L 5 KA 38/09 B ER

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 KA 117/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 38/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das von einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung gegen eines ihrer Mitglieder verhängte Hausverbot ist öffentlich-rechtlicher Natur; für die Anfechtung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (BSG 01.04.2009 - B 14 SF 1/08 R Rn. 11).
2. Bei dem Hausverbot handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der Widerspruch hiergegen hat aufschiebende Wirkung.
3. Bei der Anweisung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung an ein Mitglied, nur über einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt mit ihr Kontakt aufzunehmen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der Widerspruch hiergegen hat aufschiebende Wirkung.
1. Der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 30.07.2009 zu Nrn 1 und 2 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Widersprüche des Antragstellers gegen das gegen ihn von der Antragsgegnerin am 16.09.2008 verhängte unbefristete Hausverbot und die am 30.09.2008 ausgesprochene Verpflichtung, Telefonate und Korrespondenz ausschließlich an den von der Antragsgegnerin beauftragten Rechtsanwalt L zu richten, aufschiebende Wirkung haben.

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Vollzug beider Maßnahmen umgehend zu beenden.

4. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Antrags und Beschwerdeverfahrens.

5. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen ein von der Antragsgegnerin verhängtes Hausverbot sowie die ihm auferlegte Verpflichtung, nur noch mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu korrespondieren.

Der Antragsteller nimmt an der vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der Antragsgegnerin teil, deren Mitglied er ist. Über sein Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, jedenfalls seit dem 01.04.2009 liegt aufgrund Erklärung des Insolvenzverwalters mit Zustimmung der Gläubigerversammlung eine freigabeähnliche Erklärung nach § 35 Abs 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) vor, dass das Vermögen des Antragstellers aus der selbständigen Tätigkeit als Zahnarzt nicht mehr zur Insolvenzmasse gehört. Insbesondere wegen der Auszahlung des vertragszahnärztlichen Honorars des Antragstellers bestehen seither wie bereits in der Vergangenheit andauernde Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin. Zu einem persönlichen Gespräch mit dem Antragsteller waren die Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin nach seinen Angaben nicht bereit. Bezugnehmend auf eine Äußerung des Antragstellers am 16.09.2008, er werde am 17.09.2008 das K Zahnärztehaus aufsuchen "und gnade Gott, Herr Dr. R ist nicht im Zahnärztehaus" erteilte ihm der Vorstand der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16.09.2008 ein unbefristetes Hausverbot für das K Zahnärztehaus sowie die weiteren Geschäftsräume der Antragsgegnerin. Des Weiteren teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter dem 30.09.2008 mit, sie habe Herrn Rechtsanwalt L beauftragt, sämtliche Kontakte und Korrespondenz mit ihm (dem Antragsteller) abzuwickeln, die Mitarbeiter der Antragsgegnerin seien angewiesen, den Antragsteller in Telefonaten darauf hinzuweisen, dass nur mit Herrn Rechtsanwalt L zu korrespondieren sei.

Der Antragsteller wandte sich nachfolgend mehrfach erfolglos gegen beide Maßnahmen, in denen er eine Diskriminierung und Ausgrenzung seiner Person sieht.

Am 08.06.2009 hat er beim Sozialgericht Mainz (SG) in der Hauptsache Untätigkeitsklage gegen die Antragsgegnerin erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Hausverbot und das Telefonverbot mit Mitarbeitern der Antragsgegnerin und die Verweisung an einen externen Rechtsanwalt ersucht. Das SG hat durch Beschluss vom 30.07.2009 den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die von der Antragsgegnerin geäußerten Zweifel an der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit begründet seien, denn jedenfalls erweise sich die gegen den Antragsteller getroffene Maßnahme von der Sache her als begründet, wie sich schon aus dem vom Antragsteller vorgelegten Schriftverkehr ergebe.

Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 10.08.2009 Beschwerde eingelegt. Der Senat hat mit Hinweisschreiben vom 19.08.2009 dargelegt, dass die sinngemäß vom Antragsteller gegen die formlosen Bescheide vom 16.09.2008 und 30.09.2008 erhobenen Widersprüche nach § 86a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung entfalten dürften. Der Antragsteller hat daraufhin sein Begehren darauf gerichtet, dass die aufschiebende Wirkung seiner Widersprüche gerichtlich festzustellen sei und die faktische Vollziehung der Maßnahmen rückgängig zu machen sei. Er hat ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 01.09.2009 vorgelegt, in dem diese auf die in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgten Mitteilungen verweist, dass alle rechtlichen Angelegenheiten über den Rechtsanwalt L abzuwickeln seien und lediglich Anfragen, die über die Kanzlei L liefen, Aussicht hätten, beantwortet zu werden.

Die Antragsgegnerin hat dargelegt, ihr Schreiben vom 30.09.2008 enthalte keine Regelung, da der Antragsteller lediglich gebeten worden sei, künftige Korrespondenz über den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu führen, das Schreiben enthalte kein Gebot oder Verbot, insbesondere sei es dem Antragsteller weiterhin freigestellt, dennoch mit der Antragsgegnerin zu korrespondieren. Das im Schreiben vom 16.09.2008 ausgesprochene Hausverbot sei zivilrechtlicher Natur, da der Antragsteller keinen öffentlich rechtlichen Anspruch auf Betreten ihrer Geschäftsräume habe. Der bestimmungsgemäße Gebrauch der Geschäftsräume für den Antragsteller liege allein in der Teilnahme an freiwilligen kostenpflichtigen Lehrgängen und stelle sich damit als zivilrechtliches Besucherverhältnis dar. Ihr Schreiben vom 16.09.2008 verfüge auch weder über eine Rechtsmittelbelehrung noch über eine Anordnung der sofortigen Vollziehung, so dass schon aus der äußeren Form des Schreibens klar ersichtlich sei, dass sie, die Antragsgegnerin, sich nicht der Handlungsform eines Verwaltungsaktes bedienen wollte. Selbst wenn aber das ausgesprochene Hausverbot öffentlich rechtlichen Charakter habe, komme lediglich der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Betracht. Sollte es sich letztlich entgegen ihrer Auffassung bei dem ausgesprochenen Hausverbot doch um einen Verwaltungsakt handeln, werde die aufschiebende Wirkung eines hiergegen gerichteten Widerspruchs des Antragstellers nicht bestritten, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Entscheidung sei damit nicht ersichtlich.

II.

Die Beschwerde hat mit dem nach Hinweis des Senats vom Antragsteller weiterverfolgten Begehren in vollem Umfang Erfolg.

1. Das gegen den Antragsteller von der Antragsgegnerin am 16.09.2008 verhängte Hausverbot ist öffentlich rechtlicher Natur. Das Hausverbot durch einen öffentlich rechtlichen Verwaltungsträger hat nach der inzwischen ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dann öffentlich rechtlichen Charakter, wenn es dazu dient, (allgemein) die Erfüllung der staatlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude zu sichern bzw (konkret) die unbeeinträchtigte Wahrnehmung einer bestimmten staatlichen Sachkompetenz zu gewährleisten (BSG 01.04.2009 B 14 SF 1/08 R, juris Rn 11). Die Maßnahme kann dagegen nur im Ausnahmefall privatrechtlicher Natur sein, wenn die im Besitz oder Eigentum eines öffentlich rechtlichen Verwaltungsträgers stehenden Räumlichkeiten allein zu fiskalischen Zwecken genutzt werden. Daran gemessen liegt hier öffentlich rechtliches Handeln vor. Die Antragsgegnerin hat für die Erteilung des Hausverbotes im Schreiben vom 16.09.2008 auf eine von ihr so verstandene "Drohung" des Antragstellers Bezug genommen und damit der Sache nach den Zweck verfolgt, Störungen des Dienstbetriebes zu verhindern und Gefährdungen des ihr zugewiesenen Personals auszuschließen. Für diese öffentlich rechtliche Streitigkeit ist gemäß § 51 Abs 1 Nr 2 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Danach entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ua in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, wozu auch die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten/Zahnärzten einerseits und Kassenärztlichen/Kassenzahnärztlichen Vereinigungen andererseits gehören (Keller, in: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 51 Rn 15). Auch wenn es an einer ausdrücklichen geschriebenen Ermächtigungsgrundlage für die Erteilung von Hausverboten oder sonstigen Ordnungsmaßnahmen fehlt, ist aufgrund des Sachzusammenhangs zwischen dem Hausverbot bzw der sonstigen Ordnungsmaßnahmen und den von der Kassenärztlichen bzw Kassenzahnärztlichen Vereinigung wahrzunehmenden Sachaufgaben die Zuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit anzunehmen (vgl hierzu BSG 01.04.2009 aaO, juris 16 f).

Trotz seiner Einkleidung in ein formloses Schreiben handelt es sich bei dem vom Vorstand der Antragsgegnerin am 16.09.2008 ausgesprochenen unbefristeten Hausverbot mithin um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), gegen den der Antragsteller jedenfalls sinngemäß Widerspruch erhoben hat. Dass diesem Widerspruch bei unterbliebener Anordnung des Sofortvollzugs (§ 86a Abs 2 Nr 5 SGG) gemäß § 86a Abs 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung zukommt, hat die Antragsgegnerin eingeräumt, sofern entgegen der von ihr vertretenen Auffassung ein Verwaltungsakt angenommen würde. Gleichwohl war vom Senat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen das Hausverbot in entsprechender Anwendung von § 86b Abs 1 SGG festzustellen und die Beendigung der Vollziehung des Bescheides anzuordnen, da die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung ausgehend von ihrer Rechtsauffassung nicht beachtet (vgl Keller aaO, § 86b Rn 15).

2. Entsprechendes gilt für die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.09.2009 verhängte weitere Ordnungsmaßnahme. Hierbei handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht um eine bloße Bitte an den Antragsteller, lediglich mit dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt in Kontakt zu treten. Vielmehr ist dem Antragsteller bedeutet worden, dass ausschließlich Anfragen an den beauftragten Rechtsanwalt bearbeitet würden, was sich insbesondere auch aus dem vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben der Antragsgegnerin vom 01.09.2009 ergibt, in dem es wörtlich heißt: "Ihnen dürfte ja nicht entgangen sein, dass lediglich Anfragen, die über die Kanzlei L laufen, Aussicht haben, beantwortet zu werden." Auch mit dieser Maßnahme wird bei vorläufiger Beurteilung der Sach und Rechtslage durch den Senat in das Rechtsverhältnis des Antragstellers als Mitglied der Antragsgegnerin belastend eingegriffen, so dass auch diese Maßnahme als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zu werten ist, der Widerspruch des Antragstellers hat mithin auch bezüglich der Anordnung vom 30.09.2009 gemäß § 86a Abs 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, was vom Senat in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 SGG festzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.

Der Streitwert war auf insgesamt 5.000,00 EUR festzusetzen.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundessozialgericht nicht gegeben, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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