L 5 U 240/10

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 6 U 59/09
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 U 240/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherungsschutz als Studierender iSd § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII) besteht nicht für eine Person, die eine Universitätsveranstaltung besucht, ohne als Student immatrikuliert oder von der Universität in anderer Form, etwa als Gasthörer, offiziell registriert zu sein.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 6.7.2010 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob die Klägerin am 26.1.1989, als sie als Anhalterin vergewaltigt wurde, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Die 1955 geborene Klägerin wurde am 26.1.1989 ihren Angaben zufolge auf dem Heimweg von der Universität G zu ihrer damaligen Wohnung in A zwischen 22.30 und 23.00 Uhr von einem ihr unbekannten Täter vergewaltigt. Noch in derselben Nacht stellte sie sich deshalb in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der G -Universität G vor. In dem ärztlichen Bericht der Klinik über die damalige Anamnese heißt es: Die Klägerin habe sich am 27.1.1989 um 2.25 Uhr in Begleitung eines Beamten der Kriminalpolizei nach vorausgegangener Vergewaltigung in der Poliklinik vorgestellt und folgenden Tathergang berichtet: Sie sei in G von der K nach Hause getrampt; während der Fahrt habe der Fahrer einen Umweg über O gemacht, sei dort in einen Wald gefahren und habe sie vergewaltigt. Die Klägerin habe danach in ihrer Wohnung geduscht und anschließend die Polizei angerufen.

Dem für die Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Opfern von Gewalttaten zuständigen Versorgungsamt gab die Klägerin im Mai 2007 an: Sie sei am "27.1.1990" auf dem Heimweg von der Universität G zwischen 22.30 Uhr und 23 Uhr auf einem Waldweg zwischen O und A im PKW von einem Fremden vergewaltigt worden mit anschließendem Mordversuch (Erwürgen) zur Verdeckung der Tat. Seinerzeit habe sie bei der Kriminalpolizei Strafanzeige gestellt. Sie leide an Angstzuständen mit Schlafstörungen bei gleichzeitiger Verschlechterung ihrer Psoriasis-Arthrititis und anderer körperlicher Erkrankungen. Die damalige Akte der Staatsanwaltschaft ist vernichtet worden.

Die Klägerin zeigte die Begebenheit vom 26.1.1989 im Juli 2007 der Beklagten an und gab im Verwaltungsverfahren an: Seinerzeit sei sie als ordentliche Studentin an der Philosophischen Fakultät der Universität G mit dem Hauptfach Kunstgeschichte und den Nebenfächern klassische Archäologie und Volkskunde immatrikuliert gewesen. Am "27".1.1989 habe ihre Tagesstudienzeit um ca 22 Uhr geendet, weil die Studenten des kunstgeschichtlichen Instituts einmal wöchentlich einen Gastvortrag eines auswärtigen Dozenten hätten anhören müssen. Sie habe den sog Alten Audimax (Hörsaalgebäude) etwa kurz nach 22 Uhr verlassen und sei zur Bushaltestelle am Bahnhof in der Nähe des Hörsaals gegangen. Da sie jedoch den Bus verpasst habe, sei sie mit einem fremden Autofahrer als Anhalterin mitgefahren, zumal es sehr kalt gewesen sei. Ihre Ausbildung und ihr beruflicher Werdegang hätten sich wie folgt gestaltet: Nach dem Abitur im Jahre 1976 habe sie im Wintersemester 1976/77 das Studium der Rechtswissenschaften begonnen und dieses im Wintersemester 1983 beendet. Von 1984 bis 1986 habe sie eine Tätigkeit in der Administration des Klinikums G ausgeübt (Vollzeit, befristeter Vertrag auf zwei Jahre). 1987/88 habe sie das Zweitstudium der Kunstgeschichte begonnen (Hauptfach und Nebenfächer). Dieses habe sie Anfang der Neunziger Jahre abgeschlossen und seither ihre Dissertation verfasst. Nebenher habe sie stets diverse berufliche Tätigkeiten in Voll- und Teilzeit ausgeübt. Ihren derzeit ausgeübten Beruf bezeichnete sie mit "Marketing-Fachfrau/Kunstwissenschaftlerin, Status: Doktorand)"; gegenwärtig sei sie vollzeitbeschäftigt (HE-Network Marketing).

Die Beklagte nahm einen Bericht des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie F vom Januar 2008 zu den Akten. Darin heißt es, die Symptome der Klägerin seien am Ehesten im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung erklärbar; des weiteren imponierten die charakteristischen Merkmale einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung. Die Patientin habe, auch im Rahmen einer Hypnose, von einem Ereignis berichtet, das sich im Januar 1989 zugetragen habe, bei dem sie auf dem Nachhauseweg von der Universität vergewaltigt worden sei; sie habe vom Täter jahrelang Morddrohungen erhalten und fühle sich bis heute von dem noch nicht gefassten Täter bedroht. Die Klägerin legte der Beklagten die Kopie einer Pressemitteilung in der G Tageszeitung vom 28./29.1.1989 vor, wo über die Notzucht an einer Anhalterin berichtet worden war. In ihrer Stellungnahme vom Mai 2008 sie ausführlich die Umstände der Vergewaltigung.

Das Studentensekretariat der Universität G teilte der Beklagten im März und Oktober 2008 mit, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Vergewaltigung keine Studentin gewesen. Die Klägerin gab an, sie habe ihre sämtlichen Unterlagen aus der Studentenzeit in ihrer früheren Wohnung in N verloren, als diese im Zusammenhang mit dem Anschlag vom 11. September 2001 vernichtet worden seien.

Durch Bescheid vom 8.10.2008 und Widerspruchsbescheid vom 25.3.2009 (zur Post gegeben per Einschreiben am 26.3.2009) lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Klägerin im Januar 1989 Studentin gewesen sei.

Am 27.4.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat eine Bestätigung des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität G vom Mai 2009 vorgelegt, wonach sie im Sommersemester 1988 und im Wintersemester 1988/89 Lehrveranstaltungen des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität G besucht habe. Die Beklagte hat dem Sozialgericht (SG) eine Stellungnahme des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Göttingen vom Juni 2009 zugeleitet, worin es heißt: Die Auskunft vom Mai 2009 beruhe auf handschriftlichen Eintragungen auf dem Personalblatt der Studentenkartei des Wintersemesters 1988/89; nach Auskunft des Studentensekretariats sei die Klägerin vom 10.6.1988 an exmatrikuliert gewesen.

Durch Urteil vom 6.7.2010 hat das SG Trier die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe bei der von ihr behaupteten Tat nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht an einer Hochschule immatrikuliert gewesen sei. Der etwaige Besuch von Lehrveranstaltungen allein begründe keinen Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Gegen dieses ihr am 9.8.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 7.9.2010 eingelegte Berufung der Klägerin. Diese hat Unterlagen vorgelegt, ua eine Bestätigung des Kunstgeschichtlichen Seminars der G -Universität G über Eintragungen von Lehrveranstaltungen auf ihrem Personalblatt (im Wintersemester 1988/1989: Proseminar "Duccio" bei Prof Dr M ; Vorlesung "Architektur des Absolutismus" von Prof Dr W ). Außerdem hat sie dem Senat eine von ihr im Rahmen eines "Oberseminars" bei Prof Dr A gefertigte Hausarbeit über das Thema "Der Segen Jakobs" (ein Bild von Rembrandt), einen für die Zulassung zum Rigorosum dienenden Lehrveranstaltungsnachweis der Universität S vom Januar 1998 und ein Gutachten von Prof Dr B vom Institut für Kunstgeschichte der Universität S vom August 1999 vorgelegt. Der Senat hat eine Auskunft der Dekanin der Philosophischen Fakultät der G-Universität G vom November 2010 eingeholt, worin es heißt: Die Klägerin sei vom 1.4. bis zum 10.6.1988 für die Fächer Kunstgeschichte (per Einstufung im 2. Fachsemester) und Archäologie (1. Fachsemester) eingeschrieben gewesen. Nach Auskunft des Direktors des Instituts für Kunstgeschichte, Prof Dr W , sei es möglich gewesen, ohne Immatrikulation Proseminare zu besuchen. Die Dozentinnen und Dozenten überprüften die Immatrikulation der Teilnehmerinnen/Teilnehmer der Lehrveranstaltungen nicht. Der Besuch der abendlichen Gastvorträge sei nach Auskunft des Direktors des Instituts für Kunstgeschichte freiwillig gewesen. Über den Gastvortrag am "27".1.1989 lägen keine Unterlagen vor.

Die Klägerin trägt vor: Sie habe im Wintersemester 1988/1989 das Proseminar über Duccio und die Vorlesung über die Architektur des Absolutismus besucht. Mittlerweile habe sie bei ihren Dissertationsunterlagen die von ihr im Hauptstudium der Kunstgeschichte für das Oberseminar bei Prof Dr K A im Wintersemester 1988/89 gefertigte Hausarbeit gefunden. Diese Hausarbeit, die sich mit der Deutung des Bildes "Der Segen Jakobs" von Rembrandt beschäftigt habe, sei nach den Angriffen auf das World Trade Center in New York am 11.9.2001 in stark beschädigtem Zustand geborgen worden. Bei den handschriftlichen Anmerkungen habe es sich um die Korrekturhandschrift von Prof Dr A gehandelt, der die Arbeit nach Umarbeitungen mit "voll befriedigend" bewertet habe. Die Arbeit sei ihr späteres Promotionsthema. Sie habe ihr Doktoratsstudium an der Universität S fortgeführt; Voraussetzung hierfür sei ua die Vorlage aller an der Universität G erworbenen Scheine gewesen, wozu auch der Schein des Prosemiars über Duccio gehört habe. Der Versicherungsschutz als Studentin hänge nicht von einer förmlichen Immatrikulation ab.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Trier vom 6.7.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.3.2009 aufzuheben und das Ereignis vom 26.1.1989 als Wegeunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Nach dem Wortsinn des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII seien nach dieser Vorschrift nur eingeschriebene (ordentliche) Studenten versichert, nicht dagegen Gasthörer und sonstige Hochschulbesucher. Wäre der Aufenthalt an der Hochschule zu privaten Zwecken, dh ohne Immatrikulation, grundsätzlich versichert, würde dies eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Ausweitung des Versicherungsschutzes bewirken. Im Übrigen stehe nicht fest, dass die Klägerin am 26.1.1989 ein Proseminar besucht habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Beurteilung der Rechtslage richtet sich nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil der mögliche Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten ist (§ 212 SGB VII). Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 RVO auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Die Klägerin hat am 26.1.1989 keinen nach § 550 Abs 1 RVO versicherten Wegeunfall erlitten. Dem Versicherungsschutz der Klägerin bei der Vergewaltigung an diesem Tag steht zwar nicht entgegen, dass es sich nicht um einen Unfall bei der unmittelbaren Zurücklegung des Weges von der Universität nach Hause, sondern um eine Gewalttat gehandelt hat, weil besondere Verhältnisse der Zurücklegung des Heimweges (Fahrt der Klägerin als Anhalterin mit einem ihr unbekanntem Fahrer) diese erst ermöglicht haben (vgl Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 Rn 153c). Die Klägerin war aber deshalb nicht versichert, weil sie diesen Weg nicht im Zusammenhang mit einer in den §§ 539, 540 oder 543 bis 545 RVO aufgeführten Tätigkeiten zurückgelegt hat. Sie war keine versicherte Person im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO. Nach dieser Vorschrift sind Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen gegen Arbeitsunfall versichert, soweit sie nicht bereits zu den nach § 539 Abs 1 Nrn 1 bis 3, 5 bis 8 und 14 RVO versicherten Personen gehören.

Folgender Sachverhalt steht für den Senat als Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung fest: Die Klägerin war, wie aus den Angaben der G -Universität G hervorgeht, dort im Wintersemester 1988/1989 (anders als in der Zeit zuvor vom 1.4. bis 10.6.1988) nicht immatrikuliert. Sie war auch nicht als Gasthörerin oder in anderer Eigenschaft von der Universität offiziell registriert. Dennoch nahm sie in diesem Semester an dem Proseminar über Duccio di Buoninsegna und an einer Vorlesung über die Architektur des Absolutismus teil. Dies war möglich, weil die Dozenten ihre Immatrikulation nicht geprüft haben (vgl Stellungnahme der Dekanin der Philosophischen Fakultät der Universität G ). Der Besuch eines abendlichen Gastvortrags, wie er am 26.1.1989 gehalten wurde, war, wie aus der Auskunft der Dekanin hervorgeht, für die Teilnehmer an dem Proseminar freiwillig.

Dieser Sachverhalt begründet nicht die Einbeziehung der Klägerin in die Gruppe der "Studierenden während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen" iSd § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO. Der Wortlaut dieser Norm unterscheidet sich allerdings, ebenso wie die Nachfolgevorschrift (§ 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII), insoweit von vergleichbaren Normen, zB § 5 Abs 1 Nr 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 5 Abs 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), als § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO nicht ausdrücklich die Eigenschaft des Studierenden als "eingeschriebener" bzw "ordentlicher" Student verlangt. Daraus folgert die wohl herrschende Auffassung im Schrifttum, der Begriff "Studierende an Hochschulen" iSd § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII) habe einen weiteren Inhalt als derjenige des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V und § 5 Abs 3 SGB VI. Versichert seien nicht nur die ordentlichen Studierenden, sondern auch alle anderen Personen, die sich an Hochschulen aus- und fortbilden, wie Gasthörer und Teilnehmer an Ferienkursen oder an einem Aufbau- oder Kontaktstudium, ohne dass die Teilnahme "berufsorientiert" sein müsse (Leube, NZS 2007, 468 ff; Kruschinsky in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 2 Rz 516; Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 2 Rn 108; Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 Rn 19.2; kritisch dazu Ricke, SGb 2006 S. 460 ff). Für die Entscheidung des vorliegenden Falls kann offenbleiben, ob dem zu folgen ist; insbesondere braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII) ausnahmslos die Immatrikulation des Betreffenden voraussetzt. Die Klägerin war jedenfalls deshalb nicht nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO versichert, weil sie im Wintersemester 1988/1989 weder immatrikuliert noch zumindest in anderer Weise von der G -Universität G offiziell, etwa als Gasthörer, registriert worden war. Für die Eigenschaft als Studierender im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch eine formale Beziehung zwischen der Universität als Ausbildungsstätte und der betreffenden Person im Sinne einer förmlichen Registrierung oder Anmeldung erforderlich (vgl Richter in LPK-SGB VII, 3. Auflage, § 2 Rn 76). Personen, die an einer Universitätsveranstaltung teilnehmen, ohne diese Voraussetzung zu erfüllen, zB als Zuhörer an einer Vorlesung, sind nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Dieses Erfordernis einer formalen Beziehung zwischen der Hochschule und dem Teilnehmer an einer Veranstaltung der Universität ergibt sich aus dem Gesamtkontext des § 539 Abs 1 RVO (bzw nach dem Inkrafttreten des SGB VII § 2 Abs 1 SGB VII). Der Gesetzgeber hat bei Kindern in Tageseinrichtungen und Schülern in § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe a und b RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe a und b SGB VII) nur Personen unter Versicherungsschutz gestellt, die nicht nur in loser Beziehung zur Einrichtung (Tageseinrichtung, Schule), wie es zB im Rahmen einer Besichtigung der Fall ist, stehen. Der Versicherungsschutz während einer beruflichen Aus- oder Fortbildung erfordert nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe c RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 2 SGB VII) ein Ausbildungsverhältnis mit dem aus- bzw fortbildenden Unternehmen. Ebenso ist der Teilnehmer an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchstabe b RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 15 Buchstabe a SGB VII) grundsätzlich nur versichert, wenn ein Rehabilitationsträger die Teilnahme bewilligt hat. Allen diesen Vorschriften ist eine formale Beziehung zwischen der Ausbildungsinstitution und dem Versicherten gemein. Dies spricht dafür, dass auch bei Studenten ein formaler Status des Versicherten im Verhältnis zur Hochschule notwendig ist, um die Voraussetzungen des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII) zu erfüllen. Dem steht nicht entgegen, dass der immatrikulierte Student, anders als ein Kind in einer Tageseinrichtung oder ein Schüler, in der Gestaltung des Studiums weitgehend frei ist, weshalb immatrikulierte Studenten zB auch beim Besuch allgemeiner Veranstaltungen der Universität, sogar wenn sie zB vom AStA organisiert sind, unfallversichert sind (BSG 28.8.1968 2 RU 67/76, BSGE 28, 204; vgl Keller aaO Rn 177).

Für diese Auslegung des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchstabe d RVO (bzw § 2 Abs 1 Nr 8 Buchstabe c SGB VII) spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Versicherungsschutz der Studenten geht auf das Gesetz über Unfallversicherung für Kinder in Kindergärten, Schüler und Studenten vom 18.3.1971 (BGBl I 237) zurück. In der Gesetzesbegründung (abgedruckt bei Lauterbach/Watermann, § 539 RVO Rn 87) heißt es dazu, es wäre mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG) nicht zu vertreten, wenn man Studierenden wissenschaftlicher Hochschulen den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung versagen würde, den alle anderen Personen während einer beruflichen Aus- und Fortbildung genössen. Diese Betonung des Gleichheitsgrundsatzes des Art 3 GG spricht dafür, dass bei Studenten, ebenso wie bei Kindern in Tageseinrichtungen, Schülern und Auszubildenden, eine formale Beziehung zwischen dem Studierenden und der Universität, jedenfalls zumindest in Form einer offiziellen Registrierung, als Voraussetzung des Unfallversicherungsschutzes erforderlich ist.

Diese formale Beziehung zwischen der Klägerin und der G -Universität G wurde im Wintersemester 1988/1989 nicht dadurch begründet, dass die Dozenten der Veranstaltungen, welche die Klägerin besucht hat (Proseminar, Vorlesung) deren Berechtigung zur Teilnahme nicht geprüft und gegen diese nichts eingewandt haben. Ebensowenig reicht die Eintragung der Klägerin in das Personalblatt des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität G für die förmliche Aufnahme in den Kreis der dort Studierenden aus, weil diese Eintragung keinen Status der Klägerin begründet hat. Der Korrektur der Hausarbeit über das Bild "Der Segen Jakobs" von Rembrandt durch den Dozenten Prof Dr A kommt im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls keine wesentliche Bedeutung zu. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin die Hausarbeit über den niederländischen Barockmaler Rembrandt im Rahmen des Seminars über den spätmittelalterlichen italienischen Maler Duccio di Buoninsegna geschrieben haben soll; die Klägerin hat diese Arbeit eigenen Angaben zufolge im Rahmen eines Oberseminars (nicht eines Proseminars) gefertigt und daher nicht im Wintersemester 1988/1989. Unabhängig davon hätte auch die Korrektur einer Hausarbeit keinen Status der Klägerin im Verhältnis zur Universität begründet. Letztlich rechtfertigt auch der Umstand, dass die Teilnahme der Klägerin an den Veranstaltungen der Universität G im Wintersemester 1988/1989 für die spätere Zulassung zum Rigorosum an der Universität S von Bedeutung war, keine andere rechtliche Beurteilung.

Die Klägerin war auch nicht nach anderen Rechtsvorschriften in den Kreis der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen einbezogen. Ein Versicherungsschutz nach § 544 Nr 1 RVO (Vorgängervorschrift von § 3 Abs 1 Nr 2 SGB VII) scheidet aus. Nach dieser Vorschrift kann die Satzung des Unfallversicherungsträgers bestimmen, dass und unter welchen Bedingungen Personen gegen Arbeitsunfall versichert sind, welche die Stätte des Unternehmens besuchen oder auf ihr verkehren. Ein Versicherungsschutz unter diesem Gesichtspunkt kommt vorliegend, unabhängig vom möglichen Fehlen einer satzungsmäßigen Regelung, nicht in Betracht, weil er Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 RVO) nicht umfasst (Kasseler Kommentar Ricke, § 3 SGB VII Rn 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved