L 5 KA 13/10

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 8 KA 74/08
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 13/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erweiterte Abrechnungsmöglichkeiten durch erstmaligen Einsatz eines Lungenfunktionsgerätes begründen keinen Anspruch auf Anerkennung eines Härtefalls bei der Honorarabrechnung.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 03.03.2010 aufgehoben. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen in den Quartalen 2/2006 und 3/2006.

Der Kläger nimmt seit dem 01.01.1989 als Facharzt für Allgemeinmedizin und Badearzt an der vertragsärztlichen, hausärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten teil. Sein Praxissitz ist B. Am 01.10.2005 schloss der Kläger mit dem Internisten und Kardiologen Dr. S einen Vertrag über die gemeinsame Nutzung eines Lungenfunktionsgeräts.

Nach § 3 Abs. 1 des ab dem 01.01.2006 gültigen Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) erfolgt die Vergütung entsprechend der Anlage 1. Danach wird die Gesamtvergütung getrennt nach Primär- und Ersatzkassen sowie nach haus- und fachärztlicher Versorgung verteilt. Gemäß Ziffer 4 der Anlage 1 zu § 3 HVM wird bei der Verteilung der hausärztlichen Gesamtvergütung zwischen Vorwegleistungen und restlichen Leistungen getrennt. Die Aufteilung der restlichen Leistungen erfolgt nach Fachgruppenfonds; hierzu werden Fonds der Fachärzte für Allgemeinmedizin, hausärztlich tätige Internisten, andere hausärztlich tätige Ärzte einerseits und Kinderärzte andererseits gebildet. Im Bereich der restlichen Leistungen sollen grundsätzlich maximal 60 % des anerkannten Leistungsbedarfs mit einem festen Punktwert von 0,045 EUR vergütet werden. Die Basis des Leistungsbedarfs kann sich durch Maßnahmen zur Leistungssteuerung verringern. Die Leistungssteuerung setzt sich zusammen aus der Fallzahlbegrenzung und der Begrenzung des Leistungsbedarfs auf Basis des Vorjahresquartals. Hierzu wird ein Grenzleistungsbedarf (GLB) gebildet, der als der jeweils niedrigste Wert des GLB 1 und des GLB 2 definiert ist. Der GLB 1 wird durch die Multiplikation des Fallwerts mit der Grenzfallzahl (GFZ) ermittelt. Die auf Basis der Quartale 3/2004 bis 2/2005 ermittelte GFZ der Arztgruppe der Fachärzte für Allgemeinmedizin, hausärztlich tätige Internisten ist nach Anhang 1 der Anlage 1 zu § 3 HVM im Quartal 2/2006 auf 1.245 und im Quartal 3/2006 auf 1.230 festgesetzt. Der GLB 2 wird durch eine Gegenüberstellung des Leistungsbedarfs mit dem Leistungsbedarf des Vorjahresquartal ermittelt, wobei der jeweils niedrigere Wert genommen wird. 60 % des GLB werden mit dem festen Punktwert, der restliche Leistungsbedarf mit einem floatenden restlichen Punktwert vergütet. Der HVM ermächtigt den Vorstand der Beklagten, in Härtefällen auf Antrag eine Änderung der Basiswerte (Grenzfallzahl und Leistungsbedarf des Vorjahresquartals) im Einvernehmen mit den Kassenverbänden vorzunehmen.

Mit Honorarbescheid vom 06.11.2006 stellte die Beklagte das vertragsärztliche Honorar des Klägers im Quartal 2/2006 in Höhe von 23.947,98 EUR fest unter Berücksichtigung bereits vereinnahmter Praxisgebühren in Höhe von 5.140,00 EUR (Anlage 2). Die HVM-relevante Fallzahl des Klägers betrug 725 Fälle (Anlage 4). Der anerkannte Leistungsbedarf lag bei 918.545,0 Punkten, die Vorwegleistungen betrugen 110.435 Punkte, die übrigen Leistungen 808.110,0 Punkte. Die individuelle Fallpunktzahl lag bei 1.114,6 Punkten. Der GLB 1 wurde mit 808.110 Punkten, der GLB 2 entsprechend dem Vorjahresvergleichwert mit 533.940,0 Punkten festgesetzt. Als GLB wurde der GLB 2 als niedrigerer Wert festgesetzt. 60 % des GLB (= 320.334,8 Punkte) wurden mit dem festen Punktwert, die restlichen Leistungen (= 487.775,2 Punkte) mit dem floatenden restlichen Punktwert vergütet. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte, den Vergleich mit dem Leistungsbedarf der Vorjahresquartale auszusetzen. Er machte geltend, das Vergleichsquartal 2/2005 sei das 1. Quartal, für das der neue Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) 2000plus gelte. In diesem Quartal habe er aus Gründen der Ein- und Umgewöhnung nicht alle Ziffern abgerechnet, die er erbracht habe bzw. hätte abrechnen können. Ab dem Quartal 4/2005 sei er auf Grund einer Gerätegemeinschaft mit Dr. S bezüglich eines Lungenfunktionsgeräts berechtigt gewesen, die Ziffer 03210 EBM 2000plus abzurechnen. Mit Bescheid vom 08.01.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Vorstand habe sich mit der vom Kläger geschilderten Situation auseinandergesetzt und lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, der Kläger liege mit seinem GLB in den Quartalen 1/2006 und 2/2006 zwar unter dem durchschnittlichen GLB seiner Fachgruppe. Es sei aber zulässig, bei der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen auf vergangene Abrechnungen zurückzugreifen. Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz seien jedenfalls nach Abschluss der Aufbauphase nicht von jeder Begrenzung des Honorarwachstums zu verschonen. Nach Abschluss der Aufbauphase sei es ausreichend, wenn Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz gestattet werde, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit, nämlich innerhalb von fünf Jahren, zu erreichen. Die Regelungen des HVM gewährleisteten, dass sich Praxen in einem Jahr bis zum Fachgruppendurchschnitt und sogar darüber hinaus entwickeln könnten. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.

Mit Honorarbescheid vom 31.01.2007 stellte die Beklagte das vertragsärztliche Honorar des Klägers im Quartal 3/2006 in Höhe von 26.895,72 EUR fest unter Berücksichtigung bereits vereinnahmter Praxisgebühren in Höhe von 5.130,00 EUR. Die HVM-relevante Fallzahl des Klägers betrug 778 Fälle. Der anerkannte Leistungsbedarf des Klägers lag bei 968.665,0 Punkten. Die Vorwegleistungen betrugen 109.315,0 Punkte, die übrigen Leistungen 859.350,0 Punkte. Die individuelle Fallpunktzahl lag bei 1.104,6 Punkten. Der GLB 1 wurde mit 958.350,0 Punkten, der GLB 2 entsprechend dem Vorjahresvergleichswert mit 601.190,0 Punkten festgesetzt. Als GLB wurde der GLB 2 als niedrigerer Wert festgesetzt. 60 % des GLB (= 360.755,1 Punkte) wurden mit dem festen Punktwert, die restlichen Leistungen (= 498.594,9 Punkte) mit dem floatenden restlichen Punktwert vergütet. Der Kläger legte auch gegen diesen Honorarbescheid Widerspruch ein.

Zur Begründung seiner Widersprüche machte der Kläger geltend, der Beklagte habe die Erweiterung seines Leistungsspektrums nicht berücksichtigt. Er habe die Ziffer 03210 EBM 2000plus in den Quartalen 2/2005 und 3/2005 überhaupt nicht abgerechnet, in den Quartalen 2/2006 und 3/2006 hingegen 357 bzw. 373 mal abgerechnet. Hinzu komme, dass er in den Quartalen 2/2005 bis 1/2006 nicht alle neuen Abrechnungsmöglichkeiten genutzt habe. Die Begrenzung seines Leistungsbedarfs auf Basis des jeweiligen Vorjahresquartals sei auf Grund dieser Besonderheiten unzulässig, da die zu Grunde gelegten Werte deutlich unter dem Durchschnitt seiner Arztgruppe gelegen hätten. Im Wege einer Sonderregelung sei zur Ermittlung des GLB das tatsächlich abgerechnete Punktzahlvolumen unter Beachtung der Grenzfallzahl der Arztgruppe heranzuziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2008, zugestellt am 24.01.2008, wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 06.11.2006, 08.01.2007 und 31.01.2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der HVM, der den gesetzlichen Vorgaben entspreche, sei vorliegend zutreffend angewandt worden. Der Kläger liege zwar unter dem durchschnittlichen GLB seiner Arztgruppe, es sei aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zulässig, auf Werte und Abrechnungsergebnisse in vergangenen Zeiträumen als Referenzgröße zurückzugreifen. Die dynamische Mengenbegrenzung (Vergleich mit dem Punktzahlvolumen des jeweiligen Vorjahresquartals) gewährleiste, dass sich Praxen in einem Jahr bis zum Arztgruppendurchschnitt und sogar darüber hinaus entwickeln könnten. Eine absolute Wachstumsbeschränkung liege nicht vor. Alle Praxen hätten sich mit dem neuen EBM 2000plus auseinandersetzen müssen, so dass aus Gleichbehandlungsgründen keine Ausnahmeregelung getroffen werden könne. Da der hausärztliche Planungsbereich im Kreis Bad Kreuznach gesperrt sei und der Versorgungsgrad 110,4 % betrage, sei auch diesbezüglich eine Ausnahmeregelung nicht begründet. Im Quartal 1/2007 liege schon keine Beschwer des Klägers mehr vor, da 60 % des anerkannten Leistungsbedarf mit dem festen Punktwert von 4,50 Cent vergütet worden seien.

Hiergegen hat der Kläger am 25.02.2008 (Montag) Klage beim Sozialgericht Mainz erhoben und vorgetragen, er habe Anspruch auf eine Sonderregelung gemäß Ziffer 4.1.9 der Anlage 1 zu § 3 HVM. Durch Urteil vom 03.03.2010 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als sie sich auf die Quartale 2/2006 und 3/2006 beziehen und die Beklagte verurteilt, den Kläger erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe bei der Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen des Klägers in den Quartalen 2/2006 und 3/2006 nicht ausreichend geprüft, ob wegen des Vorliegens eines Härtefalls eine Änderung der Basiswerte vorzunehmen sei. Nach Ziffer 4.1.9, vorletzter Absatz, der Anlage 1 zu § 3 HVM werde der Vorstand der Beklagten ermächtigt, in Härtefällen auf Antrag eine Änderung der Basiswerte im Einvernehmen mit den Kassenverbänden (Grenzfallzahl und Leistungsbedarf des Vorjahresquartals) vorzunehmen. Die Beklagte sei nicht ausreichend auf den vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkt eingegangen, dass er in den Vorjahresquartalen 2/2005 und 3/2005 mangels Vorhaltung eines Lungenfunktionsgerätes nicht zur Abrechnung der Ziffer 03210 EBM 2000plus (Behandlung und Betreuung eines Patienten mit chronisch-internistischer Grunderkrankung) berechtigt gewesen sei. In den Quartalen 2/2006 und 3/2006 sei diese mit 455 Punkten sehr hoch bewertete Ziffer in erheblichem Umfang (357 bzw. 373 mal) abgerechnet worden. Für den Kläger liege daher eine erhebliche Änderung seiner Abrechnungsbedingungen vor, die die Möglichkeit eines Vergleichs mit den Vorjahresquartalen äußerst zweifelhaft erscheinen ließen. Die Beklagte werde daher im Rahmen ihrer neuerlichen Entscheidung zu prüfen haben, ob beim Kläger durch Anerkennung eines Härtefalls der Vergleich mit den Vorjahresquartalen 2/2005 und 3/2005 im Wege des GLB 2 auszusetzen sei bzw. ob die Vergleichswerte unter Berücksichtigung der neu abgerechneten Leistungsziffer 03210 EBM 2000plus anzuheben seien. Der Antrag des Klägers, auch hinsichtlich der Quartale 4/2006 und 1/2007 den Vergleich mit dem Vorjahresquartal auszusetzen, sei dagegen zu Recht abgelehnt worden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 24.03.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, ein Härtefall im Sinne der Ziffer 4.1.9 der Anlage 1 zu § 3 HVM liege nicht vor. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 08.02.2006 (B 6 KA 25/05 R) die Voraussetzung eines Härtefalls dann angenommen, wenn der Vertragsarzt durch das Ausbleiben weiterer Honorarzahlungen in existenzielle wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate und seine Praxis nicht fortführen könne und gleichzeitig ein entsprechender Versorgungsbedarf bestehe. Diese Voraussetzungen seien vom Sozialgericht nicht geprüft worden und lägen auch offensichtlich nicht vor. Weder sei die Praxis existenziell gefährdet, noch würde bei einem Wegfall eine Unterversorgung drohen. Dies ergebe sich aus der Übersicht über alle Leistungserbringer im Planungsbereich Bad Kreuznach (Bl. 58 ff. Prozessakte PA), die die Ziffer 03210 EBM 2000plus in den Quartalen 2/2006 und 3/2006 erbracht haben. Auch ohne die Leistungserbringung durch die klägerische Praxis bestehe nicht im Ansatz ein Sicherstellungsproblem. Der Vortrag des Klägers könne allenfalls analog der Rechtsprechung zu Neuanfängerpraxen/Praxen in der Aufbauphase gewürdigt werden. Bezogen auf das Abrechnungsvolumen der Ziffer 03210 EBM 2000plus ab dem Quartal 4/2005 handele es sich de facto um eine "Aufbauphase". Hier sei aber zu beachten, dass ein sofortiges Wachstum ohne jegliche Mengenbegrenzung nicht beansprucht werden könne. Sowie für alle übrigen Praxen in der Aufbauphase nach der Systematik des hier zu beurteilenden HVM das im aktuellen Quartal erzielte Punktzahlvolumen im entsprechenden Quartal des Folgejahrs zum Tragen komme, müsse dies auch für die einzelnen Leistungen gelten, die zwischenzeitlich neu in das Leistungsspektrum des Arztes aufgenommen worden seien. Schließlich würde die Annahme des Sozialgerichts, dass die neu hinzugetretene Abrechnungsmöglichkeit einen Vergleich mit den Vorjahresquartalen verbiete, letztlich zur Unanwendbarkeit des HVM führen. Nahezu täglich würden auf Grund neu erworbener Qualifikationen Abrechnungsgenehmigungen für einzelne Ziffern erteilt, dies könne nicht dazu führen, dass der Vergleich mit dem Leistungsbedarf des Vorjahresquartals in diesen Fällen ausgesetzt werde.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 03.03.2010 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, die Veränderung des Leistungsspektrums müsse im Rahmen einer General- oder Härtefallklausel zur Anpassung der Honorarverteilung im Einzelfall Berücksichtigung finden (Hinweis auf BSG 21.10.1998 B 6 KA 74/97 R). Seine Praxisstruktur habe sich durch die Teilnahme an der Gerätegemeinschaft und der damit verbundenen Vorhaltung eines Lungenfunktionsgeräts erheblich verändert, so dass die Praxisstruktur nicht mehr vergleichbar sei. Er habe damit sein Leistungsspektrum erheblich qualitativ aufgewertet. Allein durch die neue Abrechnungsmöglichkeit habe sich das Honorarvolumen erheblich gesteigert (vgl. im Einzelnen Schriftsatz Bl. 186 ff. PA). Im Übrigen sei festzustellen, dass die Anzahl der Abrechnungsscheine gegenüber der Vergleichsgruppe im Quartal 3/2006 um etwa 30 % gemindert sei, gleichzeitig sei der Rentneranteil deutlich erhöht. Des Weiteren sei in Bezug auf die Überweisungsscheine festzustellen, dass hier ein erheblich erhöhter Rentneranteil bestehe, der trotz der geringen Fallzahl etwa 70 % über derjenigen der Vergleichsgruppe liege. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Praxis habe er Anspruch auf Gewährung einer Sonderregelung in Form der Anhebung des GLB. Diese Änderungen seien im Rahmen einer gebundenen Ermessensentscheidung vorzunehmen, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sei. In Bezug auf das Merkmal der Sicherstellung stehe der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu. Seine im ländlichen Bereich situierte Praxis habe ein Versorgungsdefizit beseitigt, welches in Bezug auf die Versorgung und Behandlung chronisch Kranker bestanden habe. Insbesondere der sehr hohe Überweisungsanteil von Rentnern zeige deutlich, dass ein Versorgungsdefizit vorgelegen habe. Der HVM in der ab dem 01.01.2006 geltenden Fassung sehe keine Sonderregelung für umsatzschwache Praxen vor. Diese werde aber vom BSG gefordert. Insbesondere unterdurchschnittlich abrechnende Praxen müssten die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Sonderregelung haben. Seine Praxis rechne unterdurchschnittlich ab und habe nicht die Möglichkeit, insbesondere die besondere Patientenklientel mit einem erheblich erhöhten Rentneranteil durch eine höhere Fallzahl auszugleichen. Allein dies rechtfertige bereits die Gewährung einer Sonderregelung. Unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen müsse man die Möglichkeit einräumen, sich zumindest dem Durchschnitt der Arztgruppe anzuschließen. Er, der Kläger, müsse daher die Möglichkeit haben, durch Erweiterung seines Leistungsspektrums hier der Versorgung chronisch Kranker, den Anschluss an den Durchschnitt der Arztgruppe zu gewinnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Das vertragsärztliche Honorar des Klägers für die Quartale 2/2006 und 3/2006 wurde zutreffend auf Grund des ab dem 01.01.2006 gültigen HVM berechnet. Dieser HVM ist rechtmäßig, er entspricht den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung eines Härtefalls. Nach dem HVM wird der Vorstand der Beklagten ermächtigt, in Härtefällen auf Antrag eine Änderung der Basiswerte im Einvernehmen mit den Kassenverbänden (Grenzfallzahl und Leistungsbedarf des Vorjahresquartals) vorzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Beschluss vom 16.12.2009 B 6 KA 13/09 B, juris Rdnr. 11 f m.w.N.) ist eine Härtefallregelung notwendig als Ausfluss des aus Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Artikel 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatzes der Honorargerechtigkeit. Eine Härteregelung ist allerdings nur in Ausnahmefällen geboten. Nicht jede von einer Arztpraxis als nachteilig angesehene Situation vermag einen Härtefall zu begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass ein Festhalten an der generellen Regelung angesichts der Änderungen in der Versorgungsstruktur bzw. der Behandlungsausrichtung zu einer "schweren Härte" führt. Das BSG hat die Notwendigkeit zusätzlicher Honorarzahlungen auf Grund einer Härte anerkannt, wenn der Vertragsarzt andernfalls in existenzielle Schwierigkeiten geraten sowie gegebenenfalls seine Praxis nicht fortführen könnte und andererseits ein Versorgungsbedarf besteht (BSG 08.02.2006 B 6 KA 25/05 R, Rdnr. 40 m.w.N.; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 31.08.2010 L 5 KA 54/09). Vorliegend ist eine Härte in diesem Sinne nicht gegeben. Dem Kläger drohen bei Anwendung der Regelung des HVM keine existenziellen Schwierigkeiten; es besteht wie sich aus der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung ergibt auch kein Versorgungsbedarf. Auch sonstige besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regelung des HVM rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die Vorhaltung des Lungenfunktionsgeräts, die den Kläger ab dem Quartal 3/2006 zur Abrechnung der Ziffer 3 EBM 2000plus berechtigte, hat zwar zu einer Erweiterung des Leistungsspektrums geführt, vergleichbare Veränderungen der Leistungsangebote kommen aber regelmäßig auch in anderen Arztpraxen vor und rechtfertigen noch nicht die Anerkennung eines Ausnahmefalls.

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er im Vergleich zur Fachgruppe unterdurchschnittlich abrechnet, ist ihm entgegenzuhalten, dass kein Anspruch auf sofortiges Wachstum ohne Mengenbegrenzung besteht (vgl. BSG 10.12.2003 B 6 KA 54/02 R, juris; BSG 28.03.2007 B 6 KA 10/08 R, Rdnr. 18). Der Umstand, dass die Verbesserung seines Leistungsspektrums durch Nutzung des Lungenfunktionsgeräts nicht sofort zum Tragen kommt, ist daher auch vor diesem Hintergrund nicht als schwere Härte im Sinne der Härtefallregelung des HVM zu qualifizieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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