S 3 U 33/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 33/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 189/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung von Leistungen für das Unfallereignis vom 25.06.2005.

Der 1970 geborene Kläger erlitt am 25.06.2005 einen unverschuldeten Verkehrsunfall mit Polytrauma, wobei er sich u. a. eine C-Verletzung des Beckens mit Symphysensprengung links, Iliosakralfugensprengung sowie Acetabulumfraktur links, eine offene Hodenluxation rechts sowie eine Plexuslumbosakralisläsion links zuzog.

Die Unfallanzeige gegenüber der Beklagen erfolgte mit Anwaltsschreiben vom 15.02.2007, hierbei wurde angegeben, dass man festgestellt habe, dass der Mandant Schwager der Frau C. A. sei, welche ein angemeldetes Gewerbe betreibe und den Kläger zunächst in der Zeit von April 2003 bis Juli 2004 beschäftigt habe. Danach sei eine Unterbrechung erfolgt bis Januar 2005. Ab 2005 habe der Handel verstärkt betrieben werden sollen, so dass der Kläger ab Mai 2005 wiederum als Aushilfe tätig gewesen sei. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe der Kläger am 25.06.2005 ein Fahrzeug besichtigen sollen, das für die Arbeitgeberin habe erworben werden sollen. Es habe sich um ein Fahrzeug des Fabrikates BMW X5 gehandelt. Der Kläger habe mit dem Verkäufer einen Treffpunkt vereinbart, bevor es zu dem Treffen habe kommen können, sei der Unfall passiert. Weder dem Kläger noch der Arbeitgeberin sei bekannt gewesen, dass auch geringfügig Beschäftigte gesetzlichen Unfallversicherungsschutz genießen, so dass der Vorfall bislang nicht gemeldet worden sei. Dem Schreiben beigefügt waren Verdienstbescheinigungen für den Monat Mai 2005, datiert auf 22.08.2006, sowie für den Monat Juni 2005, ausgestellt am 24.08.2006.

Zur Akte gelangten verschiedene medizinische Befunde, u. a. der Entlassungsbericht des Uniklinikums Bonn, Unfallchirurgie, vom 29.07.2005, der Entlassungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Bergmannsheil Bochum, Abteilung Chirurgie, vom 19.08.2005, in dem es heißt: " der Unfall erfolgte in seiner Freizeit, es handelt sich nicht um einen Wegeunfall", sowie ein weiterer Arztbrief dieser Klinik vom 29.07.2005 mit dem gleichen Text. Auf schriftliche Nachfrage der Beklagten teilten die Uniklinik Bonn und die BGU Bochum mit, die Angaben, dass es sich um einen privaten Unfall handele, seien jeweils den Akten entnommen, weitere Angaben seien nicht möglich.

Am 07.02.2008 fand im Büro des Rechtsanwaltes ein Treffen zwischen der Beklagten, dem Kläger sowie der Arbeitgeberin statt. Frau A. war zu diesem Zeitpunkt die Witwe des verstorbenen Bruders des Klägers und hatte mit dem Kläger ein 2001 geborenes gemeinsames Kind. Sie gab an, dass es sich zum Unfallzeitpunkt um ein bis zum 30.06.2005 befristetes geringfügiges Arbeitsverhältnis gehandelt habe mit einem monatlichen Gehalt in Höhe von 250,00 EUR. Zum Unfallzeitpunkt sei eine Autopfandleihe angekündigt gewesen, die Daten zu dem PKW habe Frau A. über einen Bekannten erhalten, sie habe dann angerufen und den Kläger gebeten, im Rahmen seiner Tätigkeit einen BMW X5 zu besichtigen. Für den Kläger hätten keine festen Arbeitszeiten bestanden, so dass es nicht ungewöhnlich gewesen sei, wie am Unfalltag, auch am späten Abend Autos zu besichtigen. Die Personaldaten des Kunden seien D., D-Straße in D-Stadt. Der Termin zur Besichtigung sei in E-Stadt auf dem Parkplatz von E. gewählt worden, der Kläger habe sich auf dem direkten Weg dahin befunden.

Zur Akte gelangten u. a. Gewerbeanmeldungen der Frau A. bezüglich einer Autopfandleihe, der Versicherungsverlauf des Klägers bei der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, ein Lebenslauf des Klägers, ein Schreiben der F. vom 12.08.2005, worin der Kläger als Versicherungsnehmer des Unfallfahrzeugs geführt wird, die Unfallanzeige der Polizei, wonach sich der Unfall am Samstag, dem 25.06.2005, um 20:34 Uhr ereignet hat, des Weiteren eine schriftliche Auskunft des Klägers vom 05.07.2007 zu den Unfallumständen. Darin teilt dieser mit, er sei von der Firma Autopfandleihhaus G., G-Stadt, gekommen und habe das Ziel gehabt, einen Kunden zu treffen in E-Stadt, E-Straße, wegen des eventuellen Kaufs eines PKWs. Er habe seine Arbeitsstätte ca. um 19:00 Uhr verlassen und sei auf dem direkten Weg zu dem Kundentreffen gefahren.

Die Beklagte richtete eine schriftliche Zeugenanfrage an die von der Arbeitgeberin genannte Adresse des Zeugen D. mit folgenden Fragen: 1. Kann von Ihnen bestätigt werden, dass am 25.06.2005 mit Herrn A. ein Treffen zur Besichtigung eines BMW X5 vereinbart war? 2. Wo genau sollte dieses Treffen in E-Stadt stattfinden? 3. Zu welcher Uhrzeit war das Treffen vereinbart? 4. In wessen Auftrag war Herr A. bei Ihnen angemeldet? Hierauf findet sich die handschriftliche Antwort: 1. Ja. Dies kann bestätigt werden. 2. Das Treffen sollte im E. in E-Stadt sein, E-Straße. 3. In etwa ca. 20:00 Uhr. 4. Von einem Autohandel aus G-Stadt. Unterzeichnet ist das Schreiben mit D. D.

Im Hinblick darauf teilte die Beklagte dem Kläger durch Schreiben/Bescheid vom 18.07.2008 mit, man erkenne nach Auswertung das Ereignis vom 25.06.2005 als Arbeitsunfall an. Über die weiteren Leistungsansprüche erhalte er gesondert Nachricht.

Die Beklagte veranlasste ein internistisches, ein neurologisch-psychiatrisches, ein urologisches, ein unfallchirurgisches sowie ein psychologisches Gutachten, wonach ab Ende der Arbeitsunfähigkeit eine Gesamt-MdE von 50 v. H. vorliege. Gleichzeitig erfolgte eine erneute Prüfung der Rechtslage durch die Sachbearbeitung, welche nunmehr durch Vermerk vom 13.06.2012 das Vorliegen eines Arbeitsunfalles nicht mehr für bewiesen ansah.

Durch Bescheid vom 25.06.2012 lehnte die Beklagte danach Entschädigungsansprüche aus Anlass des Ereignisses vom 25.06.2005 ab, da ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Der Kläger legte hiergegen fristgerecht Widerspruch ein und verwies auf den Bescheid vom 18.07.2008, wodurch das Ereignis dem Grunde nach als Arbeitsunfall anerkannt worden sei.

Nach erneuter Prüfung sowie Anhörung nebst Schreiben vom 30.07.2012 stellte die Beklagte durch Bescheid vom 12.09.2012 fest, dass der Bescheid vom 18.07.2008 rechtswidrig war und lehnte die Gewährung weiterer Leistungen gemäß § 48 Abs. 3 SGB X ab. Der hiergegen fristgerecht eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14.02.2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger hat hiergegen am 12.03.2013 vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben.

Der Kläger hat u. a. eine Niederschrift über die Sicherstellung des PKW des Klägers, den Leasing-Vertrag vom 30.05.2005 bezüglich dieses Unfallfahrzeuges sowie einen Arbeitsvertrag vom 24.03.2003 vorgelegt. Recherchen des Gerichts haben ergeben, dass der Zeuge D. am 16.05.2013 im H. Hospital in H-Stadt verstorben ist. Im Termin am 30.06.2016 hat das Gericht die heutige Ehefrau und damalige Arbeitgeberin des Klägers, J. A., als Zeugin gehört.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung des Ereignisses vom 25.06.2005 als versicherten Arbeitsunfall für dessen gesundheitliche Folgen ab Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit Verletztenrente entsprechend den eingeholten Gutachten aufgrund einer MdE von 50 v. H. in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Sach- und Streitstand im Einzelnen, insbesondere auch zum Inhalt der Aussage der Zeugin A., wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Klägers bei der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Gericht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist nicht aufzuheben, denn er ist nicht rechtswidrig.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass die ursprüngliche Anerkennung des Unfallereignisses vom 25.06.2005 als Arbeitsunfall falsch war, denn der Nachweis einer versicherten Tätigkeit / der Zurücklegung eines versicherten Weges im Zeitpunkt der Unfalles um 20:34 Uhr ist nicht erbracht.

Versicherungsfälle in der Gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach Abs. 2 sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden, unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit solche versicherten Tätigkeiten.

Allerdings steht nicht schlechthin jeder Weg unter Versicherungsschutz, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass es sich um den unmittelbaren Weg handelt, was besagt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Weges bestehen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit bzw. nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird.

Zur Annahme eines Arbeitsunfalls ist es somit erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer solchen versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, muss wertend entschieden werden, indem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht. Maßgebend ist, ob die zum Unfall führende Handlung der versicherten Tätigkeit dienen sollte und ob diese Handlungstendenz des Versicherten durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 5 RdNr. 5, 6 m. w. N.). Der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte und damit grundsätzlich leistungsberechtigte Personenkreis ergibt sich aus den §§ 2, 3 und 6 SGB VII.

Vorliegend ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Kammer der Nachweis nicht erbracht, dass der Kläger bei der Ausübung einer versicherten Tätigkeit verunfallt ist, so dass die Entscheidung der Beklagten letztlich nicht zu beanstanden ist.

Während ein ursächlicher Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem schädigenden, versicherten Vorgang nur wahrscheinlich zu sein braucht, müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen selbst (schädigendes versichertes Ereignis, gesundheitliche Erstschädigung, verbliebene Dauergesundheitsstörung) beweisen sein, d. h. es muss hierfür eine so hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit gegründet werden kann (sogenannter Vollbeweis). Insoweit gilt auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung der Grundsatz der objektiven Beweislast.

§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) definiert Beschäftigung als die nicht selbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BSG, Urteil vom 19.08.2003 in SozR 4-2700 § 2 Nr. 1).

Für das Gericht bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses (Mai 2005) tatsächlich in einem auf zwei Monate befristeten, abhängigen geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zu einer Entlohnung von EUR 250,00 monatlich bei der Zeugin A. stand, denn die hierzu vorgelegten Unterlagen (Lohnbescheinigung, Meldung bei der Knappschaft) sind mehr als 1 Jahr nach dem Unfallereignis erstellt worden. Nachdem der Kläger bereits Ende 2002/Anfang 2003 geringfügig beschäftigt und via DEÜV bei der Rentenversicherung gemeldet gewesen war – möglicherweise sogar durch die Zeugin A. – vermag insoweit der Vortrag nicht zu überzeugen, er habe nicht gewusst, dass auch solche Beschäftigungsverhältnisse angemeldet werden müssten. Auch die Darstellung der Zeugin A., sie habe u. a. auch erreichen wollen, dass der Kläger mehr Zeit mit der gemeinsamen Tochter verbringe, deutet auf eine eher "unübliche" Ausgestaltung der Tätigkeit hin und spricht eher gegen ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

Vor dem Hintergrund der Angabe des Klägers, er habe bereits mit seinem Anwalt in dem Zivilrechtsverfahren darüber geredet, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, ohne dass jedoch eine Anzeige bei der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt ist, hält die Kammer es nicht für ausgeschlossen, dass dieser Anwalt unter Zugrundelegung der seinerzeitigen Angaben des Klägers einen Entschädigungstatbestand gegenüber der Beklagten bereits damals ausgeschlossen hatte.

Auch die Angaben in der erst 20 Monate nach dem Unfall erfolgten anwaltliche Unfallmeldung sind nicht geeignet, mehr Klarheit in den Sachverhalt zu bringen. So teilt man bei der Unfallmeldung am 15.02.2007 noch mit, es sollte ein Fahrzeug "erworben" werden. In seiner schriftlichen Äußerung vom 05.07.2007, Blatt 61 ff. Verwaltungsakte, gab der Kläger ebenso selbst an, er habe das Ziel gehabt, einen Kundenbesuch durchzuführen im Auftrage der Firma, "eventl. Kauf eines PKW´s". Erst anlässlich des Treffens am 07.02.2008 wurde dann angegeben, es sollte eine Besichtigung eines PKW zwecks Beleihung durchgeführt werden. Nachdem der Vorgang jedenfalls auch schon Gegenstand zahlreicher Erörterungen im Rahmen des vorangehenden Zivilverfahrens und dann im Rahmen des Mandats zwecks Geltendmachung des vorliegenden Arbeitsunfalles gewesen sein musste, ist dieser Wechsel in den Angaben zumindest bemerkenswert.

Die schriftliche Angabe des namentlich erst am 07.02.2008 benannten Kunden D. ist zur Überzeugung des Gerichts gleichfalls nicht geeignet, zweifelsfrei den Nachweis zu erbringen, dass sich der Unfall des Klägers ereignete, als dieser im Rahmen einer versicherten Tätigkeit unterwegs war. Zunächst bestätigt hier nur ein Herr D. D., der leider kurz nach Klageerhebung verstorben ist und demnach nicht mehr ergänzend befragt werden kann, dass er sich am Unfalltag mit dem Kläger zur Besichtigung eines BMW X5 bei E. in E-Stadt, E-Straße etwa ca. 20:00 Uhr treffen wollte und dass der Kläger von einem "Autohandel aus G-Stadt" bei ihm angemeldet war. Hieraus geht somit nicht eindeutig hervor, dass es sich um ein Treffen zwecks Prüfung der Beleihung des PKW des Herrn K. im Auftrag der Firma Autopfandleihhaus G. gehandelt hat, sondern es könnte sich genauso gut um eine Besichtigung des BMW X5 der Firma G. durch den Herrn D. zwecks Ankauf durch diesen gehandelt haben, oder aber um einen komplett anderen Sachverhalt, nämlich dass der Kläger - nachdem er den ursprünglich von ihm gefahrenen und nun an die Firma G. weitergegebenen BMW X5 nicht mehr als Privatfahrzeug zur Verfügung hatte – für sich selbst ein neues Fahrzeug erwerben wollte. Insoweit sind die gestellten Fragen leider ausgesprochen ungünstig gestellt, vom Zeugen äußerst knapp beantwortet und daher in keiner Richtung aussagefähig.

Gleichfalls gegen einen im Rahmen einer – wenn sie denn bestanden hat – versicherten Tätigkeit erlittenen Wegeunfall spricht der Vermerk in den Berichten der BGU Bergmannsheil Bochum vom 29.07.und 19.08.2005, worin es ausdrücklich heißt:" Der Unfall erfolgte in seiner Freizeit, es handelt sich nicht um einen Wegeunfall." Zu diesem Zeitpunkt, d. h. ca. 4 Wochen nach dem Unfall wird der Kläger als "zu allen Qualitäten klar orientiert" beschrieben. Für den Vortrag der Klägerseite, die vorstehend zitierte Angabe Freizeitunfall beruhe auf einem Missverständnis finden sich somit keine Anhaltspunkte.

Soweit nun in der Vernehmung am 30.06.2016 die Zeugin A. eindeutig angegeben hat, der Kläger habe die Unfallfahrt im Auftrag der Firma G. im Rahmen seines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses durchgeführt, um das von Herrn D. zur Beleihung angebotene Fahrzeug auf dem Parkplatz des E. in E-Stadt zu besichtigen, so hat die Kammer auch an diesen Angaben massive Zweifel.

Sicher handelt es sich bei der Zeugin A. um eine erfahrene Geschäftsfrau, die die erforderlichen Fakten in ihrer Vernehmung bestätigt hat. Hinsichtlich der Ausgestaltung des "Beschäftigungsverhältnisses" drängte sich dem Gericht aufgrund der Aussage der Zeugin jedoch der Eindruck auf, hier sollte eine erneute familiäre Beziehung angebahnt werden und der Kläger gleichzeitig sukzessive wieder in den Betrieb integriert werden. So ist es nicht üblich, einem für zwei Monate befristet eingestellten Aushilfsmitarbeiter einen BMW X5 als Firmenwagen zur freien Verfügung zu überlassen, den man unmittelbar zu diesem Zeitpunkt auch noch von diesem privat übernommen hatte. Im Übrigen erscheint eine monatliche Entlohnung von EUR 250,00 für die von dem Kläger geschuldete Leistung – laut Aussage der Klägerin war er allein verantwortlich dafür, sämtliche eingelagerten Fahrzeuge zu bewegen, sowie die angebotenen Fahrzeuge zu begutachten inklusive An- und Abfahrt, ca. 13 Stunden wöchentlich – derart geringfügig, dass es sich eher um eine Art Taschengeld gehandelt haben kann, zumal der Kläger auch noch die Benzinkosten vorlegen musste und nur gegen Beleg erstattet bekam. Auch die Aussage der Zeugin, sie habe sich nach dem Unfall infolge der Verletzungen des Klägers in einem psychischen Ausnahmezustand befunden und diesen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bei sich zu Hause gepflegt, obgleich dieser mit einer anderen Frau verlobt gewesen sei, spricht gegen einen geschäftlichen/arbeitsrechtlichen Charakter der vorangegangenen Beziehung.

Soweit die Zeugin angibt, verantwortlich für die verspätete Erstellung der Lohnbescheinigungen etc. sei ausschließlich die Steuerberaterin, ist dies für das Gericht ebenfalls nicht glaubhaft, denn auch wenn man unterstellen würde, der Zeugin sei nicht klar gewesen, dass der Kläger als geringfügig Beschäftigter bei der Knappschaft hätte angemeldet und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen, so hätte sie zumindest im Rahmen der Steuererklärung die gezahlten monatlichen Arbeitsentgelte anführen müssen, d. h. es hätten nicht erst im August 2006 die entsprechenden Bescheinigungen erstellt werden dürfen. Hier drängt sich in der Tat der Verdacht einer nachträglichen Fiktion eines Beschäftigungsverhältnisses auf, so dass das Gericht mit der Beklagten davon ausgeht, dass der Kläger nicht im Rahmen eines versicherten Weges verunfallt ist.

Die Anerkennung als Arbeitsunfall dem Grunde nach durch den Bescheid vom 18.07.2008 war somit inhaltlich falsch und damit rechtswidrig.

Zutreffend hat die Beklagte in dem mit der vorliegenden Klage angegriffenen Bescheid vom 12.09.2012 ausgeführt, dass eine Rücknahme dieses begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 SGB X aufgrund der dort genannten Fristenregelungen nicht möglich ist.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X).

Absatz 2 des § 45 SGB X lautet: Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Absatz 3 des § 45 SGB X regelt die Fristen, innerhalb derer eine Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung möglich ist.

Vorliegend handelte es sich lediglich um ein Anerkenntnis dem Grund nach, ohne weitergehende Bewilligung von Sozialleistungen, so dass Vertrauensschutz mangels erfolgter Vermögensdispositionen ausscheidet. Allerdings waren seit Erlass des Bescheides vom 18.07.2008 mehr als 2 Jahre vergangen, so dass die Regelfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X verstrichen war. Gründe für eine Fristverlängerung auf 10 Jahre sind nicht ersichtlich, so dass eine Rücknahme der rechtsfehlerhaften Anerkennung des Versicherungsfalles nach § 45 SGB X ausscheidet.

Zutreffend hat die Beklagte jedoch die Gewährung von Leistungen aufgrund des Ereignisses gem. § 48 Abs. 3 SGB X abgelehnt. Unabhängig von § 45 SGB X ist nämlich jederzeit eine Prüfung nach § 48 SGB X möglich.

Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind gem. § 48 SGB X aufzuheben, wenn und soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Betroffen sind sowohl von Anfang an rechtmäßige als auch von Anfang an rechtswidrige Verwaltungsakte. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist aufhebbar, wenn nach seinem Erlass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich aufgrund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt. Ob eine solche Änderung eingetreten ist, richtet sich nach dem für die jeweilige Leistung maßgeblichen materiellen Recht. Danach ist eine Änderung dann wesentlich, wenn die Änderung rechtserheblich ist und dazu führt, dass der Sozialversicherungsträger unter den objektiv gegebenen Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Dies setzt einen Vergleich der Verhältnisse voraus, die sowohl beim Erlass des Verwaltungsakts als auch zum Aufhebungszeitpunkt gegeben sind. Die wesentliche Änderung kann sowohl beim rechtmäßigen als auch beim rechtswidrigen Verwaltungsakt eintreten. Die tatsächlichen Verhältnisse ändern sich, wenn sich der rechtserhebliche Sachverhalt ändert. Die rechtlichen Verhältnisse ändern sich, wenn Gesetz oder Recht geändert werden und die Änderung den dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Lebenssachverhalt erfasst. Eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen liegt auch vor, wenn sich die höchstrichterliche Rechtsprechung ändert.

Zwar ist eine Aufhebung des Bescheides vom 18.07.2008 auch nach § 48 SGB X ebenfalls nicht möglich, da weder in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen seit dessen Erlass eine Änderung eingetreten ist, sondern die Beklagte lediglich die Rechtslage nunmehr anders beurteilt. Jedoch hat die Beklagte hier die Ablehnung von Verletztenrente zutreffend auf § 48 Abs. 3 SGB X gestützt, hier im Sinne des sogenannten Einfrierens der rechtswidrig, aber aufgrund Vertrauensschutzes weiter im bisherigen Umfang – nämlich gar nicht - zu gewährenden Leistungen.

§ 48 Abs. 3 SGB X regelt Folgendes: Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht nach § 45 SGB X zurückgenommen werden und ist eine Änderung zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Die Regelung betrifft Sozialleistungen, • die dem Grunde nach zustehen aber • zu hoch festgesetzt wurden und • wegen des in § 45 SGB X enthaltenen Vertrauensschutzes nicht berichtigt werden dürfen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist diese nur auf eine neu festzustellende "Leistung" anwendbar, die sich in einem "Betrag" ausdrücken lässt. Es muss sich also um eine Geldleistung handeln. Wenn aufgrund geänderter Verhältnisse eine Neufestsetzung erforderlich wird, darf dadurch der rechtmäßig zustehende Betrag der Sozialleistung nicht überschritten werden. Im Ergebnis entfällt eine Neufestsetzung, wenn der rechtmäßig zustehende Betrag der Sozialleistung den vor der Änderung der Verhältnisse rechtswidrig festgestellten Betrag der Sozialleistung nicht übersteigt.

Nachdem durch den rechtswidrigen Bescheid vom 18.07.2008 keine Verletztenrente festgestellt worden war, entfällt somit entsprechend § 48 Abs. 3 SGB X auch die Neufeststellung einer Verletztenrente.

Das Gericht verweist im Übrigen gemäß § 136 Abs. 3 auf die Begründung des angegriffenen Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides, die zutreffend die maßgeblichen Rechtsgrundlagen darstellen.

Demnach war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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