Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 6 KR 164/01
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 99/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 2/05 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.5.2002 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung des Arzneimittels Tasmar streitig.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Dr. W G (Versicherter) leidet seit 1991 an einem Parkinson-Syndrom. Zu seiner Behandlung verordnete der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Internist Dr. N das Fertigarzneimittel Tasmar. Dieses Medikament wurde im August 1997 in einem zentralen Zulassungsverfahren der Europäischen Gemeinschaften (EG) nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 in sämtlichen Mitgliedstaaten der EG zugelassen. Da im Nachhinein über im Zusammenhang mit der Anwendung von Tasmar aufgetretene schwere Nebenwirkungen an der Leber berichtet worden war, ordnete die Kommission der EG am 11.12.1998 auf Vorschlag des Ausschusses für Arzneispezialitäten der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (European Medicines Evaluation Agency) das Ruhen der Zulassung an.
Der Kläger betreibt die "S " in I. Er bezog das von Dr. N verordnete Arzneimittel Tasmar aus der Schweiz und gab es an den Versicherten ab. Nachdem die Beklagte zunächst seit März 1999 in 11 Abrechnungsfällen die Kosten des Medikaments übernommen hatte, beanstandete sie in Höhe von 3.834,76 DM die Rezeptabrechnungen der Monate April und Mai 2000, Juli bis Dezember 2000 sowie Januar 2001. Die daraufhin nach § 21 Abs 2 des zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AE) einerseits sowie dem für die Landesapothekerverbände handelnden Deutschen Apothekerverband eV (DAV) andererseits zustande gekommenen Arzneilieferungsvertrages (ALV) vom 4.5.1995 in der ab 1.1.1999 geltenden Fassung eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Die sodann erhobene Zahlungsklage hat das Sozialgericht Mainz (SG) mit Urteil vom 28.5.2002 abgewiesen. Eine Vergütung komme nur für ordnungsgemäß verordnete und vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasste Arzneimittel in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dürften nicht zugelassene Arzneimittel nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Ein zulassungsbedürftiges Arzneimittel sei ohne Zulassung nicht verkehrsfähig. Mit der Anordnung des Ruhens der Zulassung des Arzneimittels Tasmar sei nach § 30 Abs 4 Arzneimittelgesetz (AMG) die Verkehrsfähigkeit entfallen. Dem stehe nicht § 73 Abs 3 AMG als lex specialis entgegen. Der nach dieser Vorschrift erlaubte Import von Medikamenten beziehe sich auf nicht zugelassene Arzneimittel. Die generelle Möglichkeit, mit Hilfe des Einzelfallimports Zulassungsentscheidungen deutscher oder europäischer Behörden zu umgehen, lasse sich mit der Gesamtkonzeption des deutschen Arzneimittelrechts nicht vereinbaren. Da arzneimittelrechtliche Zulassungsentscheidungen mit einer Tatbestandswirkung für die Sozialgerichte einhergingen, komme es nicht darauf an, ob im Falle des Versicherten Nebenwirkungen zu befürchten seien.
Gegen das ihm am 19.8.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.9.2002 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, die Voraussetzungen der so genannten Apothekeneinfuhr nach § 73 Abs 3 AMG in Verbindung mit § 18 Abs 1 Apothekerbetriebsordnung seien erfüllt. Das Arzneimittel Tasmar würde in der Schweiz legal vertrieben und sei durch den behandelnden Arzt verordnet worden. § 73 Abs 4 AMG schließe damit die Regelung des § 30 Abs 4 AMG aus. Auf die zuletzt genannte Bestimmung könne sich die Beklagte aber auch schon deshalb nicht berufen, weil das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erst am 28.3.2002 mitgeteilt hätte, dass § 73 Abs 3 AMG hinter § 30 Abs 4 AMG zurücktrete. Die fragliche Arzneimittelabgabe beruhe aber auf Verordnungen aus den Jahren 2000 und 2001, so dass es nicht möglich gewesen sei, entsprechend der Rechtsauffassung des BMG zu verfahren. Von einem Verstoß gegen vertragliche Pflichten könne nicht gesprochen werden. § 4 Abs 4 Satz 2 ALV verbiete lediglich die Abgabe der nach § 34 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossenen und in der Übersicht nach § 93 Abs 1 SGB V aufgeführten Fertigarzneimittel. Im Übrigen seien die Apotheken nach § 4 Abs 4 Satz 3 ALV nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des abgegebenen Arzneimittels verpflichtet. Ein vertragswidriges Verhalten sei vielmehr der Beklagten vorzuwerfen, die zunächst die Kosten übernommen und ohne Hinweis auf ihre Bedenken an der Zulässigkeit der Abgabe des Medikaments von einer Retaxierung und nicht von den in § 6 ALV vorgesehenen Vertragsmaßnahmen Gebrauch gemacht hätte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.5.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Abgabe des Medikaments Tasmar in Höhe von 1.960,68 EUR nebst 8 vH Zinsen aus 1.071,97 EUR ab 26.6.2001, aus 665,42 EUR ab 15.10.2001 und aus 223,29 EUR ab 11.2.2002 zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die ordnungsgemäße Abgabe des Arzneimittels Tasmar setze dessen Verkehrsfähigkeit voraus. Daran fehle es im Hinblick auf die ruhende Zulassung. § 73 Abs 3 Satz 1 AMG betreffe allein nicht zugelassene oder von der Zulassung freigestellte Arzneimittel. Dem Hinweis auf § 4 Abs 4 Satz 2 ALV sei entgegenzuhalten, dass der Kläger vom Ruhen der Zulassung positive Kenntnis gehabt hätte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten des an den Versicherten abgegebenen Arzneimittels Tasmar zu übernehmen.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch bestimmt sich nach Maßgabe des zwischen dem VdAK und dem AEV einerseits sowie dem DAV andererseits zustande gekommenen Arzneilieferungsvertrages (vgl hierzu BSG 17.1.1996 - 3 RK 26/94, BSGE 77, 194 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1). Danach erfolgt die Abgabe von Arzneimitteln aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Ersatzkasse, ohne dass die Apotheken zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Medikaments verpflichtet sind, es sei denn, es handelt sich um ein nach § 34 Abs 3 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossenes und in der Übersicht nach § 93 Abs 1 SGB V aufgeführtes Fertigarzneimittel (§ 4 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 4 Satz 2 und 3 ALV). Mit der Übergabe des Kassenrezepts durch den Versicherten an den Apotheker wird die Krankenkasse aber nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn die Abgabe des Arzneimittels den gesetzlichen Regelungen entspricht (§ 4 Abs 1 Satz 2 ALV). Zu diesen zählen auch die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes. Nach der Legaldefinition des § 4 Abs 17 AMG ist die Abgabe eine Form des Inverkehrbringens. Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder 2 Nr 1 AMG sind, dürfen indes gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 AMG im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder für sie die Kommission der EG oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs 1 oder 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22.7.1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl EG Nr L 214 S 1) erteilt hat. Ein so genanntes Verkehrsverbot besteht aber auch für zulassungsbedürftige Fertigarzneimittel, deren Zulassung ruht (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG). Das gilt unabhängig davon, ob das Ruhen durch die zuständige Bundesbehörde oder die nach Gemeinschaftsrecht maßgebende Stelle angeordnet worden ist. Arzneimittel, deren Zulassung ruht, dürfen zudem nicht in den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbracht werden (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 2 AMG).
Gemessen an diesen Regelungen durfte der Kläger das aus der Schweiz importierte Arzneimittel Tasmar nicht in den Verkehr bringen und damit nicht an den Versicherten abgeben. Das Arzneimittel Tasmar ist dazu bestimmt, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs 1 Nr 1 AMG). Da es im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird (§ 4 Abs 1 AMG), handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel im Sinne des § 21 Abs 1 Satz 1 AMG. Die ursprünglich nach Gemeinschaftsrecht erteilte Zulassung ruht seit dem 11.12.1998 in Folge einer für sämtliche Mitgliedstaaten der EG und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Anordnung der Europäischen Kommission, so dass im Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung und der Abgabe des Medikaments ein Verkehrsverbot bestand. Das demnach mit § 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG nicht in Einklang stehende Inverkehrbringen durch den Kläger steht der Zahlungspflicht der Beklagten entgegen.
Die Ansicht des Klägers, er hätte das Arzneimittel nach § 73 Abs 3 AMG aus der Schweiz importieren und daher auch abgeben dürfen, vermag der Senat nicht zu teilen. Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen, dürfen nach § 73 Abs 1 Satz 1 AMG in der hier maßgebenden Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 26.7.1999 (BGBl I S 1666) in die Bundesrepublik Deutschland - ausgenommen in andere Zollfreigebiete als die Insel Helgoland - nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Inland zugelassen oder registriert oder von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind. Dieses Verbringungsverbot wird ausnahmsweise durch § 73 Abs 3 Satz 1 AMG für den Fall durchbrochen, dass nicht zugelassene Fertigarzneimittel in dem Staat in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in das Inland verbracht werden und von Apotheken bestellt sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein nach § 73 Abs 3 Satz 1 AMG verkehrsfähiges Arzneimittel dem Verkehrs- und Verbringungsverbot des § 30 Abs 4 Satz 1 AMG unterliegt und zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden kann (vgl hierzu LSG Nordrhein-Westfalen 13.3.2003 - L 5 KR 53/02; Hessisches LSG 28.2.2002 - L 14 KR 455/00) oder § 73 Abs 4 AMG die Regelung des § 30 Abs 4 Satz 1 AMG verdrängt. Der Senat braucht auch nicht die in der Rechtsprechung der Zivilgerichte umstrittene Frage zu entscheiden, ob die erlaubte Einzeleinfuhr von im Herkunftsland verkehrsfähigen Arzneimitteln eine Versorgungslücke im Inland voraussetzt (vgl hierzu Rehmann, Arzneimittelgesetz, § 73 RdNr 15 mit Rechtssprechungsnachweisen). Für die Anwendung des § 73 Abs 3 Satz 1 AMG ist jedenfalls dann kein Raum, wenn die Zulassung versagt wurde oder - wie hier - ruht. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Das in § 73 Abs 1 Satz 1 AMG normierte Verbringungsverbot soll sicherstellen, dass in Deutschland nur zugelassene Fertigarzneimittel in den Verkehr gelangen. Die Vorschrift entspricht der Zulassungspflicht in § 21 Abs 1 Satz 1 AMG für inländische Arzneimittel und dient dem Zweck, grundsätzlich bereits die Einfuhr von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittel zu verhindern (BGH 11.7.2002 - I ZR 34/01, BGHZ 151, 286, 297). Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs 3 Satz 1 AMG zielt nicht darauf ab, einem Apotheker bei jedem nicht zugelassenen Arzneimittel eine Einzeleinfuhr zu ermöglichen. Ansonsten könnte - worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat - das für nicht zugelassene Arzneimittel bestehende Verkehrs- und Verbringungsverbot über den Weg der Apothekeneinfuhr umgangen werden mit der Folge, dass die arzneimittelrechtliche Zulassungspflicht ins Leere ginge. Die Apotheken sollen vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen nicht gehindert sein, Arzneimittel einzuführen, über deren Zulassung noch nicht entschieden ist. Damit scheidet der Import von Fertigarzneimitteln aus, sobald die Zulassung für das Inland versagt oder nachträglich deren Ruhen angeordnet wurde.
Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte hätte die Kosten des Arzneimittels Tasmar anfänglich übernommen und von den Vertragsmaßnahmen des § 6 ALV Gebrauch machen müssen, vermag deren Leistungspflicht nicht zu begründen. Aus einer zu Unrecht gewährten Vergütung lässt sich ein Zahlungsanspruch nicht herleiten. Dass die Beklagte im Falle einer gesetzeswidrigen und gegen den Arzneilieferungsvertrag verstoßenden Arzneimittelabgabe gehalten wäre, den betroffenen Apotheker vor einer Retaxierung zunächst zu verwarnen, ist der vertraglichen Vereinbarung nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung.
Die Revision wird nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
2. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung des Arzneimittels Tasmar streitig.
Der bei der Beklagten krankenversicherte Dr. W G (Versicherter) leidet seit 1991 an einem Parkinson-Syndrom. Zu seiner Behandlung verordnete der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Internist Dr. N das Fertigarzneimittel Tasmar. Dieses Medikament wurde im August 1997 in einem zentralen Zulassungsverfahren der Europäischen Gemeinschaften (EG) nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 in sämtlichen Mitgliedstaaten der EG zugelassen. Da im Nachhinein über im Zusammenhang mit der Anwendung von Tasmar aufgetretene schwere Nebenwirkungen an der Leber berichtet worden war, ordnete die Kommission der EG am 11.12.1998 auf Vorschlag des Ausschusses für Arzneispezialitäten der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (European Medicines Evaluation Agency) das Ruhen der Zulassung an.
Der Kläger betreibt die "S " in I. Er bezog das von Dr. N verordnete Arzneimittel Tasmar aus der Schweiz und gab es an den Versicherten ab. Nachdem die Beklagte zunächst seit März 1999 in 11 Abrechnungsfällen die Kosten des Medikaments übernommen hatte, beanstandete sie in Höhe von 3.834,76 DM die Rezeptabrechnungen der Monate April und Mai 2000, Juli bis Dezember 2000 sowie Januar 2001. Die daraufhin nach § 21 Abs 2 des zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und dem AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband eV (AE) einerseits sowie dem für die Landesapothekerverbände handelnden Deutschen Apothekerverband eV (DAV) andererseits zustande gekommenen Arzneilieferungsvertrages (ALV) vom 4.5.1995 in der ab 1.1.1999 geltenden Fassung eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Die sodann erhobene Zahlungsklage hat das Sozialgericht Mainz (SG) mit Urteil vom 28.5.2002 abgewiesen. Eine Vergütung komme nur für ordnungsgemäß verordnete und vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erfasste Arzneimittel in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dürften nicht zugelassene Arzneimittel nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden. Ein zulassungsbedürftiges Arzneimittel sei ohne Zulassung nicht verkehrsfähig. Mit der Anordnung des Ruhens der Zulassung des Arzneimittels Tasmar sei nach § 30 Abs 4 Arzneimittelgesetz (AMG) die Verkehrsfähigkeit entfallen. Dem stehe nicht § 73 Abs 3 AMG als lex specialis entgegen. Der nach dieser Vorschrift erlaubte Import von Medikamenten beziehe sich auf nicht zugelassene Arzneimittel. Die generelle Möglichkeit, mit Hilfe des Einzelfallimports Zulassungsentscheidungen deutscher oder europäischer Behörden zu umgehen, lasse sich mit der Gesamtkonzeption des deutschen Arzneimittelrechts nicht vereinbaren. Da arzneimittelrechtliche Zulassungsentscheidungen mit einer Tatbestandswirkung für die Sozialgerichte einhergingen, komme es nicht darauf an, ob im Falle des Versicherten Nebenwirkungen zu befürchten seien.
Gegen das ihm am 19.8.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.9.2002 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, die Voraussetzungen der so genannten Apothekeneinfuhr nach § 73 Abs 3 AMG in Verbindung mit § 18 Abs 1 Apothekerbetriebsordnung seien erfüllt. Das Arzneimittel Tasmar würde in der Schweiz legal vertrieben und sei durch den behandelnden Arzt verordnet worden. § 73 Abs 4 AMG schließe damit die Regelung des § 30 Abs 4 AMG aus. Auf die zuletzt genannte Bestimmung könne sich die Beklagte aber auch schon deshalb nicht berufen, weil das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erst am 28.3.2002 mitgeteilt hätte, dass § 73 Abs 3 AMG hinter § 30 Abs 4 AMG zurücktrete. Die fragliche Arzneimittelabgabe beruhe aber auf Verordnungen aus den Jahren 2000 und 2001, so dass es nicht möglich gewesen sei, entsprechend der Rechtsauffassung des BMG zu verfahren. Von einem Verstoß gegen vertragliche Pflichten könne nicht gesprochen werden. § 4 Abs 4 Satz 2 ALV verbiete lediglich die Abgabe der nach § 34 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossenen und in der Übersicht nach § 93 Abs 1 SGB V aufgeführten Fertigarzneimittel. Im Übrigen seien die Apotheken nach § 4 Abs 4 Satz 3 ALV nicht zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des abgegebenen Arzneimittels verpflichtet. Ein vertragswidriges Verhalten sei vielmehr der Beklagten vorzuwerfen, die zunächst die Kosten übernommen und ohne Hinweis auf ihre Bedenken an der Zulässigkeit der Abgabe des Medikaments von einer Retaxierung und nicht von den in § 6 ALV vorgesehenen Vertragsmaßnahmen Gebrauch gemacht hätte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.5.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Abgabe des Medikaments Tasmar in Höhe von 1.960,68 EUR nebst 8 vH Zinsen aus 1.071,97 EUR ab 26.6.2001, aus 665,42 EUR ab 15.10.2001 und aus 223,29 EUR ab 11.2.2002 zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die ordnungsgemäße Abgabe des Arzneimittels Tasmar setze dessen Verkehrsfähigkeit voraus. Daran fehle es im Hinblick auf die ruhende Zulassung. § 73 Abs 3 Satz 1 AMG betreffe allein nicht zugelassene oder von der Zulassung freigestellte Arzneimittel. Dem Hinweis auf § 4 Abs 4 Satz 2 ALV sei entgegenzuhalten, dass der Kläger vom Ruhen der Zulassung positive Kenntnis gehabt hätte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten des an den Versicherten abgegebenen Arzneimittels Tasmar zu übernehmen.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch bestimmt sich nach Maßgabe des zwischen dem VdAK und dem AEV einerseits sowie dem DAV andererseits zustande gekommenen Arzneilieferungsvertrages (vgl hierzu BSG 17.1.1996 - 3 RK 26/94, BSGE 77, 194 = SozR 3-2500 § 129 Nr 1). Danach erfolgt die Abgabe von Arzneimitteln aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Ersatzkasse, ohne dass die Apotheken zur Überprüfung der Verordnungsfähigkeit des verordneten Medikaments verpflichtet sind, es sei denn, es handelt sich um ein nach § 34 Abs 3 SGB V von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossenes und in der Übersicht nach § 93 Abs 1 SGB V aufgeführtes Fertigarzneimittel (§ 4 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und 4 Satz 2 und 3 ALV). Mit der Übergabe des Kassenrezepts durch den Versicherten an den Apotheker wird die Krankenkasse aber nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn die Abgabe des Arzneimittels den gesetzlichen Regelungen entspricht (§ 4 Abs 1 Satz 2 ALV). Zu diesen zählen auch die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes. Nach der Legaldefinition des § 4 Abs 17 AMG ist die Abgabe eine Form des Inverkehrbringens. Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder 2 Nr 1 AMG sind, dürfen indes gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 AMG im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder für sie die Kommission der EG oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs 1 oder 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22.7.1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl EG Nr L 214 S 1) erteilt hat. Ein so genanntes Verkehrsverbot besteht aber auch für zulassungsbedürftige Fertigarzneimittel, deren Zulassung ruht (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG). Das gilt unabhängig davon, ob das Ruhen durch die zuständige Bundesbehörde oder die nach Gemeinschaftsrecht maßgebende Stelle angeordnet worden ist. Arzneimittel, deren Zulassung ruht, dürfen zudem nicht in den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verbracht werden (§ 30 Abs 4 Satz 1 Nr 2 AMG).
Gemessen an diesen Regelungen durfte der Kläger das aus der Schweiz importierte Arzneimittel Tasmar nicht in den Verkehr bringen und damit nicht an den Versicherten abgeben. Das Arzneimittel Tasmar ist dazu bestimmt, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs 1 Nr 1 AMG). Da es im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird (§ 4 Abs 1 AMG), handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel im Sinne des § 21 Abs 1 Satz 1 AMG. Die ursprünglich nach Gemeinschaftsrecht erteilte Zulassung ruht seit dem 11.12.1998 in Folge einer für sämtliche Mitgliedstaaten der EG und damit auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Anordnung der Europäischen Kommission, so dass im Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung und der Abgabe des Medikaments ein Verkehrsverbot bestand. Das demnach mit § 30 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AMG nicht in Einklang stehende Inverkehrbringen durch den Kläger steht der Zahlungspflicht der Beklagten entgegen.
Die Ansicht des Klägers, er hätte das Arzneimittel nach § 73 Abs 3 AMG aus der Schweiz importieren und daher auch abgeben dürfen, vermag der Senat nicht zu teilen. Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen, dürfen nach § 73 Abs 1 Satz 1 AMG in der hier maßgebenden Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 26.7.1999 (BGBl I S 1666) in die Bundesrepublik Deutschland - ausgenommen in andere Zollfreigebiete als die Insel Helgoland - nur verbracht werden, wenn sie zum Verkehr im Inland zugelassen oder registriert oder von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind. Dieses Verbringungsverbot wird ausnahmsweise durch § 73 Abs 3 Satz 1 AMG für den Fall durchbrochen, dass nicht zugelassene Fertigarzneimittel in dem Staat in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in das Inland verbracht werden und von Apotheken bestellt sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein nach § 73 Abs 3 Satz 1 AMG verkehrsfähiges Arzneimittel dem Verkehrs- und Verbringungsverbot des § 30 Abs 4 Satz 1 AMG unterliegt und zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden kann (vgl hierzu LSG Nordrhein-Westfalen 13.3.2003 - L 5 KR 53/02; Hessisches LSG 28.2.2002 - L 14 KR 455/00) oder § 73 Abs 4 AMG die Regelung des § 30 Abs 4 Satz 1 AMG verdrängt. Der Senat braucht auch nicht die in der Rechtsprechung der Zivilgerichte umstrittene Frage zu entscheiden, ob die erlaubte Einzeleinfuhr von im Herkunftsland verkehrsfähigen Arzneimitteln eine Versorgungslücke im Inland voraussetzt (vgl hierzu Rehmann, Arzneimittelgesetz, § 73 RdNr 15 mit Rechtssprechungsnachweisen). Für die Anwendung des § 73 Abs 3 Satz 1 AMG ist jedenfalls dann kein Raum, wenn die Zulassung versagt wurde oder - wie hier - ruht. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Das in § 73 Abs 1 Satz 1 AMG normierte Verbringungsverbot soll sicherstellen, dass in Deutschland nur zugelassene Fertigarzneimittel in den Verkehr gelangen. Die Vorschrift entspricht der Zulassungspflicht in § 21 Abs 1 Satz 1 AMG für inländische Arzneimittel und dient dem Zweck, grundsätzlich bereits die Einfuhr von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittel zu verhindern (BGH 11.7.2002 - I ZR 34/01, BGHZ 151, 286, 297). Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs 3 Satz 1 AMG zielt nicht darauf ab, einem Apotheker bei jedem nicht zugelassenen Arzneimittel eine Einzeleinfuhr zu ermöglichen. Ansonsten könnte - worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat - das für nicht zugelassene Arzneimittel bestehende Verkehrs- und Verbringungsverbot über den Weg der Apothekeneinfuhr umgangen werden mit der Folge, dass die arzneimittelrechtliche Zulassungspflicht ins Leere ginge. Die Apotheken sollen vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen nicht gehindert sein, Arzneimittel einzuführen, über deren Zulassung noch nicht entschieden ist. Damit scheidet der Import von Fertigarzneimitteln aus, sobald die Zulassung für das Inland versagt oder nachträglich deren Ruhen angeordnet wurde.
Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte hätte die Kosten des Arzneimittels Tasmar anfänglich übernommen und von den Vertragsmaßnahmen des § 6 ALV Gebrauch machen müssen, vermag deren Leistungspflicht nicht zu begründen. Aus einer zu Unrecht gewährten Vergütung lässt sich ein Zahlungsanspruch nicht herleiten. Dass die Beklagte im Falle einer gesetzeswidrigen und gegen den Arzneilieferungsvertrag verstoßenden Arzneimittelabgabe gehalten wäre, den betroffenen Apotheker vor einer Retaxierung zunächst zu verwarnen, ist der vertraglichen Vereinbarung nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung.
Die Revision wird nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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