L 4 SO 56/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 20 SO 223/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 56/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 383.364,16 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

In Streit ist die Erstattung von Kosten i.H.v. 383.364,16 Euro für Leistungen der Eingliederungshilfe, die die Klägerin in der Zeit vom 10. Juli 2009 bis 31. Mai 2017 zugunsten des Hilfeempfängers D. (Hilfeempfänger) erbracht hat.

Der am xxxxx 1991 in A1 geborene Hilfeempfänger, bei dem später ein Grad der Behinderung von 80 und die Merkzeichen G, B und H anerkannt werden sollten (s. den vom Landesamt für soziale Dienste S. im Oktober 2007 ausgestellten Schwerbehindertenausweis), reiste am 27. Mai 1999 unbegleitet über den Flughafen F. nach Deutschland ein. Nach Überprüfung durch den Bundesgrenzschutz wurde er noch am Flughafen vom Jugendamt der Stadt F. in Obhut genommen und in eine Jugendhilfeeinrichtung des Jugendhilfeverbundes R., dem Aufnahmeheim der A. für geflüchtete Minderjährige in der E1 in F., aufgenommen (Verfügung des Jugendamtes F. vom 28.6.1999 über die Erstversorgung des Hilfeempfängers nach § 42 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII – und seine vorübergehende Unterbringung im A.-Aufnahmeheim für die Zeit vom 15.6.1999 bis 20.6.1999).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt a. M. vom 28. Mai 1999 wurde das Jugendamt zum Vormund des Hilfeempfängers bestellt. Eine Vorstellung bei der zuständigen Ausländerbehörde erfolgte nicht, da der Hilfeempfänger in das im Land H1 vorgesehene "Clearingverfahren" übernommen wurde, um einen Asylantrag zu stellen.

Am 20. Juni 1999 wurde der Hilfeempfänger von seinem in H. lebenden Onkel, Herrn D., aus dem Aufnahmeheim der A. in F. ohne Wissen und Zustimmung des Einrichtungsträgers oder seines Vormundes mit nach H. genommen.

Am 24. Juni 1999 wurde der Onkel des Hilfeempfängers mit diesem in der Erstversorgungseinrichtung (E.) in H. vorstellig, wo der Hilfeempfänger noch am selben Tag aufgenommen wurde.

Am 28. Juni 1999 sprach eine Betreuerin der E. beim Jugendamt der Klägerin beim Bezirksamt Hamburg-M. vor. Sie erklärte, dass sich der Hilfeempfänger seit dem 24. Juni 1999 in der Einrichtung befinde. Er sei von seinem Onkel mit der Bitte, sich vorläufig um den Jungen zu kümmern, "abgegeben" worden. Durch das Aufnahmeheim in F. sei der Hilfeempfänger zuvor zunächst als vermisst gemeldet worden.

Ausweislich eines Schreibens des Jugendamtes H. an das Amtsgericht Hamburg, Vormundschaftsgericht, vom 7. Juli 1999 wurden die Sozialen Dienste der Stadt F. am 29. Juni 1999 darüber informiert, dass Verwandte des Hilfeempfängers in H. lebten. Die Sozialen Dienste F. erklärten gegenüber dem Jugendamt H., dass die Verteilung des Hilfeempfängers nach H. bereits in Vorbereitung gewesen sei ("Prüfung der Vormundschaftsübernahme; Klärung der ausländerrechtlichen Belange").

Unter dem 30. Juni 1999 verfügte das Jugendamt der Klägerin rückwirkend zum 24. Juni 1999 die Inobhutnahme des Hilfeempfängers auf Grundlage von § 42 SGB VIII. In der Verfügung heißt es, der Hilfeempfänger habe sich bis zum 20. Juni 1999 in F. aufgehalten. Die "Verteilung" zu seinen Verwandten nach H. sei angestrebt, da der Hilfeempfänger diesen Wunsch äußere. Zur Klärung der Sach- und Rechtslage werde der Hilfeempfänger zunächst in Obhut genommen. H. sei gemäß § 87 SGB VIII örtlich zuständig, da sich der Hilfeempfänger vor seiner Inobhutnahme in H. aufgehalten habe.

Am 5. Juli 1999 erschien die seit 1997 in H. lebende Tante des Hilfeempfängers, Frau Shafigheh G1, gemeinsam mit ihrem Bruder, Herrn D., beim Jugendamt der Klägerin. Frau G1 teilte mit, dass sie und ihre Familie gewusst hätten, dass der Hilfeempfänger auf dem Weg nach Deutschland sei. Man habe ihn am Flughafen in F. abholen und direkt nach H. bringen wollen, was aufgrund des Zugriffs des Bundesgrenzschutzes aber nicht gelungen sei. Das Jugendamt hatte nach diesem Gespräch keine Bedenken, die Vormundschaft für den Hilfeempfänger auf Frau G1, wie offenbar von dieser gewünscht, zu übertragen. Der Amtsvormund in F. erklärte sich nach telefonischer Absprache mit der Abgabe der Vormundschaft nach H. einverstanden. Das Jugendamt der Klägerin nahm überdies Kontakt zur Ausländerbehörde auf, um den Hilfeempfänger in H. zu melden und seinen ausländerrechtlichen Status zu klären. Das Amtsgericht Hamburg wurde gebeten, Frau G1 zur Vormünderin für den Hilfeempfänger zu bestellen. Mit Schreiben vom 7. Juli 1999 stimmte das Jugendamt der Stadt F. der Übertragung der Vormundschaft auf einen vom Jugendamt der Klägerin überprüften Einzelvormund zu.

Der Hilfeempfänger befand sich zunächst bis zum 13. September 2000 in der E ... Am 14. September 2000 wurde er in das Kinderhaus S. in H. aufgenommen. Dem lag eine Verfügung vom 19. September 2000 zugrunde, mit der das Jugendamt der Klägerin die Inobhutnahme des Hilfeempfängers mit Wirkung zum 13. September 2000 beendete und ab dem 14. September Hilfen zur Erziehung (§§ 27 ff., 34 SGB VIII) bewilligte. Anlass der Hilfe seien Entwicklungsauffälligkeiten des Hilfeempfängers sowie sein Status als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling. Dem unvollständig vorliegenden Retent der Jugendamtsakte kann entnommen werden, dass das Jugendamt seinerzeit "aufgrund des Alters und der Bedarfe des Jungen" bereits seit mehr als einem Jahr vergeblich versucht hatte, eine Pflegefamilie oder Lebensgemeinschaft zu finden. Der Hilfeempfänger habe jetzt die Möglichkeit, beim selben Träger einen Platz – im besagten Kinderhaus – zu bekommen.

Zum 30. Oktober 2001 wurde die Betreuung des Hilfeempfängers im Kinderhaus S. in H. eingestellt, und der Hilfeempfänger wechselte am 31. Oktober 2001 in die L1 in H ...

Seit Einzug des Hilfeempfängers in das Kinderhaus S. hatte die Klägerin Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erbracht. Die ihr entstandenen Kosten wurden aber erstattet durch den L2

Am 15. August 2001 wurde dem Hilfeempfänger eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Bis zum 8. Mai 2002 war seine Tante Vormünderin, anschließend ein Amtsvormund des Jugendamtes.

Mit Ablauf des 18. März 2003 wurde die Hilfe nach den §§ 27 ff. und § 34 SGB VIII für den Hilfeempfänger in der L1 beendet (Verfügung des Jugendamtes der Klägerin vom 19.3.2003). Am 19. März 2003 wurde der Hilfeempfänger in eine weitere Einrichtung der H2 e.V. in der in H. aufgenommen.

Am 5. Mai 2003 wechselte der Hilfeempfänger in die zum S1 e.V. gehörende Außenstelle "S2" in K., belegen im beklagten Kreis S3.

Seit 19. April 2007 besitzt der Hilfeempfänger nach Angaben der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Mit Bescheid vom 27. Mai 2009 wurde die Amtsvormünderin des Hilfeempfängers durch das Jugendamt der Klägerin darüber informiert, dass der Bescheid vom 19. September 2000 über die Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form stationärer Unterbringung in einer Einrichtung mit Wirkung vom 9. Juli 2009 aufgehoben und die bewilligte Hilfe zu diesem Zeitpunkt beendet werde. Zur Begründung hieß es, die geistige Behinderung des Hilfeempfängers sei "nicht mehr mit den Mitteln der Jugendhilfe zu bearbeiten". Mit Erreichen der Volljährigkeit seien vielmehr Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu beantragen.

Mit Schreiben vom 5. Juni 2009 teilte das Jugendamt der Klägerin dem Fachamt Eingliederungshilfen beim Bezirksamt Hamburg-W. unter Bezugnahme auf "am 7. April 2009 zu oben genanntem Fall übersandte Unterlagen" sowie auf § 18 Abs. 1 und 2 SGB XII mit, dass die Jugendhilfeleistungen zum 9. Juli 2009 beendet würden. Zugleich wies das Jugendamt auf die Zuständigkeit des Fachamtes Eingliederungshilfen als Leistungsträger ab dem 10. Juli 2009 hin. Dieses Schreiben wurde auch der Einrichtung N zur Kenntnis gegeben. In der Folge verzögerte sich aber die Bearbeitung auf Seiten des Fachamtes Eingliederungshilfe.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2009, eingegangen beim Jugendamt der Klägerin am 18. Juni 2009, beantragte das N unter Beifügung eines vom Hilfeempfänger selbst gestellten Antrags Leistungen im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 i.V.m. § 34 SGB VIII ab 10. Juli 2009. Mit Schreiben vom selben Tag, ebenfalls am 18. Juni 2009 eingegangen, beantragte das N beim Bezirksamt W., Fachamt Eingliederungshilfen, zugleich Leistungen der Eingliederungshilfe ab dem 10. Juli 2009, dies ebenfalls unter Beifügung eines eigenen Antrags des Hilfeempfängers.

Ein Vermerk des Jugendamtes vom 18. Juni 2009 dokumentiert, dass es wegen krankheitsbedingter Ausfälle auf Seiten des Fachamtes Eingliederungshilfen Schwierigkeiten bei der Abstimmung zur "Übergabe" des Falles von der Jugend- zu Eingliederungshilfe gab.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2009 lehnte das Jugendamt der Klägerin den Antrag des Hilfeempfängers auf Gewährung von Leistungen für junge Volljährige gemäß §§ 41 und 34 SGB VIII ab, da Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII erforderlich seien.

Am 13. Juli 2009 fand eine Gesamtplankonferenz statt, auf der zwischen dem Jugendamt und dem Fachamt Eingliederungshilfen Einigkeit darüber erzielt wurde, dass für den Hilfeempfänger mit Eintritt der Volljährigkeit stationäre Eingliederungshilfe erforderlich sei. In einem Vermerk des Fachamtes vom 31. Juli 2009 heißt es, im Zuge der Antragsbearbeitung ab Juni 2009 sei deutlich geworden, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit bzw. der Kostenträgerschaft im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht geklärt sei. Der Hilfeempfänger sei im Besitz einer bis zum 18. April 2010 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG. Zum überörtlichen Kostenträger gemäß § 89 SGB VIII sei der LWL bestimmt. Bislang seien die stationären Heimkosten deshalb "über den Träger der Jugendhilfe per Kostenerstattung abgerechnet" worden.

Ausweislich eines weiteren Vermerkes vom 6. August 2009 ging das Fachamt Eingliederungshilfen der Klägerin davon aus, dass zum 14. April 2009 bei ihm ein Antrag auf "Überleitung der Zuständigkeit" in die Eingliederungshilfe über das Jugendamt Hamburg-M. gestellt worden war. Eine Weitergabe dieses Antrags gemäß § 14 Abs. 2 SGB Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sei inzwischen nicht mehr möglich, da die Frist von 14 Tagen verstrichen sei. Beabsichtigt sei, dass die Klägerin, dort das Fachamt Eingliederungshilfen, als "unzuständiger Träger ab 10.7.2009 bis einschließlich 08/2009 Heimkosten leisten" werde. Die eigentliche Zuständigkeit für diese Leistungen liege aber bei dem nach § 98 Abs. 1 SGB XII örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe. Nach dem 1. September 2009 solle der Hilfeempfänger deshalb den Antrag auf Eingliederungshilfeleistungen beim dort zuständigen Landkreis – dem Beklagten – stellen.

Das Fachamt Eingliederungshilfen der Klägerin erklärte daraufhin gegenüber dem Hilfeempfänger mit Schreiben vom 7. August 2009, Eingliederungshilfe in der Einrichtung N für die Zeit vom 10. Juli 2009 bis 31. August 2009 übernehmen zu wollen. Der Hilfeempfänger wurde darauf hingewiesen, dass ihm "für die sonstigen Fragen wie Barbetrag, Bekleidungsbeihilfe, Krankenhilfe, Einsatz von Einkommen und Vermögen" die Sozialabteilung des Bezirksamtes Hamburg-W. zur Verfügung stehe. Unter dem 14. August 2009 erließ das Fachamt Eingliederungshilfen einen weiteren (förmlichen) Bescheid, in welchem gegenüber dem Hilfeempfänger dargelegt wurde, dass das Fachamt als unzuständiger Träger ab dem 10. Juli 2009 bis einschließlich 31. August 2009 die Kosten für die Eingliederungshilfe in der Einrichtung N übernehme. Die Zuständigkeit für den Hilfeempfänger liege aber beim Beklagten; weitere Anträge seien dort zu stellen. Eine entsprechende Mitteilung ging auch an den Einrichtungsträger.

Mit Schreiben vom 14. August 2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten Kostenerstattung und Übernahme des Falles in die eigene Zuständigkeit unter Bezugnahme auf § 106 SGB XII. Zur Begründung hieß es, da der Hilfeempfänger seit seinem Grenzübertritt in Einrichtungen gelebt habe und weiter lebe, habe er keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen können. Der Beklagte sei daher nach § 98 Abs. 1 SGB XII zuständiger Träger der Sozialhilfe und daher zur Kostentragung für die vom 10. Juli 2009 bis 31. August 2009 erbrachten Leistungen verpflichtet.

In einer E-Mail vom 19. August 2009, die innerhalb des Bezirksamtes W. der Klägerin versandt wurde, heißt es, wichtig sei, dass "jetzt ab dem 01.09.2009 keine neue Befü [Anm.: Befürwortung] von Hilfeleistungen ausgesprochen wird". Sobald ein neuer Antrag des Hilfeempfängers auf Eingliederungshilfe eingehe, sei dieser zuständigkeitshalber an den Beklagten weiterzuleiten.

Der Beklagte erwiderte auf das Schreiben vom 14. August 2009, dass der Hilfeempfänger einen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin begründet habe, was sich jedenfalls aus Art. 1 des Haager Minderjährigenschutzabkommens (M2) ergebe (Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24.6.1999 – 5 C 24/98). Ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten scheide daher aus (Schreiben des Beklagten vom 21.8.2009).

Die Klägerin wies darauf hin, dass sich der seit 10. Juli 2009 volljährige Hilfeempfänger tatsächlich im Bereich des Beklagten aufhalte. Ein gewöhnlicher Aufenthalt sei vor der Aufnahme in die erste Einrichtung nicht zu ermitteln gewesen. Die Vorschriften des SGB VIII seien ab Beginn der Volljährigkeit – auch hinsichtlich der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts – nicht mehr von Bedeutung. Der Hilfeempfänger habe sich "im Anschluss an die erste Inobhutnahme in H. nahtlos" in Einrichtungen der Jugendhilfe aufgehalten. Ein gewöhnlicher Aufenthalt sei daher nicht vorhanden gewesen.

Mit Schreiben vom 1. September 2009, beim Beklagten am 3. September 2009 eingegangen, beantragte der Betreuer des Hilfeempfängers für diesen Eingliederungshilfe ab 1. September 2009.

Mit Schreiben vom 4. September 2009, bei der Klägerin am selben Tag eingegangen, leitete der Beklagte diesen Antrag unter Bezugnahme auf § 14 SGB IX an die Klägerin weiter. Er verwies auf ein rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. August 2001 (Az. 16 VG A 1206/2000), in welchem das Asylbegehren des Hilfeempfänger positiv geklärt worden sei, mit der Folge, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin anzunehmen sei. Mit Weiterleitung des o.g. Antrages sei die Klägerin nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen zuständig geworden.

Die Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten, aufgrund der fristgerechten Weiterleitung des Antrags weiterhin Eingliederungshilfeleistungen als vorläufiger Leistungsträger erbringen zu wollen und insoweit beim Beklagten für den Zeitraum ab 10. Juli 2009 gemäß § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Kostenerstattung anzumelden. Sie bat um Abgabe eines Kostenanerkenntnisses bis zum 15. November 2009 und drohte andernfalls Klage an (Schreiben vom 8.9.2009).

In der Folge erbrachte die Klägerin weiterhin Eingliederungshilfeleistungen für den Hilfeempfänger.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009 verlangte die Klägerin vom Beklagten Kostenerstattung für die in der Zeit vom 10. Juli 2009 bis einschließlich 28. Februar 2010 geleistete Eingliederungshilfe.

Der Beklagte entgegnete, im vorliegenden Fall habe sich offenbar weder der Hilfebedarf noch die dem Hilfeempfänger tatsächlich gewährte Hilfeart verändert, sondern es werde über die Volljährigkeit hinaus eine Hilfe identischen Inhalts gewährt. Es handele sich weiterhin um Jugendhilfe, für die der Beklagte nicht zuständig sei. Sollte die Klägerin aber daran festhalten, dass hier rechtmäßig Sozialhilfe gewährt werde, gelte § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Maßgeblich sei dann der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung, hier am 5. Mai 2003 in K ... Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber in H. gehabt. Der Eintritt der Volljährigkeit am 10. Juli 2009 führe zu keiner Änderung, da dem Hilfeempfänger in der Einrichtung durchgehend stationäre Leistungen gewährt würden. § 98 Abs. 2 SGB XII bezwecke den Schutz des Trägers des Einrichtungsortes. Es wäre daher widersinnig, wollte man hier den Beklagten in Anspruch nehmen, nur weil die Klägerin, als diejenige Trägerin, die zuvor über viele Jahre ununterbrochen für den Hilfeempfänger zuständig und in deren Geltungsbereich er in Einrichtungen untergebracht gewesen sei, die Aufnahme des Hilfeempfänger in K. veranlasst habe (Schreiben vom 9.11.2009).

Mit Schreiben vom 26. März 2010 meldete die Klägerin beim Beklagten Erstattung für die Zeit vom 10. Juli 2009 bis fortlaufend an.

Die Klägerin hat am 14. Mai 2010 Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben.

Sie hat beantragt festzustellen, dass der Beklagte "gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 1 SGB XII" für die an den Hilfeempfänger in der zum N gehörenden Einrichtung in K. gewährte Eingliederungshilfe zuständig ist und den weiteren Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, ihr die in der Zeit vom 10. Juli 2009 bis 30. Juni 2015 entstandenen Kosten i.H.v. 288.454,98 Euro sowie die bis zur Übernahme des Hilfefalles durch den Beklagten weiter entstehenden Aufwendungen "gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 102 SGB X" zu erstatten. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, das vom Beklagten in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei hier unmaßgeblich. Der Hilfeempfänger habe sich seit seiner Einreise in Einrichtungen im Sinne von § 13 SGB XII befunden, zu denen auch jene der Jugendhilfe zählten. Gemäß § 109 SGB XII sei die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in Einrichtungen im Sinne von § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII i.V.m. § 13 SGB XII ausgeschlossen, sodass der Hilfeempfänger aufgrund der nahtlosen Anstaltsübertritte sozialhilferechtlich vor Aufnahme in die erste Einrichtung am Tag seiner Einreise am 27. Mai 1999 keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe. Die Aussage des M1 sei nicht streitig; der Beklagte verkenne aber, dass sich der Hilfeempfänger innerhalb der dort zugrunde gelegten sechs Monate durchgängig in Einrichtungen befunden habe und auch weiterhin befinde. Soweit es den viertägigen Aufenthalt bei seinem Onkel betreffe, handele es sich um eine Pflegestelle nach § 107 SGB XII. Danach würden die Vorschriften des § 98 Abs. 2 SGB XII und § 106 SGB XII entsprechend gelten. Somit entspreche der Aufenthalt des Hilfeempfängers bei seinem Onkel dem in einer Einrichtung. Entscheidend sei, dass sich der Hilfeempfänger im Zeitpunkt der ersten Antragstellung auf Sozialhilfe, nämlich am 7. April 2009, im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgehalten habe. Bei der Bestimmung des örtlich zuständigen Trägers sei nicht auf den Zeitpunkt des Beginns der Anstaltskette abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auf Leistungen der Sozialhilfe (Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.3.2011 – L 2 SO 1196/10).

Der Beklagte hat eingewandt, der Aufenthalt des Hilfeempfängers sei bereits bei seiner Einreise 1999 von Anfang an auf Dauer angelegt gewesen, berücksichtige man, dass es sich um einen minderjährigen unbegleiteten und zudem behinderten Flüchtling gehandelt habe. Spätestens aber nach sechs Monaten Aufenthalt in H. habe der Hilfeempfänger nach der Rechtsprechung zum M2 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin begründet. Soweit die Klägerin darauf hinweise, dass der Aufenthalt des Hilfeempfängers bei seinem Onkel in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 1999 einem Aufenthalt in einer Einrichtung entspreche, überzeuge dies nicht. Der Haushalt des Onkels sei keine Unterbringung im Sinne von § 107 SGB XII, dies vorliegend erst recht deshalb nicht, weil der Hilfeempfänger ohne Kenntnis und Willen der zuständigen Stellen durch seinen Onkel abgeholt worden sei. Die Einrichtungskette habe daher mit der Aufnahme in die E. in H. begonnen. Der Beklagte hat außerdem darauf hingewiesen, dass der Hilfeempfänger seit November 2013 im sog. Werkstattwohnheim "G." des N. lebe und seit dem 1. Dezember 2013 im Arbeitsbereich der K. Werkstätten tätig sei, nachdem er dort auch den Berufsbildungsbereich (zwei Jahre) absolviert habe.

Mit Urteil vom 8. Oktober 2015 hat das Sozialgericht Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, es lägen weder die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 102 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 14 Abs. 4 SGB IX vor, noch sei festzustellen, dass der Beklagte gemäß § 98 Abs. 1 und 2 SGB XII für den streitigen Hilfefall zuständig sei. Die örtliche Zuständigkeit liege vielmehr bei der Klägerin. Dies folge aus § 98 Abs. 2 SGB XII. Denn der Hilfeempfänger habe – der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des M1 folgend – spätestens sechs Monate nach seiner Einreise, d.h. während der Inobhutnahme in der E. , seinen gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in H. begründet. § 109 SGB XII bzw. § 109 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) fänden keine Anwendung. Denn in den H. Einrichtungen habe der damals minderjährige Hilfeempfänger ausschließlich Leistungen nach dem SGB VIII erhalten. Diese gingen den Leistungen nach dem SGB XII gemäß § 10 Abs. 4 SGB VIII vor. Der Schutz der Einrichtungsorte werde im Anwendungsbereich des SGB VIII durch die Regelung des §§ 89e SGB VIII sichergestellt. Anders als § 109 SGB XII, der zum Schutz der Einrichtungsorte die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts während der Dauer der Unterbringung in einer Einrichtung ausschließe, sehe § 89e Abs. 1 SGB VIII die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sogar ausdrücklich vor. Darauf, ob bereits früher, namentlich während des viertägigen Aufenthalts beim Onkel, ein gewöhnlicher Aufenthalt in H. begründet worden sei, komme es bei dieser Sachlage nicht an.

Die Klägerin hat am 2. November 2015 gegen das ihr am 19. Oktober 2015 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und betont erneut ihre Auffassung, dass der Hilfeempfänger mit Erreichen der Volljährigkeit am 10. Juli 2009 nicht mehr vom persönlichen Anwendungsbereich des M1 erfasst sei. Zudem sei der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach dem M1 nicht mit jenem nach dem Sozialgesetzbuch gleichzusetzen (Verweis auf OVG Lüneburg, Urteil vom 7.3.2000 – 4 L 2968/99). Soweit das Gericht der von der Klägerin dargelegten Auffassung, dass für die Bestimmung der Zuständigkeit der Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII maßgeblich sei, nicht folgen wolle, sei mangels eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Aufnahme in die erste Einrichtung – jene des Jugendhilfeverbundes R. – an den tatsächlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers anzuknüpfen. Zuständiger Leistungsträger wäre demnach nach § 97 Abs. 2 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII die Stadt F. bzw. der im Land H1 für die Eingliederungshilfe zuständige Landeswohlfahrtsverband (LWV) H1.

Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass der Hilfeempfänger während der Zeit seiner Minderjährigkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin begründet habe. Aus der nur teilweise vorliegenden Jugendamtsakte der Klägerin erschließe sich zwar nicht, warum der Hilfeempfänger in die Einrichtung im Kreisgebiet des Beklagten aufgenommen worden sei. Aus den Vermerken und dem dargestellten Sachverhalt aus dem Jahr 1999 ergebe sich aber der Wille aller seinerzeit Beteiligten, dass der Hilfeempfänger von Anfang an in H. seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe begründen sollen. Demnach habe sich der Hilfeempfänger nur deshalb in F. aufgehalten, weil er durch die Bundespolizei bei der Landung des Flugzeugs aufgegriffen worden sei. Dieser Umstand sei offenbar auch den Behörden in H1 bekannt und eine Verteilung des Hilfeempfängers zu seinen Verwandten nach H. bereits vor dem eigenmächtigen Handeln des Onkels beabsichtigt gewesen. Auch das Jugendamt der Klägerin habe die Anbindung und Nähe zu den Verwandten als richtig und wichtig erachtet.

Die Klägerin hat darauf erklärt, die Jugendhilfeakte für die Zeit von 2003 bis 2009 sei 2014 vernichtet worden. In der Sache habe ein gewöhnlicher Aufenthalt in H. nicht durch einen seinerzeit in F. gebildeten entsprechenden "Willen" aller Beteiligten, den Hilfeempfänger mittelfristig in H. in der Nähe seiner Familie unterzubringen, begründet werden können. Angesichts des erheblichen Unterstützungs- und Betreuungsbedarfs des Hilfeempfängers sei zu keiner Zeit eine zukunftsoffene Aufnahme in den Haushalt seiner Familie geplant gewesen und zugesagt worden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. September 2016 den LWV H1 nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene lässt sich dahingehend ein, dass jedenfalls er, unabhängig von der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, in keinem Fall erstattungspflichtig sei. Er teile die Auffassung der Klägerin, wonach maßgeblich der Zeitpunkt der Beantragung bzw. Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII sei, wenn es um die Bestimmung der Zuständigkeit gehe. Unabhängig davon aber erhebe er den Einwand der Verwirkung. Er sei erstmals mit Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 2016 mit möglichen Kostenerstattungsansprüchen konfrontiert worden und habe darauf vertrauen dürfen, dass er für sieben Jahre zurückliegende Erstattungsbegehren nicht mehr in Anspruch genommen werde. Zu verweisen sei auf den Rechtsgedanken des § 111 SGB X.

Die Klägerin ist dieser Auffassung des Beigeladenen zur Frage der Verwirkung entgegengetreten. Sie habe gegenüber dem Beigeladenen bislang allein deshalb keine Erstattung verlangt, weil sie den Beklagten für zuständig gehalten habe. Ihre reine Untätigkeit gegenüber dem Beigeladenen führe nicht zur Verwirkung.

Am 1. November 2017 hat eine mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat stattgefunden. Die Klägerin hat darin erklärt, an der konkreten Form der Hilfegewährung für den Hilfeempfänger habe sich seit Eintritt der Volljährigkeit praktisch nichts geändert. Zudem habe wegen der bestehenden geistigen Behinderung "sicherlich von vornherein" ein Fall der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII bzw. dem BSHG vorgelegen. Seit Mai 2017 halte sich der Hilfebedürftige nicht mehr in der Einrichtung auf, sein Verbleib sei unbekannt.

Der Senat hat den Rechtsstreit für Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten vertagt. Die Beteiligten haben vorsorglich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter im schriftlichen Verfahren erklärt. Ein Vergleich zwischen den Beteiligten ist anschließend nicht zustande gekommen. Die Klägerin hat zuletzt mitgeteilt, dass der Hilfeempfänger bereits im März 2017 offenbar mit seinem Onkel zu seiner schwerkranken Mutter in den Iran gereist sei. Ihm sei dafür ein Sonderurlaub von 30 Tagen bewilligt worden, nach dessen Ablauf er aber nicht in die Einrichtung zurückgekehrt sei.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 08.10.2015 aufzuheben,

2. festzustellen, dass der Beklagte gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 1 SGB XII für die an den Hilfeempfänger D., S., geb. xxxxx1991, in der Einrichtung N. e.V., , K., gewährten Eingliederungshilfeleistungen zuständig ist und

3. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die in der Zeit vom 10.07.2009 bis 31.05.2017 i.H.v. 383.364,16 Euro entstandenen Aufwendungen gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 102 SGB X zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

A. Der Senat konnte nach § 155 Abs. 3 und 4 sowie § 124 Abs. 2 SGG durch den Berichterstatter ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.

B. Nach verständiger Auslegung des Klageantrags (§ 123 SGG) ist davon auszugehen, dass sich das Begehren der Klägerin trotz der ausdrücklichen Beschränkung auf die Feststellung der Zuständigkeit des Beklagten für die Eingliederungshilfe sowie seine Verurteilung zur Erstattung hilfsweise auch auf den Beigeladenen bezieht. Entsprechende Hilfsanträge in Bezug auf den Beigeladenen hat die Klägerin zwar nicht formuliert. Der Gesetzgeber unterstellt aber mit der Vorschrift des § 75 Abs. 2, 2. Alt. i.V.m. Abs. 5 SGG, dass ein Kläger zwar in erster Linie die Verurteilung des beklagten Trägers, hilfsweise jedoch auch die jedes anderen in Frage kommenden Trägers begehrt. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn ein Kläger diese Verurteilung ausdrücklich ablehnt, woran es vorliegend mangelt (vgl. BSG, Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R). Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Klägerin an ihrer noch mit Schriftsatz vom 23. Januar 2017 bekräftigten Auffassung einer subsidiären Leistungsverpflichtung des Beigeladenen nicht mehr festhalten wollte.

C. Der LWV H1 war gem. § 75 Abs. 2, 2. Alt. SGG notwendig beizuladen, weil er neben dem Beklagten als zuständiger überörtlicher Träger der Sozialhilfe für den Hilfeempfänger und damit als Erstattungspflichtiger gegenüber der Klägerin in Betracht kam. Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII wird die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach Landesrecht bestimmt. Soweit Landesrecht keine solche Bestimmung enthält, ist gem. § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII der überörtliche Träger für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 bis 60 SGB XII sachlich zuständig. In H1 ist der Beigeladene zum überörtlichen Träger bestimmt worden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – HAG/SGB XII – in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 1. Halbsatz HAG/SGB XII ist zwar der örtliche Träger der Sozialhilfe abweichend von § 97 SGB XII sachlich u.a. zuständig für die Leistungen nach dem Sechsten Kapitel (§§ 53 ff. SGB XII) des SGB XII, dies allerdings nur, sofern diese nicht in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung oder in einer betreuten Wohnmöglichkeit für behinderte Menschen gewährt werden. Für stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe – wie vorliegend – bleibt es demnach bei der sachlichen Zuständigkeit des Beigeladenen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Diese Bestimmung war auch bereits in den vorherigen Fassungen des HAG/SGB XII (in der vom 1.8.2008 bis 31.12.2013 und in der vom 1.1.2014 bis 31.12.2016 geltenden Fassung) enthalten.

Die Beiladung des Hilfeempfängers nach § 75 Abs. 2, 1. Alt. SGG war hingegen nicht erforderlich, weil seine Rechtsposition durch den Erstattungsstreit nicht berührt wird (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 26.10.2017 – B 8 SO 12/16 R).

D. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist hinsichtlich der begehrten Feststellung unzulässig (I.), unbegründet hingegen, soweit sie das Leistungsbegehren betrifft (II.). Denn die Klägerin selbst war der örtlich zuständige Leistungsträger für die an den Hilfeempfänger erbrachte Eingliederungshilfe.

I. Die nach Ziffer 1 des Klageantrags erhobene Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist mangels erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig. Zwar ist anerkannt, dass dem Kläger in Fällen fortbestehender Erstattungspflicht im Zeitpunkt der Klageerhebung für die nachfolgende Zeit die Bezifferung nicht möglich ist, weshalb die Erhebung einer Klage mit dem Ziel der Feststellung künftiger Rechtsfolgen aus einem bestehenden Rechtsverhältnis möglich sein muss. Denn ein Kläger könne nicht gezwungen werden, die Feststellungsklage jederzeit und ggf. immer aufs Neue dem Umstand anzupassen, dass nach Klageerhebung auch eine Leistungsklage für weitere verflossene Zeiträume möglich wäre (BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 8 SO 11/12 R). So liegt der Fall hier aber nicht. Denn angesichts der spätestens zum 31. Mai 2017 erfolgten Beendigung des Hilfefalles ist es der Klägerin – wie ersichtlich – nunmehr möglich, den begehrten Leistungsanspruch vollständig zu beziffern. Einer gesonderten Feststellung bedurfte es daher nicht.

Hingegen macht die Klägerin ihr Erstattungsbegehren nach Ziffer 2 des Klageantrags zulässigerweise mit der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen, eine Klagefrist nicht einzuhalten.

II. Die allgemeine Leistungsklage bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Klägerin begehrt ausweislich der von ihr beigereichten "Kostenaufstellungen" Ersatz für entstandene "Einrichtungskosten" bzw. Kosten erbrachter "Personenbezogener Leistungen für psychisch kranke bzw. seelisch behinderte Menschen" (sog. PPM-Maßnahmen), für erbrachte Hilfe zum Lebensunterhalt, für "sonstige einmalige Hilfen" und "Bekleidung", für die Kosten der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), für einen "Schulbeitrag" sowie für dem Hilfeempfänger geleistete Krankenhilfe.

2. Die Voraussetzungen eines insoweit zunächst denkbaren Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs. 4 SGB IX (in der Fassung vom 23.4.2004 – a.F.) liegen nicht vor. § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. lautet: Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Nach § 14 Abs. 4 Satz 3 SGB IX ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Absatz 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, § 105 SGB X nicht anzuwenden, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Zwar handelt es sich jedenfalls bei den Einrichtungskosten (als Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten gem. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX a.F.), den Kosten für die PPM-Maßnahmen (als Hilfen zum Erwerbs praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gem. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX a.F.) sowie den Kosten der WfbM (gem. § 41 SGB IX a.F.) um Leistungen der Eingliederungshilfe. Auch steht für den Senat fest, dass der Hilfeempfänger zu den nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX leistungsberechtigten Personen gehörte und dem Grunde nach Anspruch auf vollstationäre Eingliederungshilfe hatte. Die Klägerin hat diese Leistungen aber nicht "nach Absatz 1 Satz 2 bis 4" des § 14 SGB IX a.F. bewilligt. Dies würde voraussetzen, dass die Klägerin als zweitangegangener Träger Leistungen erbracht und sich später ihre Unzuständigkeit herausgestellt hätte. Lediglich für den zweitangegangenen Rehabilitationsträger enthält § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. eine Spezialregelung, die einen Ausgleich dafür schaffen soll, dass der zweitangegangene Träger keine Möglichkeit hat, den Antrag noch einmal weiterzuleiten und deshalb trotz Unzuständigkeit zur Leistung verpflichtet ist (Götz, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 3. Aufl. 2009, § 14 Rn. 23). Vorliegend war die Klägerin indes erstangegangener Träger. Für die in der Zeit vom 10. Juli 2009 bis 31. August 2009 erbrachte Eingliederungshilfe folgt dies bereits daraus, dass die Klägerin mit Bescheid vom 7. August 2009 auf den bei ihr gestellten Antrag des Hilfeempfängers vom 18. Juni 2009 hin Leistungen bewilligt hatte. Doch auch für die nachfolgende Zeit ab 1. September 2009 gilt nichts anderes. Die Klägerin blieb auch hier trotz der an sie durch den Beklagten erfolgten Weiterleitung des weiteren Antrags des Hilfeempfängers auf Eingliederungshilfe vom 3. September 2009 erstangegangener Träger i.S.v. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. Denn der Hilfeempfänger war erstmals mit seinem Teilhabebegehren an die Klägerin herangetreten, und bei dem durch den weiteren Antrag vom 3. September 2009 eingeleiteten Verfahren handelte es sich nicht um einen neuen Leistungsfall, da das Teilhabeziel noch nicht erreicht war und der Hilfeempfänger keine neue Teilhabeleistung beantragt hatte (vgl. BSG, Urteil vom 20.4.2016 – B 8 SO 8/14 R; vgl. Ulrich, in: jurisPK-SGB IX, Stand: 15.1.2018, § 14 Rn. 56 ff.). Die Klägerin konnte nach Auffassung des Senats diesen einheitlichen Leistungsfall auch nicht durch die bis 31. August 2009 erfolgte zeitliche Begrenzung der Bewilligung und durch den Verweis auf eine im Übrigen erforderliche Antragstellung beim Beklagten für die weitere Zeit künstlich aufspalten und dadurch einen neuen Leistungsfall fingieren.

3. Blieb die Klägerin demzufolge erstangegangener Träger, scheidet zwar der privilegierte Erstattungsanspruch aus § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB IX a.F. (entsprechend § 102 Abs. 2 SGB X) aus. Und auch § 105 SGB X wäre gemäß § 14 Abs. 4 Satz 3 SGB IX a.F. ausgeschlossen. Einem denkbaren Anspruch nach § 106 SGB XII stünde wiederum entgegen, dass Inhaber des dort geregelten Erstattungsanspruchs allein der für den Ort der Einrichtung örtlich zuständige Träger ist, was auf die Klägerin nicht zutrifft.

4. Bei nicht rechtzeitiger Weiterleitung des Rehabilitationsantrags kommt aber als Anspruchsgrundlage § 104 SGB X in Betracht. Nach § 104 Abs. 1 SGB X ist für den Fall, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen.

Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis, wie es § 104 SGB X voraussetzt, beruht in Fällen, in denen es um die Begründung einer Zuständigkeit nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. wegen fehlender Weiterleitung geht, nicht auf materiell-rechtlichen Leistungsvorschriften, sondern wird durch die mangelnde Weiterleitung geschaffen. § 14 Abs 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX a.F. schafft nur eine nachrangige Zuständigkeit, die es zulässt, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Rehabilitationsmaßnahmen nach § 104 SGB X vom "eigentlich" zuständigen, in diesem Sinne vorrangigen Rehabilitationsträger erstatten lässt (BSG, Urteil vom 26.6.2007 – B 1 KR 34/06 R; Urteil vom 2.11.2010 – B 1 KR 9/10 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7.3.2017 – L 20 SO 212/16 NZB; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2.3.2012 – L 3 R 982/10). Soweit der zitierten Rechtsprechung Sachverhalte zugrunde lagen, in denen der erstangegangene Träger zunächst in der Annahme seiner Zuständigkeit geleistet hatte und erst nachträglich Zweifel an seiner Zuständigkeit aufkamen, sieht der Senat keinen Anlass, die vorliegende Konstellation, in der die Klägerin die Weiterleitung des Antrags (hier vom 18.6.2009) versäumt hatte und Leistungen deshalb gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. – zunächst bis 31. August 2009 – bewilligte, abweichend zu behandeln. Auch in diesem Fall besteht kein Anlass, einen nachträglichen Ausgleich zwischen den Leistungsträgern auszuschließen. Insbesondere stellt die Leistungserbringung wegen Versäumung der Weiterleitung keine bewusste Missachtung des Weiterleitungsgebotes aus § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX a.F. und daher keinen zielgerichteten Eingriff in fremde Zuständigkeiten dar, der jegliche Erstattung ausschließen soll (vgl. BSG, Urteil vom 26.6.2007, a.a.O.). Nichts anderes gilt für den zweiten Leistungsabschnitt ab dem 1. September 2009. Die Klägerin nahm hier irrtümlich an, als zweitangegangener Träger leistungspflichtig zu sein, war aber bei richtiger Betrachtung (s.o.) auch für den am 3. September 2009 beim Beklagten eingegangenen und an sie am 4. September 2009 weitergeleiteten weiteren Antrag als erstangegangener Träger zu betrachten.

Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs aus § 104 Abs. 1 SGB X sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.

Denn die Klägerin war keine nachrangig verpflichtete Leistungsträgerin, als sie dem Hilfeempfänger Eingliederungshilfeleistungen erbrachte (dazu sogleich unter D.II.5.). Es kann deshalb auch offen bleiben, ob der Ersatz von Aufwendungen für die weiteren, o.g. Leistungen der Sozialhilfe ebenfalls auf § 104 Abs. 1 SGB X gestützt werden könnte, auch soweit es sich bei ihnen nicht um Leistungen der Eingliederungshilfe handelte, oder ob andere Erstattungsvorschriften – denkbar erschienen § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X oder auch § 102 SGB X – heranzuziehen wären. Denn sämtliche genannten Anspruchsgrundlagen würden voraussetzen, dass entweder der Beklagte oder aber der Beigeladene für die Leistungserbringung an den Hilfeempfänger örtlich zuständig war. Dies ist indes nicht der Fall. Die örtliche Zuständigkeit lag vielmehr bei der Klägerin.

5. Die örtliche Zuständigkeit für die in Streit stehenden, an den Hilfeempfänger in der Zeit vom 10. Juli 2009 bis 31. Mai 2017 erbrachten Leistungen richtet sich nach § 98 SGB XII.

Die Vorschrift ist zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten und entspricht im Wesentlichen § 97 BSHG. Nach § 98 Abs. 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird. Nach § 98 Abs. 2 SGB XII ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen.

Maßgeblich ist vorliegend § 98 Abs. 2 SGB XII, der besondere Zuständigkeitsregelungen für stationäre Leistungen enthält. In den Sätzen 1 und 2 wird zum Schutz der Einrichtungsorte auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in die Einrichtung angeknüpft (sog. Herkunftsprinzip). Satz 3 dient hingegen dem Schutz des Hilfesuchenden, indem sichergestellt werden soll, dass in Fällen, in denen sich ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht oder nicht ohne Schwierigkeiten feststellen lässt, ein Sozialhilfeträger zumindest vorläufig eintritt (Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 03/15, § 98 Rn. 42).

a) Bei den von der Klägerin an den Hilfeempfänger erbrachten Leistungen in den Wohnheimen "S2" und "G." des N. e.V. in K. handelt es sich um stationäre Leistungen in einer Einrichtung i.S.v. § 98 Abs. 2 SGB XII.

Nach der Legaldefinition in § 13 Abs. 2 SGB XII dienen stationäre Einrichtungen der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung. Es handelt sich um einen auf eine gewisse Dauer angelegten und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnittenen, in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft (BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 14/12 R –, zu § 97 Abs. 2 BSHG). Ausgehend von der Unterscheidung in § 13 Abs. 1 SGB XII zwischen teilstationären und stationären Einrichtungen sind von § 98 Abs. 2 SGB XII nur vollstationäre Einrichtungen erfasst (Söhngen, in: jurisPK-SGB XII, Stand: 15.12.2017, § 98 Rn. 31), also solche, in denen sich der Hilfeempfänger Tag und Nacht aufhält (Schlette, a.a.O., Rn. 45). Entscheidend abzustellen ist auf die Art der jeweiligen Hilfemaßnahme und das Konzept der in Anspruch genommenen Einrichtung (BSG, Urteil vom 23.7.2015 – B 8 SO 7/14 R). Will die Einrichtung die Führung eines selbständigen Lebens vermitteln, ist die Hilfe dann als stationär anzusehen, wenn der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Gesamtkonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt (Luthe, in: Hauck/Noftz, a.a.O., Stand: 03/2016, § 13 Rn. 17, mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24.2.1994 – 5 C 24/92; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.3.2006 – L 13 AS 4377/05 ER-B). Die Betreuung muss einen Bezug entweder zur Sozialhilfe oder – was ebenfalls genügt – zur Jugendhilfe aufweisen (BSG, a.a.O., sowohl zu § 97 Abs. 4 BSHG als auch zu § 13 Abs. 2 SGB XII).

Dass dies auf die Wohngruppen zutrifft, in denen der Hilfeempfängers im streitigen Zeitraum gelebt hat, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und steht auch zur Überzeugung des Senats angesichts der Selbstdarstellung des S1 e.V. (unter www ...de) sowohl zur Wohngruppe "Haus S2" als auch zum Wohnhaus "G.", in welcher der Hilfeempfänger nach Angaben der Klägerin seit November 2013 untergebracht war, fest. Danach handelt es sich bei dem "Haus S2" um ein Gruppenhaus, in dem Einzelzimmer für die Bewohner und u.a. ein gemeinsamer Wohn- und Essbereich bereitgehalten werden. Das Angebot der Wohngruppe richte sich an männliche Kinder und Jugendliche ab ca. 12 Jahren. Das intellektuelle Niveau reiche von normal begabt bis zu leicht geistig behindert. Die Betreuung finde durch pädagogische Fachkräfte statt. Die Bewohner würden auf eine Rückkehr in die Familie oder auf einen internen Wechsel vorbereitet, entweder hin zu einem Wohnheim für Erwachsene oder zu einem ambulanten betreuten Wohnen. Das Wohnhaus "G." biete insgesamt separate Wohneinheiten mit Zwei- und vier Dreizimmerwohnungen. Den Bewohnern werde ermöglicht, mit Unterstützung von pädagogischen und hauswirtschaftlichen Fachkräften wie in einer eigenen Wohnung zu leben. Jede Wohnung bestehe aus zwei bis drei Zimmern, einer Küche und sanitären Räumen. Es gebe eine Gemeinschaftswaschküche und ein Forum, das als Treffpunkt- und Veranstaltungsraum genutzt werde.

Am Charakter der durchgehend erbrachten Leistungen in einer stationären Einrichtung ändert sich nichts durch die vorliegend tageweise erfolgte Beurlaubung des Hilfeempfängers (vgl. Söhngen, a.a.O., Rn. 32).

Die Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII erstreckt sich auf alle Sozialhilfeleistungen, die in vollstationären Einrichtungen lebende Leistungsberechtigte zur Deckung ihres Bedarfs an Pflege, Behandlung oder an den sonstigen nach dem SGB XII relevanten Bedarfen sowie an Erziehung (vgl. § 13 Abs. 2 SGB XII) erhalten (Söhngen, a.a.O., Rn. 31). Auch für sog. additive teilstationäre Leistungen, wie z. B. Leistungen in einer WfbM und für andere "Zusammenhangskosten" richtet sich deshalb die örtliche Zuständigkeit insgesamt nach § 98 Abs. 2 SGB XII (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.2006 – 5 C 26/06 –, zu § 97 Abs. 2 BSHG). Dies gilt insbesondere auch für die vorliegend begehrten Aufwendungen für die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt. Gemäß § 27b Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfasst der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt. Die "Bewilligung" von Grundsicherungsleistungen enthält deshalb lediglich die Feststellung, dass in der stationären Leistung in der angegebenen Höhe eine normativ bestimmte Grundsicherungsleistung für den Lebensunterhalt als bloßer "Rechenposten" enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 8 SO 11/12 R). In diesem Sinne dürfte auch die von der Klägerin als Teilsumme der gesamten Erstattungsforderung genannte "Grundsicherung/Hilfe zum Lebensunterhalt" zu verstehen sein.

b) Die örtliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe für die vom 10. Juli 2009 bis 31. Mai 2017 erbrachten stationären Leistungen bestimmt sich nicht nach § 98 Abs. 2 Satz 1 oder 2 SGB XII. Denn der Hilfeempfänger hatte seit seiner Einreise am 27. Mai 1999 zu keinem Zeitpunkt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet.

Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sind in erster Linie die objektiven Lebensumstände und ein zeitliches Moment ("nicht nur vorübergehend"). In zweiter Linie muss der Wille hinzukommen, bei vorausschauender Betrachtung zukünftiger Entwicklungen einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen von gewisser Stetigkeit und Regelmäßigkeit, nicht unbedingt jedoch Lückenlosigkeit, an dem fraglichen Ort zu begründen. Zu fordern ist, dass am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liegt. Bei der erforderlichen vorausschauenden Betrachtung liegt ein nur vorübergehender Aufenthalt dann vor, wenn es sich beispielsweise um eine Urlaubsreise, einen Besuch, eine Durchreise oder einen Aufenthalt zur Krankenbehandlung handelt. In solchen Fällen kann auch eine längere Aufenthaltsdauer einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Gesetzes nicht begründen (Urteil des erkennenden Senats vom 13.8.2013 – L 4 SO 29/11).

Nach diesen Maßstäben lag der gewöhnliche Aufenthalt vor der Aufnahme in die Wohngruppe in K. nicht im Bereich des Beklagten. Denn vor dem 5. Mai 2003 war der Hilfeempfänger in stationären Einrichtungen in H., also im Bereich der Klägerin, untergebracht, dies zuletzt – seit 18. März 2003 – in der Einrichtung in der Francoper Straße 49. Der Übertritt in das N erfolgte von dort nahtlos und geplant.

Da es sich vorliegend um eine "Einrichtungskette" handelt, bliebe es – durchgehend nahtlose Übertritte vorausgesetzt – gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII bei der Zuständigkeit des für die erste Einrichtung zuständigen Trägers. Ein gewöhnlicher Aufenthalt kann daher nur im Zuständigkeitsbereich der Klägerin oder aber des Beigeladenen begründet worden sein. Bei Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in H. könnte daher die Klägerin unter den Voraussetzungen des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII zuständig geblieben sein. Sollte der Hilfeempfänger hingegen bereits – im Jahr 1999 – in F. seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben, käme ein Anspruch gegen den Beigeladenen in Betracht. Erst wenn der Hilfeempfänger zu keinem Zeitpunkt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hätte, wäre eine Zuständigkeit nach Maßgabe des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII zu prüfen.

Insoweit gilt hier Folgendes:

Ein gewöhnlicher Aufenthalt in H. ergibt sich noch nicht aus der Aufnahme des Hilfeempfängers in die Einrichtung Francoper Straße am 19. März 2003. Denn nach § 109 SGB XII bzw. der seinerzeit geltenden Vorgängervorschrift § 109 BSHG gilt der Aufenthalt in einer Einrichtung i.S.v. § 98 Abs. 2 SGB XII bzw. § 97 Abs. 2 BSHG nicht als gewöhnlicher Aufenthalt i.S.d. 12. Kapitels und des 13. Kapitels, 2. Abschnitt des SGB XII bzw. i.S.d. Abschnitte 8 und 9 des BSHG. Entsprechendes gilt für die vorangegangenen Aufenthalte im Lokstedter Holt (31.10.2001 bis 18.3.2003), im Kinderhaus in der S. (14.9.2000 bis 30.10.2001) und letztlich auch für die erste Unterkunft in der E. (24.6.1999 bis 13.9.2000). Der Senat stellt fest, dass in sämtlichen Unterkünften in H. stationäre Leistungen in einer Einrichtung i.S.v. § 98 Abs. 2 SGB XII erbracht wurden. Dies ist auch von keinem Beteiligten bestritten worden. Die Übergänge erfolgten durchweg nahtlos und in Umsetzung der Planung durch das Jugendamt der Klägerin.

Der Hilfeempfänger hatte aber auch weder in H. vor Aufnahme in die E. (im Zeitraum vom 20.6.1999 bis 24.6.1999) noch in F. (im Zeitraum von der Einreise am 27.5.1999 bis zur Mitnahme durch seinen Onkel nach H. am 20.6.1999) einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet.

Der viertägige Aufenthalt bei seinem Onkel in H. genügte nicht, um dort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Zwar könnte eine Zukunftsoffenheit in Bezug auf den Aufenthalt in H. vorliegend darin erblickt werden, dass die Rückkehr nach F. ungewiss war, dies vor allem wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen sowie des Umstandes, dass nach Auskunft des Jugendamtes F. "die Verteilung" des Hilfeempfängers nach H. ohnehin in Vorbereitung gewesen sei und ein Umzug nach H. zudem offenbar dem Wunsch des Hilfeempfängers entsprach. Allerdings war der Hilfeempfänger den zuständigen Stellen in F. (Vormund, Betreuer in der dortigen Einrichtung) entzogen worden, derweil das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach §§ 1800, 1631 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch dem (Amts-) Vormund zustand. Ein Minderjähriger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber in der Regel an dem Ort, an dem er seine Erziehung erhält, wobei es bei einer Unterbringung außerhalb der Familie maßgeblich ist, ob sie nur vorübergehend oder auf Dauer erfolgen soll (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.3.2017 – 4 M 36/17; BVerwG, Urteil vom 25.3.2010 – 5 C 12/09). Ein gewöhnlicher Aufenthalt kann hingegen nicht an einem Ort begründet werden, an dem sich ein Minderjähriger gegen bzw. ohne den Willen seines Vormundes aufhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.5.1986 – 5 C 68/84). Für die Zeit zwischen der tatsächlichen Aufnahme des Hilfeempfängers in der E. am 24. Juni 1999 bis zur Vorsprache einer Betreuerin der E. beim Jugendamt der Klägerin am 28. Juni 1999 gilt nichts anderes. Es kommt also nicht darauf an, ob eine hier durch das Jugendamt verfügte rückwirkende Inobhutnahme (am 30.6.1999 mit Rückwirkung zum 24.6.1999) überhaupt zulässig war.

Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Hilfeempfänger – trotz § 109 SGB XII bzw. § 109 BSHG – jedenfalls wegen der Wirkungen des M1 (vom 5.10.1961, BGBl. II 1971, 217 und 1150) nach sechs Monaten Aufenthalt (in der ersten Einrichtung, der E. ) einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte.

Das vom Sozialgericht für seine Ansicht herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1999 (a.a.O.) ist für die vorliegend entscheidende Frage des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 98 Abs. 2 SGB XII unergiebig. § 30 SGB I regelt den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs und gilt, als vor die Klammer gezogene Bestimmung, für alle Bücher des SGB, soweit keine Sondervorschriften einschlägig sind (§ 37 Satz 1 SGB I). Gegenüber § 30 SGB I sind die Regelungen des § 6 SGB VIII vorrangig (Lange, in: jurisPK-SGB VIII, Stand: 03/2017, § 6 Rn. 4). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII können Ausländer Leistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 SGB VIII nur dann beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Eine (von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I abweichende) Definition des gewöhnlichen Aufenthalts enthält § 6 SGB VIII nicht; insoweit ist auf § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückzugreifen (Lange, a.a.O., Rn. 34). Die Anwendbarkeit des Absatzes 2 ist zudem auf die Fälle beschränkt, die nicht unter § 6 Abs. 4 SGB VIII fallen. Nach § 6 Abs. 4 SGB VIII (der lediglich § 30 Abs. 2 SGB I wiederholt, sodass ihm nur deklaratorische Bedeutung zukommt, s. Lange, a.a.O., Rn. 11) bleiben Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Damit werden Minderjährige von der Regelung praktisch nicht erfasst, denn für diese greift eine Reihe von über- bzw. zwischenstaatlichen Abkommen, die ihnen von den einschränkenden Voraussetzungen des Absatzes 2 unabhängige Zugangsmöglichkeiten auch zu Leistungen der Jugendhilfe eröffnen. Eine solche Regelung ist das M1, bei dem es sich um einen multilateralen Vertrag handelt. Das M2 enthält an mehreren Stellen den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts und modifiziert diesen über § 6 Abs. 4 SGB VIII für den Anspruch von Ausländern auf Jugendhilfe (BVerwG, Urteil vom 24.6.1999, a.a.O.). Gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 M2 haben die Behörden des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen zu treffen; dazu gehören auch die Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Art. 1 M2 ist im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Anwendung in allen Vertragsstaaten autonom auszulegen (BVerwG, a.a.O.). Bei Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. M2 kommt es nicht mehr darauf an, ob (auch) die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 SGB VIII erfüllt sind (BVerwG, a.a.O.). Dem BVerwG zufolge ist als rechtliches Kriterium für den gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. Art. 1 M2 auf den Daseinsmittelpunkt und den Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person abzustellen. In zeitlicher Hinsicht gelte zudem die in Literatur und Rechtsprechung allgemein unterstützte "Faustregel" zu Art. 1 M2, wonach der Aufenthalt eines Minderjährigen, wenn er nicht von Anfang an auf Dauer angelegt ist, jedenfalls nach sechs Monaten regelmäßig zum gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne dieser Bestimmung erstarkt (BVerwG, a.a.O.).

Nach dem M2 hätte der Hilfeempfänger demnach in der Tat sechs Monate nach seiner Aufnahme in die E. in H. seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der möglicherweise seinerzeit bestehende ausländerrechtlich ungesicherte Aufenthalt stünde dem nicht entgegen (vgl. BVerwG, a.a.O., wonach eine andere Betrachtung dem Zweck des Abkommens, Kindern und Jugendlichen einen effektiven Schutz zu gewährleisten, entgegenstünde). Das Bundesverwaltungsgericht hat aber hervorgehoben, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. M2 nicht nach dem innerstaatlichen Recht – in Anlehnung an § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I –, sondern aus Sinn und Zweck des Abkommens – dem effektiven Schutz des Minderjährigen – zu ermitteln ist (BVerwG, a.a.O.; so auch Lange, a.a.O., Rn. 54, wonach der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im M2 nicht mit demjenigen des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I identisch, sondern autonom nach der Intention des M2 zu bestimmen sei). Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, dass Art. 1 M2 in den Blick nimmt, ob ein Minderjähriger in einem Vertragsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, jedoch naturgemäß keine Aussage zur streitigen örtlichen Zuständigkeit eines bestimmten Kinder- und Jugendhilfeträgers nach der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung trifft. Zum anderen stehen im vorliegenden Verfahren weder jugendhilferechtliche Ansprüche eines Betroffenen noch die Erstattung entsprechender Leistungen in Streit, sondern es geht um die Frage, wann der Hilfeempfänger einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 98 Abs. 2 SGB XII begründet hat. Für eine einheitliche Auslegung des Begriffes des gewöhnlichen Aufenthalts im SGB VIII einerseits und im SGB XII andererseits besteht auch insoweit keine Notwendigkeit. Die Erstattungsregeln des SGB VIII unterscheiden sich wesentlich von jenen des SGB XII. Im SGB VIII wird der Kostenschutz des örtlichen Trägers, in dessen Bereich sich Einrichtungen oder sonstige Wohnformen befinden, im Wesentlichen über die Erstattungsnorm des § 89e SGB VIII sichergestellt. Soweit die örtliche Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft und dieser in einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform begründet wird, liegt die örtliche Zuständigkeit bei dem örtlichen Träger, in dessen Bereich die Einrichtung oder sonstige Wohnform gelegen ist. Um hier eine überproportionale finanzielle Belastung zu vermeiden, verpflichtet § 89e SGB VIII jenen örtlichen Träger zur Kostenerstattung, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Streichsbier, in: jurisPK-SGB VIII, Stand: 06/2015, § 89e Rn. 1). Das SGB XII hat hingegen den Schutz der Einrichtungsorte durch Regelungen, die die örtliche Zuständigkeit betreffen, sichergestellt. So schließt § 109 SGB XII im Wege der gesetzlichen Fiktion den Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne von § 98 Abs. 2 SGB XII als gewöhnlichen Aufenthalt aus. Der in einer Einrichtung üblicherweise begründete gewöhnliche Aufenthalt wird im Rahmen der Kostenerstattungsvorschriften und der örtlichen Zuständigkeit so behandelt, als sei dies nicht der Fall. Dies zugrunde gelegt, erscheint es aus dem Blickwinkel der Regelungen des SGB XII zum Schutz der Einrichtungsorte systemwidrig, bei der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit wegen des M1 im Rahmen des § 98 Abs. 2 SGB XII entgegen § 109 SGB XII die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einer Einrichtung zuzulassen.

Nach allem hatte der Hilfeempfänger in H. keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Entsprechendes gilt wegen § 109 BSHG für die direkt nach der Einreise über den F. Flughafen am 27. Mai 1999 erfolgte Aufnahme in die dortige Einrichtung.

c) War ein gewöhnlicher Aufenthalt des Hilfeempfängers nicht vorhanden, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die an ihn erbrachten stationären Leistungen nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. In einem solchen Fall hat "der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe" die Leistung vorläufig zu erbringen.

Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII ergänzt die Zuständigkeitsregelungen nach § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII und stellt keine Rechtsgrundverweisung dar; der Träger des tatsächlichen Aufenthalts wird also nicht originär nach § 98 Abs. 1 SGB XII zuständig (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.6.2016 – L 7 SO 3237/12; BVerwG, Urteil vom 6.2.2003 – 5 C 9/02, zu § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG). Infolgedessen findet auch § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach die Zuständigkeit des nach Satz 1 zuständigen örtlichen Trägers bis zur Beendigung der Leistung auch dann fortbesteht, wenn die Leistung außerhalb seines Bereiches erbracht wird, im Rahmen der nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII begründeten örtlichen Zuständigkeit keine Anwendung (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.5.2005 – 2 LB 68/04 und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.1.2015 – L 9 SO 242/12 –, jeweils zu § 98 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in der bis 31.12.2012 geltenden Fassung, nunmehr § 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII; so bereits BVerwG, Urteil vom 27.6.2002 – 5 C 30/01 –, zu § 97 Abs. 1 Satz 2 BSHG, mit Hinweis darauf, dass sich die Formulierung "diese Zuständigkeit", allein auf die Zuständigkeit nach § 97 Absatz 1 Satz 1 BSHG bezieht).

Der tatsächliche Aufenthalt des Hilfeempfängers hat allerdings mehrfach gewechselt. Entscheidend ist demnach, welcher Zeitpunkt für die Zuordnung des tatsächlichen Aufenthalts maßgeblich ist.

Der Senat folgt nicht der Ansicht der Klägerin, dass im vorliegenden Fall bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auf den tatsächlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers im Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII abzustellen ist. Zwar hielt sich der Hilfeempfänger im Zuständigkeitsbereich des Beklagten auf, als er am 18. Juni 2009 Leistungen der Eingliederungshilfe bei der Klägerin beantragte. Allein durch die von der Klägerin anlässlich des Erreichens der Volljährigkeit des Hilfeempfängers vorgenommene "Umstellung" der Leistungsart von der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII auf die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII trat aber keine geänderte Bedarfslage ein, die eine Neubeurteilung der örtlichen Zuständigkeit erforderlich gemacht hätte. Nach Auffassung des erkennenden Senats war bereits die Klägerin für stationäre Leistungen örtlich zuständig geworden und bestand ihre Zuständigkeit auch für die dem Hilfeempfänger seit dem 10. Juli 2009 gewährten Leistungen fort.

Im Einzelnen:

Zuständig ist nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII derjenige Träger, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende zum Zeitpunkt des Eintritts bzw. des Bekanntwerdens der sozialhilferechtlichen Bedarfslage tatsächlich aufhält (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 2.4.2002 – 1 M 17/02; BayLSG, Urteil vom 14.6.2006 – L 11 SO 28/05, mit der Schlussfolgerung, habe vorher kein Bedarf an Sozialhilfe bestanden, so könne sich ein solcher Bedarf auch nicht "fortsetzen"; Schlette, a.a.O., Rn. 76). Dies ist bei bereits erfolgter Aufnahme in die Einrichtung der für die Einrichtung örtlich zuständige Träger (Schlette, a.a.O., Rn. 76, unter Hinweis auf OVG Hamburg, Beschluss vom 26.9.2000 – 4 Bf 49/99). Eine so über § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII begründete örtliche Zuständigkeit des Trägers des tatsächlichen Aufenthaltsortes bleibt bei ununterbrochenem Aufenthalt in einer Einrichtung bzw. einer Einrichtungskette erhalten. Die Aufrechterhaltung der Zuständigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, wobei das Tatbestandsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts durch das Merkmal des tatsächlichen Aufenthalts bei Einsetzen stationärer Leistungen ersetzt wird (OVG Schleswig-Holstein, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.3.2011, a.a.O.). Es ist deshalb der tatsächliche Aufenthalt zum Zeitpunkt des Beginns der Anstaltskette maßgeblich (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., und Urteil vom 16.3.2016 – L 2 SO 67/14). Ein permanenter Leistungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger ist nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, dass Leistungen in der stationären Einrichtung erbracht worden sind, die bei bestehender Bedürftigkeit der Sozialhilfeträger hätte erbringen müssen, wenn nicht ein anderer für diese Leistungen aufgekommen wäre (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.6.2016, a.a.O.).

Hinsichtlich des tatsächlichen Aufenthalts ist zunächst festzuhalten, dass die Einrichtungskette in F., im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, begann. Der Hilfeempfänger hatte dort am 27. Mai 1999 seinen tatsächlichen Aufenthalt und wurde unmittelbar nach Einreise in das Aufnahmeheim der A. aufgenommen. Eine Perpetuierung der örtlichen Zuständigkeit des Beigeladenen scheitert aber – ungeachtet der Frage, welche Leistungen er dem Hilfeempfänger in der Zeit bis zum 20. Juni 1999 erbracht hat – am fehlenden "Übertritt" i.S.v. § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII bzw. § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG von der Einrichtung in F. zur ersten Einrichtung in H., der E ... Ein Übertritt setzt zum einen voraus, dass die anschließende Aufnahme in eine andere stationäre Einrichtung beabsichtigt war und auch realisiert wurde (Urteil des erkennenden Senats vom 18.12.2014 – L 4 SO 29/13), zum anderen muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Verlassen der einen und der Aufnahme in eine andere Einrichtung gegeben sein (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.5.2016 – L 9 SO 78/12). Vorliegend war der Übergang in eine Einrichtung in H. bei Verlassen der Einrichtung in F. indes nicht beabsichtigt. Die Aufnahme des Hilfeempfängers in die E. in H. stellte sich vielmehr als völlig neue Situation dar; die Hilfe durch das Jugendamt der Klägerin geschah nicht in Umsetzung eines geplanten Einrichtungswechsels, sondern als Inobhutnahme wegen des tatsächlichen Aufenthalts in H ... Zudem mangelt es nach Auffassung des Senats wegen der dazwischen liegenden vier Tage auch am engen zeitlichen Zusammenhang.

Es begann demnach durch die Aufnahme des Hilfeempfängers in die E. in H. eine neue Einrichtungskette. Diese ist nachfolgend auch bis zur Beendigung der stationären Leistungen im Mai 2017 nicht mehr unterbrochen worden; vielmehr trat der Hilfeempfänger jeweils nahtlos von einer Einrichtung in die nächste über. Es blieb damit bei der zu Beginn der Einrichtungskette bestehenden örtlichen Zuständigkeit der Klägerin auch für die nachfolgenden Einrichtungen.

Dabei ist es aus Sicht des Senats unmaßgeblich, dass die Klägerin – soweit der nur lückenhaft vorliegenden Jugendhilfeakte überhaupt zu entnehmen – ab Beginn der Anstaltskette in H. nicht Leistungen der Sozialhilfe nach dem BSHG bzw. dem SGB XII, sondern solche der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII bewilligt hat. Denn zum einen ist es nach einhelliger Meinung im Rahmen der Einrichtungskette nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII in seiner direkten Anwendung, also bei vorhandenem gewöhnlichen Aufenthalt vor Eintritt, nicht erforderlich, dass in der ersten Einrichtung überhaupt Leistungen gewährt worden sind; es reicht aus, dass für die aktuelle Einrichtung Sozialhilfebedürftigkeit besteht (BSG, Urteil vom 23.8.2013, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.3.2011, a.a.O.; vgl. auch OVG Thüringen, Urteil vom 27.8.1996 – 2 KO 310/95 –, zu § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.d.F. vom 10.1.1991; Söhngen, a.a.O., Rn. 38; Schlette, a.a.O., Rn. 61, m.w.N.). Zum anderen wird durch die Legaldefinition in § 13 Abs. 2 SGB XII ("oder der Erziehung dienen") deutlich, dass ein Bezug der Einrichtung zur Jugendhilfe genügt (so auch ausdrücklich BSG, a.a.O.).

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 30.3.2011 (a.a.O.) diese Grundsätze der Einrichtungskette nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII bei der entsprechenden Anwendung im Rahmen des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII für nicht anwendbar hält, überzeugt dies jedenfalls im konkreten Fall nicht. Das LSG Baden-Württemberg hat in der genannten Entscheidung aus dem Zweck des Satzes 3, die unverzügliche Bedarfsdeckung durch Begründung einer nur vorläufigen Zuständigkeit sicherzustellen, sowie aus dem Umstand, dass an die körperliche Anwesenheit am Einrichtungsort angeknüpft wird, gefolgert, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit im Rahmen des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII der Zeitpunkt der Antragstellung (auf Sozialhilfeleistungen) sei. Selbst wenn man diese Erwägungen grundsätzlich für überzeugend halten wollte, führte dies vorliegend zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Denn anders als in dem vom LSG Baden-Württemberg entschiedenen Fall, in welchem dem Tatbestand zufolge während des Aufenthaltes in der ersten stationären Einrichtung keinerlei Leistungen gewährt worden waren (weil nämlich der dortige Leistungsberechtigte bis zur Stellung des Antrags auf Eingliederungshilfe von seinen Eltern finanziell unterstützt worden war), hat die Klägerin vorliegend durchgehend von 1999 bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Hilfeempfängers am 9. Juli 2009 stationäre Leistungen der Jugendhilfe bewilligt. Damit bestand aber auch keine Gefahr, dass die Hilfe des zuständigen Trägers zu spät kommen oder etwa der sozialhilferechtliche Bedarf des Hilfeempfängers nicht gedeckt würde. Vielmehr lag nach dem Einsetzen stationärer Leistungen (der Jugendhilfe) die Aufrechterhaltung der einmal begründeten örtlichen Zuständigkeit der Klägerin gerade im wohlverstandenen Interesse des Hilfeempfängers (s. zu dieser Erwägung OVG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Anlass, von den Grundsätzen der Einrichtungskette nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII abzuweichen, besteht daher in dem hier zu entscheidenden Fall nicht.

Dahinstehen kann deshalb, ob der Klägerin nicht ohnehin bereits vor Übertritt des Hilfeempfängers in das "Haus S2" in K. der Bedarf nach Eingliederungshilfe nach dem seinerzeit geltenden BSHG bekannt gewesen war. Immerhin lag ausweislich der in der Jugendhilfeakte enthaltenen Ausführungen des Sachverständigen Schulze-Wilms im Gutachten vom 8. Juli 2009 bereits eine ärztliche Stellungnahme des Universitätsklinikums H.-Eppendorf vom 25. März 2003 vor, in welcher offenbar auch der Verdacht auf eine Intelligenzminderung geäußert worden war.

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da keiner der Beteiligten zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Zwar sind die Träger der Sozialhilfe gem. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X grundsätzlich von Gerichtskosten freigestellt. Dies gilt jedoch gem. § 197a Abs. 3 SGG nicht in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern, wie vorliegend.

F. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

G. Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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