L 4 R 276/08

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 16 R 860/07
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 R 276/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Schreiben, in dem der Rentenversicherungsträger im Streit über die Anrechnung einer ausländischen (hier: rumänischen) Rente nach § 31 FRG mitteilt, hierüber werde entschieden, wenn der rumänische Versicherungsträger bzw. die Klägerin über den rumänischen Rentenanspruch und die Rentenhöhe informiert habe, ist nicht anfechtbar. Auch eine sog. vorbeugende Feststellungsklage ist insoweit unzulässig.
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 25.06.2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Fiktivabzug gemäß § 31 Fremdrentengesetz (FRG) auf die Altersrente der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Die im Jahr 1943 geborene Klägerin stammt aus Rumänien, wo sie rentenversicherungspflichtig als Arbeiterin gearbeitet hatte. Seit dem 21.08.1990 lebt sie in der Bundesrepublik Deutschland, wo sie ebenfalls versicherungspflichtig tätig war. Im August 2006 beantragte sie Altersrente, die mit Bescheid vom 26.09.2006 ab dem 01.11.2006 bewilligt wurde.

Antragsgemäß bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 10.10.2006, dass bis auf Weiteres keine Leistungsfeststellung in Rumänien betrieben werde. Die Beklagte gewährte der Klägerin die beantragte Altersrente und übersandte den Rentenantrag an die rumänische Rentenversicherungsanstalt CNPAS mit dem Hinweis, dass die Klägerin ausdrücklich erklärt habe, dass die Feststellung der rumänischen Altersrente aufgeschoben werden soll. Die Klägerin beantragte daraufhin bei der Beklagten die verbindliche Feststellung, dass ein Fiktivabzug von ihrer Rente gemäß § 31 FRG wegen einer rumänischen Rente nicht erfolge.

Mit Schreiben vom 30.03.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass § 31 Abs. 1 FRG grundsätzlich auch dann anzuwenden sei, wenn nach Artikel 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Verordnung 1408/71 EWG beantragt werde, die Feststellung der nach rumänischem Recht erworbenen Ansprüche auch Leistungen bei Alter aufzuschieben. Voraussetzung hierfür sei ein für die Anwendung des § 31 Abs. 1 FRG realisierbarer Anspruch auf eine rumänische Altersrente. Ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid wegen der Anrechnung nach § 31 FRG könne noch nicht erteilt werden, weil noch nicht feststehe, welcher Betrag anzurechnen sei. Über die Anrechnung nach § 31 FRG werde entschieden, wenn der rumänische Versicherungsträger bzw. die Klägerin über den rumänischen Rentenanspruch und die Rentenhöhe informiert habe. Falls die Klägerin den Aufschubantrag nicht zurücknehme, sei über die Anrechnung eines "fiktiven" Betrages zu entscheiden, worüber eine Abstimmung mit dem rumänischen Versicherungsträger erforderlich sei, so dass derzeit noch keine Angaben gemacht werden könnten.

Gegen das Schreiben vom 30.03.2007 legte die Klägerin Widerspruch ein. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2007 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, da es sich bei der Mitteilung vom 30.03.2007 lediglich um ein Informationsschreiben gehandelt habe, das eine mögliche künftige Entscheidung darstelle und daher mangels unmittelbarer Rechtswirkung keinen Verwaltungsakt darstelle.

Die hiergegen vor dem Sozialgericht Speyer erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 25.06.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle bereits an der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungs- bzw. der vorbeugenden Unterlassungsklage. Die Klägerin sei darauf zu verweisen, nach Erlass eines Bescheides nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Wegen der Subsidiarität gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage mangele es an der Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Es sei auch nicht dargelegt, dass durch die Entscheidung der Beklagten die Verwirklichung eines Rechts der Klägerin vereitelt werde. Die Vorschrift des § 31 Abs. 1 FRG, wonach die Rente nach deutschem Recht insoweit ruhe, als eine Rente nach fremdem Recht unter Berücksichtigung der angerechneten Zeiten gewährt werde, diene der Vermeidung von Doppelleistungen. Das Ruhen trete bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich kraft Gesetzes ein und sei nicht vom Tätigwerden des Versicherungsträgers abhängig.

Am 31.07.2008 hat die Klägerin gegen das ihr am 03.07.2008 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt vor,
es sei bislang kein Fall bekannt, in welchem aus Rumänien eine Leistung nach Deutschland in Euro erfolgt wäre. Vielmehr würden rumänische Renten nur auf ein in Rumänien angelegtes Konto erfolgen. Wenn dann Betroffene auf das EU-rechtliche gewährte Dispositionsrecht aus Artikel 44 der Verordnung 1408/71 EWG verzichteten und das Verfahren in Rumänien durchführen ließen, erfolge etwa nicht eine Rentenzahlung nach Deutschland, sondern in jüngster Zeit nur die Übermittlung vieler fremdsprachiger Anfragen und Formulare. Die Nutzung des Dispositionsrechts erfolge also keinesfalls missbräuchlich, sondern weil damit für Rentner, die nach dem Vertreibungsschicksal seit Jahrzehnten in Deutschland leben würden und weder die rumänische Sprache noch die dortigen Gepflogenheiten kennen würde, kaum überwindbare Hindernisse zu vermeiden seien. Selbst die Rententräger gingen im Ergebnis davon aus, dass die Leistung in Rumänien kein gleichwertiger Ersatz für die FRG-Rentenanteile seien. In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bestehe keine Rechtsgrundlage für Kürzungen der Rente.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Speyer vom 25.06.2006 aufzuheben und festzustellen, dass von der mit Bescheid vom 27.09.2006 festgestellten Altersrente der Klägerin der Abzug eine hypothetischen, nicht gezahlten Rente aus Rumänien gemäß § 31 FRG nicht zulässig sei.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,
grundsätzlich sei die Anrechnung einer rumänischen Rente ohne tatsächlichen Bezug gemäß § 31 FRG rechtmäßig und entspreche der Auslegung dieser Bestimmung. Das von der Klägerin angefochtene Schreiben vom 30.03.2007 stelle keinen Verwaltungsakt dar, sondern nur die zukünftige Anrechnung einer rumänischen Rente in Aussicht.

Die Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage lägen ebenfalls nicht vor, da kein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse der Klägerin bestehe, die auf eine nachträgliche Rechtsschutzmöglichkeit zu verweisen sei.

Die Klägerin habe ihr Recht auf Leistung einer rumänischen Rente mittels des Aufschubs nach Artikel 44 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung 1408/71 EWG nicht in Anspruch genommen. Die Aussicht auf Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente sei Resultat dieser Vorgehensweise der Klägerin und entspreche einer Auslegung des § 31 FRG, auch wenn der Fiktivabzug im Wortlaut des § 31 FRG keine Erwähnung finde. Im Rahmen der Sozialversicherungsabkommen bzw. des Europäischen Gemeinschaftsrechts sei es der Klägerin zuzumuten, die ihr zustehenden ausländischen Rentenbeträge zu realisieren, um damit die in § 31 FRG vorgesehene Entlastung der Deutschen Rentenversicherung zu ermöglichen. Würden die Berechtigten trotz der entsprechenden Möglichkeit ihre ausländischen Rentenleistungen nicht realisieren, seien die deutschen Rentenversicherungsträger deshalb berechtigt, die FRG-Leistungen entsprechend § 31 FRG auf den Umfang zu beschränken, der den Berechtigten bei Erhalt der zustehenden originären und insoweit vorrangigen ausländischen Renten verbleiben würden.

Gründe, die gegen eine Realisierung der rumänischen Rentenansprüche sprechen könnten, seien nicht vorgebracht und auch nicht ersichtlich. Insbesondere würden den FRG-Berechtigten durch die Inanspruchnahme der ausländische Rente und Anrechnung nach § 31 FRG keine Nachteile entstehen, weil die deutsche Rente maximal um den Betrag des auf die deckungsgleichen Zeiten entfallenden Teils der ausländischen Rente gemindert werde.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich zugestimmt.

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: ) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet, da das Sozialgericht die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen hat.

1. In ihrem Schreiben vom 30.03.2007 hat die Beklagte keine Regelung eines Einzelfalles getroffen. Sie hat nicht aufgrund eines konkreten Sachverhaltes bestimmt, was zwischen ihr und der Klägerin "rechtens" sein soll. Vielmehr hat sie abstrakt ihre Rechtsauffassung zur Auslegung des § 31 FRG und Anrechnung einer möglichen Rente des rumänischen Versicherungsträgers dargelegt. Es handelt sich demnach um ein reines Hinweisschreiben, in welchem lediglich eine rechtliche Regelung i.S.d. § 31 SGB X angekündigt wurde. Daher ist die Klage als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) unzulässig.

2. Aber auch als sog. "vorbeugende Feststellungsklage ist sie unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

Zulässigkeitsvoraussetzung einer Feststellungsklage ist zunächst, dass der Kläger seine Rechte nicht mit der Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann. Für die Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage fehlt zudem das Feststellungsinteresse (§ 55 Abs. 1 SGG) und damit das Rechtsschutzbedürfnis, wenn es dem Betroffenen zumutbar ist, zunächst die Entscheidung der Behörde abzuwarten (BSG, NJW 1992, 1717, 1718). Ist Gegenstand der Feststellungsklage die Frage, ob der Beklagte berechtigt ist, in einem zukünftigen Verwaltungsakt bestimmte Regelungen zu treffen, ist deshalb ein qualifiziertes, d.h. gerade auf Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes, Rechtsschutzinteresse erforderlich. Ein solches setzt voraus, dass ein besonders schützenswertes Interesse an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, weil ein Zuwarten zu nicht ohne Weiteres revidierbaren Nachteilen führen würde (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 55 Rdn. 8c).

Daran fehlt es hier. Denn über die Frage, ob und in welcher Höhe die Beklagte nach § 31 FRG eine Rente oder fiktive Rente des rumänischen Versicherungsträgers auf die geleistete Altersrente anrechnen kann und damit den derzeit geleisteten Zahlbetrag der Rente kürzen würde, wird die Beklagte ggf. durch einen eigenen Verwaltungsakt entscheiden. Falls die Beklagte trotz der entgegenstehenden Rechtsansicht insbesondere des Bayerischen LSG (Beschluss vom 02.07.2008, Az.: L 14 B 469/08 ER) einen die Klägerin belastenden Verwaltungsakt erteilen wird, ist es ihr möglich und zuzumuten, hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Denn dies stellt den Regelfall des Rechtsschutzes gegen belastende Verwaltungsakte dar. Ein besonders schützenswertes Interesse hat die Klägerin nicht dargetan.

Da das Sozialgericht die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen hat, kommt es auf die Begründetheit der sozialgerichtlichen Klage nicht mehr an. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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