Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 15 KR 739/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 294/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Folgen von Verfahrens- und Formfehlern eines Widerspruchsbescheides.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin ist hauptberuflich selbständig tätig und bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 setzte die Beklagte den Gesamtbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Dezember 2008 unter Zugrundelegung von monatlichen Bruttoeinkünften in Höhe von 3.404,00 EUR auf insgesamt 468,05 EUR monatlich fest. Nach Vorlage des von der Beklagten angeforderten vollständigen Einkommensteuerbescheides 2007, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 40.847,00 EUR, Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 2.472,00 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -2.489,00 EUR ausweist, setzte sie die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 29. Juli 2009 ab dem 1. August 2009 auf insgesamt 597,19 EUR monatlich fest. Am 31. Mai 2011 ging der Einkommensteuerbescheid 2010 bei der Beklagten ein, welcher die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf 45.232,00 EUR und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf -5.961,00 EUR festsetzt. Am 8. Juni 2011 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid für 2009 vor. Dieser setzt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 51.959,00 EUR und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf -13.631,00 EUR fest. Daraufhin erhöhte die Beklagte den Gesamtbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2011 mit Bescheid vom 8. Juni 2011 auf insgesamt 625,55 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 beantragte die Klägerin nach § 44 SGB X die Rücknahme "des bisherigen Verwaltungsaktes" wegen Unrichtigkeit, weil die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seit dem Jahr 2007 bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt worden seien. Dem Antrag legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 bei. Aus dem Einkommensteuerbescheid 2008 ergeben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 47.924,00 EUR, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.002,00 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -5.616,00 EUR.
Mit Schreiben vom 7. März 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Jahre 2008 bis 2011 keine Beitragskorrektur vorgenommen werden könne. Nach den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre übersteige das Einkommen der Klägerin die jeweilige Höchstbemessungsgrenze, wobei eine Saldierung von negativen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten und umgekehrt nicht zulässig sei.
Mit Schreiben vom 15. März 2012 führte die Klägerin aus, sie bestehe nach wie vor auf eine rückwirkende Neuberechnung der Beiträge. Der Beitragszahlung könnten nur Einnahmen zugrunde gelegt werden, die auch zuflössen und über die die Klägerin verfügen könne. Daher sei der sogenannte steuerliche vertikale Verlustausgleich zu berücksichtigen. Denn die Beitragsermittlung im Sozialrecht habe sich an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit und an tatsächlichen Mittelzuflüssen zu orientieren. Mit Schreiben vom 25. April 2012 trug die Klägerin überdies vor, die Beitragsverfahrensgrundsätze seien falsch und unvollständig, weil sie keine Härtefallregelung enthielten, worunter auch die Klägerin falle.
In ihrer Sitzung am 2. Oktober 2012 in C. wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ein vertikaler Verlustausgleich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Beitragsangelegenheiten nicht zulässig sei.
Am 5. November 2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte bei der Beitragsberechnung einen vertikalen Verlustausgleich hätte berücksichtigen müssen. Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts sei zu Kapitaleinkünften und damit zu einer anderen Konstellation ergangen. Zudem sei der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler erlassen habe, nicht neutral, so dass bereits deshalb die Bemessung der Beiträge rechtswidrig sei. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler seien auch deshalb rechtswidrig, weil sie keine Härtefallregelung enthielten. Schließlich sei auch der Widerspruchsbescheid wegen Verfahrens- und Formfehlern nichtig. Der Beschluss der Widerspruchsstelle sei unwirksam, weil die Beschlussunfähigkeit nicht festgestellt und das Stimmverhältnis nicht protokolliert worden sei und weil das unzuständige Organ den Widerspruchsbescheid erlassen habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, für eine Nichtigkeit des angegriffenen Bescheides fehle es jedenfalls an einem schweren Fehler. Im Übrigen seien eventuelle Fehler unbeachtlich, weil sie das Ergebnis nicht beeinflusst hätten. Auch inhaltlich sei der angegriffene Bescheid nicht zu beanstanden. Ein Verlustausgleich sei im Rahmen der Beitragsfestsetzung bereits wegen der gebotenen Gleichbehandlung der Pflichtversicherten nicht möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen, die der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen zwar zulässig, aber unbegründet.
a) Die Klage ist teilweise unzulässig.
Die Klägerin hat eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erhoben. Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin einen Bescheidungsantrag gestellt hat.
Gegenstand eines Klageverfahrens gegen eine ablehnende Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist die Rechtmäßigkeit des Überprüfungsbescheides und mittelbar die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides (Baumeister in: jurisPK - SGB X, § 44 Rn. 153, Stand: 08.04.2013). Nach überwiegender Auffassung der Senate des Bundessozialgerichts ist die richtige Klageart eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, wobei die Anfechtungsklage auf die Aufhebung der Überprüfungsbescheide, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des Ausgangsbescheides und die Leistungsklage auf die Verurteilung zu der dann zu beanspruchenden Leistung gerichtet ist (siehe z. B. BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, juris, Rn. 12). Nach anderer Auffassung ist die richtige Klageart eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, juris, Rn. 9). Eine Verpflichtungsklage, die auf Neubescheidung gerichtet ist, kann nur dann statthaft sein, wenn die ursprüngliche Entscheidung eine Ermessensentscheidung ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn es geht um eine Beitragsfestsetzung, die keine Ermessensspielräume der Beklagten eröffnet.
Der Antrag der Klägerin war auch nicht dahingehend auszulegen (§ 133 BGB analog), dass statt einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, die auf Neubescheidung gerichtet ist, eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben wird, die auf Neufestsetzung unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gerichtet ist. Dieser Antrag wäre zwar sachdienlich. Die Klägerin hat jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Vorsitzenden (§ 106 Abs. 1 SGG) an ihrem Bescheidungsantrag festgehalten. Jedenfalls ein Antrag eines anwaltlich vertretenen Klägers kann bei vorherigem richterlichem Hinweis nicht gegen den klaren Wortlaut ausgelegt oder umgedeutet werden.
b) Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheides der Beklagten vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012.
(1) Offen bleiben kann, ob der Antrag der Klägerin nach § 44 SGB X vom 28. Februar 2012 hinreichend konkret die Bescheide benannt hat, deren Überprüfung begehrt wird, was Voraussetzung für eine Bescheidungspflicht der Beklagten ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 39/13 -, juris, Rn. 15 ff.).
(2) Es kann auch dahinstehen, ob der Widerspruchsbescheid an den von der Klägerin vorgetragenen oder sonstigen Verfahrens- oder Formfehlern leidet.
(3) Denn eine Aufhebung des Bescheides könnte jedenfalls gemäß § 42 SGB X nicht verlangt werden. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
(a) Die von der Klägerin gerügten vermeintlichen Verfahrens- oder Formfehler würden jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides nach § 40 SGB X führen.
Spezieller Nichtigkeitsgründe nach § 40 Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Insbesondere war die erlassende Widerspruchsstelle hinreichend gekennzeichnet (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X).
Auch eine Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides nach § 40 Abs. 1 SGB X scheidet aus. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
Besonders schwerwiegend ist der Fehler bei einem gravierenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den hier zugrunde liegenden Wertvorstellungen und tragenden Verfassungsprinzipien, der es unerträglich erscheinen ließe, wenn die beabsichtigten Rechtswirkungen eintreten würden (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1995 12 RK 24/95 -, juris, Rn. 26). Davon ausgehend könnten die von der Klägerin gerügten Verfahrens- und Formfehler nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides begründen.
Bereits § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X lässt erkennen, dass Fehler im Zusammenhang mit der Beschlussfassung durch einen Ausschuss prinzipiell nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Die von der Klägerin gerügten vermeintlichen Fehler sind jedenfalls qualitativ nicht schwerwiegender als die in § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X genannten. Der Umstand, dass der Widerspruchsbescheid lediglich von dem Vorsitzenden unterschrieben wurde, ist sogar unschädlich, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Bescheid nicht von dem beschließenden Gremium stammt oder wenigstens von ihm gebilligt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1994 - 4 RLw 4/93 -, juris, Rn. 26) und die entscheidenden Personen im Bescheid kenntlich gemacht worden sind (vgl. § 60 Abs. 2 SGG).
Allenfalls die absolute Unzuständigkeit der Widerspruchsbehörde könnte einen schweren und offensichtlichen Fehler darstellen, beispielsweise dann, wenn die Behörde in absurder Weise grob fehlerhaft ihre Zuständigkeit angenommen hätte, obwohl sie für den Erlass des Verwaltungsaktes unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zuständig sein konnte, weil sie keinerlei sachlichen Bezug zu diesem Aufgabengebiet hat (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1999 - B 6 KR 76/97 R -, juris, Rn. 30), wenn die Widerspruchsbehörde sich die ursprüngliche Zuständigkeit der Ausgangsbehörde anmaßt (BSG, Urteil vom 21.06.2000 - B 4 RA 57/99 R -, juris, Rn. 17) oder wenn sie zum zweiten Mal in derselben Sache einen Widerspruchsbescheid erlässt (BSG, Urteil vom 14.12.1994 - 4 RLw 4/93 -, juris, Rn. 29). Eine solche oder eine damit vergleichbare Konstellation liegt hier indes nicht vor.
(b) Es ist auch offensichtlich, dass eine Verletzung der gerügten Verfahrens- und Formvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte, denn weder der Ausgangsbescheid noch der Widerspruchsbescheid sind inhaltlich zu beanstanden. Die Beklagte hat fehlerfrei die Beiträge der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 festgesetzt.
Rechtliche Bedenken bestehen weder dagegen, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler erlassen hat, noch gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler an sich. Das Bundessozialgericht hat wiederholt in ständiger Rechtsprechung die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler und die Übertragung von Regelungsbefugnissen auf den Spitzenverband Bund der Krankenkassen für unbedenklich erachtet. Dem schließt sich die Kammer an.
(aa) Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler stehen in Einklang mit höherrangigem Recht. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die demokratische Legitimation einer Rechtsetzung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie die Einhaltung der Publizitätserfordernisse durch Veröffentlichung im Elektronischen Bundesanzeiger sowie gegen die rückwirkende Inkraftsetzung zum 01.01.2009 (BSG, Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 10/12 R -, juris, Rn. 15). Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der Ermächtigung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zum Erlass der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler durch § 240 SGB V. Insbesondere ist die Regelung hinreichend bestimmt, weil der in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgegebene Rahmen (Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) die Anforderungen erfüllt, die an die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen nach dem Bestimmtheitsgebot zu stellen sind (BSG, Urteil vom 15.10.2014 - B 12 Kr 10/12 R -, juris, Rn. 16). Dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen evtl. nicht neutral und unparteilich ist, ändert an der Verfassungsmäßigkeit der Delegation und an der Rechtmäßigkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler nichts. Das Gebot der Unparteilichkeit, das von Verfassungs wegen für Richter gilt (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist nicht auf jedwede Ausübung von Staatsgewalt ausdehnbar.
(bb) Es ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine Härteklausel enthalten. Wenn der Versicherte aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage ist, die Beiträge zu zahlen, sieht § 26 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für die Dauer des Bezuges von SGB II–Leistungen die Übernahme der Beiträge durch den SGB II–Träger vor. Damit wird das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) sichergestellt und Härtefälle vermieden.
(cc) Zutreffend hat die Beklagte schließlich die negativen Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt.
Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V - sowohl in der bis zum 31.12.2008 als auch in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung - ist bei der Beitragsbemessung sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Mit einzubeziehen sind demnach alle Einnahmen und Geldmittel, die das freiwillige Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, und zwar ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung der Einkünfte (BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R -, juris, Rn. 18). Der Nachweis darüber, ob und in welchem Umfang ein der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung zugrunde zu legendes Gesamteinkommen (§ 16 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, - SGB IV -) dem Versicherten zuzurechnen und in welchem Umfang es bei ihm bei der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V zu berücksichtigen ist, ist allein mithilfe von Einkommensteuerbescheiden zu führen (BSG, Urteil vom 02.09.2009 - B 12 KR 21/08 R -, juris, Rn. 16).
Zwar besteht auch im Beitragsrecht für einen freiwillig Versicherten die Möglichkeit eines horizontalen Verlustausgleichs innerhalb derselben Einkunftsart zur Verminderung der Beitragsbemessungsgrundlage, sodass er seine beitragspflichtigen Einnahmen z. B. durch Investitionsentscheidungen reduzieren kann, was ein Pflichtversicherten nicht kann (BSG, Urteil vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R -, juris, Rn. 18).
Anders als im Steuerrecht ist jedoch bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung ein vertikaler Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkunftsarten ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R -, juris, Rn. 15). Dies gilt sowohl für Einnahmen, die auch bei versicherungspflichtigen Mitgliedern beitragspflichtig sind, als auch für solche Einkunftsarten, die nur bei freiwilligen Versicherten beitragspflichtig sind. Denn dieser Ausschluss ist ein wesentliches Element zur Vermeidung einer beitragsrechtlichen Privilegierung von freiwillig Versicherten gegenüber versicherungspflichtig Beschäftigten und anderen Versicherungspflichtigen (BSG, Urteil vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R -, juris, Rn. 17). Da das Gesetz bei Pflichtversicherten einen Verlustausgleich nicht vorsieht, entspricht es dem Sinn und Zweck des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V (wonach bei einem freiwilligen Mitglied der Beitragsbemessung mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sind), dass eine solche Privilegierung auch für freiwillig Versicherte nicht gelten kann (BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R -, juris, Rn. 28).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin ist hauptberuflich selbständig tätig und bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 setzte die Beklagte den Gesamtbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Dezember 2008 unter Zugrundelegung von monatlichen Bruttoeinkünften in Höhe von 3.404,00 EUR auf insgesamt 468,05 EUR monatlich fest. Nach Vorlage des von der Beklagten angeforderten vollständigen Einkommensteuerbescheides 2007, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 40.847,00 EUR, Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 2.472,00 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -2.489,00 EUR ausweist, setzte sie die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 29. Juli 2009 ab dem 1. August 2009 auf insgesamt 597,19 EUR monatlich fest. Am 31. Mai 2011 ging der Einkommensteuerbescheid 2010 bei der Beklagten ein, welcher die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf 45.232,00 EUR und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf -5.961,00 EUR festsetzt. Am 8. Juni 2011 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid für 2009 vor. Dieser setzt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 51.959,00 EUR und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf -13.631,00 EUR fest. Daraufhin erhöhte die Beklagte den Gesamtbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2011 mit Bescheid vom 8. Juni 2011 auf insgesamt 625,55 EUR monatlich.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 beantragte die Klägerin nach § 44 SGB X die Rücknahme "des bisherigen Verwaltungsaktes" wegen Unrichtigkeit, weil die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seit dem Jahr 2007 bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt worden seien. Dem Antrag legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 bei. Aus dem Einkommensteuerbescheid 2008 ergeben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 47.924,00 EUR, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.002,00 EUR und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -5.616,00 EUR.
Mit Schreiben vom 7. März 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für die Jahre 2008 bis 2011 keine Beitragskorrektur vorgenommen werden könne. Nach den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre übersteige das Einkommen der Klägerin die jeweilige Höchstbemessungsgrenze, wobei eine Saldierung von negativen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten und umgekehrt nicht zulässig sei.
Mit Schreiben vom 15. März 2012 führte die Klägerin aus, sie bestehe nach wie vor auf eine rückwirkende Neuberechnung der Beiträge. Der Beitragszahlung könnten nur Einnahmen zugrunde gelegt werden, die auch zuflössen und über die die Klägerin verfügen könne. Daher sei der sogenannte steuerliche vertikale Verlustausgleich zu berücksichtigen. Denn die Beitragsermittlung im Sozialrecht habe sich an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit und an tatsächlichen Mittelzuflüssen zu orientieren. Mit Schreiben vom 25. April 2012 trug die Klägerin überdies vor, die Beitragsverfahrensgrundsätze seien falsch und unvollständig, weil sie keine Härtefallregelung enthielten, worunter auch die Klägerin falle.
In ihrer Sitzung am 2. Oktober 2012 in C. wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ein vertikaler Verlustausgleich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Beitragsangelegenheiten nicht zulässig sei.
Am 5. November 2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte bei der Beitragsberechnung einen vertikalen Verlustausgleich hätte berücksichtigen müssen. Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts sei zu Kapitaleinkünften und damit zu einer anderen Konstellation ergangen. Zudem sei der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler erlassen habe, nicht neutral, so dass bereits deshalb die Bemessung der Beiträge rechtswidrig sei. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler seien auch deshalb rechtswidrig, weil sie keine Härtefallregelung enthielten. Schließlich sei auch der Widerspruchsbescheid wegen Verfahrens- und Formfehlern nichtig. Der Beschluss der Widerspruchsstelle sei unwirksam, weil die Beschlussunfähigkeit nicht festgestellt und das Stimmverhältnis nicht protokolliert worden sei und weil das unzuständige Organ den Widerspruchsbescheid erlassen habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, für eine Nichtigkeit des angegriffenen Bescheides fehle es jedenfalls an einem schweren Fehler. Im Übrigen seien eventuelle Fehler unbeachtlich, weil sie das Ergebnis nicht beeinflusst hätten. Auch inhaltlich sei der angegriffene Bescheid nicht zu beanstanden. Ein Verlustausgleich sei im Rahmen der Beitragsfestsetzung bereits wegen der gebotenen Gleichbehandlung der Pflichtversicherten nicht möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen, die der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen zwar zulässig, aber unbegründet.
a) Die Klage ist teilweise unzulässig.
Die Klägerin hat eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erhoben. Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin einen Bescheidungsantrag gestellt hat.
Gegenstand eines Klageverfahrens gegen eine ablehnende Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist die Rechtmäßigkeit des Überprüfungsbescheides und mittelbar die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides (Baumeister in: jurisPK - SGB X, § 44 Rn. 153, Stand: 08.04.2013). Nach überwiegender Auffassung der Senate des Bundessozialgerichts ist die richtige Klageart eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, wobei die Anfechtungsklage auf die Aufhebung der Überprüfungsbescheide, die Verpflichtungsklage auf die Aufhebung des Ausgangsbescheides und die Leistungsklage auf die Verurteilung zu der dann zu beanspruchenden Leistung gerichtet ist (siehe z. B. BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, juris, Rn. 12). Nach anderer Auffassung ist die richtige Klageart eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, juris, Rn. 9). Eine Verpflichtungsklage, die auf Neubescheidung gerichtet ist, kann nur dann statthaft sein, wenn die ursprüngliche Entscheidung eine Ermessensentscheidung ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn es geht um eine Beitragsfestsetzung, die keine Ermessensspielräume der Beklagten eröffnet.
Der Antrag der Klägerin war auch nicht dahingehend auszulegen (§ 133 BGB analog), dass statt einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, die auf Neubescheidung gerichtet ist, eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben wird, die auf Neufestsetzung unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gerichtet ist. Dieser Antrag wäre zwar sachdienlich. Die Klägerin hat jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Vorsitzenden (§ 106 Abs. 1 SGG) an ihrem Bescheidungsantrag festgehalten. Jedenfalls ein Antrag eines anwaltlich vertretenen Klägers kann bei vorherigem richterlichem Hinweis nicht gegen den klaren Wortlaut ausgelegt oder umgedeutet werden.
b) Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheides der Beklagten vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012.
(1) Offen bleiben kann, ob der Antrag der Klägerin nach § 44 SGB X vom 28. Februar 2012 hinreichend konkret die Bescheide benannt hat, deren Überprüfung begehrt wird, was Voraussetzung für eine Bescheidungspflicht der Beklagten ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 39/13 -, juris, Rn. 15 ff.).
(2) Es kann auch dahinstehen, ob der Widerspruchsbescheid an den von der Klägerin vorgetragenen oder sonstigen Verfahrens- oder Formfehlern leidet.
(3) Denn eine Aufhebung des Bescheides könnte jedenfalls gemäß § 42 SGB X nicht verlangt werden. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
(a) Die von der Klägerin gerügten vermeintlichen Verfahrens- oder Formfehler würden jedenfalls nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides nach § 40 SGB X führen.
Spezieller Nichtigkeitsgründe nach § 40 Abs. 2 SGB X liegen nicht vor. Insbesondere war die erlassende Widerspruchsstelle hinreichend gekennzeichnet (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X).
Auch eine Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides nach § 40 Abs. 1 SGB X scheidet aus. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
Besonders schwerwiegend ist der Fehler bei einem gravierenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den hier zugrunde liegenden Wertvorstellungen und tragenden Verfassungsprinzipien, der es unerträglich erscheinen ließe, wenn die beabsichtigten Rechtswirkungen eintreten würden (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1995 12 RK 24/95 -, juris, Rn. 26). Davon ausgehend könnten die von der Klägerin gerügten Verfahrens- und Formfehler nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides begründen.
Bereits § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X lässt erkennen, dass Fehler im Zusammenhang mit der Beschlussfassung durch einen Ausschuss prinzipiell nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Die von der Klägerin gerügten vermeintlichen Fehler sind jedenfalls qualitativ nicht schwerwiegender als die in § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X genannten. Der Umstand, dass der Widerspruchsbescheid lediglich von dem Vorsitzenden unterschrieben wurde, ist sogar unschädlich, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Bescheid nicht von dem beschließenden Gremium stammt oder wenigstens von ihm gebilligt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.1994 - 4 RLw 4/93 -, juris, Rn. 26) und die entscheidenden Personen im Bescheid kenntlich gemacht worden sind (vgl. § 60 Abs. 2 SGG).
Allenfalls die absolute Unzuständigkeit der Widerspruchsbehörde könnte einen schweren und offensichtlichen Fehler darstellen, beispielsweise dann, wenn die Behörde in absurder Weise grob fehlerhaft ihre Zuständigkeit angenommen hätte, obwohl sie für den Erlass des Verwaltungsaktes unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zuständig sein konnte, weil sie keinerlei sachlichen Bezug zu diesem Aufgabengebiet hat (vgl. BSG, Urteil vom 09.06.1999 - B 6 KR 76/97 R -, juris, Rn. 30), wenn die Widerspruchsbehörde sich die ursprüngliche Zuständigkeit der Ausgangsbehörde anmaßt (BSG, Urteil vom 21.06.2000 - B 4 RA 57/99 R -, juris, Rn. 17) oder wenn sie zum zweiten Mal in derselben Sache einen Widerspruchsbescheid erlässt (BSG, Urteil vom 14.12.1994 - 4 RLw 4/93 -, juris, Rn. 29). Eine solche oder eine damit vergleichbare Konstellation liegt hier indes nicht vor.
(b) Es ist auch offensichtlich, dass eine Verletzung der gerügten Verfahrens- und Formvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte, denn weder der Ausgangsbescheid noch der Widerspruchsbescheid sind inhaltlich zu beanstanden. Die Beklagte hat fehlerfrei die Beiträge der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 festgesetzt.
Rechtliche Bedenken bestehen weder dagegen, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler erlassen hat, noch gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler an sich. Das Bundessozialgericht hat wiederholt in ständiger Rechtsprechung die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler und die Übertragung von Regelungsbefugnissen auf den Spitzenverband Bund der Krankenkassen für unbedenklich erachtet. Dem schließt sich die Kammer an.
(aa) Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler stehen in Einklang mit höherrangigem Recht. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die demokratische Legitimation einer Rechtsetzung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie die Einhaltung der Publizitätserfordernisse durch Veröffentlichung im Elektronischen Bundesanzeiger sowie gegen die rückwirkende Inkraftsetzung zum 01.01.2009 (BSG, Urteil vom 15.10.2014 - B 12 KR 10/12 R -, juris, Rn. 15). Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der Ermächtigung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zum Erlass der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler durch § 240 SGB V. Insbesondere ist die Regelung hinreichend bestimmt, weil der in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgegebene Rahmen (Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) die Anforderungen erfüllt, die an die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen nach dem Bestimmtheitsgebot zu stellen sind (BSG, Urteil vom 15.10.2014 - B 12 Kr 10/12 R -, juris, Rn. 16). Dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen evtl. nicht neutral und unparteilich ist, ändert an der Verfassungsmäßigkeit der Delegation und an der Rechtmäßigkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler nichts. Das Gebot der Unparteilichkeit, das von Verfassungs wegen für Richter gilt (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist nicht auf jedwede Ausübung von Staatsgewalt ausdehnbar.
(bb) Es ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine Härteklausel enthalten. Wenn der Versicherte aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage ist, die Beiträge zu zahlen, sieht § 26 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) für die Dauer des Bezuges von SGB II–Leistungen die Übernahme der Beiträge durch den SGB II–Träger vor. Damit wird das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) sichergestellt und Härtefälle vermieden.
(cc) Zutreffend hat die Beklagte schließlich die negativen Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt.
Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V - sowohl in der bis zum 31.12.2008 als auch in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung - ist bei der Beitragsbemessung sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Mit einzubeziehen sind demnach alle Einnahmen und Geldmittel, die das freiwillige Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, und zwar ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung der Einkünfte (BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R -, juris, Rn. 18). Der Nachweis darüber, ob und in welchem Umfang ein der Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung zugrunde zu legendes Gesamteinkommen (§ 16 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, - SGB IV -) dem Versicherten zuzurechnen und in welchem Umfang es bei ihm bei der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V zu berücksichtigen ist, ist allein mithilfe von Einkommensteuerbescheiden zu führen (BSG, Urteil vom 02.09.2009 - B 12 KR 21/08 R -, juris, Rn. 16).
Zwar besteht auch im Beitragsrecht für einen freiwillig Versicherten die Möglichkeit eines horizontalen Verlustausgleichs innerhalb derselben Einkunftsart zur Verminderung der Beitragsbemessungsgrundlage, sodass er seine beitragspflichtigen Einnahmen z. B. durch Investitionsentscheidungen reduzieren kann, was ein Pflichtversicherten nicht kann (BSG, Urteil vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R -, juris, Rn. 18).
Anders als im Steuerrecht ist jedoch bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung ein vertikaler Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkunftsarten ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R -, juris, Rn. 15). Dies gilt sowohl für Einnahmen, die auch bei versicherungspflichtigen Mitgliedern beitragspflichtig sind, als auch für solche Einkunftsarten, die nur bei freiwilligen Versicherten beitragspflichtig sind. Denn dieser Ausschluss ist ein wesentliches Element zur Vermeidung einer beitragsrechtlichen Privilegierung von freiwillig Versicherten gegenüber versicherungspflichtig Beschäftigten und anderen Versicherungspflichtigen (BSG, Urteil vom 09.08.2006 - B 12 KR 8/06 R -, juris, Rn. 17). Da das Gesetz bei Pflichtversicherten einen Verlustausgleich nicht vorsieht, entspricht es dem Sinn und Zweck des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V (wonach bei einem freiwilligen Mitglied der Beitragsbemessung mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sind), dass eine solche Privilegierung auch für freiwillig Versicherte nicht gelten kann (BSG, Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R -, juris, Rn. 28).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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