L 4 SO 34/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 SO 310/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 34/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2017 wie folgt abgeändert: Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 5. Dezember 2011 und 13. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2013 verurteilt, den Kläger von den Kosten der ihm im Zeitraum vom 8. Dezember 2011 bis zum 30. April 2015 vom Beigeladenen erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 55.863,63 Euro freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Freistellung von den Kosten für Leistungen der Eingliederungshilfe, die er im Zeitraum vom 18. Oktober 2011 bis zum 30. April 2015 beim Beigeladenen in Anspruch genommen hat.

Der 1969 geborene Kläger ist seit dem 10. März 2011 anerkannt schwerbehindert mit einem GdB von 50, bei ihm liegt eine psychische/seelische Behinderung mit Suchtabhängigkeit vor. Der Beigeladene ist ein Verein, der im streitgegenständlichen Zeitraum u.a. eine suchtmittelübergreifende Beratungs- und Betreuungsstelle betrieb. Mit ihm bestanden seitens der Beklagten keine Vereinbarungen i.S. der §§ 75 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger, der zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter erhielt, wurde am 10. Dezember 2008 in die Übergangseinrichtung M. stationär aufgenommen. Hierfür bewilligte ihm die Beklagte Leistungen der Eingliederungshilfe für Suchtkranke. Am 29. März 2009 musste er die Einrichtung verlassen und lebte dann zunächst bis Juni 2012 in einer öffentlichen Unterkunft bei fördern und wohnen. Anschließend wohnte er bis zu seiner Inhaftierung im März 2016 in einem möblierten Zimmer in einer WG, das von S., damals einem Projekt des Beigeladenen, vermietet wurde.

Das Jobcenter stellte auf der Grundlage einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit H., der den Kläger als seit dem 17. August 2011 befristet voll erwerbsgemindert angesehen hatte, zum 1. Oktober 2011 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Ein Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung wurde von der Deutschen Rentenversicherung N. mangels Mitwirkung des Klägers abgelehnt. Seit Oktober 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2011, bei der Beklagten eingegangen am 18. Oktober 2011, beantragte der Kläger Leistungen zur Teilhabe und der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets im Umfang von 10 Stunden wöchentlich und wies zugleich darauf hin, dass er sich diese ab Antragsdatum selbst beschaffen werde. In der dazu vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 3. März 2011 der psychiatrischen Tagesklinik des J. teilte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie V. mit, der Kläger werde in der Drogenambulanz A. ärztlich betreut und mit Polamidon substituiert. Er leide an einer schweren und komplexen psychischen Beeinträchtigung auf der Grundlage einer schweren Persönlichkeitsstörung. Dies führe dazu, dass er nicht in der Lage sei, selbstständig den Herausforderungen des Alltags zu genügen. Zur Regelung der alltäglichen Angelegenheiten und des Erhalts bzw. zur Wiederherstellung der Wohnfähigkeit sowie der Reintegration in die Gesellschaft solle ihm eine intensive psychosoziale Betreuung in Form von PPM (= Personenzentrierte Hilfen für psychisch kranke, volljährige Menschen) bei hochfrequenter Unterstützung von 10 Stunden wöchentlich zugestanden werden.

Ab dem 18. Oktober 2011 nahm der Kläger beim Beigeladenen Leistungen im Umfang von durchschnittlich 9 Stunden wöchentlich in Anspruch. Hierfür wurden ihm jeweils monatlich zu Beginn des Folgemonats vom Beigeladenen Rechnungen gestellt. Für die Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzlich eingereichten umfangreichen Unterlagen.

Nachdem eine Stellungnahme des Fachamts Eingliederungshilfe eingeholt worden war, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 die Gewährung von PPM-Maßnahmen ab, da der Antragsteller nicht in einem eigenen Haushalt lebe, sondern in einer öffentlichen Wohnunterkunft untergebracht sei. Da er seinen eigenen Angaben zufolge neben der Substitution mit Polamidon Mittel wie Cannabis, Alkohol, Tavor, Neuroleptika und Benzodiazepine weiterhin konsumiere ("Beikonsum"), bestehe zudem keine Aussicht, dass die Aufgaben der Eingliederungshilfe erfüllt würden können.

Dagegen erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 23. Dezember 2011 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er habe nicht speziell "PPM-Maßnahmen" beantragt, sondern allgemein Leistungen zur Teilhabe und der Eingliederungshilfe. Er benötige aufgrund der multiplen Substanzabhängigkeit und des missbräuchlichen Alkoholkonsums personenzentrierte Hilfe für suchtmittelabhängige Menschen sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Er wünsche Leistungen in Form eines persönlichen Budgets. Seit dem 1. Januar 2008 bestehe gemäß § 159 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ein Rechtsanspruch auf die Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen in dieser Form. Er habe bereits ab Antragstellung entsprechende Hilfen in Anspruch genommen und sei gegenüber dem Leistungserbringer zur Zahlung verpflichtet.

Nachdem der Kläger am 5. Juni 2012 aus der öffentlichen Unterbringung aus- und in eine von einem Projekt des Beigeladenen betriebene Wohngemeinschaft in der Neustädter Straße eingezogen war, beantragte er am 11. Juni 2012 erneut bei der Beklagten, ihm Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets ab dem 1. Juni 2012 zu gewähren.

Nach Rücksprache mit dem Fachamt Eingliederungshilfe lehnte die Beklagte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Juni 2012, einem Mittwoch, ab. Trotz eigener Wohnung könnten die Aufgaben der Eingliederungshilfe aufgrund der bestehenden Suchtproblematik – erheblicher Beikonsum von Suchtmitteln – nicht erfüllt werden. Bei der Eingliederungshilfe handele es sich um eine nachrangige Leistung, zumal für den Kläger im Rahmen der Substitution auch bereits eine psychosoziale Betreuung geleistet werden dürfte. Ggfs. komme hier vor der Inanspruchnahme von Eingliederungshilfeleistungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten nach § 63 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch vorrangig eine Suchttherapie in Betracht. Der Bescheid wurde an den Bevollmächtigten des Klägers versandt.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. Juli 2012, bei der Beklagten in Briefform eingegangen am 19. Juli 2012, einem Donnerstag, erneut Widerspruch. Auf dem Schreiben ist unter der Adresse der Beklagten vermerkt "vorab per Fax: ". Ein Faxeingang findet sich in der Verwaltungsakte der Beklagten nicht, auf dem dort abgehefteten Originalschreiben ist vielmehr unter den Worten "vorab per Fax" handschriftlich vermerkt "liegt hier nicht vor". Zur Begründung des Widerspruchs trug der Bevollmächtigte des Klägers vor, der Bescheid vom 13. Juni 2012 sei ihm am 18. Juni 2012 zugegangen. Im Übrigen wiederholte er die Ausführungen in dem Widerspruchsverfahren betreffend den Bescheid vom 5. Dezember 2011. Ergänzend führte er aus, neben dem Substanzkonsum bestehe beim Kläger eine psychische Erkrankung. Im Rahmen eines Aufenthalts in der Klinik A1 sei eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. Der Verweis auf die Mitwirkungspflicht nach § 63 SGB I in Hinblick auf eine vorherige Suchttherapie sei viel zu pauschal, da solches nur verlangt werden könne, wenn es zumutbar sei. Vor Antritt einer Suchttherapie stünden bei ihm jedoch andere Behandlungs- und Betreuungsbedarfe im Vordergrund, um die für eine erfolgreiche Suchttherapie erforderliche Therapiemotivation und körperliche Stabilität herzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2013 wies die Beklagte die beiden Widersprüche des Klägers zurück. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2011 sei zulässig, aber unbegründet. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Juni 2012 sei bereits unzulässig, da verfristet. Hilfsweise berufe man sich aber auch insoweit auf die Unbegründetheit des Widerspruchs. Die Anträge seien zu Recht abgelehnt worden, der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets. Denn es bestehe kein Anspruch auf Teilhabeleistung, welcher Voraussetzung für den Anspruch auf ein persönliches Budget sei. Die begehrten Leistungen beim Beigeladenen seien vom Kläger trotz Nachfrage durch das Fachamt bisher nicht konkretisiert worden. Es würden ohne genaue Spezifizierung Eingliederungshilfeleistungen nach §§ 53, 57 SGB XII i.V. m. § 17 Nr. 4 SGB IX begehrt. Das Anliegen sei mehrfach vom zuständigen Fachamt Eingliederungshilfe überprüft worden. Dem Kläger könnte jedoch keine Eingliederungshilfeleistungen gewährt werden, da aufgrund des exzessiven Drogenkonsums nicht die Aussicht bestehe, dass die Aufgaben der Eingliederungshilfen erfüllt werden könnten. Der Kläger sei seit 1980 suchtmittelabhängig und betreibe trotz der seit 1993 stattfindenden Substitutionsbehandlung mit Polamidon weiterhin Drogen- und Alkoholmissbrauch. Dies bestätigten die Tagesklinik J. in dem Attest vom 3. März 2011 und auch der aktuelle Bericht des Klinikums N. vom 8. Juni 2012. Vor seinem stationären Aufenthalt im Klinikum N. habe der Kläger mindestens 7 stationäre Aufenthalte zum Drogenentzug durchgeführt, sodass nicht von einer Abstinenzbereitschaft und einer Absprachefähigkeit ausgegangen werden könne. Letztere sei jedoch im Rahmen der Eingliederungshilfe unabdingbar, um das gesetzlich festgelegte Ziel der Eingliederungshilfe zu erreichen. Der Kläger habe sich daher zunächst vorrangig einer entsprechenden Heilbehandlung sowie einer erfolgreichen Drogenentwöhnung/Langzeittherapie zu unterziehen (§ 63 SGB I). Dieses entspreche auch dem Grundsatz der Nachrangigkeit und es handele sich dabei um zumutbar in Anspruch zu nehmende vorrangige Leistungen. Im Übrigen sei der Kläger auch nicht in seiner Teilhabefähigkeit eingeschränkt, da er immer wieder unter Beweis gestellt habe, dass er Einrichtungen aufsuchen und Hilfe einfordern und für sich in Anspruch nehmen könne. Es sei auch geprüft worden, ob dem Kläger die begehrten Leistungen aufgrund seiner seelischen Behinderung gewährt werden können. Dies sei zu Recht mit der Begründung abzulehnen, dass das Teilhabeziel im Hinblick auf den exzessiven Drogen- und Beikonsum sowie der mangelnden Bereitschaft des Klägers und fehlender Absprachefähigkeit nicht erreicht werden könne. Der Kläger stehe im Übrigen nicht ohne Hilfen dar, da er seit Jahren im Rahmen seiner Substitutionsbehandlung eine psychosoziale Betreuung (PSB) erhalte, welche zum Teil auch die Inhalte der Eingliederungshilfeleistungen abdecke. Darüber hinaus bestehe für den Kläger als Suchtkranken ein differenziertes Beratungs- und Behandlungsangebot über weitere durch die Stadt Hamburg finanzierte Anbieter.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 31. Mai 2013 zugestellten Widerspruchbescheid hat der Kläger am 1. Juli 2013, einem Montag, Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben.

Am 6. Mai 2014 hat der Beigeladene den Kläger angeschrieben und ausgeführt: "Sie erhalten von uns seit dem 18.10.2011 Eingliederungshilfeleistungen [ ]. Da das Klagverfahren erfahrungsgemäß erst in 2 – 3 Jahren in erster Instanz verhandelt werden wird, müssten wir weiter in Vorleistung treten. Dies würden wir angesichts Ihres erheblichen Hilfebedarfs ausnahmsweise auch tun, sofern Sie sich verpflichten, das Klagverfahren mit Rechtsanwalt G. aktiv weiter zu betreiben und im Erfolgsfall eine Auszahlung der zu bewilligenden Leistungen – wie vorgehsehen – auf das Anderkonto von Rechtsanwalt G. zu veranlassen, und zudem unwiderruflich erklären, dass die zu bewilligenden Leistungen ausschließlich zum Ausgleich der offenen Rechnungsbeträge für die von uns erbrachten Eingliederungshilfeleistungen verwendet werden dürfen. Es ergibt sich der aus der beigefügten Tabelle ersichtliche Fehlbetrag aus den offenen Rechnungen von derzeit insgesamt EUR 40.016,43". Der Kläger hat hierauf am 9. Mai 2014 geantwortet [sic]: "Ich erkläre mich bereit. Das Anhängige Klageverfahren am Sozialgericht mit Rechtsanwalt Ingmar G. Aktiv weiter zu betreiben. Ich erkläre Unwiederruflich, daß die Gelder, die im Erfolgsfall von der Behörde zu bewilligen sind, außschließlich zur Zahlung der offenen Rechnungen vom S1 e.V. verwendet werden sollen und die Auszahlungen wie vorgesehen unmittelbar auf das Anderkonto von Rechtsanwalt G. erfolgen sollen. Mir ist bekannt, dass momentan schon Rechnungen über rund 40000 EUR offen sind".

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte eine Neubewertung des Leistungsfalles vorgenommen. Mit dem Kläger sind am 1. Oktober 2014 und am 6. Mai 2015 Hilfeplangespräche geführt worden, am 3. März 2015 hat eine ärztliche Untersuchung stattgefunden. In dem Vermerk der Beklagten über das Hilfeplangespräch vom 6. Mai 2015 heißt es: "Aus fachlicher Sicht scheint eine substantielle Veränderung der Suchtthematik nur über einen längeren Aufenthalt in einer auch den psychiatrischen Diagnosen Rechnung tragenden suchtspezifischen EGH-Einrichtung erreichbar zu sein. Da der Klient aus den gen. Gründen aktuell nicht dafür zu gewinnen ist, bietet die Anbindung an S1 e.V. die Möglichkeit der relativen psychischen Stabilisierung auf einem entsprechend niedrigen Niveau, wenn damit auch die Auseinandersetzung mit der Abhängigkeitserkrankung und die Motivationsarbeit für die Annahme von stationären suchtspezifischen Hilfen verbunden wird." Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Vermerk auf Bl. 224 der Prozessakte verwiesen.

Am 9. Juli 2015 hat die Beklagte mit dem Kläger eine Zielvereinbarung geschlossen und ihm Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets im Umfang von 8 Stunden wöchentlich für den Zeitraum vom 6. Mai 2015 bis zum 5. November 2015 bewilligt.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Juni 2012 sei fristgemäß erhoben, nämlich am 18. Juli 2012 per Fax. Er hat hierzu ein Faxprotokoll eingereicht, aus dem erkennbar ist, dass am 18. Juli 2012 um 13:29 Uhr das Widerspruchsschreiben durch den Bevollmächtigten des Klägers an die Faxnummer der Beklagten versandt wurde, dabei wurde unter "Übertr" "OK" vermerkt. Ferner hat der Kläger ausgeführt, ihm stünde für die Zeit ab dem 18. Oktober 2011 ein persönliches Budget bzw. ein Erstattungsanspruch für selbst beschaffte Leistungen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu. Die Stellungnahme des Fachamtes vom 8. Juli 2014 lasse erkennen, dass die Beklagte selbst ihre ursprüngliche Ablehnung als nicht tragfähig erachte. Im Übrigen ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass er während des gesamten Zeitraumes einer psychosozialen Betreuung im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe bedurft habe. Er berufe sich auf einen Beschluss des OVG Hamburg vom 11. April 2008 (4 Bf 83/07.Z), wonach die begleitende psychosoziale Betreuung von Substitutionspatienten zum Kernbereich der Eingliederungshilfe gehöre, also eine besondere Form der Eingliederungshilfe darstelle. Wie aus der vorgelegten Leistungsdokumentation des Beigeladenen ersichtlich, hätten die dort in Anspruch genommenen Betreuungsstunden im Umfang von 10 Stunden wöchentlich u.a. der psychischen Stabilisierung, dem Umgang mit den Anforderungen des Alltags und der Motivation gedient und Hilfen bei der Erledigung der Post und Behördenangelegenheiten sowie die Wahrnehmung von Terminen umfasst. Hierdurch sei sein erheblicher Betreuungsbedarf dokumentiert. Allein in der Stellungnahme der Behörde für Gesundheit vom 6. Mai 2015 seien 17 einzeln benannte Hilfeziele und damit ein überdurchschnittlicher Hilfebedarf beschrieben worden. Die Inanspruchnahme der Leistungen durch den Beigeladenen, welche seinem Wunsch und Wahlrecht entsprochen habe, sowie die Geeignetheit der Hilfeleistung durch diesen Träger dürfte damit nicht in Frage stehen. Seit einem stationären Alkoholentzug im April 2012 sei er "trocken", woraus erkennbar sei, dass er sich im Rahmen des ihm Zumutbaren durchaus darum bemühe, an den Zielen der Eingliederungshilfe mitzuwirken. Zudem verlaufe der Weg aus der Sucht niemals geradlinig, wiederholte Rückfälle seien nicht auf mangelnde Mitwirkung zurückzuführen, sondern Symptom der Erkrankung.

Der Kläger hat ferner stichwortartige Leistungsdokumentationen und Rechnungen des Beigeladenen eingereicht, außerdem eine Stellungnahme der Projektleitung des Beigeladenen vom 28. August 2013. Eingereicht wurde außerdem eine ärztliche Bescheinigung des Herrn V1 von der Ambulanz der A1 Klinik N. (von der der Kläger seine Substitutionstherapie erhielt) vom 4. Juli 2013, in der dieser bestätigt, dass der Kläger aufgrund seiner erheblichen psychischen Beeinträchtigungen auf eine intensive Betreuung beim Beigeladenen angewiesen sei.

Die Beklagte hat demgegenüber erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass dem Kläger für den Zeitraum vor dem 6. Mai 2015 keine Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets zu bewilligen seien, da mit ihm keine Zielvereinbarung für diesen Zeitraum abgeschlossen worden sei. Der Abschluss einer Zielvereinbarung nach der BudgetVO stelle eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Bewilligung eines persönlichen Budgets dar. Eine Leistungsbewilligung, die vor dem Abschluss der Zielvereinbarung liege, sei daher ausgeschlossen. Dem Kläger stehe für den Zeitraum zwischen Antragstellung und dem 5. Mai 2015 auch kein Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen zu. Die Leistung sei nicht zu Unrecht abgelehnt worden, da der Kläger ausdrücklich die Leistung in Form eines persönlichen Budgets beantragt habe, dessen Voraussetzungen aber erst mit dem Abschluss einer Zielvereinbarung vorlägen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass aufgrund der erheblichen Suchterkrankung des Klägers und des vermutlich durchgängigen Alkoholkonsums und anderweitigem Beikonsum von Suchtmitteln auch in der Vergangenheit die Unterstützung durch eine PPM-Leistung nicht möglich bzw. nicht zielführend gewesen sei. Daher könnten die Leistungen des Beigeladenen jetzt nicht im Nachhinein finanziert werden. Der Kläger sei auch zu keinem Zeitpunkt unterversorgt gewesen, da er im gesamten Hamburger Stadtgebiet niedrigschwellige Anbieter im Rahmen der Suchtarbeit habe aufsuchen können. Für die Zeit ab dem 6. Mai habe der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen über den bewilligten Umfang hinaus, insbesondere nicht auf Erhöhung der wöchentlichen Unterstützung auf 10 Stunden. Das zuständige Fachamt habe im Rahmen der Hilfeplangespräche ausführlich zum erforderlichen Leistungsumfang Stellung genommen. Hieran sei festzuhalten.

Zum Mai 2016 sind die Arbeitsverhältnisse der Beratungs- und Betreuungsstelle, die auch die Leistungen an den Kläger erbracht hat, auf einen anderen Träger, nämlich die Alraune gGmbH übergegangen, die die Stelle nunmehr zuwendungsfinanziert durch die Beklagte betreibt. Ein Forderungsübergang ist in diesem Zusammenhang nicht erfolgt. Der Beigeladene existiert als Verein weiterhin und ist auch weiter im Vereinsregister eingetragen (Vereinsregister des Amtsgerichts Hamburg Nr. VR 14677).

Das Sozialgericht hat am 20. September 2016 einen Erörterungstermin durchgeführt. In diesem hat der Bevollmächtigte des Klägers erklärt, der Kläger habe im Zeitraum vom 6. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2015 Leistungen vom Beigeladenen mit Bewilligung durch die Beklagte in Anspruch genommen.

Nachdem die Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts darauf hingewiesen hatte, dass ein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Eingliederungshilfe auch für die Zeit vor dem 6. Mai 2015 durchaus in Betracht komme, haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtete, für die im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. April 2015 vom Kläger beim Beigeladenen in Anspruch genommenen Leistungen im Umfang von 8 Wochenstunden á 35,50 Euro zu zahlen. Die Beklagte ist von dem Vergleich jedoch innerhalb der ihr eingeräumten Rücktrittsfrist zurückgetreten.

Das Sozialgericht hat sodann mit Urteil vom 25. April 2017 – das mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren erging – die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger von den Kosten für die beim Beigeladenen im Zeitraum vom 18. Oktober 2011 bis zum 30. April 2015 in Anspruch genommenen Leistungen der Eingliederungshilfe im Umfang von 10 Wochenstunden gemäß vorliegender Leistungsnachweise und Kostenrechnungen freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die nachträgliche Bewilligung eines Persönlichen Budgets. Für eine selbstbestimmte Organisation der Teilhabeleistungen sei kein Raum mehr, wenn es – wie hier der Fall – ausschließlich um die erfolgte Bedarfsdeckung in der Vergangenheit geht. Unabhängig von der hier fehlenden Zielvereinbarung nach § 4 Budget-VO sei eine solche schon ihrer Natur nach allein zukunftsgerichtet. Daher reduziere sich in solchen Fällen das Interesse des Berechtigten auf Kostenfreistellung und Kostenerstattung, eine rückwirkende Bewilligung eines Persönlichen Budgets scheide aus.

Der Kläger habe jedoch einen Anspruch auf Kostenerstattung für die in Anspruch genommen Teilhabeleistungen. Dieser ergebe sich aus § 15 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB IX. Die Beklagte habe es nämlich zu Unrecht abgelehnt, dem Kläger die gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII, § 55 SGB IX notwendigen Teilhabeleistungen zu erbringen. Unstreitig gehöre der Kläger als psychisch und suchtkranker Mensch zum Personenkreis des § 53 Abs. 1 SGB XII. Er habe daher nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art und Schwere der Behinderung, Aussicht bestehe, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden könne. Ausweislich der vorgelegten Leistungsnachweise sei davon auszugehen, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum beim Beigeladenen entsprechende Hilfen i.S. des § 53 Abs. 1 SGB XII in Anspruch genommen habe. Angesichts der Schwere der Beeinträchtigungen des Klägers sei nicht ersichtlich, dass Leistungen im in Anspruch genommenen Umfang nicht erforderlich gewesen seien oder ihren Zweck im Hinblick auf das Ziel der Eingliederungshilfe verfehlt hätten. Es sei im Übrigen für das Gericht im Hinblick auf die Schwere der Suchterkrankung des Klägers nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass der Betreuungsbedarf des Klägers durch andere, niedrigschwellige Anbieter im Rahmen der Suchthilfe hätte ausreichend gedeckt werden können. Auch soweit von der Beklagten vorgetragen werde, es hätten für den Kläger Alternativen i.S. einer Langzeittherapie bzw. Unterbringung in einer Einrichtung bestanden, lasse sich dies den vorliegenden Akten so nicht entnehmen bzw. fehle es an einem entsprechendem Bedarfsfeststellungsverfahren seitens der Beklagten, welches als Grundlage einer entsprechenden Leistungsgewährung hätte dienen können.

Das Urteil wurde der Beklagten am 4. Mai 2017 zugestellt.

Am 1. Juni 2017 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, das Sozialgericht habe § 15 Abs. 1 SGB IX nicht richtig angewendet. Eine Kostenerstattungspflicht gem. § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bestehe bereits deshalb nicht, weil der Kläger sich die Leistung beschafft habe, ohne eine Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Ferner habe die Beklagte die vom Kläger beantragte Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger habe explizit und ausschließlich Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets beantragt. Allein dies habe die Beklagte auch geprüft und entschieden. Das Persönliche Budget sei eine alternative Art der Leistungserbringung gegenüber einer Eingliederungshilfeleistung nach § 53 SGB XII. Der Kläger habe mit seinen Anträgen deutlich zum Ausdruck gebracht, welche Art der Leistung er in Anspruch nehmen wolle (Persönliches Budget) und welche nicht, nämlich Eingliederungshilfe gem. §§ 53 Abs. 1 SGB XII, 55 SGB IX. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Kläger explizit und ausschließlich Leistungen beim Beigeladenen begehrte, die er nur im Wege eines Persönlichen Budgets überhaupt hätte erhalten können. Als Sachleistung, d.h. ohne die Form eines Persönlichen Budgets, hätte dem Kläger die begehrte Betreuung durch den Beigeladenen zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig gewährt werden können, da mit dem Beigeladenen keine Vereinbarung nach § 75 SGB XII geschlossen worden sei. Somit fehle es schon an einem primären Sachleistungsanspruch, an dessen Stelle der Kostenersatzanspruch treten könnte. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass die Ablehnung der Leistung auch im Übrigen nicht rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzungen für Leistungen in Form des Persönlichen Budgets hätten nicht vorgelegen, denn es habe für den streitgegenständlichen Zeitraum schon an einer Zielvereinbarung gefehlt. Insgesamt seien ambulante Eingliederungshilfemaßnahmen bei dem Kläger nicht zielführend. Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 SGB XII bestehe im Übrigen lediglich ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers; ein Kostenersatzanspruch käme daher überhaupt nur im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null in Betracht, die hier nicht vorgelegen habe. Denn die begehrte Leistung sei für den Kläger nicht geeignet gewesen, als geeignete Alternativen seien eine Langzeittherapie bzw. eine Unterbringung in einer Einrichtung genannt worden. Auch hinsichtlich des Ausmaßes der Leistungserbringung bestehe ein Ermessen, weshalb eine Erstattung in Höhe von 10 Stunden wöchentlich nicht in Betracht komme. Schließlich setze ein Kostenerstattungsanspruch die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche voraus, insbesondere dürften diese nicht verjährt sein. Hinsichtlich der Ansprüche des Beigeladenen gegen den Kläger sei aber von Verjährung auszugehen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen

Der Kläger beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der erstinstanzlichen Tenor dahingehend abgeändert wird, dass die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 5. Dezember 2011 und 13. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2013 verurteilt wird, den Kläger von den Kosten der ihm im Zeitraum vom 18. Oktober 2011 bis zum 30. April 2015 vom Beigeladenen erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 58.772,26 Euro freizustellen.

Der Kläger trägt vor, er habe nach Ablehnung seiner Anträge durch die Beklagte die begehrten Leistungen des Beigeladenen dennoch benötigt. Von der Stellung eines gerichtlichen Eilantrags habe man Abstand genommen. Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 habe der Beigeladene dem Kläger die bis dahin aufgelaufenen Rechnungsbeträge mitgeteilt und ihn aufgefordert, das anhängige Klageverfahren aktiv weiter zu verfolgen und sich zu verpflichten, eingehende Gelder über ein Anderkonto seines Prozessbevollmächtigten an den Beigeladenen weiterzuleiten. Der Kläger habe sich am 9. Mai 2015 hiermit einverstanden erklärt. Der Kläger befinde sich derzeit im Maßregelvollzug, er hoffe auf eine baldige Entlassung. Er habe weiter Kontakt zum Beigeladenen gehalten und hoffe, nach der Entlassung wieder von diesem unterstützt zu werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es für einen Kostenerstattungsanspruch nicht darauf an, ob der Hilfeempfänger einen Anspruch auf die Gewährung einer Sachleistung durch einen bestimmten Leistungserbringer gehabt habe, sondern lediglich darauf, ob der primäre Sachleistungsanspruch überhaupt bestanden habe. Die Beklagte habe über Jahre für rund 40 Hilfeempfänger Eingliederungshilfeleistungen in Form des Persönlichen Budgets erbracht, die dann wiederum Leistungen des Beigeladenen in Anspruch genommen hätten. Sinn des Persönlichen Budgets sei es ja gerade, dass der Hilfeempfänger selbst entscheiden könne, wo er die Leistungen in Anspruch nehme, ohne dass es auf das Vorliegen einer Vereinbarung nach § 75 SGB XII ankomme. Die Beklagte könne sich auch nicht auf ein ihr zukommendes Ermessen berufen. Ein Leistungsberechtigter habe Anspruch auf vollständige und sachgerechte Bedarfsdeckung, insoweit bestehe kein Ermessen. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich jetzt darauf berufe, dass der geltend gemachte Bedarf nicht nachgewiesen sei, obwohl sie selbst die bereits 2011 gebotene zeitnahe Bedarfsfeststellung unterlassen habe. Vor diesem Hintergrund liege die Beweislast für einen geringeren Hilfebedarf bei der Beklagten. Schließlich sei die Berufung auf eine Verjährung der Ansprüche des Beigeladenen gegen den Kläger rechtsmissbräuchlich. Die Leistungsablehnung sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte könne sich vor diesem Hintergrund nicht auf die zeitliche Verzögerung berufen, da sie diese selbst zu vertreten habe. Unabhängig hiervon liege in der Einverständniserklärung des Klägers vom 9. Mai 2014 ein Anerkenntnis, dass gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung neu beginnen lasse.

Am 14. Dezember 2017 hat der Kläger unter der Überschrift "Anerkenntnis der Rechnungsbeträge für Eingliederungshilfe" erklärt: "Ich erkenne weiterhin an, dem Verein S1 e.V: den Gesamtbetrag von 58.772,26 EUR für Eingliederungshilfeleistungen im Zeitraum Oktober 2011 bis April 2015 zu schulden. Eingehende Gelder aus dem Rechtsstreit mit der Freien und Hansestadt Hamburg sollen unmittelbar zur Bezahlung der offenen Forderungen verwendet werden."

Am 30. August 2018 hat der Senat den Rechtsstreit mündlich verhandelt. In der Verhandlung haben die Beteiligten zunächst einen Vergleich geschlossen, in der Folge hat die Beklagte jedoch innerhalb der hierfür eingeräumten Frist ihren Rücktritt vom Vergleich erklärt. Für den Fall des Rücktritts vom Vergleich haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 5. Dezember 2011 und 13. Juni 2012, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2013.

I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist lediglich insoweit begründet, wie das Sozialgericht auch zur Kostenfreistellung hinsichtlich der vor dem 8. Dezember 2011 vom Kläger in Anspruch genommenen Leistungen des Beigeladenen verurteilt hat, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des Bescheids vom 13. Juni 2012 nicht entgegen, dass bereits der Widerspruch gegen diesen Bescheid verfristet gewesen wäre.

Der Bescheid vom 13. Juni 2012 ist dem Bevollmächtigten des Klägers ausweislich seines nicht zu bezweifelnden Vortrags im Widerspruchsschreiben am 18. Juni 2012 zugegangen. Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs lief demnach am 18. Juli 2012 ab, §§ 84 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 2 SGG. Der Widerspruch ist bei der Beklagten erst am 19. Juli 2012 eingegangen. Aus dem vom Bevollmächtigten des Klägers vorgelegten Faxprotokoll/Sendebericht ist jedoch erkennbar, dass das Widerspruchsschreiben am 18. Juli 2012 um 13:29 an die Faxnummer der Beklagten versandt wurde, dabei wurde unter "Übertr" "OK" vermerkt. Anhaltspunkte dafür, dass der Sendebericht manipuliert worden ist, liegen nicht vor. Bei dieser Sachlage ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sein Bevollmächtigter sich auf den OK-Vermerk verlassen durfte und damit die Widerspruchsfrist jedenfalls nicht schuldhaft versäumt hat (vgl. dazu Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 67 Rn. 9i).

2. Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Bescheide vom 5. Dezember 2011 und vom 13. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Mai 2013 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung von den im Zeitraum vom 8. Dezember 2011 bis zum 30. April 2015 für Leistungen des Beigeladenen entstandenen Kosten.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht allerdings einen Anspruch des Klägers auf nachträgliche Gewährung eines Persönlichen Budgets abgelehnt. Insoweit verweist der Senat gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, denen er sich anschließt. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Kostenfreistellung (d.h. auf Übernahme der unbezahlten Kosten in Form eines Schuldbeitritts der Beklagten verbunden mit einem Anspruch auf Befreiung von der Schuld gegenüber dem Beigeladenen, vgl. BSG, Urteil vom 30.6.2016 – B 8 SO 7/15 R).

a. Rechtsgrundlage hierfür ist § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung vom 19. Juni 2001 (a.F.). Danach ist ein Rehabilitationsträger verpflichtet, selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn er eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Zwar spricht die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur von "Erstattung" von Aufwendungen, dennoch erfasst sie auch einen Anspruch auf Freistellung von der Zahlungsverpflichtung (vgl. zur Neufassung der Vorschrift in § 18 SGB IX Ulrich, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 18 SGB IX, Rn. 64 m.w.N.).

b. Ein Kostenerstattungsanspruch ist zunächst nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Anspruch des Beigeladenen gegen den Kläger bereits verjährt und daher zivilrechtlich nicht mehr durchsetzbar wäre. Auf die Frage, wie es sich auswirkt, dass der Eintritt der Verjährung lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht begründet (§ 214 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), und welche Folgen es hat, dass der Kläger sich hierauf nicht berufen möchte (offengelassen von BSG, Urteil vom 30.11.2017 – B 3 KR 11/16 R, Rn. 39), kommt es dabei nicht an. Denn es ist schon keine Verjährung eingetreten.

Hier gilt grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 195 BGB). Das Anerkenntnis, welches in der Erklärung des Klägers vom 14. Dezember 2017 liegt, führt gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dazu, dass für alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährten Forderungen des Beigeladenen (d.h. alle die Forderungen, die ab dem 1. Januar 2014 entstanden sind) die Verjährung zu diesem Zeitpunkt neu begonnen hat. In Bezug auf alle Forderungen des Beigeladenen ist darüber hinaus jedoch von einer Stundung bis zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits auszugehen. Eine Stundungsabrede, die gem. § 205 BGB die Verjährung hemmt, liegt in dem Schreiben des Beigeladenen vom 6. Mai 2014 und der Antwort des Klägers hierauf vom 9. Mai 2014. Zu diesem Zeitpunkt waren die bis dahin entstandenen Forderungen des Beigeladenen noch nicht verjährt (Verjährungsbeginn der frühesten, aus dem Jahr 2011 stammenden Forderungen war der 31. Dezember 2011). In den genannten Schreiben liegt eine Vereinbarung darüber, dass die Fälligkeit der Forderungen des Beigeladenen hinausgeschoben werden soll. Auch wenn explizit nur die erstinstanzliche Verhandlung erwähnt wird, ist lebensnah davon auszugehen, dass eine Stundung der Forderung bis zur abschließenden Klärung des Rechtsstreits über den Freistellungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte gewollt war (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2017 – B 3 KR 11/16 R, Rn. 39). Bezogen auf die zu ihrem Zeitpunkt schon fälligen Ansprüche des Beigeladenen führt diese Stundungsabrede zu einer Hemmung der Verjährung (vgl. Lakkis, jurisPK-BGB, § 205 Rn. 5). Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet (§ 209 BGB), mit der Folge, dass derzeit noch keine Verjährung eingetreten ist. Hinsichtlich der Forderungen des Beigeladenen, die am 9. Mai 2014 noch nicht entstanden bzw. noch nicht fällig waren, führt die Vereinbarung zwischen Kläger und Beigeladenen zu einem Hinausschieben der Fälligkeit und damit des Beginns der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt nach Beendigung des Rechtsstreits.

c. Die Beklagte hat die vom Kläger begehrte Leistung im Sinne des 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu Unrecht abgelehnt, da der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Leistungsanspruch (sog. Primäranspruch) hatte, nämlich auf Leistungen der Eingliederungshilfe gem. § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung vom 23. April 2004 (a.F.). Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den möglichen Leistungen der Eingliederungshilfe gehören die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX a.F. (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

aa. Der Kläger gehörte im hier streitgegenständlichen Zeitraum zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Der Senat hat nach Auswertung aller vorliegenden Unterlagen keinen Zweifel, dass er aufgrund seiner psychischen Erkrankung und der Suchtmittelabhängigkeit wesentlich in seiner Fähigkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt war. Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid noch ausgeführt hatte, es liege keine Einschränkung der Teilhabefähigkeit vor, da der Kläger immer wieder unter Beweis gestellt habe, dass er Einrichtungen aufsuchen und Hilfe einfordern und in Anspruch nehmen könne, hat sie an dieser Argumentation im gerichtlichen Verfahren nicht weiter festgehalten. Sie ist im Übrigen auch nicht tragfähig, da sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in vielerlei Hinsicht auf Unterstützung und Hilfe angewiesen war. Dass er in der Lage war, diese Hilfen einzufordern und in Anspruch zu nehmen, ist kein Hinweis darauf, dass er sie nicht benötigte.

bb. Der Kläger begehrte – und hat in Anspruch genommen – Leistungen der psychosozialen Betreuung. Aus den eingereichten Nachweisen ist ersichtlich, dass tatsächlich ganz überwiegend Gespräche geführt wurden, teilweise aber auch Schriftverkehr übernommen oder Hilfen hierbei erbracht wurden oder Begleitung erfolgte, beispielsweise zum Arzt. Thematisch wurden ganz unterschiedliche Felder abgedeckt, aufgeführt sind u.a.: Tagesstruktur, Alltagsfragen, Konflikttraining, Ernährungsberatung, Existenzsicherung, stützende Gespräche, Umgang mit Behörden, Freizeitgestaltung, Schuldenabbau, soziale Kontakte, Wohnverhältnisse, Substitution und Beikonsum.

Diese Leistungen sind unproblematisch der Eingliederungshilfe zuzuordnen. Zweck der Eingliederungshilfe ist es, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Die möglichen Leistungen sind in § 54 SGB XII aufgeführt, wobei der dortige Katalog nicht abschließend ist ("insbesondere"). Beim Kläger ging es ganz vorrangig um Leistungen der sog. sozialen Rehabilitation, d.h. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne von § 55 SGB IX a.F. Die Zielsetzung dieser Leistungen richtet sich auf die gesamte Alltagsbewältigung. Sie haben die Aufgabe, dem Behinderten den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu fördern.

In dem vom Kläger zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 23. Januar 2007 (5 K 5935/03, bestätigt durch OVG Hamburg, Beschluss vom 11.4.2008 – 4 Bf 83/07.Z) ist ausführlich begründet, dass die psychosoziale Betreuung Drogensubstituierter eine Leistung der Eingliederungshilfe ist: "Ebenfalls ohne Schwierigkeiten der Eingliederungshilfe zuzuordnen sind diejenigen Betreuungsangebote, deren Ziel es ist, Sozialkontakte herzustellen oder auszubauen bzw. die darauf abzielen, die Freizeitgestaltung der Betreuten zu verbessern [ ]. Weniger eindeutig ist demgegenüber die Zuordnung derjenigen Hilfsangebote, die vornehmlich der Stabilisierung und Verbesserung des psychischen und physischen Zustandes der Substituierten dienen sollen. Denn insofern handelt es sich vornehmlich um Maßnahmen, die primär der Bewältigung gegenwärtiger Probleme dienen und weniger im Sinne der Vermittlung grundlegender sozialer Fähigkeiten zukunftsorientiert sind wie es die Eingliederungshilfe voraussetzt. Zu berücksichtigen ist aber, dass eine Wiedereingliederung Suchtkranker naturgemäß verschiedene Phasen durchläuft [ ] und eine berufliche und soziale Rehabilitation im engeren Sinne notwendig eine Verbesserung des psychischen (und physischen) Gesundheitszustandes der von der Sucht Betroffenen, zu der auch ein emotionales Wohlbefinden zählen mag, voraussetzt. Ohne Bekämpfung der die Sucht auslösenden psychischen oder psychosozialen Probleme dürfte das Ziel einer Rückführung der Betroffenen in die Gesellschaft nicht zu verwirklichen sein. Nicht ohne Grund ist das Leistungsspektrum der Eingliederungshilfe offen und der Sozialhilfeträger verpflichtet, Lücken im System der Sozialversicherung zu schließen. Allein entscheidendes Prinzip ist der Bedarfsdeckungsgrundsatz [ ]. Nähme man die Vorphase der eigentlichen Rehabilitation, ohne die eine solche kaum denkbar ist, aus dem Leistungsumfang der Eingliederungshilfe heraus, bliebe eine große Gruppe Suchtkranker gänzlich ohne Hilfe. Obdachlosigkeit, Verwahrlosung und ein (weiteres) Abgleiten in die Kriminalität wären mögliche Folgen [ ]."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Im Vermerk über das Hilfeplangespräch vom 6. Mai 2015 ist im Übrigen auch die Beklagte dem gefolgt, denn dort heißt es: "Eingliederungshilfebedarf besteht zur u.a. Fortführung der Substitutionsbehandlung, zur Motivierung für eine Entgiftung, zur Vermeidung von Beikonsum, zur Verbesserung der Abstinenzfähigkeit (Beikonsum), zur Motivierung für die Annahme suchtspezifischer stationärer Hilfen der EGH und gegebenenfalls der medizinischen Rehabilitation, zur Motivierung für die Anbindung an das ambulante Suchthilfesystem (Beratungsstelle, Selbsthilfegruppe), zum besseren Verständnis/Umgang mit dem Gesamtkrankheitsbild, zur Gewährleistung der verordneten Medikamenteneinnahme, zur Sicherstellung notwendiger Facharztbesuche, zur Verbesserung des Selbstwertes, zur Erweiterung sozialer Kompetenzen, zur Entwicklung alternativer Konfliktlösungsstrategien, zum Erlernen von i.w.S. haushälterischen Fähigkeiten, zur Entwicklung einer realistischen Wohnperspektive, zur Pflege des Kontaktes mit dem Bruder [ ], zur Klärung der Beziehung mit dem mittlerweile erwachsenen Sohn, zum Aufbau eines Freundes/Bekanntenkreises außerhalb der Suchtszene."

cc. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, ein Primäranspruch sei hier schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger mit seinen beiden Anträgen explizit und ausschließlich Eingliederungshilfe in Form des Persönlichen Budgets beantragt habe und ein solches nachträglich nicht gewährt werden könne, kann dem nicht gefolgt werden.

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass ein Abstellen allein auf die Leistung "Persönliches Budget" nicht in Betracht kommt. Das persönliche Budget ist nur eine besondere Form der Leistungsgewährung und keine eigene Leistungsart (wie hier: LSG NRW 22.6.2017 – L 9 SO 474/12 Rn. 98 und auch die Beklagte selbst in Ziffer 4 ihrer am 1.9.2012 in Kraft getretenen Arbeitshilfe zu § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 3 und 6 SGB IX – Personenbezogene Leistungen für psychisch kranke/seelisch behinderte Menschen (PPM); differenzierend BSG 11.5.2011 – B 5 R 54/10 R, Rn. 33). Ein persönliches Budget kann nur bewillig werden, wenn Anspruch auf eine Leistung der Eingliederungshilfe besteht, die auch ohne das Budget zu gewähren wäre. Schon deshalb hat der Sozialhilfeträger stets zu prüfen, welche Leistung in Anspruch genommen werden kann. Daneben war die Beklagte gehalten, den Bedarf des Klägers unter allen möglichen Gesichtspunkten zu prüfen und nicht nur in Bezug auf die explizit benannte Leistungsform. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte insoweit auf § 18 SGB XII, wonach die Sozialhilfe einsetze, sobald dem Träger das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen bekannt werde. Entscheidend für das Bekanntwerden und damit das Einsetzen der Sozialhilfe ist, dass die Beklagte um den Hilfebedarf des Klägers wusste – von dem sie hier durch seine Anträge Kenntnis erlangte –, welche Art der Leistungen der Kläger begehrte, ist dabei nicht entscheidend. Denn Leistungen der Sozialhilfe sind – sofern gesetzlich nichts anderes geregelt ist, was für die Eingliederungshilfe nicht der Fall ist – gerade nicht von einem Antrag abhängig.

Im Übrigen hätte der Kläger – die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorausgesetzt – im streitgegenständlichen Zeitraum durchaus einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen in der Form eines Persönlichen Budgets gehabt. In der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung räumte zwar § 57 (wie auch § 17 Abs. 2 SGB IX) seinem Wortlaut nach ("können") dem Leistungsträgers noch ein Ermessen ein, dennoch ergab sich aus der Regelung des § 159 Abs. 5 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bei Vorliegen eines Antrags ein Rechtsanspruch des Leistungsberechtigten. Angesichts dessen kann sich die Beklagte im Rahmen des Kostenfreistellungsanspruchs auch nicht darauf berufen, ein Anspruch auf Leistungen in der Form eines Persönlichen Budgets scheitere am Fehlen einer Zielvereinbarung, denn bei rechtmäßiger Bescheidung des klägerischen Antrags wäre eine solche abzuschließen gewesen.

dd. Die Beklagte kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger hätte vorrangig andere Leistungen in Anspruch nehmen müssen, wobei Vorrang sowohl eine stationäre Suchttherapie hätte als auch die Hilfen, die der Kläger im Rahmen der Substitutionstherapie erhalte.

Bezüglich der Suchttherapie geht es dabei nicht eigentlich um ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis. Um ein solches kann es sich nur dann handeln, wenn es um die Deckung derselben Bedarfe geht. Davon kann aber im Verhältnis einer stationären Suchttherapie zur Eingliederungshilfe in Form der psychosozialen Betreuung nicht die Rede sein. Entscheidend ist vielmehr, ob der Kläger im Rahmen seiner Selbsthilfe- und Mitwirkungsobliegenheiten gehalten ist, zunächst im Wege einer Suchttherapie seinen Beikonsum zu beenden. Unabhängig von der Frage, wieweit die Mitwirkungspflichten in Hinblick auf eine solche Suchttherapie reichen, ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger gar nicht in der Lage ist bzw. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in der Lage war, eine stationäre Suchttherapie in dem Sinne erfolgreich zu absolvieren. Der anhaltende Beikonsum und die Schwierigkeiten beim Angehen dieses Problems sind danach gerade Teil der Erkrankung des Klägers. Dies hat im Übrigen auch die Beklagte selbst erkannt: In ihrem Vermerk zum Hilfeplangespräch vom 6. Mai 2015 kommt zum Ausdruck, dass eine stationäre Therapie für den Kläger wenig erfolgversprechend erscheine (Tendenz zum Rückzug innerhalb einer stationären Einrichtung, Schwierigkeiten mit der Hausordnung und dem Setting/den Grenzen innerhalb einer Einrichtung). In der 2015 geschlossenen Zielvereinbarung sind als Ziele aufgenommen die Beikonsumentgiftung, die Verbesserung der Abstinenzfähigkeit (Beikonsum) und die Abklärung stationärer suchtspezifischer Hilfen. Auch dies macht deutlich, dass selbst nach Auffassung der Beklagten hier die Eingliederungshilfe vorrangig in dem Sinne war, dass beim Kläger erst die Fähigkeit und Bereitschaft zum Verzicht auf Beikonsum erarbeitet werden muss.

Hinsichtlich der Unterstützung, die der Kläger schon im Rahmen der Substitution erhalten hat bzw. hätte erhalten können, könnte diese nur dann als "vorrangig" gegenüber der Eingliederungshilfe angesehen werden, wenn seine Bedarfe hierdurch ausreichend hätten gedeckt werden können, sodass daneben eine Betreuung durch den Beigeladenen nicht erforderlich gewesen wäre. Angesichts des hohen Unterstützungsbedarfs, wie er vom J. und von Herrn V1 aus der Ambulanz der A1 Klinik N. bescheinigt wurde und später auch in den Hilfeplangesprächen, die zur Leistungsgewährung ab Mai 2015 führten, festgestellt wurde, ist der Senat davon überzeugt, dass die Hilfen im Rahmen der Substitutionsbehandlung zur Deckung des klägerischen Bedarfs nicht ausreichten und somit ergänzende Eingliederungshilfe erforderlich war.

ee. Die dem Kläger erbrachten Leistungen waren zur Überzeugung des Senats auch geeignet und erforderlich, um die Aufgaben und Ziele der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Aus den vorliegenden Unterlagen, nicht zuletzt aus dem Vermerk über das Hilfeplangespräch vom 6. Mai 2015 geht hervor, dass der Kläger umfangreichen Unterstützungsbedarf hatte. In diesem Vermerk geht die Beklagte selbst davon aus, dass wegen der aktuell nicht realisierbaren stationären Behandlung "die Anbindung an S1 e.V. die Möglichkeit der relativen psychischen Stabilisierung auf einem entsprechend niedrigen Niveau" biete.

Dass sich die Situation des Klägers im Jahr 2015 im Vergleich zum hier streitgegenständlichen Zeitraum relevant geändert hätte, ist weder erkennbar noch von der Beklagten vorgetragen worden. Angesicht dessen kann der Senat nicht nachvollziehen, warum sich die Beklagte nunmehr erneut darauf beruft, aufgrund der bestehenden Suchtproblematik, insbesondere des Beikonsums diverser Suchtmittel, könnten die Aufgaben der Eingliederungshilfe nicht erfüllt werden. Insoweit verkennt sie, dass Eingliederungshilfe nicht nur dann zu gewähren ist, wenn mit ihrer Hilfe der behinderte Mensch vollumfänglich ("normal") am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII wird Eingliederungshilfe als Rechtsanspruch zwar nur gewährt, wenn und solange die Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Eingliederungshilfe ist insofern also durchaus erfolgsbezogen. Erfolgsbezogenheit darf jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass eine Leistung nur gewährt wird, wenn der behinderte Mensch durch die eingeleitete Maßnahme völlig selbstbestimmt leben kann. Zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe gehört es nämlich auch (§ 53 Abs. 3 SGB XII), die Behinderung bzw. ihre Folgen zu mildern und die behinderten Menschen so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Deshalb schließt z.B. auch ein weiterhin bestehender erheblicher Pflegebedarf einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nicht aus (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.8.2005 – L 8 B 2/05 SO ER). Jede Milderung der Behinderung bzw. ihrer Folgen für die Teilhabefähigkeit reicht aus, insbesondere auch eine Besserung des seelischen Zustands (vgl. LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.). Erst wenn keine der in § 53 Abs. 3 genannten Aufgaben erreicht werden kann, scheidet die Gewährung von Eingliederungshilfe aus.

Der Senat hat keinerlei Zweifel daran, dass die dem Kläger erbrachten Leistungen geeignet und erforderlich waren, um die Auswirkungen seiner Behinderung zu mildern und einen gänzlichen Rückzug aus dem sozialen Leben bzw. eine vollständige Verwahrlosung zu verhindern.

ff. Ebenfalls steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Leistungen in dem Umfang, in dem sie vom Kläger in Anspruch genommen wurden – im Durchschnitt neun Stunden pro Woche – auch erforderlich waren. Aus der Leistungsdokumentation des Beigeladenen ergibt sich, welche Art von Leistung (Gespräch, Unterstützung, Begleitung) zu welchem Zweck (z.B. Behördengänge, Kontakt mit Familie) erbracht wurde. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass hier über den tatsächlichen Bedarf des Klägers hinaus Leistungen in Anspruch genommen wurden. Herr V. vom J. hatte im März 2011 einen Bedarf von 10 Stunden wöchentlich bescheinigt. Eine Bedarfsermittlung seitens des Beklagten hat erst später, nämlich im Jahr 2015, stattgefunden. Diese hat zudem einen von den tatsächlich erbrachten neun Stunden wöchentlich nicht wesentlich abweichenden Betreuungsbedarf von acht Stunden wöchentlich ergeben.

d. Dem Kostenfreistellunganspruch steht vorliegend nicht entgegen, dass der Sozialhilfeträger bei der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe hinsichtlich des "Wie" der Leistung ein Ermessen hat. Ein Freistellungsanspruch bei selbstbeschafften Ermessensleistungen erfordert zwar grundsätzlich eine Ermessensreduzierung auf Null. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sich der Leistungsträger – wie hier geschehen – pflichtwidrig darauf beschränkt, eine Leistung unter Verkennung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung abzulehnen, ohne dabei aufzuzeigen, welche anderen Leistungen gewährt werden können oder wie eine erfolgreiche Teilhabe erreicht werden kann (vgl. Ulrich, a.a.O., § 18 Rn. 51). In diesem Fall kann der Leistungsträger sich nicht auf einen bestehenden Ermessensspielraum berufen.

e. Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg geltend machen, eine Freistellung der Kosten für beim Beigeladenen in Anspruch genommene Leistungen scheitere daran, dass zwischen ihr und dem Beigeladenen im streitgegenständlichen Zeitraum keine Vereinbarung nach § 75 SGB XII geschlossen worden war. Unabhängig von der Frage, wie weit § 75 SGB XII, der die Leistungserbringung durch den Sozialhilfeträger regelt, auf den Erstattungsanspruch bei selbstbeschafften Leistungen grundsätzlich Anwendung findet, steht das Fehlen einer Vereinbarung jedenfalls vorliegend einem Anspruch nicht entgegen. Die vom Kläger begehrte Leistungsform des persönlichen Budgets soll gerade auch die Inanspruchnahme von Leistungen durch Träger ermöglichen, mit denen keine Vereinbarung nach § 75 SGB XII besteht. Diese Möglichkeit muss auch im Rahmen des Kostenfreistellungsanspruchs berücksichtigt werden.

f. Ein Kostenfreistellungsanspruch besteht jedoch erst für die im Zeitraum ab dem 8. Dezember 2011 erbrachten Leistungen. An diesem Tag ist dem Kläger – unter Berücksichtigung des § 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) – der Ablehnungsbescheid vom 5. Dezember 2011 bekanntgegeben worden. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX a.F. setzt grundsätzlich einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Leistungsberechtigten voraus (vgl. Götze, in: Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 12/2012, § 15 Rn. 14). Dieser ist nur gegeben, wenn der Betroffene sich vor der Inanspruchnahme an den Träger gewandt und dessen Entscheidung abgewartet hat (Ulrich, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 18 Rn. 59). Vorliegend bestehen keine Zweifel, dass dem Kläger ein Abwarten der Entscheidung der Beklagten zuzumuten gewesen wäre, ferner hat die Beklagte auch binnen angemessener Frist entschieden. Da jede vom Beigeladenen erbrachte Betreuungsleistung als selbständiger von den übrigen abtrennbarer Teil anzusehen ist, ist ein Freistellungsanspruch jedoch nur hinsichtlich der in der Zeit bis zur Entscheidung der Beklagten entstandenen Kosten abzulehnen; die Kosten für die ab Bekanntgabe der Entscheidung in Anspruch genommenen Leistungen lassen sich hingegen kausal auf die Ablehnung zurückführen (vgl. zur Abtrennbarkeit und zur anteiligen Kostenerstattung Ulrich, a.a.O. Rn. 61).

g. Der Höhe nach umfasst der Freistellungsanspruch hier die Kosten, die dem Kläger für die in dem Zeitraum, für den der Anspruch besteht (d.h. vom 8. Dezember 2011 bis zum 30. April 2015), erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt wurden.

Der Umfang des Anspruchs nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist nicht auf denjenigen Betrag begrenzt, den der zuständige Reha-Träger für die Erbringung derselben erforderlichen Leistung hätte aufwenden müssen. Vielmehr sind die Kosten in der Höhe zu erstatten, wie sie aus der Sicht des Leistungsberechtigten nach den für ihn bestehenden Handlungsalternativen als wirtschaftlich anzusehen sind (vgl. Ulrich, jurisPK-SGB IX, § 18 SGB IX, Rn. 67). Dass die Kosten, die der Beigeladene dem Kläger für eine von ihm geleistete Betreuungsstunde in Rechnung gestellt hat, mit 35,50 Euro nicht wirtschaftlich wären, ist nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden. Dieser Betrag entspricht dem Stundensatz, der für das dem Kläger ab Mai 2015 durch die Beklagte gewährte Persönliche Budget zugrunde gelegt wurde. Aus den vorgelegten Rechnungen ergibt sich, dass der Beigeladene dem Kläger für die im Zeitraum vom 8. Dezember 2011 bis zum 30. April 2015 erbrachten Leistungen insgesamt 55.863,63 Euro in Rechnung gestellt hat.

3. Hinsichtlich des Kostenfreistellungsanspruchs für den Zeitraum vom 8. Dezember 2011 bis zum 30. April 2015 war die Berufung aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen. Allerdings war auch diesbezüglich der Tenor des erstinstanzlichen Urteils abzuändern. Zu Unrecht hat das Sozialgericht nämlich lediglich ein Grundurteil erlassen (zur Unzulässigkeit eines Grundurteils bei einer Klage auf Kostenfreistellung BSG, Urteil vom 23.8.2013 – B 8 SO 10/12 R und Urteil vom 30.6.2016 – B 8 SO 7/15 R). Der Anspruch des Klägers war daher zu beziffern.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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