Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 3 U 20/09
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 U 124/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Entscheidet eine Behörde über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund binnen drei Monaten seit seiner Einlegung nicht über den Widerspruch gegen einen Bescheid, ist eine Untätigkeitsklage zulässig. Die Behörde ist zur Entscheidung über den Widerspruch zu verurteilen, wenn sie eine Widerspruchsbescheidung ausdrücklich abgelehnt hat.
1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 04.02.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29.05.2008 zu entscheiden.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers für eine Untätigkeitsklage.
Der im Jahr 1955 geborene Kläger erlitt am 12.07.2007 im D Werk G einen Unfall, bei dem er sich eine Fraktur der Patella und eine Innenmeniskusläsion links zuzog. Die Beklagte zahlte dem Kläger zunächst während dessen Arbeitsunfähigkeit über seine Krankenkasse Verletztengeld und teilte dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 29.05.2008 mit, das Ereignis vom 12.07.2007 werde als Arbeitsunfall anerkannt.
Durch seinen damaligen Bevollmächtigten beantragte der Kläger im Juni 2008 Verletztenrente. Hierzu teilte die Beklagte mit Schreiben vom 13.06.2008 mit, eine Entscheidung über den Rentenanspruch sei derzeit nicht möglich, da hierzu eine Begutachtung des Klägers erforderlich sei. Mit Schreiben vom 21.08.2008 legte der Kläger über seinen jetzigen Bevollmächtigten Widerspruch gegen das Schreiben 29.05.2008 ein, da in diesem Schreiben weder konkrete Gesundheitsstörungen anerkannt noch Leistungen zugesprochen worden seien, obwohl die Arbeitsunfähigkeit wegen des Unfalls über die 26. Woche hinausreiche. Zugleich benannte der Kläger den Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. L als Gutachter. Dieser untersuchte den Kläger im Oktober 2008 und diagnostizierte als Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH:
Patellamehrfragmentfraktur links, nicht disloziert, konservativ behandelt, verbliebene Quadrizepsschwäche links,
Chondromalazie retropatellar 2. bis 3. gradig, der Trochlea zentral 2. gradig mit lt. Dr. S instabilen Knorpelanteilen, Z.n. Chondroplastik vom 25.01.2008.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Unfallrente ab und erkannte Unfallfolgen entsprechend dem Gutachten des Dr. L an. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31.01.2009 "vorsorglich" entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch ein. Zugleich wies er darauf hin, der Bescheid sei Bestandteil des laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 29.05.2008 geworden, so dass dieser Widerspruch nur "fürsorglich" erhoben werde.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.12.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 zurück und führte aus, der Bescheid vom 29.05.2008 sei nicht Gegenstand des hier beschiedenen Widerspruchs. Anspruch auf Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen und eine Rente habe der Kläger nicht. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Mainz erhoben (Az.: S 5 U 52/09).
Am 03.02.2009 hat der Kläger zudem vor dem Sozialgericht Mainz Untätigkeitsklage erhoben wegen der bis dahin nicht erfolgten Bescheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.05.2008 in der Gestalt des Bescheids vom 03.12.2008. Die Beklagte hat mitgeteilt, sie habe die Einlegung des Widerspruchs übersehen und betrachte den Widerspruch als durch den Bescheid vom 05.03.2009 als erledigt.
Die Klage das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2010 als unzulässig abgewiesen. Da der begehrte Widerspruchsbescheid inzwischen erlassen sei, bestehe für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Gegen den ihm am 16.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.05.2010 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor,
der Bescheid vom 03.12.2008 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 29.05.2008 geworden. Die Widerspruchseinlegung gegen den zweiten Bescheid sei nur wegen der dort unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung aus Gründen der Fürsorge erfolgt. Über den Widerspruch gegen den ersten Bescheid habe die Beklagte bislang nicht entschieden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 04.02.2010 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Mainz, auch über die Kosten des Rechtsstreits zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich zugestimmt.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf die beigezogene und den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage in Form einer sog. Bescheidungsklage, die nicht auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt, sondern auf bloße Bescheidung gerichtet ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nach § 88 Abs. 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Nach § 88 Abs. 2 iVm § 88 Abs. 1 SGG ist die Klage zulässig, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund binnen drei Monaten seit seiner Einlegung nicht entschieden worden ist. Es reicht aus, dass ein Antrag bzw. ein Widerspruch "sachlich nicht beschieden" ist (vgl. BSGE 72, 118, 120 = SozR 3 7833 § 6 Nr. 2). Der Ablauf der Wartefrist ist eine Prozessvoraussetzung und kann grundsätzlich nicht unterschritten werden (zu Ausnahmen: BSG, SozR 3 7833 § 6 BErzGG Nr. 2 mwN).Vorliegend hat der Kläger seine Untätigkeitsklage am 03.02.2009, also nach Ablauf von drei Monaten nach Einlegung des Widerspruchs am 12.06.2008, erhoben, so dass insoweit Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen.
§ 88 Abs. 1 SGG setzt weiter voraus, dass es an einem zureichenden Grund dafür fehlt, dass der streitige Antrag in angemessener Frist noch nicht beschieden ist. Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob es sich bei diesem Merkmal um eine weitere Prozessvoraussetzung handelt oder nicht (vgl. dazu: BSG, SozR 3 1500 § 88 Nr. 2 mwN). Denn im vorliegenden Fall liegt jedenfalls kein zureichender Grund dafür vor, dass die Beklagte den Antrag des Klägers noch nicht beschieden hat.
Ob ein zureichender Grund für eine bislang unterbliebene Bescheiderteilung vorliegt, ist allein nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der seit der Antragstellung verstrichenen Zeit zu beurteilen (vgl. dazu BSG, SozR 3 1500 § 88 Nr. 2). Im vorliegenden Fall fehlt es schon nach dem Vorbringen der Beklagten an einem zureichenden Grund dafür, dass über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.05.2008 bislang nicht entschieden wurde. Bei diesem Schreiben handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X), wovon auch die Beklagte selbst mittlerweile ausgeht, weil in diesem Schreiben die Anerkennung des Unfalls vom 12.07.2007 ausgesprochen wurde, also eine Entscheidung durch eine Behörde (die Beklagte) zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wurde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet war. Dass dieser Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ist unschädlich und führt lediglich zu einer längeren Rechtsbehelfsfrist. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger auch rechtzeitig Widerspruch eingelegt (Schreiben vom 12.06.2008), was der Beklagten nach ihrem Vorbringen vor dem Sozialgericht "schlicht entgangen" ist. Einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs kann sie, wie sie einräumt, nicht geltend machen.
Wie die Beklagte zudem einräumt, ist über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.05.2008 auch im Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 nicht entschieden worden. Vielmehr hat die Beklagte in diesem Widerspruchsbescheid ausdrücklich erklärt, Gegenstand des Verfahrens sei ausschließlich der Bescheid vom 03.12.2008, nicht derjenige vom 29.05.2008. Selbst wenn entsprechend der Rechtsansicht des Klägers der zweite Bescheid in das Widerspruchsverfahren gegen den ersten Bescheid einzubeziehen gewesen wäre (§ 86 SGG), was der Senat dahinstehen lässt, bewirkt diese Aussage im Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 eine selbständige Verfahrensregelung, dass eben keine Widerspruchsentscheidung getroffen werden solle. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Klägerin durch den Bescheid vom 29.05.2008 überhaupt beschwert, ob er widerspruchsbefugt ist. Dies sind Fragen, die die Zulässigkeit des Widerspruchs, nicht die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage betreffen. Auch unzulässige Widersprüche müssen grundsätzlich, von Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen, beschieden werden (vgl. BSG, SozR 4 1500 § 88 Nr. 1).
Der Berufung ist daher stattzugeben.
Gründe für eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Sozialgericht sieht der Senat nicht als gegeben an. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das Sozialgericht den Kläger über die Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers für eine Untätigkeitsklage.
Der im Jahr 1955 geborene Kläger erlitt am 12.07.2007 im D Werk G einen Unfall, bei dem er sich eine Fraktur der Patella und eine Innenmeniskusläsion links zuzog. Die Beklagte zahlte dem Kläger zunächst während dessen Arbeitsunfähigkeit über seine Krankenkasse Verletztengeld und teilte dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 29.05.2008 mit, das Ereignis vom 12.07.2007 werde als Arbeitsunfall anerkannt.
Durch seinen damaligen Bevollmächtigten beantragte der Kläger im Juni 2008 Verletztenrente. Hierzu teilte die Beklagte mit Schreiben vom 13.06.2008 mit, eine Entscheidung über den Rentenanspruch sei derzeit nicht möglich, da hierzu eine Begutachtung des Klägers erforderlich sei. Mit Schreiben vom 21.08.2008 legte der Kläger über seinen jetzigen Bevollmächtigten Widerspruch gegen das Schreiben 29.05.2008 ein, da in diesem Schreiben weder konkrete Gesundheitsstörungen anerkannt noch Leistungen zugesprochen worden seien, obwohl die Arbeitsunfähigkeit wegen des Unfalls über die 26. Woche hinausreiche. Zugleich benannte der Kläger den Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. L als Gutachter. Dieser untersuchte den Kläger im Oktober 2008 und diagnostizierte als Unfallfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 vH:
Patellamehrfragmentfraktur links, nicht disloziert, konservativ behandelt, verbliebene Quadrizepsschwäche links,
Chondromalazie retropatellar 2. bis 3. gradig, der Trochlea zentral 2. gradig mit lt. Dr. S instabilen Knorpelanteilen, Z.n. Chondroplastik vom 25.01.2008.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Unfallrente ab und erkannte Unfallfolgen entsprechend dem Gutachten des Dr. L an. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 31.01.2009 "vorsorglich" entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch ein. Zugleich wies er darauf hin, der Bescheid sei Bestandteil des laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 29.05.2008 geworden, so dass dieser Widerspruch nur "fürsorglich" erhoben werde.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.12.2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 zurück und führte aus, der Bescheid vom 29.05.2008 sei nicht Gegenstand des hier beschiedenen Widerspruchs. Anspruch auf Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen und eine Rente habe der Kläger nicht. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Mainz erhoben (Az.: S 5 U 52/09).
Am 03.02.2009 hat der Kläger zudem vor dem Sozialgericht Mainz Untätigkeitsklage erhoben wegen der bis dahin nicht erfolgten Bescheidung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.05.2008 in der Gestalt des Bescheids vom 03.12.2008. Die Beklagte hat mitgeteilt, sie habe die Einlegung des Widerspruchs übersehen und betrachte den Widerspruch als durch den Bescheid vom 05.03.2009 als erledigt.
Die Klage das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2010 als unzulässig abgewiesen. Da der begehrte Widerspruchsbescheid inzwischen erlassen sei, bestehe für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Gegen den ihm am 16.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.05.2010 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor,
der Bescheid vom 03.12.2008 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 29.05.2008 geworden. Die Widerspruchseinlegung gegen den zweiten Bescheid sei nur wegen der dort unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung aus Gründen der Fürsorge erfolgt. Über den Widerspruch gegen den ersten Bescheid habe die Beklagte bislang nicht entschieden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 04.02.2010 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Mainz, auch über die Kosten des Rechtsstreits zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und nimmt zur Begründung Bezug auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich zugestimmt.
Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf die beigezogene und den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage in Form einer sog. Bescheidungsklage, die nicht auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt, sondern auf bloße Bescheidung gerichtet ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nach § 88 Abs. 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Nach § 88 Abs. 2 iVm § 88 Abs. 1 SGG ist die Klage zulässig, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund binnen drei Monaten seit seiner Einlegung nicht entschieden worden ist. Es reicht aus, dass ein Antrag bzw. ein Widerspruch "sachlich nicht beschieden" ist (vgl. BSGE 72, 118, 120 = SozR 3 7833 § 6 Nr. 2). Der Ablauf der Wartefrist ist eine Prozessvoraussetzung und kann grundsätzlich nicht unterschritten werden (zu Ausnahmen: BSG, SozR 3 7833 § 6 BErzGG Nr. 2 mwN).Vorliegend hat der Kläger seine Untätigkeitsklage am 03.02.2009, also nach Ablauf von drei Monaten nach Einlegung des Widerspruchs am 12.06.2008, erhoben, so dass insoweit Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen.
§ 88 Abs. 1 SGG setzt weiter voraus, dass es an einem zureichenden Grund dafür fehlt, dass der streitige Antrag in angemessener Frist noch nicht beschieden ist. Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob es sich bei diesem Merkmal um eine weitere Prozessvoraussetzung handelt oder nicht (vgl. dazu: BSG, SozR 3 1500 § 88 Nr. 2 mwN). Denn im vorliegenden Fall liegt jedenfalls kein zureichender Grund dafür vor, dass die Beklagte den Antrag des Klägers noch nicht beschieden hat.
Ob ein zureichender Grund für eine bislang unterbliebene Bescheiderteilung vorliegt, ist allein nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der seit der Antragstellung verstrichenen Zeit zu beurteilen (vgl. dazu BSG, SozR 3 1500 § 88 Nr. 2). Im vorliegenden Fall fehlt es schon nach dem Vorbringen der Beklagten an einem zureichenden Grund dafür, dass über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.05.2008 bislang nicht entschieden wurde. Bei diesem Schreiben handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X), wovon auch die Beklagte selbst mittlerweile ausgeht, weil in diesem Schreiben die Anerkennung des Unfalls vom 12.07.2007 ausgesprochen wurde, also eine Entscheidung durch eine Behörde (die Beklagte) zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wurde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet war. Dass dieser Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ist unschädlich und führt lediglich zu einer längeren Rechtsbehelfsfrist. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger auch rechtzeitig Widerspruch eingelegt (Schreiben vom 12.06.2008), was der Beklagten nach ihrem Vorbringen vor dem Sozialgericht "schlicht entgangen" ist. Einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs kann sie, wie sie einräumt, nicht geltend machen.
Wie die Beklagte zudem einräumt, ist über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.05.2008 auch im Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 nicht entschieden worden. Vielmehr hat die Beklagte in diesem Widerspruchsbescheid ausdrücklich erklärt, Gegenstand des Verfahrens sei ausschließlich der Bescheid vom 03.12.2008, nicht derjenige vom 29.05.2008. Selbst wenn entsprechend der Rechtsansicht des Klägers der zweite Bescheid in das Widerspruchsverfahren gegen den ersten Bescheid einzubeziehen gewesen wäre (§ 86 SGG), was der Senat dahinstehen lässt, bewirkt diese Aussage im Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 eine selbständige Verfahrensregelung, dass eben keine Widerspruchsentscheidung getroffen werden solle. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Klägerin durch den Bescheid vom 29.05.2008 überhaupt beschwert, ob er widerspruchsbefugt ist. Dies sind Fragen, die die Zulässigkeit des Widerspruchs, nicht die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage betreffen. Auch unzulässige Widersprüche müssen grundsätzlich, von Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen, beschieden werden (vgl. BSG, SozR 4 1500 § 88 Nr. 1).
Der Berufung ist daher stattzugeben.
Gründe für eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Sozialgericht sieht der Senat nicht als gegeben an. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat das Sozialgericht den Kläger über die Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.
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