L 5 KR 40/05

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 5 KR 90/04 Tr
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 40/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege zum Zwecke der Medikamentengabe ist nicht davon abhängig, dass es sich bei dem zu verabreichenden Medikament um ein zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähiges Medikament handelt (hier: nicht verschreibungspflichtige Augensalbe).
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 02.02.2005 wie folgt abgeändert: Der Bescheid der Beklagten vom 21.4.2004 in der Gestalt der Bescheide vom 29.4.2004 und des Widerspruchsbescheids vom 23.6.2004 wird aufgehoben, soweit die Beklagte die Gewährung von häuslicher Krankenpflege zum Zwecke der Verabreichung von Augensalbe für die Zeit vom 01.05. bis 30.6.2004 abgelehnt hat. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege in der Zeit vom 01.05. bis 30.6.2004 in Höhe von 355,74 EUR freizustellen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch im Beru-fungsverfahren zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, häusliche Krankenpflege zur Verabrei-chung eines von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossenen Arzneimit-tels (Bepanthen- bzw. Pan-Ophtal-Augensalbe) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren und die Klägerin von den angefallenen Kosten in Höhe von 355,74 EUR freizustellen.
Die 1917 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im April 2004 verordnete der behandelnde Augenarzt bei der Diagnose Dementia senilis, Zu-stand nach Basaliom-Entfernung links, Verdacht auf Basaliom links, auf dem Mus-terformblatt häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 14.4. bis 30.6.2004 zur Ver-abreichung von Bepanthen-Augensalbe. Die allein im eigenen Haushalt lebende Klägerin beantragte bei der Beklagten die Genehmigung der verordneten häusli-chen Krankenpflege. Mit Bescheid vom 21.4.2004 bewilligte die Beklagte die Leis-tung für die zurückliegende Zeit bis 21.4.2004 und lehnte die darüber hinausge-hende Gewährung häuslicher Krankenpflege ab, weil diese zum Zwecke der Me-dikamentengabe nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ge-währt werden dürfe, wenn das zu verabreichende Medikament als solches im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sei. Bei der zu ver-abreichenden Augensalbe handele es sich um ein nicht - auch nicht im Rahmen einer Ausnahmeindikation - zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ver-ordnungsfähiges Arzneimittel, weshalb auch kein Anspruch auf häusliche Kran-kenpflege zur Verabreichung dieses Medikaments bestehe. Gegen diesen Be-scheid legte die Klägerin am 23.4.2004 Widerspruch ein. Der behandelnde Arzt verordnete am 22.4.2004 erneut häusliche Krankenpflege zur Verabreichung von Bepanthen-Augensalbe für die Zeit vom 21.4. bis 30.6.2004 und am 26.4.2004 nochmals für die Zeit 26.4. bis 30.6.2004, nunmehr - wegen Änderung des Thera-pieplans - zur Verabreichung von Pan Ophtal-Augensalbe. Mit zwei gesonderten Bescheiden vom 29.4.2004 bewilligte die Beklagte die Krankenpflege für die Zeit vom 22.4. bis 25.4.2004 und für die Zeit vom 26.4.2004 bis 29.4.2004 und lehnte eine darüber hinausgehende Leistung ab, weil es sich auch bei den Augensalben nicht um ein verordnungsfähiges Medikament handele. Den gegen den Bescheid vom 21.4.2004 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Wi-derspruchsbescheids vom 23.6.2004 zurück.
Auf die hiergegen von der Klägerin am 20.7.2004 erhobene Klage hat das Sozial-gericht Trier mit Urteil vom 2.2.2005 den Bescheid der Beklagten vom 21.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.6.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Verabreichung von Bepanthen-Augensalbe im Rahmen der häuslichen Krankenpflege zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.
Gegen das ihr am 17.2.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.3.2005 Be-rufung eingelegt. Sie trägt vor, nach Nr. 26 des Verzeichnisses verordnungsfähi-ger Maßnahmen (Anlage zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V] vom 16.2.2000 [BAnz. Nr. 91 S. 8878, geändert durch Bekanntmachung vom 24.3.2003, BAnz. Nr. 123 S. 14486], im Folgenden: Krankenpflege-Richtlinien), denen die Qualität einer Rechtsnorm zukomme, sei häusliche Krankenpflege zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse zum Zwecke der Medikamentengabe nur zulässig, wenn es sich um das Verabreichen von "ärztlich verordneten" Medika-menten handle. Ärztlich verordnet sei ein Medikament nur dann, wenn es sich um ein im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nach § 31 SGB V verordnungs-fähiges Medikament handle und der Vertragsarzt das Medikament auf Kassenre-zept verordnet habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 2.2.2005 aufzuheben und die Klage abzu-weisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Zwar sei die Augensalbe unstrei-tig nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Der behandelnde Augenarzt habe ihr die Augensalbe regelmäßig privatärztlich verord-net. Dies stehe aber ihrem Anspruch auf häusliche Krankenpflege zum Zwecke der Verabreichung dieses Medikaments nicht entgegen. Anderenfalls dürfte die Beklagte auch die ärztliche Untersuchung und Behandlung, die zur Verordnung der Augensalbe geführt habe, nicht übernehmen. Nach einer Veröffentlichung der Ärztezeitung vom 3.11.2004 (Blatt 14 der Gerichtsakte) teile auch das Bundesge-sundheitsministerium ihre Auffassung.
Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, die zur Verabreichung der Au-gensalbe erforderliche häusliche Krankenpflege sei von der örtlichen Caritas-Sozialstation bis März 2005 durchgeführt worden, offen seien noch die Kosten für Mai 2004 bis März 2005 in Höhe von insgesamt 1846,32 EUR. Wegen Mittellosigkeit habe sie die Rechnung bisher nicht begleichen können. In der mündlichen Ver-handlung hat die Klägerin ihren Klageantrag auf Freistellung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für die Zeit bis Juni 2004 in Höhe von 355,74 EUR be-schränkt. Die Beklagte hat sich verpflichtet, die weitergehenden Kosten entspre-chend dem Ausgang dieses Rechtsstreits ggf. zu übernehmen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf die Ge-richtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf häusliche Krankenpflege zur Verabrei-chung der Augensalbe bejaht. Allerdings war der Tenor des erstinstanzlichen Ur-teils abzuändern.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht allein der Ausgangsbescheid der Beklagten vom 21.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.6.2004. Viel-mehr sind auch die zwei Bescheide der Beklagten vom 29.4.2004, mit denen die Beklagte häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 22.4. bis 25.4.2004 sowie für die Zeit vom 26.4. bis 29.4.2004 bewilligte und einen weitergehenden Leistungs-anspruch verneinte, gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, denn diese während des Vorverfahrens ergangenen Be-scheide änderten den Ausgangsbescheid insoweit ab, als häusliche Krankenpfle-ge jeweils für weitere Zeiträume gewährt wurde. Darüber hinaus waren die ange-fochtenen Bescheide der Beklagten nicht vollständig aufzuheben, sondern ledig-lich insoweit, als die Beklagte eine Leistungspflicht verneint hat. Die im Ausgangs-bescheid enthaltene Bewilligung der häuslichen Krankenpflege begünstigt die Klä-gerin. Ihr auf vollständige Aufhebung dieses Bescheids gerichteter Antrag ist da-her dahin auszulegen, dass eine Aufhebung lediglich insoweit beantragt wird, als die beantragte Leistung abgelehnt wurde.
Darüber hinaus ist der Tenor des erstinstanzlichen Urteils dahin abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Kranken-pflege zur Verabreichung von Augensalbe in der Zeit vom 1.5. bis 30.6.2004 in Höhe von 355,74 EUR freizustellen. Die Klägerin hat erstinstanzlich zwar einen An-trag auf Kostenübernahme gestellt. Soweit die begehrte Leistung bereits erbracht, von der Klägerin aber noch nicht bezahlt worden war, hätte das Sozialgericht dar-auf hinwirken müssen, dass die Klägerin einen bezifferten Klageantrag auf Frei-stellung von der Forderung stellt (vgl. BSG 17.3.2005 - B 3 KR 35/04 R, juris Rn. 13). Da die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden die Kosten der Leistung bis 29.4.2004 übernommen hat, und weitere Kosten erst ab Mai 2004 angefallen sind, war die Beklagte zur Freistellung der Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege zum Zwecke der Verabreichung von Augensalbe ledig-lich für die Zeit vom 1.5. bis 30.6.2004 in Höhe von 355,74 EUR zu verurteilen. Die im Tenor des erstinstanzlichen Urteils ausgesprochene Verurteilung zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege (als Sachleistung) hätte allenfalls Wirkung für die Zukunft und trägt dem Begehren der Klägerin auf Freistellung von den Kosten der bereits erbrachten Leistung nicht Rechnung. Nachdem die Klägerin in der mündli-chen Verhandlung vor dem Senat ihre Klage auf die Zeit bis Juni 2004 beschränkt hat, sind die nach diesem Zeitraum entstandenen Kosten nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
In der Sache hat die Klägerin Anspruch auf Freistellung von den Kosten der häus-lichen Krankenpflege zum Zwecke der Verabreichung der verordneten Augensal-ben auch für den Zeitraum von Mai bis Juni 2004 in Höhe von 355,74 EUR. Die Vor-aussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V für einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten sind erfüllt, denn die Beklagte hat die Gewährung der Leistung zu Unrecht abgelehnt. Insoweit hat das Sozialgericht einen Leistungsanspruch der Klägerin zu Recht bejaht.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (sog. Behandlungssicherungspflege). Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leis-tungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung. Zur Behand-lungssicherungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine be-stimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, BSG 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 R, juris Rn. 14 m.w.N.). Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, u.a. auch die Medikamentengabe (BSG a.a.O.). Zur Behandlungspflege in Form der Medikamentengabe zählt auch die Einreibung mit einer Salbe (BSG 30.3.2000 - B 3 KR 23/99 R, juris Rn. 14; s.a. Nr. 26 der Anlage zu den Kranken-pflege-Richtlinien).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der in der ärztlichen Verordnung angegeben Diagnose (Zustand nach Basaliom-Entfernung), dass die Verabreichung der Au-gensalbe keine allgemeine Pflegemaßnahme, sondern eine speziell auf den Krankheitszustand der Klägerin ausgerichtete Maßnahme der Krankenbehandlung war. Die ärztliche Verordnung der häuslichen Krankenpflege zum Zwecke der Verabreichung der Bepanthen-Augensalbe belegt auch deren Erforderlichkeit zur Sicherung des Behandlungserfolgs (BSG a.a.O. Rn. 15).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht Voraussetzung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege, dass das zu verabreichende Medikament zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig ist. Dabei kann dahinste-hen, ob - wie die Beklagte meint - durch Nr. I.3. Satz 1 und 2 die Krankenpflege-Richtlinien in Verbindung mit Nr. 26 der Anlage zu diesen Richtlinien die Verord-nung häuslicher Krankenpflege zum Zwecke der Medikamentengabe nur zum Richten und Verabreichen von auf Kassenrezept verordneten Medikamenten zu-gelassen ist. Diese Einschränkung ergibt sich bereits nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Nr. 26 der Anlage zu den Krankenpflege-Richtlinien, denn hierin ist nur die Rede von "ärztlich" verordneten Medikamenten. Eine Unterscheidung da-nach, ob die ärztliche Verordnung auf Privatrezept oder auf Kassenrezept erfolgt ist oder eine Beschränkung auf Medikamente, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sind, ergibt sich aus dem Richtlinientext nicht. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Begriff "ärztlich ver-ordnet" auch nicht generell mit dem Begriff "auf Kassenrezept verordnet" gleichzu-setzen. Nach Nr. 4 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien - AMR) setzt die Versor-gung mit Arzneimitteln im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung eine Arz-neimittelverordnung des Vertragsarztes voraus. Allerdings stellt nicht jede Arznei-mittelverordnung eines Vertragsarztes eine Verordnung zu Lasten der gesetzli-chen Krankenversicherung dar. Die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversiche-rung verordnungsfähigen Arzneimittel hat der Arzt vielmehr "auf Kassenrezept" zu verordnen (Nr. 9 Satz 1 AMR). Andererseits "soll" der Vertragsarzt nicht verschrei-bungspflichtige Arzneimittel (um die es hier geht und die gemäß § 34 Abs. 1 SGB V nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen) zu Lasten der Versicherten verordnen, wenn sie zur Behandlung einer Er-krankung medizinisch notwendig, zweckmäßig und ausreichend sind (Nr. 16.8 Satz 2 AMR).
Hieraus ergibt sich, dass im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ein-schließlich der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durchaus zwi-schen "ärztlich" verordneten Medikamenten und zu Lasten der gesetzlichen Kran-kenversicherung "auf Kassenrezept" verordneten Medikamenten unterschieden wird. Soweit daher in den Krankenpflege-Richtlinien lediglich von "ärztlich verord-neten" Medikamenten die Rede ist, bedeutet das nicht, dass hiermit nur vertrags-ärztlich "auf Kassenrezept" zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ver-ordnete Medikamente gemeint sein könnten. Vielmehr können auch (auf Privatre-zept) verordnete Medikamente erfasst sein, sofern nur die häusliche Krankenpfle-ge als solche vom Vertragsarzt zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wurde.
Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung wäre, stünde dies dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Zwar handelt es sich bei den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V um untergesetzliche Normen, die auch innerhalb des Leistungs-rechts zu beachten sind; ein Ausschluss der im Einzelfall gebotenen krankenpfle-gerischen Maßnahme aus dem Katalog der verordnungsfähigen Leistungen würde aber gegen höherrangiges Gesetzesrecht des § 37 SGB V verstoßen und würde die Gerichte deshalb nicht binden (BSG 10.11.2005 - B 3 KR 38/04 R, juris Rn. 18 f. m.w.N.). Aus § 37 SGB V ergibt sich die besagte Beschränkung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf die Verabreichung verschreibungspflichtiger Arz-neimittel nicht. Denn nach dem Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 2 SGB V ist Vor-aussetzung für den Anspruch auf häusliche Behandlungssicherungspflege nur, dass diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die Verordnungsfähigkeit der im Rahmen der Behandlungspflege durchzuführenden Maßnahmen wird nicht vorausgesetzt.
Wenn der Gesetzgeber die Verabreichung nicht verschreibungspflichtiger Arznei-mittel aus dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege hätte ausklammern wollen, hätte dies einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Denn auch den Ausschluss der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel selbst aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Gesetzgeber in § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich geregelt. Wenn er diesen Ausschluss auch auf den Bereich der häuslichen Krankenpflege hätte erstrecken wollen, wäre schon aus systemati-schen Gründen eine entsprechende ausdrückliche Regelung erforderlich gewe-sen.
Auch Sinn und Zweck der Regelung über den Ausschluss nicht verschreibungs-pflichtiger Arzneimittel rechtfertigen nicht die entsprechende Beschränkung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimit-tel wurden aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausge-nommen, weil es sich um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnitt-lich weniger als 11 EUR je Packung handelte, so dass die Herausnahme aus der Leistungspflicht für den Versicherten sozial vertretbar war (Amtliche Begründung zum Entwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes - GMG, BT-Drucks. 15/1525 S. 86). Grund für die die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht waren also nicht etwa Zweifel an deren medizinischer Wirksamkeit oder deren Wirtschaftlichkeit, die denknotwendig auch Zweifel an der Notwendigkeit häusli-cher Krankenpflege zur Verabreichung solcher Arzneimittel begründen könnten. Maßgeblich für den Ausschluss von der Leistungspflicht war vielmehr allein die soziale Vertretbarkeit einer Selbstzahlungspflicht des Versicherten für diese Arz-neimittel. Diese soziale Vertretbarkeit erstreckt sich jedoch nicht auf die Verabrei-chung solcher Arzneimittel im Rahmen der häuslichen Krankenpflege. Denn der finanzielle Aufwand für die Verabreichung von Arzneimitteln ist nicht von den Kos-ten des Arzneimittels abhängig. Der Ausschluss der Verabreichung nicht ver-schreibungspflichtiger Arzneimittel aus der häuslichen Krankenpflege lässt sich daher nicht mit dem Ausschluss des Arzneimittels selbst aus der Leistungspflicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beru-fung der Beklagten in der Sache keinen Erfolg hat.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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