwecken genutzt habe. Es liege daher in seinem Verantwortungsbereich, aufzuklären, von wem und zu welchen Zwecken Bareinzahlungen auf das Konto erfolgt seien und dass er – wie er behauptet – sämtlich E.-An- und Verkäufe für Dritte ohne Gewinn getätigt habe. Da der Kläger zur Aufklärung nicht beigetragen habe und eine Aufklärung des Sachverhaltes ohne seine Angaben nicht möglich gewesen sei, gehe diese Nichterweislichkeit zu seinen Lasten. Insoweit könne sich der Kläger auch nicht darauf berufen, sich an so weit zurückliegende Vorgänge im Einzelnen nicht mehr erinnern zu können. Eine zeitnahe Prüfung sei nicht möglich gewesen, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt den Umfang seines "Nebenerwerbs" und die hieraus erzielten Einnahmen angezeigt habe, so dass sich aus den Zeitabläufen ergebende mögliche Unwägbarkeiten zu Lasten des Klägers gingen. Solange der Kläger den Beweis nicht führe, woher die Bareinzahlungen stammten und in welcher Höhe er tatsächlich Einkommen erzielt habe, könne der Beklagte zu Recht nur von dem für den Kläger nachteiligen Sachverhalt der Einkommenserzielung in bedarfsdeckender Höhe ausgehen. Insgesamt bleibe damit festzustellen, dass der Kläger von Anfang an im streitigen Zeitraum mangels Hilfebedürftigkeit keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gehabt habe, die jeweiligen Bewilligungs- und Änderungsbescheide damit rechtswidrig gewesen seien.

Der Kläger habe nach dem persönlichen Eindruck der Kammer auch im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, indem er Einkommen erzielt und dies gegenüber dem Beklagten nicht angegeben habe. Die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei eingehalten. Die zweijährige Ausschlussfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei aufgrund der Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X nicht einschlägig. Die betreffenden Bewilligungen seien daher auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen gewesen (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III), d.h. die Entscheidung habe als gebundene Entscheidung ergehen müssen. Ermessen sei vom Beklagten nicht auszuüben gewesen. Der Beklagte habe deshalb zu Recht die Leistungsbewilligungen für den Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2010 ganz aufgehoben.

Im Hinblick auf den Zeitraum ab dem 1. April 2010 ergebe die Auslegung des Bescheides vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2013 hingegen, dass es sich um eine endgültige Festsetzung nach vorausgegangener vorläufiger Festsetzung handele, auch wenn dies im Bescheid nicht ausdrücklich für den gesamten Zeitraum erwähnt werde. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 16. April 2010, 1. März 2011 sowie 24. März 2011, wie auch die hierzu ergangenen Änderungsbescheide, mit denen für Leistungen vorläufig bewilligt worden seien, sei als eine endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch für die Zeit von April bis September 2010 sowie von Januar bis März 2011 auszulegen. Erstmals mit Bescheid vom 16. April 2010 seien dem Kläger Leistungen nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig bewilligt worden. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums habe der Beklagte eine Neuregelung für den genannten Zeitraum getroffen und zwar in Gestalt des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 18. April 2012. Anders als im Fall einer teilweisen Aufhebung (Verweis auf BSG vom 29.4.2015 – B 14 AS 31/14 R), bei der sich die Höhe der endgültigen Leistungsbewilligung nicht ohne weiteres aus dem Aufhebungsbescheid selbst ergeben könne, habe der Beklagte hier durch die Kundgabe des eindeutigen Willens vom Kläger sämtliche Leistungen vollständig zurückzufordern die endgültigen Leistungen konkludent auf 0,- Euro festgesetzt, ohne dass es insoweit eines Änderungsbescheides bedurft habe und ohne dass der Beklagte sich hierauf ausdrücklich beziehe (Verweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 19.3.2015 – L 4 AS 354/12 – und LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.3.2014 – L 13 AS 325/11). Dass der Beklagte seine Entscheidung über die Aufhebung zunächst auf § 48 SGB X gestützt habe, sei unschädlich.

Die Erstattungsforderung von 56.022,97 Euro beruhe teilweise auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hinsichtlich der ab April 2010 erbrachten Leistungen folge die Rückforderung aus § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III. Die Höhe der Erstattungsforderung sei nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat am 13. Juli 2015 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, das Sozialgericht sei rechtsfehlerhaft von einer Beweislastumkehr ausgegangen. Es seien nicht alle Erkenntnisquellen im Rahmen der Amtsermittlung ausgeschöpft worden, da die Zeugin sich aufgrund des immer noch gegen die andauernden Strafverfahrens veranlasst gesehen habe, keine Angaben zur Sache zu machen. Jedenfalls habe das Sozialgericht die Reichweite der Beweislastumkehr verkannt. Der Beklagte bleibe auch im Falle der Beweislastumkehr grundsätzlich für das angebliche Einkommen des Klägers zunächst darlegungsbelastet. Unter die Beweislastumkehr könnten nur solche Zahlungen fallen, die nach den Darlegungen des Beklagten dem Kläger zuzuordnen seien. Der Beklagte habe aber zu den Bareinzahlungen auf das Konto der Zeugin nicht substantiiert vorgetragen, sondern schlicht vermutet, dass es sich um Einkommen des Klägers gehandelt habe. Der vom Beklagten angenommene Betrag von 63.695,20 Euro beinhalte zudem alle Zahlungseingänge auf dem Konto der Zeugin und damit auch die eigenen Zahlungen des Kläger oder aber Zahlungseingänge, die in keinem Zusammenhang zum Kläger oder dessen E.-Konto stünden.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juni 2015 sowie der Bescheid des Beklagten vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2013 werden aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat am 1. April 2016 das Verfahren gegen den Kläger gegen eine Geldbuße von 600,- Euro nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) und gegen die Zeugin nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt.

Am 24. April 2018 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, in dem die Zeugin vernommen worden ist. Der Beklagte hat im Termin die gegen den Kläger gerichtete Erstattungsforderung auf einen Betrag von 55.321,09 Euro reduziert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte, die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Akten der Staatsanwaltschaft verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerechtet (§ 151 SGG) erhoben. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2013, der den ursprünglichen Widerspruchsbescheid vom 14. November 2012 ersetzt hat und so über § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, ist, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Erstattungsforderung von 56.022,97 Euro auf 55.321,09 Euro reduziert hat, in vollem Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Unter Berücksichtigung dieser geringfügigen Änderung des Erstattungsverwaltungsaktes hat das Sozialgericht im Übrigen die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Die Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2010 waren nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II (i.d.F. v. 13.5.2011) i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 SGB X aufzuheben, während sich die für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2011 gem. § 40 Abs. 2 Nr. 1a SGB II (i.d.F. v. 21.12.2008 bzw. v. 3.8.2010) erlassenen vorläufigen Bewilligungsbescheide durch Erlass der im Aufhebungsverwaltungsakt vom 18. April zu erblickenden endgültigen Leistungsablehnung gem. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt haben (s. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 19.3.2015 – L 4 AS 354/12), ohne dass es eines Aufhebungsverwaltungsaktes bedurfte (vgl. Grote-Seifert, in: jurisPK-SGB II, Stand: 21.8.2017 § 41a Rn. 51).

Der Kläger hatte im gesamten Zeitraum vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2011 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, da er nicht hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 9 SGB II). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlichen erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung ab.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers und das Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist lediglich Folgendes ergänzend auszuführen:

Der Kläger ist vorliegend sowohl für seine Hilfebedürftigkeit dem Grunde nach als auch für deren Umfang materiell beweisbelastet. Die dagegen erhobenen Einwände des Klägers in der Berufungsbegründung verfangen nicht. Die Annahme, der Kläger habe das Konto der Zeugin genutzt und über die dort vorhandenen Gelder verfügen können, beruht, anders als der Kläger meint, nicht auf "bloßen Vermutungen". Vielmehr hat das Sozialgericht die für eine Konto- und EC-Kartennutzung durch den Kläger sprechenden Gründe im Einzelnen ausführlich dargelegt:

Zum einen sind dies die zahlreichen Überweisungen, die auf das vom Kläger selbst geführte Girokonto oder zur Erfüllung von Verbindlichkeiten des Klägers erfolgt sind, wobei letzteres nicht nur Zahlungen für Miete, Heizung, Wasser, Strom, Telefon und Rundfunkgebühren, sondern auch eine Vielzahl von Überweisungen an Dritte unter Bezugnahme auf E.-Käufe des Klägers und Überweisungen betrifft, die unter Nennung der vom Kläger betriebenen Internetseite oder auf an ihn adressierte Rechnungen erfolgten. Zum anderen liegen auch Anhaltspunkte für eine Nutzung der zum Konto der Zeugin gehörenden EC-Karte vor. Neben der dokumentierten Abhebung an einem Geldautomaten in N1 zu einer Zeit, zu der sich nachweislich der Kläger ebendort befand, sind mit der EC-Karte zwei Rechnungen der Firma E1 GmbH gezahlt worden, für die der Kläger vormals tätig gewesen war. Zudem ist Elektronik- bzw. Computerequipment in Fachgeschäften mit der EC-Karte bezahlt worden, so bei der Firma S2 in H3 in den Jahren 2005 und 2007 und bei der Firma A. in B., ebenfalls im Jahr 2007. Letztlich hat der Kläger Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit als Webdesigner erzielt, das dem Konto der Zeugin gutgeschrieben wurde.

Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu alldem keine über sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren hinausgehenden Erklärungen abgegeben, die hätten überzeugen können. Er hat lediglich seinen Vortrag wiederholt, wonach er bei geplanten Anschaffungen technischer Geräte wegen seines Sachverstandes von der Familie jeweils um Rat gefragt worden sei und die dokumentierten Käufe über das Konto der Zeugin "gelaufen" seien, ohne dass er aber über das Konto habe verfügen können. Dies erklärt aber zum einen nicht die Zahlungen an die Firma E1; zum anderen hat der Kläger hinsichtlich des Kaufes bei der Firma A. gegenüber dem Sozialgericht in der seinerzeitigen Verhandlung widersprüchliche Angaben gemacht. Nachdem er zunächst erklärt hatte, den dort erworbenen Receiver "wohl gekauft" und für die Vertonung von Filmen genutzt zu haben, hat er sodann auf Vorhalt der Rechnung, aus der sich die Zahlung mit der EC-Karte der Zeugin ergab, erläutert, dann müsse es wohl so gewesen sein, dass die Zeugin den Receiver für ihn gekauft habe. Ob der Receiver für ihn vorgesehen gewesen sei oder für jemand anderen aus der Familie und er ihn nur zeitweise habe nutzen dürfen, könne er nicht genau sagen. Wie schon das Sozialgericht, schenkt auch der Senat dieser Schilderung angesichts der Höhe des Kaufpreises von 1.900,- Euro und des Umstandes, dass die Zeugin nicht über den entsprechenden technischen Sachverstand verfügte, um den Kauf zu tätigen, keinen Glauben. Sollte die Zeugin indes den Kläger nach B. begleitet haben, wäre aber auch zu erwarten gewesen, dass sich der Kläger daran erinnert.

Soweit es die Überweisungen vom Konto der Zeugin auf das Konto des Klägers betrifft, hat der Kläger im Termin an seiner Behauptung festgehalten, zeitweise Darlehen durch Mitglieder seiner Familie erhalten zu haben. In diesem Punkt ist aber auch auf Nachfrage im Dunkeln geblieben, welches Familienmitglied dem Kläger überhaupt zu welchem Zeitpunkt welche Beträge zur Verfügung gestellt haben soll und weshalb die Geldleihen, wenn die Darlehen nicht nur von der Zeugin gewährt wurden, dennoch sämtlich von ihrem Konto aus erfolgt sein sollen. Hinzu tritt, worauf das Sozialgericht bereits hingewiesen hat, das Fehlen einer ernstlichen Darlehensabrede. Der Kläger war im gerichtlichen Verfahren nicht einmal in der Lage, Angaben über die Gesamtsumme der angeblich geliehenen Gelder zu machen. Die von ihm beigereichte Liste ist als Nachweis gewährter Darlehen ungeeignet. Sie ist unvollständig, da die vom Konto der Zeugin gezahlten Telefon- und Internetkosten nicht enthalten sind; zudem konnte sich der Kläger nicht erinnern, worum es sich bei der dort aufgeführten einmaligen Zahlung von 4.150,55 Euro gehandelt hat. Abgesehen davon hat der Kläger bis zuletzt keine Gründe dargetan, weshalb er überhaupt auf Darlehen seiner Verwandten angewiesen gewesen sein sollte.

Zu den Einkünften aus der Gestaltung von Internetseiten hat das Sozialgericht alles Wesentliche ausgeführt. Der Kläger ist dem im Berufungsverfahren nicht weiter entgegengetreten.

Nach allem ist der Vortrag des Klägers zur Nutzung des Kontos und der Herkunft der dem Konto zugeflossenen Gelder unsubstantiiert und widersprüchlich und daher auch unglaubhaft geblieben.

Die Vernehmung der Zeugin hat zu keiner weiteren Aufklärung der Frage der Konto- und EC-Kartennutzung beigetragen.

Schon die Erklärung der Zeugin, das Konto bei der H. eröffnet zu haben, um sich der "Überwachung" durch ihren Ehemann in finanziellen Dingen ein Stück weit zu entziehen, vermochte den Senat nicht zu überzeugen. Die Zeugin hat zwar angegeben, auf das Konto Einkünfte aus einer Tätigkeit in der Gastronomie eingezahlt zu haben, konnte aber weder sagen, in welchem zeitlichen Umfang sie gearbeitet noch in welcher Höhe sie Einkünfte erzielt hat. Gleiches gilt für die Behauptung, auch durch die Pflege sowohl ihrer Mutter als auch ihrer Schwiegermutter Geld verdient zu haben. Die Zeugin konnte auch nicht erklären, wofür sie das Geld verwendet hat; es seien "verschiedene Zwecke" gewesen. Zudem erscheint es widersprüchlich, wenn die Zeugin angibt, sie habe Einkünfte vor ihrem Ehemann geheim halten wollen, dieser aber, wie auf Nachfrage von der Zeugin bestätigt worden ist, von ihrer Tätigkeit in der Gastronomie gewusst haben soll.

Soweit die Zeugin den Vortrag des Klägers, Unterhaltungselektronik für alle Familienmitglieder besorgt zu haben, bestätigt hat, hat sie nicht nachvollziehbar erklären können, ob und wie sie in diesen Fällen die von ihrem Konto abgebuchten Kaufpreiszahlungen vom jeweiligen Familienmitglied zurückerhalten hat. Sie hat lediglich ausgeführt, die technischen Anschaffungen seien "zum Teil auch" für ihren Sohn gewesen. Er habe ihr dann "den entsprechenden Betrag" gezahlt, ohne dass die Zeugin sich aber erinnert hat, auf welche Weise die Zahlung erfolgt und ob der Betrag wieder auf ihr Konto eingegangen ist.

Die mit Blick auf die EC-Kartennutzung abgegebene Erklärung der Zeugin, den Kläger "schon einmal" nach B. zu einem Elektrohändler begleitet und die Käufe über ihr eigenes Konto abgewickelt zu haben, überzeugte ebenso wenig. Die Schilderungen der Zeugin sind insoweit farblos und im Allgemeinen geblieben; die Zeugin konnte sich, obwohl es sich seinerzeit um einen recht hohen Anschaffungspreis für den Receiver gehandelt hat, an kein Detail des Kaufes oder seiner näheren Umstände erinnern. Es blieb sogar unklar, ob sie den Kläger nur einmal oder mehrmals nach B. begleitet haben will. Entsprechendes gilt für die Antwort der Zeugin zur Frage des Senats, ob und ggf. wann sie schon einmal in N1 gewesen sei. Sie hat erklärt, schon einmal mit ihrer Mutter in N1 gewesen zu sein, sich aber weder an das Jahr noch an die Jahreszeit oder den Anlass ihres Besuchs erinnern können. Ebenso wenig vermochte sie zu sagen, ob auch der Kläger zu jener Gelegenheit in N1 anwesend war. Der Senat nimmt der Zeugin diese vermeintlichen Erinnerungslücken nicht ab. Der Kläger war nachweislich am 3. und 4. Februar 2007 in N1. Am 3. Februar 2007 wurde mit der EC-Karte der Zeugin Geld an einem Geldautomaten in N1 abgehoben. Wenn die Zeugin und der Kläger gleichzeitig in N1 gewesen wären, würde sich die Zeugin sicherlich daran erinnern. Da sie dies nicht getan hat, spricht alles dafür, dass der Kläger während seines Aufenthaltes in N1 die EC-Karte der Zeugin benutzt hat.

Zur Frage der gewährten Darlehen hat die Zeugin erklärt, "die Familie" habe den Kläger "ab und zu" unterstützt, wenn ihm Geld gefehlt habe. Sie "habe ihm also Geld geliehen". Die Zeugin war nicht in der Lage, diesen Widerspruch – Geldleihen durch "die Familie", tatsächliche Zahlungen aber von ihrem Konto – plausibel zu machen. Ebenso widersprüchlich war die Angabe der Klägerin, über die vermeintlichen Darlehen kein Buch geführt zu haben, gleichwohl aber zu wissen, dass der Kläger das geliehene Geld vollständig zurückgezahlt habe.

Nach allem sprechen weiterhin ganz überwiegende Umstände dafür, dass der Kläger das Konto der Zeugin bei der H. nebst EC-Karte im streitbefangenen Zeitraum nutzen konnte.

Die näheren Umstände des Zuflusses der Gelder auf das Konto liegen damit in der Sphäre des Klägers und wären von diesem schlüssig zu erklären (vgl. BSG, Urteil vom 24.5.2006 – B 11a AL 7/05 R), was ihm aber bis zuletzt nicht gelungen ist. Denn der Beklagte, der grundsätzlich bei der Leistungsaufhebung die materielle Beweislast für die Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Bewilligungsbescheides trägt, kann schlechterdings nicht aufklären, woher insbesondere die Bareinzahlungen auf dem Konto stammen und ob und in welchem Umfang diese und die weiteren Gutschriften den Kläger endgültig bereichern sollten, ihm also als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zugeflossen sind. Ob einzelne Überweisungsvorgänge – "offensichtlich", wie der Kläger meint – nicht im Zusammenhang mit dem Kläger stehen, ist ohne Belang. Selbst wenn deren Zweckbestimmung – ggf. aber auch nur aus Sicht des Überweisenden – eine andere gewesen sein mag, als Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger zu erfüllen, so schließt dies doch nicht aus, dass der Kläger jeweils selbst in den Genuss des Geldes gekommen ist, dies durch die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit über das Konto der Zeugin. Was die Höhe der Zahlungseingänge betrifft, ist es angesichts der völlig unübersichtlichen wirtschaftlichen Aktivitäten des Klägers weder Aufgabe des Beklagten noch des Gerichts, der Frage der Bedarfsdeckung im Einzelnen nachzugehen. Selbst wenn von den Zahlungseingängen i.H.v. 63.695,20 Euro Abzüge vorzunehmen wären, so hätte der Kläger doch auch dann nicht plausibel das Ob und Wie seiner Hilfebedürftigkeit im Aufhebungszeitraum dargetan. Sind aber sämtliche verfügbare Optionen der Sachaufklärung genutzt worden und haben sich die Einkommensverhältnisse im streitgegenständlichen Zeitraum gleichwohl nicht aufklären lassen, kann eine Umkehr der Beweislast mit der Konsequenz der Annahme einer fehlenden Hilfebedürftigkeit gerechtfertigt sein (BSG, Beschluss vom 26.4.2017 – B 4 AS 23/17).

Die vom Beklagten auf 55.321,09 Euro reduzierte Erstattungsforderung entspricht der Summe der im Aufhebungszeitraum bewilligten Leistungen und folgt für die Zeit vom 1. März 2005 bis zum 31. März 2010 aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 50 SGB X, für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2011 aus § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (i.d.F. v. 13.5.2011) i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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