Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 AS 631/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 305/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Überprüfung eines Bescheids betreffend die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. November 2013.
Der 1965 geborene, im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger war im Jahr 2013 als Außenrequisiteur und Ausstatter selbstständig tätig. Hieraus erzielte er Einnahmen in unterschiedlicher Höhe. Mit Bescheid vom 15. Juli 2013 bewilligte ihm der Beklagte vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. November 2013 in Höhe von monatlich 1.150,07 Euro. Hierbei wurde – unter Zugrundelegung der vom Kläger für diesen Zeitraum prognostizierten Einnahmen – kein bedarfsmindernd anzurechnendes Einkommen berücksichtigt. Eine endgültige Entscheidung über die dem Kläger in diesem Zeitraum zustehenden Leistungen ist bislang nicht ergangen.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2014 beantragte der Kläger "rein vorsorglich" die Überprüfung "sämtlicher Bescheide des letzten Jahres, d.h. ab dem 20. Juni 2013" nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ohne diesen Antrag zu begründen. Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15. Juli 2013 ab: Der Bescheid sei nicht zu beanstanden; bei seinem Erlass sei das Recht richtig angewandt und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Hiergegen erhob der Kläger am 25. Juli 2014 Widerspruch, der wiederum nicht begründet und vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich. Der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Januar 2015 zugestellt.
Am 21. Februar 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben. Die Bescheide seien unbestimmt, da nicht erkennbar sei, in welcher Höhe Abzüge in Ansatz gebracht worden seien. Er habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gearbeitet. Ihm hätten die vollen Leistungen für den Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft zugestanden. Die Versicherungspauschale sei nicht berücksichtigt worden. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zu Recht habe der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers abgelehnt. Der Antrag des Klägers sei nicht hinreichend bestimmt und konkret gewesen, um eine inhaltliche Überprüfungspflicht des Beklagten auszulösen. Der Gerichtsbescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, die darauf hinwies, dass er nicht mit der Berufung angefochten werden könne. Er ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. März 2017 zugestellt worden.
Am 7. April 2017 hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht erhoben. Nachdem der Senat darauf hingewiesen hat, dass entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids die Berufung auch ohne Zulassung durch das Gericht zulässig ist, hat der Kläger mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen und zugleich Berufung eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet und ein Berufungsantrag nicht formuliert worden.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 1. März 2018 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In der mündlichen Verhandlung am 10. September 2018, zu der der Kläger nicht persönlich erschienen ist, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen bei ihm bereits am 11. Juni 2018 eingegangenen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Juni 2018 vorgelegt, mit dem über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dazu erklärt, er gehe davon aus, dass das Verfahren infolge der Insolvenzeröffnung gem. § 240 ZPO unterbrochen sei und sehe deshalb von einer Antragstellung ab. Er hat hieran auch nach dem (nicht protokollierten) Hinweis des Senats, dass von einer Unterbrechung des Verfahrens nicht auszugehen sei, festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Eine Entscheidung, die gem. § 153 Abs. 5 SGG durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter zu treffen war, konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung ergehen, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Der Senat war ferner nicht durch eine Unterbrechung des Verfahrens an der Entscheidung des Rechtsstreits gehindert. § 202 SGG i.V.m § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt, dass ein Verfahren, welches die Insolvenzmasse betrifft, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen wird, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen verliert und an seine Stelle der Insolvenzverwalter tritt. Voraussetzung einer Unterbrechung ist jedoch, dass das Verfahren die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 Insolvenzordnung, InsO), d.h. das pfändbare Vermögen des Schuldners betrifft. Hingegen tritt keine Unterbrechung ein, wenn lediglich eine wirtschaftliche Beziehung zur Masse besteht, oder nur unpfändbare Gegenstände (wobei "Gegenstände" auch Forderungen und sonstige Vermögensrechte meint, vgl. Keller, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 9), höchstpersönliche oder nicht vermögensrechtliche Ansprüche betroffen sind (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 240 Rn. 8a).
Das hiesige Verfahren betrifft nicht die Insolvenzmasse in diesem Sinne: Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers rechtmäßig abgelehnt hat. Dabei geht es vorrangig darum, welche Anforderungen an einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen sind und in welchem Ausmaß sich ein Leistungsträger (und später das Gericht) durch unbegründete Anträge zur Überprüfung veranlasst sehen muss. Auch sofern – wofür nichts spricht, dazu s. unten – eine umfassende Überprüfungspflicht des Beklagten bzw. des Gerichts anzunehmen wäre, wäre die Insolvenzmasse hier nicht betroffen: Es geht dann um die Frage, ob der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch gegen den Beklagten auf weitere (vorläufige oder endgültige) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat. § 42 Abs. 4 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung (vom 26.7.2016, BGBl. I 2016, 1824) bestimmt ausdrücklich, dass Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht verpfändet oder gepfändet werden können. Mangels Pfändbarkeit würde ein etwaiger Anspruch des Klägers folglich nicht zur Insolvenzmasse gehören. Soweit der Kläger sich demgegenüber auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2009 (L 8 AL 110/08) beruft, kann er damit nicht durchdringen. Bei dieser Entscheidung, die eine Erstattungsforderung (Rückforderung von Überbrückungsgeld wegen gleichzeitiger Erzielung von Erwerbseinkommen) betraf, spielte § 42 Abs. 4 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung keine Rolle.
II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere nicht wegen Fristversäumnis unzulässig. Der erstinstanzliche Gerichtsbescheid enthielt mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, weshalb nicht die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG zur Anwendung kommt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 151 Rn. 8).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheids vom 15. Juli 2013 zu Recht abgelehnt. Wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung dargelegt hat, war der Beklagte nicht verpflichtet, den Versagungsbescheid einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen.
§ 44 SGB X dient dazu, den Konflikt zwischen der Bindungswirkung eines (rechtswidrigen) Verwaltungsakts einerseits und der materiellen Rechtmäßigkeit (und damit Gerechtigkeit) andererseits zugunsten letzterer zu lösen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Behörde der Konflikt in diesem Sinne überhaupt bekannt ist. Eine allgemeine Pflicht der Behörde, den Verwaltungsakt unter ständiger Kontrolle zu halten oder ohne Anlass regelmäßige Überprüfungen von bestandskräftigen Verwaltungsakten durchzuführen, besteht dabei nicht (vgl. BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 4 AS 22/13 R, Rn. 19 m.w.N. und Urteil vom 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, Rn. 15; Baumeister in: jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, Rn. 133 m.w.N.). Voraussetzung für eine Prüfpflicht ist ein konkreter Anlass für eine derartige Prüfung. Ein Überprüfungsantrag des Betroffenen kann ein solcher Anlass sein, auch hier gilt jedoch, dass nicht jeder Antrag eine umfassende Prüfpflicht auslöst. Vielmehr kann die Behörde einen Überprüfungsantrag mit dem Hinweis auf fehlende neue Gesichtspunkte für die Rechtswidrigkeit ablehnen, wenn der Antragsteller keine entsprechenden Gründe in seinem Antrag vorbringt und der Behörde auch darüber hinaus keine solchen Gründe bekannt werden. Sie ist nicht gezwungen, von sich aus eine vollständige Sachverhalts- oder Rechtsprüfung durchzuführen, wenn dazu objektiv keine Veranlassung gegeben ist (BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 4 AS 22/13 R, Rn. 19; Baumeister a.a.O., Rn. 135).
Der Kläger hatte seinen Überprüfungsantrag bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids nicht begründet und es ist nicht erkennbar, dass dem Beklagten sonstige Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung bekannt waren oder sich hätten aufdrängen müssen. Folglich handelte der Beklagte nach den genannten Maßstäben rechtmäßig, als er den Überprüfungsantrag des Klägers unter Hinweis darauf ablehnte, Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich und der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.
Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger – wenn auch nur ansatzweise und pauschal – im Klageverfahren seinen Überprüfungsantrag näher konkretisiert hat. Denn für die Beurteilung, ob und inwieweit der Antrag eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 4 AS 22/13, Rn. 16 und Urteil vom 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, Rn. 20).
Lediglich am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Kläger zudem auch der Sache nach mit seinem Überprüfungsantrag keinesfalls Erfolg haben könnte: Mit dem Bescheid vom 15. Juli 2013 waren ihm lediglich vorläufig Leistungen bewilligt worden. Da der von dem Bescheid erfasste Bewilligungszeitraum lange abgelaufen ist und keine Zweifel daran bestehen, dass eine endgültige Entscheidung über die dem Kläger in diesem Zeitraum zustehenden Leistungen herbeigeführt werden könnte, kommt der Erlass eines neuen vorläufigen Bescheids nicht mehr in Betracht (vgl. hierzu Sächsisches LSG, Beschluss vom 22.4.2013 – L 3 AS 1310/12 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11). Um eine endgültige Entscheidung über seinen Leistungsanspruch zu erreichen, müsste sich der Kläger aber zunächst mit einem entsprechenden Antrag und unter Vorlage von hinreichenden Unterlagen über seine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum an den Beklagten wenden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Überprüfung eines Bescheids betreffend die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. November 2013.
Der 1965 geborene, im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger war im Jahr 2013 als Außenrequisiteur und Ausstatter selbstständig tätig. Hieraus erzielte er Einnahmen in unterschiedlicher Höhe. Mit Bescheid vom 15. Juli 2013 bewilligte ihm der Beklagte vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 30. November 2013 in Höhe von monatlich 1.150,07 Euro. Hierbei wurde – unter Zugrundelegung der vom Kläger für diesen Zeitraum prognostizierten Einnahmen – kein bedarfsmindernd anzurechnendes Einkommen berücksichtigt. Eine endgültige Entscheidung über die dem Kläger in diesem Zeitraum zustehenden Leistungen ist bislang nicht ergangen.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2014 beantragte der Kläger "rein vorsorglich" die Überprüfung "sämtlicher Bescheide des letzten Jahres, d.h. ab dem 20. Juni 2013" nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ohne diesen Antrag zu begründen. Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15. Juli 2013 ab: Der Bescheid sei nicht zu beanstanden; bei seinem Erlass sei das Recht richtig angewandt und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Hiergegen erhob der Kläger am 25. Juli 2014 Widerspruch, der wiederum nicht begründet und vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich. Der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Januar 2015 zugestellt.
Am 21. Februar 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben. Die Bescheide seien unbestimmt, da nicht erkennbar sei, in welcher Höhe Abzüge in Ansatz gebracht worden seien. Er habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gearbeitet. Ihm hätten die vollen Leistungen für den Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft zugestanden. Die Versicherungspauschale sei nicht berücksichtigt worden. Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zu Recht habe der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers abgelehnt. Der Antrag des Klägers sei nicht hinreichend bestimmt und konkret gewesen, um eine inhaltliche Überprüfungspflicht des Beklagten auszulösen. Der Gerichtsbescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, die darauf hinwies, dass er nicht mit der Berufung angefochten werden könne. Er ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. März 2017 zugestellt worden.
Am 7. April 2017 hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht erhoben. Nachdem der Senat darauf hingewiesen hat, dass entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids die Berufung auch ohne Zulassung durch das Gericht zulässig ist, hat der Kläger mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen und zugleich Berufung eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet und ein Berufungsantrag nicht formuliert worden.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 1. März 2018 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In der mündlichen Verhandlung am 10. September 2018, zu der der Kläger nicht persönlich erschienen ist, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen bei ihm bereits am 11. Juni 2018 eingegangenen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Juni 2018 vorgelegt, mit dem über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dazu erklärt, er gehe davon aus, dass das Verfahren infolge der Insolvenzeröffnung gem. § 240 ZPO unterbrochen sei und sehe deshalb von einer Antragstellung ab. Er hat hieran auch nach dem (nicht protokollierten) Hinweis des Senats, dass von einer Unterbrechung des Verfahrens nicht auszugehen sei, festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Eine Entscheidung, die gem. § 153 Abs. 5 SGG durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter zu treffen war, konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung ergehen, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Der Senat war ferner nicht durch eine Unterbrechung des Verfahrens an der Entscheidung des Rechtsstreits gehindert. § 202 SGG i.V.m § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt, dass ein Verfahren, welches die Insolvenzmasse betrifft, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen wird, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Schuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen verliert und an seine Stelle der Insolvenzverwalter tritt. Voraussetzung einer Unterbrechung ist jedoch, dass das Verfahren die Insolvenzmasse (§§ 35, 36 Insolvenzordnung, InsO), d.h. das pfändbare Vermögen des Schuldners betrifft. Hingegen tritt keine Unterbrechung ein, wenn lediglich eine wirtschaftliche Beziehung zur Masse besteht, oder nur unpfändbare Gegenstände (wobei "Gegenstände" auch Forderungen und sonstige Vermögensrechte meint, vgl. Keller, in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur InsO, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 9), höchstpersönliche oder nicht vermögensrechtliche Ansprüche betroffen sind (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 240 Rn. 8a).
Das hiesige Verfahren betrifft nicht die Insolvenzmasse in diesem Sinne: Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers rechtmäßig abgelehnt hat. Dabei geht es vorrangig darum, welche Anforderungen an einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen sind und in welchem Ausmaß sich ein Leistungsträger (und später das Gericht) durch unbegründete Anträge zur Überprüfung veranlasst sehen muss. Auch sofern – wofür nichts spricht, dazu s. unten – eine umfassende Überprüfungspflicht des Beklagten bzw. des Gerichts anzunehmen wäre, wäre die Insolvenzmasse hier nicht betroffen: Es geht dann um die Frage, ob der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch gegen den Beklagten auf weitere (vorläufige oder endgültige) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat. § 42 Abs. 4 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung (vom 26.7.2016, BGBl. I 2016, 1824) bestimmt ausdrücklich, dass Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht verpfändet oder gepfändet werden können. Mangels Pfändbarkeit würde ein etwaiger Anspruch des Klägers folglich nicht zur Insolvenzmasse gehören. Soweit der Kläger sich demgegenüber auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2009 (L 8 AL 110/08) beruft, kann er damit nicht durchdringen. Bei dieser Entscheidung, die eine Erstattungsforderung (Rückforderung von Überbrückungsgeld wegen gleichzeitiger Erzielung von Erwerbseinkommen) betraf, spielte § 42 Abs. 4 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung keine Rolle.
II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere nicht wegen Fristversäumnis unzulässig. Der erstinstanzliche Gerichtsbescheid enthielt mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, weshalb nicht die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG zur Anwendung kommt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 151 Rn. 8).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheids vom 15. Juli 2013 zu Recht abgelehnt. Wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung dargelegt hat, war der Beklagte nicht verpflichtet, den Versagungsbescheid einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen.
§ 44 SGB X dient dazu, den Konflikt zwischen der Bindungswirkung eines (rechtswidrigen) Verwaltungsakts einerseits und der materiellen Rechtmäßigkeit (und damit Gerechtigkeit) andererseits zugunsten letzterer zu lösen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Behörde der Konflikt in diesem Sinne überhaupt bekannt ist. Eine allgemeine Pflicht der Behörde, den Verwaltungsakt unter ständiger Kontrolle zu halten oder ohne Anlass regelmäßige Überprüfungen von bestandskräftigen Verwaltungsakten durchzuführen, besteht dabei nicht (vgl. BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 4 AS 22/13 R, Rn. 19 m.w.N. und Urteil vom 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, Rn. 15; Baumeister in: jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, Rn. 133 m.w.N.). Voraussetzung für eine Prüfpflicht ist ein konkreter Anlass für eine derartige Prüfung. Ein Überprüfungsantrag des Betroffenen kann ein solcher Anlass sein, auch hier gilt jedoch, dass nicht jeder Antrag eine umfassende Prüfpflicht auslöst. Vielmehr kann die Behörde einen Überprüfungsantrag mit dem Hinweis auf fehlende neue Gesichtspunkte für die Rechtswidrigkeit ablehnen, wenn der Antragsteller keine entsprechenden Gründe in seinem Antrag vorbringt und der Behörde auch darüber hinaus keine solchen Gründe bekannt werden. Sie ist nicht gezwungen, von sich aus eine vollständige Sachverhalts- oder Rechtsprüfung durchzuführen, wenn dazu objektiv keine Veranlassung gegeben ist (BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 4 AS 22/13 R, Rn. 19; Baumeister a.a.O., Rn. 135).
Der Kläger hatte seinen Überprüfungsantrag bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids nicht begründet und es ist nicht erkennbar, dass dem Beklagten sonstige Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung bekannt waren oder sich hätten aufdrängen müssen. Folglich handelte der Beklagte nach den genannten Maßstäben rechtmäßig, als er den Überprüfungsantrag des Klägers unter Hinweis darauf ablehnte, Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich und der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.
Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger – wenn auch nur ansatzweise und pauschal – im Klageverfahren seinen Überprüfungsantrag näher konkretisiert hat. Denn für die Beurteilung, ob und inwieweit der Antrag eine Prüfpflicht des Leistungsträgers auslöst, ist auf die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu diesem Überprüfungsantrag vorgetragenen tatsächlichen und/oder rechtlichen Anhaltspunkte abzustellen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13.2.2014 – B 4 AS 22/13, Rn. 16 und Urteil vom 28.10.2014 – B 14 AS 39/13 R, Rn. 20).
Lediglich am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Kläger zudem auch der Sache nach mit seinem Überprüfungsantrag keinesfalls Erfolg haben könnte: Mit dem Bescheid vom 15. Juli 2013 waren ihm lediglich vorläufig Leistungen bewilligt worden. Da der von dem Bescheid erfasste Bewilligungszeitraum lange abgelaufen ist und keine Zweifel daran bestehen, dass eine endgültige Entscheidung über die dem Kläger in diesem Zeitraum zustehenden Leistungen herbeigeführt werden könnte, kommt der Erlass eines neuen vorläufigen Bescheids nicht mehr in Betracht (vgl. hierzu Sächsisches LSG, Beschluss vom 22.4.2013 – L 3 AS 1310/12 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11). Um eine endgültige Entscheidung über seinen Leistungsanspruch zu erreichen, müsste sich der Kläger aber zunächst mit einem entsprechenden Antrag und unter Vorlage von hinreichenden Unterlagen über seine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum an den Beklagten wenden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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