Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 21/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 19/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 2018 abgeändert. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit sind die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld und der daran anknüpfende Erstattungsanspruch.
Der 1974 geborene Kläger war seit April 2008 bei der M. GmbH & Co. KG, einem Personaldienstleistungsunternehmen, im Umfang von 21 bis 25, zuletzt 24 Stunden wöchentlich in der Metallbearbeitung beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 31. Dezember 2012. Darüber hinaus bestand seit März 2008 ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft bei einem Unternehmen der Gastro-Kette S. bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden. Schließlich war der Kläger vom 1. Juli 2011 bis 28. Februar 2013 als Raumpfleger mit einer vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 12 Stunden wöchentlich bei dem Unternehmen G. Gebäudeservice beschäftigt, wobei in einer Kette befristeter Verträge der letzte vom 28. Dezember 2012 das Arbeitsverhältnis über den 29. Dezember 2012 hinaus (Verlängerungsabrede vom 13. Juni 2012) bis zum 28. Februar 2013 verlängerte.
Am 29. November 2012 meldete der Kläger sich bei der Beklagten persönlich gleichzeitig arbeitsuchend und arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 1. Januar 2013. In seinem am 14. Januar 2013 unterschriebenen und am Folgetag von der Beklagten angenommenen Antrag gab er als einzige Nebenbeschäftigung diejenige für das Unternehmen S. an. Auch nach Abschluss der letzten Verlängerungsabrede mit dem Unternehmen G. am 28. Dezember 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten keinerlei Angaben zu diesem Beschäftigungsverhältnis.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2013 bewilligte die Beklagte ihm Arbeitslosengeld für 360 Tage beginnend am 1. Januar 2013 in Höhe von 15,10 Euro täglich / 453,00 Euro monatlich.
Ab 1. Februar 2013 bezog der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern von dem Beigeladenen aufgrund des Antrags vom 24. Januar 2013 aufstockend Arbeitslosengeld II (Bescheide vom 14. Februar 2013, 21. März 2013, 22. April 2013, 21. Mai 2013), wobei er auch hier bei der Antragstellung lediglich die Nebenbeschäftigung beim Unternehmen S. angab und ohne weiteren Kommentar die bis zum 29. Dezember 2012 laufende Verlängerungsabrede mit dem Unternehmen G. vorlegte.
Durch eine Überschneidungsmitteilung vom 23. März 2013 erfuhr die Beklagte von der bis Ende Februar 2013 bestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers beim Unternehmen G., der Beigeladene aufgrund eines Datenabgleichs vom 11. Juni 2013.
Während der Beigeladene nach Anhörung des Klägers die Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der von dem Unternehmen G. für die Monate Januar und Februar 2013 gezahlten Entgelte mit Bescheiden vom 30. Juli 2013 teilweise zurücknahm und die danach überzahlten Beträge erstattet verlangte, hob die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Februar 2013 zunächst nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung auf, dass der Kläger in diesem Zeitraum wegen der zwei parallel ausgeübten Nebentätigkeiten mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt und daher nicht arbeitslos im Sinne des § 138 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gewesen sei. Des Weiteren verlangte sie das danach überzahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 906,00 Euro nach § 50 SGB X erstattet.
Der Kläger legte hiergegen unter dem 5. November 2014 Widerspruch ein und trug vor, dass er keine unrechtmäßigen Leistungen erhalten habe. Als Aufstocker habe er seine Nebentätigkeiten bei dem Beigeladenen angezeigt, der sein Nebeneinkommen und dasjenige seiner Ehefrau stets angerechnet habe. Er habe bei dem Beigeladenen auch gefragt, ob er die Nebentätigkeiten bei der Beklagten melden müsse, und die Auskunft erhalten, dies sei nicht erforderlich, weil der Nebenverdienst auf die Leistungen des Beigeladenen angerechnet werde. Da die Anrechnung tatsächlich erfolgt sei, sei er davon ausgegangen, dass alles korrekt sei. Er könne auch nicht verstehen, weshalb der informierte Beigeladene die Beklagte nicht informiert und ihn darüber hinaus von einer Meldung abgehalten habe. Da nun schon mehr als ein Jahr vergangen sei, sei für ihn eine Korrektur über § 44 SGB X bei dem Beigeladenen nicht mehr möglich. Bereichert sei insofern der Beigeladene. Er rege einen Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen an, weil die Beklagte als unzuständiger Leistungsträger geleistet habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 unter Hinweis darauf zurück, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 nicht nach § 48 SGB X aufgehoben, sondern nach § 45 SGB X zurückgenommen werde. Der Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2013 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil der Kläger unter Zusammenrechnung der versicherungspflichtigen Beschäftigungen einerseits für das Unternehmen S. und andererseits für das Unternehmen G. solche im Umfang von 26 und damit mehr als 15 Stunden wöchentlich ausgeübt habe und deshalb nicht arbeitslos gewesen sei, sodass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe einerseits die versicherungspflichtige Tätigkeit bei dem Unternehmen G. in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld nicht angegeben und hätte andererseits wissen müssen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Ausübung der Beschäftigungen nicht vorgelegen hätten, da er mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt gewesen sei. Das Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger mit seiner Unterschrift im Antragsformular bestätigt habe, enthalte verständliche Hinweise zu den Anspruchsvoraussetzungen und Mitteilungspflichten. Im Merkblatt werde auch ausgeführt, dass Arbeitslose ausschließlich selbst zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet seien und sie sich nicht auf die Zusage anderer verlassen dürften. Dem Kläger sei mithin grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Verletzung von Mitteilungspflichten (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) und die Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosengeld (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) vorzuwerfen. Deshalb habe die Entscheidung vom 21. Januar 2013 über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 nach § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ganz zurückgenommen werden müssen. § 50 Abs. 1 SGB X bestimme in diesem Falle, dass die bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 906,00 Euro zu erstatten seien.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Januar 2015 beim Sozialgericht Hamburg Klage erhoben und ausgeführt, dass es sich um einen atypischen Fall handle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass rückwirkende Aufhebungen unzulässig seien, wenn zustehende Leistungen nachträglich nicht mehr erhalten werden könnten. Im Übrigen habe er für das Unternehmen G. im Januar und Februar 2013 nicht mehr gearbeitet, sondern nur Urlaubsgeld erhalten. So habe er das auch gegenüber der Beklagten und dem Beigeladenen angezeigt.
Das Sozialgericht hat nach Durchführung eines dann vertagten Termins zur mündlichen Verhandlung über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten am 21. Februar 2018 ohne mündliche Verhandlung durch mit Beschluss vom 10. Juli 2018 berichtigtes Urteil entschieden und ihr teilweise insoweit stattgegeben, als der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 hinsichtlich der Erstattungsforderung von 906,00 Euro aufgehoben worden sind. Insoweit seien die Bescheide rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten aus § 50 SGB X. Dieser sei nämlich teleologisch auf die Fälle zu reduzieren, in denen es aufgrund der aufgehobenen Leistung zu einem unrechtmäßigen Vermögensvorteil gekommen sei. Denn es gehe um die Herstellung rechtmäßiger Ergebnisse und nicht um eine Sanktionierung. Der Kläger sei aber überhaupt nicht bereichert, weil der von der Beklagten zu Unrecht geleistete Betrag in voller Höhe von dem Beigeladenen auf die Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) angerechnet worden sei. Deshalb sei die Rückabwicklung vorrangig nach den Vorschriften über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander vorzunehmen. Einschlägig sei hier der § 103 SGB X, weil durch die angefochtenen Bescheide der aufgrund der zuvor erfolgten Bewilligung bestehende Anspruch auf Arbeitslosengeld nachträglich für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 zu Recht beseitigt worden sei, der Beigeladene von Anfang an von der ursprünglichen Bewilligung gewusst und deshalb in Höhe dieser Bewilligung nicht geleistet habe. Die Beklagte habe, wie sich im Nachhinein herausgestellt habe, als unzuständiger Leistungsträger anstelle des zuständigen Beigeladenen geleistet. Die Aufhebung des Arbeitslosengeldes sei nicht zu beanstanden, weil der Kläger tatsächlich in diesem Zeitraum nicht arbeitslos gewesen sei.
Gegen dieses ihr am 27. Februar 2018 zugestellte Urteil in der Fassung des ihr am 19. Juli 2018 zugestellten Berichtigungsbeschlusses richtet sich die am 14. März 2018 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt, die Auslegung des Sozialgerichts lasse sich nicht mit dem durch die Vorschrift des § 45 SGB X ausdrücklich zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers vereinbaren, dessen Tatbestand hier vorliege. Der Kläger habe bei der Beantragung von Arbeitslosengeld die Ausübung einer zweiten Nebentätigkeit mindestens grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich verschwiegen und insoweit unvollständige Angaben gemacht, sodass ihm kein Vertrauensschutz zukomme. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei, seien bereits erbrachte Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten, ohne dass der Verwaltung auch nur ein Ermessen eingeräumt werde, in dessen Rahmen etwa Bereicherungsfragen berücksichtigt werden könnten. Im Übrigen gehe die Auffassung des Sozialgerichts fehl, wonach die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen geltend machen könnte, denn ein solcher setze voraus, dass Sozialleistungen rechtmäßig erbracht worden seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. August 1987 – 2 RU 49/86). Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Auch wenn der Kläger im Januar und Februar 2013 Urlaub gehabt haben sollte, habe dieser weder das versicherungsrechtliche noch das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis unterbrochen oder beendet. Während des Urlaubs sei das Direktionsrecht des Arbeitgebers zwar stark eingeschränkt, aber anders als etwa im Falle unwiderruflicher Freistellung könne der Arbeitgeber die Genehmigung des Erholungsurlaubs widerrufen oder auch die vorzeitige Rückkehr aus dem bereits angetretenen Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen verlangen. Deshalb habe bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 2013 zwischen dem Kläger und dem Unternehmen G. auch ein leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bestanden, die zusammen mit derjenigen aus der Beschäftigung bei dem Unternehmen S. mindestens wöchentlich 15 Stunden betragen habe, sodass vor dem 1. März 2013 nicht vom Vorliegen von Arbeitslosigkeit ausgegangen werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 2018 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger, dem das sozialgerichtliche Urteil am 23. Februar 2018 zugestellt worden ist, beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie, im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 2018 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2015 in vollem Umfang aufzuheben.
Er wiederholt in seiner am 4. April 2018 beim Landessozialgericht eingegangenen Berufungserwiderung, dass er der Beklagten stets alle relevanten Informationen gegeben habe und in keiner Weise bereichert worden sei. Schon bei der Arbeitslosmeldung im Dezember 2012 habe er mitgeteilt, dass seine befristete Beschäftigung bei dem Unternehmen G. am 31. Dezember 2012 ende, dass er aber noch für zwei Monate Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe. Außerdem habe er alle vertraglichen Unterlagen mit den Unternehmen G. und S. vorgelegt. Wenn der aufnehmende Mitarbeiter der Beklagten dies nicht vermerkt habe, falle dies nicht in seine Verantwortung. Er habe über diese Befristung hinaus im fraglichen Zeitraum keine einzige Stunde beim Unternehmen G. gearbeitet und habe der Beklagten voll und ganz zur Vermittlung zur Verfügung gestanden. Wieso er in diesem Falle dennoch nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes gewesen sein solle, sei ihm als Laien völlig unverständlich. Aufgrund des Leistungsbescheides der Beklagten habe er von dem Beigeladenen im streitigen Zeitraum insoweit keine Leistungen erhalten und könne diese nach Aufhebung des Bescheides auch nicht nachträglich erhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Er teilt mit, dass die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengelds keine Auswirkung auf die Höhe des Arbeitslosengeld-II-Anspruchs für den für den Beigeladenen betroffenen Monat Februar 2013 habe. Da das Arbeitslosengeld tatsächlich zugeflossen sei, sei es als Einkommen zu berücksichtigen gewesen.
Der Senat hat zu den tatsächlichen und rechtlichen Umständen der Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen G. im Januar und Februar 2013 von Letzterem Auskünfte eingeholt, aus denen sich ergibt, dass der Kläger nach der Verlängerungsabrede vom 28. Dezember 2012 tatsächlich nicht mehr gearbeitet hat, sondern Urlaubsgeld in Höhe von 343,98 Euro brutto/233,80 Euro netto für den Monat Januar und 132,30 Euro brutto/89,95 Euro netto für den Monat Februar erhalten hat.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 7. November 2018 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Beklagten ist begründet, die ebenfalls zulässige unselbstständige Anschlussberufung (§ 202 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung; vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017 § 143 Rn. 5 ff. m.w.N.) des Klägers hingegen unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben und den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2015 hinsichtlich der Erstattungsforderung aufgehoben sowie die Klage der Sache nach, ohne dies im Tenor ausdrücklich so zu formulieren, nur im Übrigen abgewiesen. Die von der Beklagten getroffene Regelung erweist sich insgesamt als rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
Die Beklagte hat den Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld vom 21. Januar 2013 zu Recht nach § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III zurückgenommen. Auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 kann im Wesentlichen Bezug genommen werden (§ 136 Abs. 3 SGG).
Der Bewilligungsbescheid war von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger erst ab 1. März 2013 beschäftigungslos im Sinne von § 138 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 SGB III und damit zuvor noch nicht arbeitslos im Sinne des § 138 SGB III war. Die bis Ende Februar 2013 noch parallel bestehenden Nebenbeschäftigungen für die Unternehmen S. und G. umfassten zusammengerechnet nicht weniger als 15 Stunden, sodass der Ausnahmetatbestand des § 138 Abs. 3 SGB III nicht vorlag. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger tatsächlich im Januar und Februar 2013 für das Unternehmen G. nicht arbeitete, sondern durchgehend Urlaub hatte. Da es sich bei den Zahlungen für diesen Zeitraum ausweislich der vorliegenden Unterlagen und gegebenen Auskünfte nicht um eine Urlaubsabgeltung im Sinne des § 157 Abs. 2 SGB III handelte, sondern um eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses, ist der Beklagten darin beizupflichten, dass das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis mangels Unterbrechungs- oder Beendigungstatbestand bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses andauerte, weil sich der Arbeitgeber gerade nicht vollständig seines Direktionsrechts begeben hatte. Damit war der Kläger im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit einer geregelten Arbeitszeit von wöchentlich durchschnittlich 12 Stunden gerade nicht verfügbar.
Die Bewilligung war für die Monate Januar und Februar 2013 bindend (§ 330 Abs. 2 SGB III) zurückzunehmen, weil das Vertrauen des Klägers auf deren Bestand nicht schutzwürdig ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er vor dem Hintergrund der besonderen Umstände (durchgehender Urlaub ohne tatsächliche Tätigkeit) hätte erkennen müssen, dass die Bewilligung rechtswidrig war (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Denn jedenfalls beruhte die Bewilligung auf Angaben, die der Kläger zumindest grob fahrlässig, also unter Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (§ 45 Abs. 2 Satz 3 letzter Teilsatz SGB X) in wesentlicher Beziehung unrichtig oder zumindest unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Aus seinem schriftlichen Antrag auf Arbeitslosengeld und den übrigen Verwaltungsvorgängen der Beklagten einschließlich der Beratungsvermerke, unter anderem vom 19. Dezember 2012, ergibt sich gerade nicht, dass der Kläger bei der Beklagten vor der Überschneidungsmitteilung vom 23. März 2013 Angaben zu dem aufgrund der Verlängerungsabrede vom 28. Dezember 2012 auch noch im Januar und Februar 2013 bestehenden Beschäftigungsverhältnis mit dem Unternehmen G. gemacht hat, obwohl sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass dies relevant sein könnte. Jedenfalls am 19. Dezember 2012 sind im Rahmen der persönlichen Vorsprache des Klägers bei der Beklagten auch Verpflichtungen im Zusammenhang mit Nebenverdiensten Gesprächsthema gewesen. Außerdem ist dem Kläger ausweislich seiner Unterschrift das Merkblatt 1 für Arbeitslose ausgehändigt worden, aus dem umfangreiche Mitteilungspflichten unzweifelhaft hervorgehen. In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass der Kläger nach Aktenlage entgegen seinen Angaben auch dem Beigeladenen die Beschäftigung beim Unternehmen G. bis Ende Februar 2013 nicht mitteilte. Dort wurde diese erst durch einen Datenabgleich am 11. Juni 2013 bekannt.
Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Dies betrifft vorliegend das Arbeitslosengeld für die Monate Januar und Februar 2013 in Höhe von insgesamt 906,00 Euro.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts besteht kein Raum für eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift. Es ist zwar richtig, dass sie den Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen bezweckt (vgl. K. Lang/Waschull in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 50 Rn. 1 m.w.N.). Eine solche ungerechtfertigte Vermögensverschiebung hat es jedoch vorliegend auch gegeben. Dabei ist ausschließlich das zweiseitige Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu betrachten. Der Kläger hat für einen Zeitraum Arbeitslosengeld erhalten, für den kein Anspruch bestand, was das Sozialgericht im Übrigen genauso beurteilt. Wegen seines eigenen Fehlverhaltens ist die Rücknahme der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aus Vertrauensschutzgründen ausgeschlossen. Damit ist er im Verhältnis zur Beklagten ungerechtfertigt bereichert. Ob der Kläger bei einem alternativen, aber rein fiktiven Geschehensablauf, nämlich der pflichtgemäßen Angabe der weiteren Nebentätigkeit und der dann womöglich ausbleibenden Bewilligung von Arbeitslosengeld, von einem anderen Sozialleistungsträger, hier dem Beigeladenen, eine andere Sozialleistung erhalten hätte, spielt bei diesem Sachverhalt keine Rolle.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wäre auch kein Raum für eine Rückabwicklung nach den Vorschriften über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Dies gilt schon deshalb, weil Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X nur bestehen können, soweit die ursprüngliche Sozialleistung rechtmäßig erbracht wurde (BSG, Urteil vom 27. August 1987 – 2 RU 49/86, BSGE 62, 118; Böttiger in: die Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, vor §§ 102 bis 114 Rn. 24 m.w.N.), was vorliegend gerade – auch nach Auffassung des Sozialgerichts – nicht der Fall war.
Soweit das Sozialgericht konkret § 103 SGB X als einschlägige Anspruchsnorm des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist, nennt, kommt dieser auch deshalb nicht in Betracht, weil kein Anspruch des Klägers auf eine entsprechende Leistung – hier erstmals bzw. höheres Arbeitslosengeld II für die Monate Januar und Februar 2013 – gegen den Beigeladenen als für die entsprechende Leistung zuständigen Leistungsträger besteht. Für den Monat Januar 2013 hatte der Kläger gar keinen Anspruch gegen den Beigeladenen, für den Monat Februar 2013 bestünde auch nach Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung durch die Beklagte kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II, weil nach dem das SGB II beherrschenden Zuflussprinzip im entsprechenden Bedarfszeitraum das Arbeitslosengeld tatsächlich an den Kläger gezahlt wurde, zur Verwendung zur Verfügung stand und daher als Einkommen zu berücksichtigen war. Entsprechendes gilt nach dem SGB II sogar grundsätzlich für darlehensweise erhaltene Leistungen.
Schließlich übersieht das Sozialgericht, dass mit der Verweisung der Beklagten auf einen Erstattungsanspruch dem Leistungsträger, dem gegenüber der Kläger grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzte und der deshalb zu Unrecht Leistungen gewährte, neben Ermittlungspflichten zu einem anderen Sozialrechtsverhältnis das Risiko aufgebürdet würde, die eingetretene Überzahlung nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet zu bekommen. Zum einen müsste er sich unter Umständen im Erstattungsverhältnis Einwendungen des erstattungspflichtigen Leistungsträgers gegenüber dem Leistungsempfänger entgegenhalten lassen, zum anderen trüge er das Risiko der Versäumung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X. Denkbar wäre auch der Wegfall der Zuständigkeit des anderen Leistungsträgers, weil dieser zum Beispiel seinerseits die dortigen Leistungsbescheide zurückgenommen oder aufgehoben hat. Schließlich richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach § 103 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften, sodass zum Beispiel etwaige dort bestehende Absetzbeträge nicht erstattet werden könnten. Der Ansatz des Sozialgerichts würde darüber hinaus dazu führen, dass die Beklagte sich nicht durch Bescheiderlass und Eintritt von dessen Bestandskraft einfach und kostengünstig einen Titel gegen den grob fahrlässig handelnden Kläger beschaffen könnte, um die unrechtmäßige Leistungsgewährung rückabzuwickeln, sondern unter Umständen ein gerichtskostenpflichtiges Klageverfahren gegen eine andere Behörde führen müsste.
Nach alledem kommt eine Korrektur unbillig erscheinender Erstattungsforderungen nach Überzeugung des Senats ausschließlich im Rahmen des Einziehungsverfahrens durch (Teil-) Erlass der Forderung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) oder Niederschlagung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit sind die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld und der daran anknüpfende Erstattungsanspruch.
Der 1974 geborene Kläger war seit April 2008 bei der M. GmbH & Co. KG, einem Personaldienstleistungsunternehmen, im Umfang von 21 bis 25, zuletzt 24 Stunden wöchentlich in der Metallbearbeitung beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 31. Dezember 2012. Darüber hinaus bestand seit März 2008 ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft bei einem Unternehmen der Gastro-Kette S. bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden. Schließlich war der Kläger vom 1. Juli 2011 bis 28. Februar 2013 als Raumpfleger mit einer vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 12 Stunden wöchentlich bei dem Unternehmen G. Gebäudeservice beschäftigt, wobei in einer Kette befristeter Verträge der letzte vom 28. Dezember 2012 das Arbeitsverhältnis über den 29. Dezember 2012 hinaus (Verlängerungsabrede vom 13. Juni 2012) bis zum 28. Februar 2013 verlängerte.
Am 29. November 2012 meldete der Kläger sich bei der Beklagten persönlich gleichzeitig arbeitsuchend und arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 1. Januar 2013. In seinem am 14. Januar 2013 unterschriebenen und am Folgetag von der Beklagten angenommenen Antrag gab er als einzige Nebenbeschäftigung diejenige für das Unternehmen S. an. Auch nach Abschluss der letzten Verlängerungsabrede mit dem Unternehmen G. am 28. Dezember 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten keinerlei Angaben zu diesem Beschäftigungsverhältnis.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2013 bewilligte die Beklagte ihm Arbeitslosengeld für 360 Tage beginnend am 1. Januar 2013 in Höhe von 15,10 Euro täglich / 453,00 Euro monatlich.
Ab 1. Februar 2013 bezog der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern von dem Beigeladenen aufgrund des Antrags vom 24. Januar 2013 aufstockend Arbeitslosengeld II (Bescheide vom 14. Februar 2013, 21. März 2013, 22. April 2013, 21. Mai 2013), wobei er auch hier bei der Antragstellung lediglich die Nebenbeschäftigung beim Unternehmen S. angab und ohne weiteren Kommentar die bis zum 29. Dezember 2012 laufende Verlängerungsabrede mit dem Unternehmen G. vorlegte.
Durch eine Überschneidungsmitteilung vom 23. März 2013 erfuhr die Beklagte von der bis Ende Februar 2013 bestehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers beim Unternehmen G., der Beigeladene aufgrund eines Datenabgleichs vom 11. Juni 2013.
Während der Beigeladene nach Anhörung des Klägers die Bewilligung von Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung der von dem Unternehmen G. für die Monate Januar und Februar 2013 gezahlten Entgelte mit Bescheiden vom 30. Juli 2013 teilweise zurücknahm und die danach überzahlten Beträge erstattet verlangte, hob die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Februar 2013 zunächst nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung auf, dass der Kläger in diesem Zeitraum wegen der zwei parallel ausgeübten Nebentätigkeiten mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt und daher nicht arbeitslos im Sinne des § 138 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gewesen sei. Des Weiteren verlangte sie das danach überzahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 906,00 Euro nach § 50 SGB X erstattet.
Der Kläger legte hiergegen unter dem 5. November 2014 Widerspruch ein und trug vor, dass er keine unrechtmäßigen Leistungen erhalten habe. Als Aufstocker habe er seine Nebentätigkeiten bei dem Beigeladenen angezeigt, der sein Nebeneinkommen und dasjenige seiner Ehefrau stets angerechnet habe. Er habe bei dem Beigeladenen auch gefragt, ob er die Nebentätigkeiten bei der Beklagten melden müsse, und die Auskunft erhalten, dies sei nicht erforderlich, weil der Nebenverdienst auf die Leistungen des Beigeladenen angerechnet werde. Da die Anrechnung tatsächlich erfolgt sei, sei er davon ausgegangen, dass alles korrekt sei. Er könne auch nicht verstehen, weshalb der informierte Beigeladene die Beklagte nicht informiert und ihn darüber hinaus von einer Meldung abgehalten habe. Da nun schon mehr als ein Jahr vergangen sei, sei für ihn eine Korrektur über § 44 SGB X bei dem Beigeladenen nicht mehr möglich. Bereichert sei insofern der Beigeladene. Er rege einen Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen an, weil die Beklagte als unzuständiger Leistungsträger geleistet habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 unter Hinweis darauf zurück, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 nicht nach § 48 SGB X aufgehoben, sondern nach § 45 SGB X zurückgenommen werde. Der Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2013 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil der Kläger unter Zusammenrechnung der versicherungspflichtigen Beschäftigungen einerseits für das Unternehmen S. und andererseits für das Unternehmen G. solche im Umfang von 26 und damit mehr als 15 Stunden wöchentlich ausgeübt habe und deshalb nicht arbeitslos gewesen sei, sodass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe einerseits die versicherungspflichtige Tätigkeit bei dem Unternehmen G. in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld nicht angegeben und hätte andererseits wissen müssen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Ausübung der Beschäftigungen nicht vorgelegen hätten, da er mehr als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt gewesen sei. Das Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger mit seiner Unterschrift im Antragsformular bestätigt habe, enthalte verständliche Hinweise zu den Anspruchsvoraussetzungen und Mitteilungspflichten. Im Merkblatt werde auch ausgeführt, dass Arbeitslose ausschließlich selbst zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet seien und sie sich nicht auf die Zusage anderer verlassen dürften. Dem Kläger sei mithin grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Verletzung von Mitteilungspflichten (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) und die Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Arbeitslosengeld (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) vorzuwerfen. Deshalb habe die Entscheidung vom 21. Januar 2013 über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 nach § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III ganz zurückgenommen werden müssen. § 50 Abs. 1 SGB X bestimme in diesem Falle, dass die bereits gezahlten Leistungen in Höhe von 906,00 Euro zu erstatten seien.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Januar 2015 beim Sozialgericht Hamburg Klage erhoben und ausgeführt, dass es sich um einen atypischen Fall handle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass rückwirkende Aufhebungen unzulässig seien, wenn zustehende Leistungen nachträglich nicht mehr erhalten werden könnten. Im Übrigen habe er für das Unternehmen G. im Januar und Februar 2013 nicht mehr gearbeitet, sondern nur Urlaubsgeld erhalten. So habe er das auch gegenüber der Beklagten und dem Beigeladenen angezeigt.
Das Sozialgericht hat nach Durchführung eines dann vertagten Termins zur mündlichen Verhandlung über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten am 21. Februar 2018 ohne mündliche Verhandlung durch mit Beschluss vom 10. Juli 2018 berichtigtes Urteil entschieden und ihr teilweise insoweit stattgegeben, als der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 hinsichtlich der Erstattungsforderung von 906,00 Euro aufgehoben worden sind. Insoweit seien die Bescheide rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten aus § 50 SGB X. Dieser sei nämlich teleologisch auf die Fälle zu reduzieren, in denen es aufgrund der aufgehobenen Leistung zu einem unrechtmäßigen Vermögensvorteil gekommen sei. Denn es gehe um die Herstellung rechtmäßiger Ergebnisse und nicht um eine Sanktionierung. Der Kläger sei aber überhaupt nicht bereichert, weil der von der Beklagten zu Unrecht geleistete Betrag in voller Höhe von dem Beigeladenen auf die Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) angerechnet worden sei. Deshalb sei die Rückabwicklung vorrangig nach den Vorschriften über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander vorzunehmen. Einschlägig sei hier der § 103 SGB X, weil durch die angefochtenen Bescheide der aufgrund der zuvor erfolgten Bewilligung bestehende Anspruch auf Arbeitslosengeld nachträglich für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013 zu Recht beseitigt worden sei, der Beigeladene von Anfang an von der ursprünglichen Bewilligung gewusst und deshalb in Höhe dieser Bewilligung nicht geleistet habe. Die Beklagte habe, wie sich im Nachhinein herausgestellt habe, als unzuständiger Leistungsträger anstelle des zuständigen Beigeladenen geleistet. Die Aufhebung des Arbeitslosengeldes sei nicht zu beanstanden, weil der Kläger tatsächlich in diesem Zeitraum nicht arbeitslos gewesen sei.
Gegen dieses ihr am 27. Februar 2018 zugestellte Urteil in der Fassung des ihr am 19. Juli 2018 zugestellten Berichtigungsbeschlusses richtet sich die am 14. März 2018 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie vorträgt, die Auslegung des Sozialgerichts lasse sich nicht mit dem durch die Vorschrift des § 45 SGB X ausdrücklich zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers vereinbaren, dessen Tatbestand hier vorliege. Der Kläger habe bei der Beantragung von Arbeitslosengeld die Ausübung einer zweiten Nebentätigkeit mindestens grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich verschwiegen und insoweit unvollständige Angaben gemacht, sodass ihm kein Vertrauensschutz zukomme. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei, seien bereits erbrachte Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten, ohne dass der Verwaltung auch nur ein Ermessen eingeräumt werde, in dessen Rahmen etwa Bereicherungsfragen berücksichtigt werden könnten. Im Übrigen gehe die Auffassung des Sozialgerichts fehl, wonach die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beigeladenen geltend machen könnte, denn ein solcher setze voraus, dass Sozialleistungen rechtmäßig erbracht worden seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. August 1987 – 2 RU 49/86). Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Auch wenn der Kläger im Januar und Februar 2013 Urlaub gehabt haben sollte, habe dieser weder das versicherungsrechtliche noch das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis unterbrochen oder beendet. Während des Urlaubs sei das Direktionsrecht des Arbeitgebers zwar stark eingeschränkt, aber anders als etwa im Falle unwiderruflicher Freistellung könne der Arbeitgeber die Genehmigung des Erholungsurlaubs widerrufen oder auch die vorzeitige Rückkehr aus dem bereits angetretenen Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen verlangen. Deshalb habe bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 2013 zwischen dem Kläger und dem Unternehmen G. auch ein leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bestanden, die zusammen mit derjenigen aus der Beschäftigung bei dem Unternehmen S. mindestens wöchentlich 15 Stunden betragen habe, sodass vor dem 1. März 2013 nicht vom Vorliegen von Arbeitslosigkeit ausgegangen werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 2018 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger, dem das sozialgerichtliche Urteil am 23. Februar 2018 zugestellt worden ist, beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie, im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 2017 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 2018 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2015 in vollem Umfang aufzuheben.
Er wiederholt in seiner am 4. April 2018 beim Landessozialgericht eingegangenen Berufungserwiderung, dass er der Beklagten stets alle relevanten Informationen gegeben habe und in keiner Weise bereichert worden sei. Schon bei der Arbeitslosmeldung im Dezember 2012 habe er mitgeteilt, dass seine befristete Beschäftigung bei dem Unternehmen G. am 31. Dezember 2012 ende, dass er aber noch für zwei Monate Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe. Außerdem habe er alle vertraglichen Unterlagen mit den Unternehmen G. und S. vorgelegt. Wenn der aufnehmende Mitarbeiter der Beklagten dies nicht vermerkt habe, falle dies nicht in seine Verantwortung. Er habe über diese Befristung hinaus im fraglichen Zeitraum keine einzige Stunde beim Unternehmen G. gearbeitet und habe der Beklagten voll und ganz zur Vermittlung zur Verfügung gestanden. Wieso er in diesem Falle dennoch nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes gewesen sein solle, sei ihm als Laien völlig unverständlich. Aufgrund des Leistungsbescheides der Beklagten habe er von dem Beigeladenen im streitigen Zeitraum insoweit keine Leistungen erhalten und könne diese nach Aufhebung des Bescheides auch nicht nachträglich erhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Er teilt mit, dass die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengelds keine Auswirkung auf die Höhe des Arbeitslosengeld-II-Anspruchs für den für den Beigeladenen betroffenen Monat Februar 2013 habe. Da das Arbeitslosengeld tatsächlich zugeflossen sei, sei es als Einkommen zu berücksichtigen gewesen.
Der Senat hat zu den tatsächlichen und rechtlichen Umständen der Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen G. im Januar und Februar 2013 von Letzterem Auskünfte eingeholt, aus denen sich ergibt, dass der Kläger nach der Verlängerungsabrede vom 28. Dezember 2012 tatsächlich nicht mehr gearbeitet hat, sondern Urlaubsgeld in Höhe von 343,98 Euro brutto/233,80 Euro netto für den Monat Januar und 132,30 Euro brutto/89,95 Euro netto für den Monat Februar erhalten hat.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift vom 7. November 2018 sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Beklagten ist begründet, die ebenfalls zulässige unselbstständige Anschlussberufung (§ 202 SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung; vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017 § 143 Rn. 5 ff. m.w.N.) des Klägers hingegen unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben und den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2015 hinsichtlich der Erstattungsforderung aufgehoben sowie die Klage der Sache nach, ohne dies im Tenor ausdrücklich so zu formulieren, nur im Übrigen abgewiesen. Die von der Beklagten getroffene Regelung erweist sich insgesamt als rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
Die Beklagte hat den Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld vom 21. Januar 2013 zu Recht nach § 45 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III zurückgenommen. Auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 kann im Wesentlichen Bezug genommen werden (§ 136 Abs. 3 SGG).
Der Bewilligungsbescheid war von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger erst ab 1. März 2013 beschäftigungslos im Sinne von § 138 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 SGB III und damit zuvor noch nicht arbeitslos im Sinne des § 138 SGB III war. Die bis Ende Februar 2013 noch parallel bestehenden Nebenbeschäftigungen für die Unternehmen S. und G. umfassten zusammengerechnet nicht weniger als 15 Stunden, sodass der Ausnahmetatbestand des § 138 Abs. 3 SGB III nicht vorlag. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger tatsächlich im Januar und Februar 2013 für das Unternehmen G. nicht arbeitete, sondern durchgehend Urlaub hatte. Da es sich bei den Zahlungen für diesen Zeitraum ausweislich der vorliegenden Unterlagen und gegebenen Auskünfte nicht um eine Urlaubsabgeltung im Sinne des § 157 Abs. 2 SGB III handelte, sondern um eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses, ist der Beklagten darin beizupflichten, dass das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis mangels Unterbrechungs- oder Beendigungstatbestand bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses andauerte, weil sich der Arbeitgeber gerade nicht vollständig seines Direktionsrechts begeben hatte. Damit war der Kläger im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit einer geregelten Arbeitszeit von wöchentlich durchschnittlich 12 Stunden gerade nicht verfügbar.
Die Bewilligung war für die Monate Januar und Februar 2013 bindend (§ 330 Abs. 2 SGB III) zurückzunehmen, weil das Vertrauen des Klägers auf deren Bestand nicht schutzwürdig ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er vor dem Hintergrund der besonderen Umstände (durchgehender Urlaub ohne tatsächliche Tätigkeit) hätte erkennen müssen, dass die Bewilligung rechtswidrig war (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Denn jedenfalls beruhte die Bewilligung auf Angaben, die der Kläger zumindest grob fahrlässig, also unter Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (§ 45 Abs. 2 Satz 3 letzter Teilsatz SGB X) in wesentlicher Beziehung unrichtig oder zumindest unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Aus seinem schriftlichen Antrag auf Arbeitslosengeld und den übrigen Verwaltungsvorgängen der Beklagten einschließlich der Beratungsvermerke, unter anderem vom 19. Dezember 2012, ergibt sich gerade nicht, dass der Kläger bei der Beklagten vor der Überschneidungsmitteilung vom 23. März 2013 Angaben zu dem aufgrund der Verlängerungsabrede vom 28. Dezember 2012 auch noch im Januar und Februar 2013 bestehenden Beschäftigungsverhältnis mit dem Unternehmen G. gemacht hat, obwohl sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass dies relevant sein könnte. Jedenfalls am 19. Dezember 2012 sind im Rahmen der persönlichen Vorsprache des Klägers bei der Beklagten auch Verpflichtungen im Zusammenhang mit Nebenverdiensten Gesprächsthema gewesen. Außerdem ist dem Kläger ausweislich seiner Unterschrift das Merkblatt 1 für Arbeitslose ausgehändigt worden, aus dem umfangreiche Mitteilungspflichten unzweifelhaft hervorgehen. In diesem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass der Kläger nach Aktenlage entgegen seinen Angaben auch dem Beigeladenen die Beschäftigung beim Unternehmen G. bis Ende Februar 2013 nicht mitteilte. Dort wurde diese erst durch einen Datenabgleich am 11. Juni 2013 bekannt.
Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Dies betrifft vorliegend das Arbeitslosengeld für die Monate Januar und Februar 2013 in Höhe von insgesamt 906,00 Euro.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts besteht kein Raum für eine teleologische Reduktion dieser Vorschrift. Es ist zwar richtig, dass sie den Ausgleich ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen bezweckt (vgl. K. Lang/Waschull in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 50 Rn. 1 m.w.N.). Eine solche ungerechtfertigte Vermögensverschiebung hat es jedoch vorliegend auch gegeben. Dabei ist ausschließlich das zweiseitige Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu betrachten. Der Kläger hat für einen Zeitraum Arbeitslosengeld erhalten, für den kein Anspruch bestand, was das Sozialgericht im Übrigen genauso beurteilt. Wegen seines eigenen Fehlverhaltens ist die Rücknahme der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aus Vertrauensschutzgründen ausgeschlossen. Damit ist er im Verhältnis zur Beklagten ungerechtfertigt bereichert. Ob der Kläger bei einem alternativen, aber rein fiktiven Geschehensablauf, nämlich der pflichtgemäßen Angabe der weiteren Nebentätigkeit und der dann womöglich ausbleibenden Bewilligung von Arbeitslosengeld, von einem anderen Sozialleistungsträger, hier dem Beigeladenen, eine andere Sozialleistung erhalten hätte, spielt bei diesem Sachverhalt keine Rolle.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wäre auch kein Raum für eine Rückabwicklung nach den Vorschriften über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Dies gilt schon deshalb, weil Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X nur bestehen können, soweit die ursprüngliche Sozialleistung rechtmäßig erbracht wurde (BSG, Urteil vom 27. August 1987 – 2 RU 49/86, BSGE 62, 118; Böttiger in: die Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, vor §§ 102 bis 114 Rn. 24 m.w.N.), was vorliegend gerade – auch nach Auffassung des Sozialgerichts – nicht der Fall war.
Soweit das Sozialgericht konkret § 103 SGB X als einschlägige Anspruchsnorm des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist, nennt, kommt dieser auch deshalb nicht in Betracht, weil kein Anspruch des Klägers auf eine entsprechende Leistung – hier erstmals bzw. höheres Arbeitslosengeld II für die Monate Januar und Februar 2013 – gegen den Beigeladenen als für die entsprechende Leistung zuständigen Leistungsträger besteht. Für den Monat Januar 2013 hatte der Kläger gar keinen Anspruch gegen den Beigeladenen, für den Monat Februar 2013 bestünde auch nach Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung durch die Beklagte kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II, weil nach dem das SGB II beherrschenden Zuflussprinzip im entsprechenden Bedarfszeitraum das Arbeitslosengeld tatsächlich an den Kläger gezahlt wurde, zur Verwendung zur Verfügung stand und daher als Einkommen zu berücksichtigen war. Entsprechendes gilt nach dem SGB II sogar grundsätzlich für darlehensweise erhaltene Leistungen.
Schließlich übersieht das Sozialgericht, dass mit der Verweisung der Beklagten auf einen Erstattungsanspruch dem Leistungsträger, dem gegenüber der Kläger grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzte und der deshalb zu Unrecht Leistungen gewährte, neben Ermittlungspflichten zu einem anderen Sozialrechtsverhältnis das Risiko aufgebürdet würde, die eingetretene Überzahlung nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet zu bekommen. Zum einen müsste er sich unter Umständen im Erstattungsverhältnis Einwendungen des erstattungspflichtigen Leistungsträgers gegenüber dem Leistungsempfänger entgegenhalten lassen, zum anderen trüge er das Risiko der Versäumung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X. Denkbar wäre auch der Wegfall der Zuständigkeit des anderen Leistungsträgers, weil dieser zum Beispiel seinerseits die dortigen Leistungsbescheide zurückgenommen oder aufgehoben hat. Schließlich richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach § 103 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften, sodass zum Beispiel etwaige dort bestehende Absetzbeträge nicht erstattet werden könnten. Der Ansatz des Sozialgerichts würde darüber hinaus dazu führen, dass die Beklagte sich nicht durch Bescheiderlass und Eintritt von dessen Bestandskraft einfach und kostengünstig einen Titel gegen den grob fahrlässig handelnden Kläger beschaffen könnte, um die unrechtmäßige Leistungsgewährung rückabzuwickeln, sondern unter Umständen ein gerichtskostenpflichtiges Klageverfahren gegen eine andere Behörde führen müsste.
Nach alledem kommt eine Korrektur unbillig erscheinender Erstattungsforderungen nach Überzeugung des Senats ausschließlich im Rahmen des Einziehungsverfahrens durch (Teil-) Erlass der Forderung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) oder Niederschlagung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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