L 5 KA 19/11 B ER

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 6 KA 49/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 19/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Klage eines konkurrierenden Arztes gegen die einem Medizinischen Versorgungszentrum durch gerichtlichen Vergleich erteilte Genehmigung zur Anstellung eines Arztes ist eine Anfechtungsklage.
2. Der Berufungsausschuss muss die Genehmigung der Anstellung eines Arztes wegen eines Sonderbedarfs gegenüber einem Arzt, der als Konkurrent die Genehmigung angreift, auch dann begründen, wenn sie im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilt wurde.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 6.5.2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Außergerichtliche Kosten des Antragsgegners und der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

Gründe:
I.
Umstritten ist, ob die Anfechtungsklage des Beigeladenen zu 1 gegen die der Antragstellerin im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilte Genehmigung der Anstellung eines Arztes aufschiebende Wirkung hat und ob bejahendenfalls die sofortige Vollziehung der Genehmigungsentscheidung anzuordnen ist.

Die Antragstellerin, ein seit April 2007 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmendes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Vertragsarztsitz in D , beantragte im Januar 2008 beim Antragsgegner die Erteilung der Genehmigung der Anstellung des Oberarztes der Abteilung Gastroenterologie des H Krankenhauses in D , PD Dr S. D liegt im Planungsbereich Westerwaldkreis, wo Zulassungsbeschränkungen für fachärztlich tätige Internisten bestehen. Die Zulassungsgremien lehnten den Antrag der Antragstellerin ab (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 19.6.2008; Beschluss des Antragsgegners vom 29.10.2008). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Mainz (S 2 KA 331/08) schlossen die Antragstellerin und der Antragsgegner, vertreten durch seinen Vorsitzenden, am 3.11.2010 einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Antragsgegner die Anstellung von PD Dr S bei der Antragstellerin zur Deckung eines Sonderbedarfs im Schwerpunktgebiet Gastroenterologie mit Wirkung zum 1.1.2011 bei vollem Versorgungsauftrag genehmigte. In diesem Verfahren waren weder die Krankenkassen/ verbände noch die Beigeladenen zu 1 und 2 beteiligt.

Der Beigeladene zu 1, ein Internist mit Schwerpunkt Gastroenterologie mit Vertragsarztsitz in M , das ca fünf Kilometer von D entfernt liegt, hat am 7.12.2010 gegen die Anstellungsgenehmigung Klage beim SG Mainz erhoben (S 6 KA 309/10). Am 14.2.2011 hat die Antragstellerin beim SG beantragt festzustellen, dass die Klage des Beigeladenen zu 1 keine aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise die sofortige Vollziehung der Genehmigung der Anstellung von PD Dr S anzuordnen. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Klage des Beigeladenen zu 1 habe keine aufschiebende Wirkung, da sie offensichtlich unzulässig sei. Der Beigeladene zu 1 sei nicht klagebefugt, weil er zweifelsfrei nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Abrechnungsstatistiken könne von einer wirtschaftlichen Betroffenheit des Beigeladenen zu 1 keine Rede sein. Die der Antragstellerin erteilte Genehmigung der Anstellung von PD Dr S wirke sich nicht auf die Erwerbsmöglichkeiten des Beigeladenen zu 1 aus.

Durch Beschluss vom 6.5.2011 hat das SG Mainz den Antrag der Antragstellerin abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für den Antrag auf Feststellung, dass die Klage gegen den gerichtlichen Vergleich vom 3.11.2010 keine aufschiebende Wirkung habe, fehle der Antragstellerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse (Hinweis auf Bayerisches LSG 7.4.2010 L 20 R 845/09 ER). Insoweit biete die Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine ausreichende Rechtsschutzmöglichkeit, sodass es des Rückgriffs auf den allgemein gehaltenen Feststellungsantrag nicht bedürfe. Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG sei nicht erfolgreich. Die Klage des Beigeladenen zu 1 vor dem SG Mainz sei nicht unzulässig. Denn dieser könne durch den vor dem SG Mainz geschlossenen Vergleich in seinen Rechten verletzt sein, da sich das Leistungsangebot des PD Dr S und des Beigeladenen zu 1 deckten. Es bestünden zumindest erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilten Genehmigung. Nicht der Vorsitzende des Antragsgegners, sondern der Berufungsausschuss in seiner vollen Besetzung sei für die Erteilung einer solchen Genehmigung zuständig. Da die in dem gerichtlichen Vergleich getroffene Regelung den ursprünglichen Beschluss vom 29.10.2008 ersetzt habe, habe es zudem der Schriftform sowie einer schriftlichen Begründung bedurft (§ 97 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch SGB V iVm § 85 Abs 3 SGG). Die erforderliche Interessenabwägung gehe zu Lasten der Antragstellerin, weil ein Erfolg des Beigeladenen zu 1 im Klageverfahren S 6 KA 309/10 nicht ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19.5.2011 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, die vorträgt: Entgegen der Auffassung des SG sei das erforderliche Feststellungsinteresse für den Hauptantrag gegeben. Der Feststellungsantrag sei auch begründet, weil die Klage des Beigeladenen zu 1 vor dem SG offensichtlich unzulässig sei und daher keine aufschiebende Wirkung entfalten könne. Eine Anfechtungsklage gegen einen gerichtlichen Vergleich sei nicht statthaft. Im Übrigen sei der Beigeladene zu 1 im Klageverfahren S 6 KA 309/10 nicht klagebefugt, da seine Rechtsstellung mangels wirtschaftlicher Betroffenheit durch die Klage nicht verbessert werden könne. Jedenfalls sei aber ihr Hilfsantrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anstellungsgenehmigung begründet, weil die vor dem SG Mainz erhobene Klage des Beigeladenen zu 1 keinen Erfolg haben könne. Der Vorsitzende des Antragsgegners sei zu dem Vergleichsabschluss in dem Klageverfahren S 2 KA 331/08 berechtigt gewesen (Hinweis auf Bundessozialgericht BSG 6.5.2009 B 6 KA 7/08 R, juris). Es habe auch keiner schriftlichen Begründung des Vergleichsabschlusses bedurft. Aber selbst wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen sei, rechtfertige sich der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung jedenfalls aus einer Interessenabwägung. Weder ihr noch PD Dr S sei es zuzumuten, den Abschluss eines jahrelangen Rechtsstreits abzuwarten (Hinweis auf BSG 5.11.2003 B 6 KA 11/03 R). Zudem gebiete auch das öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung der Anstellungsgenehmigung. Die Durchführung gastroenterologischer Leistungen durch hierzu ermächtigte Krankenhausärzte wie im vorliegenden Fall indiziere einen zusätzlichen Versorgungsbedarf (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen 14.7.2004 L 11 KA 21/04).

Der Antragsgegner schließt sich der Auffassung der Antragstellerin an und trägt ua vor: Das SG habe die Prüfung versäumt, ob der Beigeladene zu 1 als Folge der im Wege des gerichtlichen Vergleichs erteilten Anstellungsgenehmigung wesentliche Konkurrenznachteile zu befürchten habe. Von einer erheblichen Einkommenseinbuße könne nur ausgegangen werden, wenn die Zahl der von PD Dr S behandelten Patienten aus dem Einzugsbereich des Beigeladenen 1 mutmaßlich 5 vH der durchschnittlichen Gesamtfallzahl dessen Praxis übersteige (Hinweis auf BSG 17.10.2007 B 6 KA 42/06 R; 17.6.2009 B 6 KA 38/08 R). Dazu habe der Beigeladene zu 1 bisher nichts vorgetragen. Wenn die Anstellungsgenehmigung keinen Bestand haben würde, würde das H -Krankenhaus D die fraglichen gastroenterologischen Leistungen weiterhin in eigener Regie auf der Grundlage des § 115b SGB V erbringen. Im Übrigen habe sich in einer anderen, inzwischen beim SG anhängigen Sache herausgestellt, dass der Beigeladene zu 1 aus dem faktischen Wegzug eines Konkurrenten keinen Vorteil habe ziehen können, sondern die Zahl der von ihm koloskopisch behandelten Patienten im Wesentlichen gleich geblieben sei. Der Beigeladene zu 1 hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Die Beigeladene zu 2 (Kassenärztliche Vereinigung KÄV ) hat sich der Auffassung der Antragstellerin angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

II.

Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das SG hat deren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung, dass die Klage des Beigeladenen zu 1 gegen die durch den gerichtlichen Vergleich erteilte Anstellungsgenehmigung keine aufschiebende Wirkung habe (Hauptantrag der Antragstellerin), ist entgegen der Auffassung des SG zulässig. Zwar ist eine selbstständige Klage auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (Keller in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn 15). Ebenso wie ein Antrag auf Feststellung, dass ein Widerspruch oder eine Klage aufschiebende Wirkung hat, zulässig sein kann (Keller a.a.O.), kann jedoch bei Zweifeln am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs eines Drittbetroffenen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich die Feststellung, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat, in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 SGG begehrt werden.

2. Der Hauptantrag der Antragstellerin ist aber unbegründet, weil die Klage des Beigeladenen zu 1 gegen die der Antragstellerin erteilte Anstellungsgenehmigung aufschiebende Wirkung hat. Denn es handelt sich um eine Anfechtungsklage (§ 86a Abs 1 SGG) und die aufschiebende Wirkung ist nicht durch Gesetz ausgeschlossen (vgl § 86a Abs 2 SGG).

Der Zulässigkeit der Klage des Beigeladenen zu 1 als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) steht nicht entgegen, dass der Antragstellerin die Anstellungsgenehmigung nicht durch einen Bescheid, sondern im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilt wurde. Denn ein solcher Vergleich kann von einem drittbetroffenen Konkurrenten wie ein Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage angefochten werden, weil er einen Genehmigungsbescheid ersetzt und seinem Inhalt nach Regelungen enthält, die typischerweise durch Verwaltungsakt getroffen werden (so zum Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren BSG 28.4.2004 B 6 KA 8/03 R, juris Rn 36). Dies ergibt sich zudem im Lichte der Grundrechtsposition des drittbetroffenen Arztes aus Art 12 Grundgesetz GG , die ausgehöhlt würde, wenn dieser schlechtergestellt würde, als wenn die Genehmigung durch einen Bescheid erteilt worden wäre.

3. Die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob die Klage zulässig und begründet ist. Ob es hiervon Ausnahmen bei offensichtlicher Unzulässigkeit gibt (vgl Keller aaO, § 86a Rn 10), kann vorliegend offen bleiben, weil die Klage des Beigeladenen zu 1 nicht offensichtlich unzulässig ist, auch nicht wegen fehlender Klagebefugnis. Die abstrakte Tauglichkeit eines Rechtssatzes zur Begründung eines subjektiven Rechts des Personenkreises, dem der Konkurrent angehört, ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage zu prüfen (BSG 7.2.2007 B 6 KA 8/06 R, juris). Der Beigeladene zu 1 wäre nur dann nicht klagebefugt, wenn ihm die von ihm geltend gemachten Rechte unter Zugrundelegung seines Klagevorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen könnten (BSG 7.2.2007 aaO). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Berechtigung von Vertragsärzten, zugunsten anderer Ärzte oder eines MVZ ergangene Entscheidungen anzufechten, hängt von drei Voraussetzungen ab (BSG 17.6.2009 B 6 KA 25/08 R, juris Rn 19), nämlich 1. dass der Kläger und der Konkurrent im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen anbieten, 2. dass dem Konkurrenten die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert und nicht nur ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wird und 3. dass der dem Konkurrenten eingeräumte Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist. Keine dieser drei Voraussetzungen ist vorliegend zweifelsfrei nicht erfüllt, weshalb die Klage des Beigeladenen zu 1 nicht offensichtlich unzulässig ist.

Die Antragstellerin will mit Hilfe der Anstellung von PD Dr S die gleichen Leistungen anbieten wie der Beigeladene zu 1. Davon, dass bei der gegebenen Sachlage ein faktisches Konkurrenzverhältnis im vorliegenden Fall von vornherein ausscheidet, kann keine Rede sein. Mit der Genehmigung der Anstellung von PD Dr S wird die Befugnis der Antragstellerin zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erweitert. Diese Vorausetzung ist erfüllt, wenn die Erweiterung auf einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen beruht, also nicht allein faktische Folge einer geänderten Situation ist (BSG 28.10.2009 B 6 KA 42/08 R, juris Rn 25). Da die Genehmigung der Anstellung des PD Dr S rechtlich zur Erweiterung des Kreises der Patienten führt, welche auf Rechnung der Antragstellerin behandelt werden (vgl BSG aaO Rn 26; zum statusbegründenden Charakter der Anstellungsgenehmigung vgl BSG 11.3.2009 B 6 KA 15/08 R, juris Rn 15), bewirkt die Anstellungsgenehmigung eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Der der Antragstellerin eingeräumte Status ist in Bezug auf den vorliegend betroffenen Regelungsgegenstand gegenüber demjenigen des Beigeladenen zu 1 nachrangig. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Antragstellerin als MVZ ebenso wie der Beigeladene zu 1 über den Status einer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Einrichtung verfügt. Der Vorrang des Beigeladenen zu 1 ergibt sich aus den Rechtsvorschriften, aufgrund derer für ein MVZ die Genehmigung der Anstellung eines Arztes erforderlich ist. Nach § 95 Abs 2 Satz 7 SGB V bedarf die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen MVZ der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist nach Satz 8 dieser Vorschrift zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 vorliegen. Einschränkend bestimmt aber § 95 Abs 2 Satz 9 SGB V, dass Anträge auf Genehmigung einer Anstellung in einem zugelassenen MVZ (gleichwohl) abzulehnen sind, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs 1 Satz 2 SGB V angeordnet sind, was vorliegend der Fall ist. Ausnahmen sind nur unter den Voraussetzungen des § 40 Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte (Bedarfsplanungs-RL) möglich. Deshalb hat ein als Arzt zugelassener Konkurrent gegenüber einem MVZ, das zur Deckung eines Sonderbedarfs eine Anstellungsgenehmigung beantragt, ebenso einen Vorrangstatus wie gegenüber einem nicht zugelassenen Arzt, der eine Sonderbedarfszulassung erstrebt (zu dieser Fallkonstellation vgl BSG 17.6.2009 B 6 KA 38/08 R, juris).

4. Das SG hat es auch im Ergebnis zu Recht abgelehnt, gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG die sofortige Vollziehung der Genehmigung der Anstellung des PD Dr S anzuordnen. Bei der in diesem Rahmen erforderlichen Abwägungsentscheidung kommt es auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und zusätzliche Interessengesichtspunkte an (vgl im Einzelnen Keller aaO, § 86b Rn 12 ff). Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand sprechen gewichtige Gründe für einen Erfolg des Beigeladenen zu 1 im Klageverfahren S 6 KA 309/10, weshalb der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anstellungsgenehmigung keinen Erfolg hat.

Entgegen der Auffassung des SG ist die Genehmigung der Anstellung des PD Dr S allerdings nicht deshalb unwirksam, weil nicht der Antragsgegner in seiner vollen Besetzung, sondern allein dessen Vorsitzender den gerichtlichen Vergleich vor dem SG Mainz geschlossen hat. Denn nach § 71 Abs 4 SGG handelt für Entscheidungsgremien iSd § 70 Nr 4 SGG, zu denen der Antragsgegner gehört, der Vorsitzende. Dieser ist berechtigt, im Gerichtsverfahren Entscheidungen des Ausschusses im Vergleichsweg oder im Wege des Anerkenntnisses abzuändern oder aufzuheben, ohne dass insoweit die Zustimmung der beigeladenen Krankenkassenverbände oder der KÄV erforderlich ist (BSG 6.5.2009 B 6 KA 7/08 R, juris Rn 21). Der geschlossene Vergleich ist nicht nur prozessrechtlich, sondern auch materiell-rechtlich wirksam (zur Doppelnatur des Prozessvergleichs Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, § 101 Rn 3). Unschädlich ist entgegen der Auffassung des SG auch das Fehlen der nach § 56 SGB X vorgeschriebenen Schriftform des Vergleichs. Denn die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs ersetzte eine an sich erforderliche Schriftform (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 56 Rn 4). Der Umstand, dass das SG im Rechtsstreit S 2 KA 331/08 verfahrensfehlerhaft sämtliche notwendigen Beiladungen unterlassen hat, ua auch diejenige des Beigeladenen zu 1, tangiert die prozessuale und materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs ebenfalls nicht.

5. Die Anstellungsgenehmigung zugunsten des Antragstellers ist jedoch nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand rechtswidrig, weil es an der erforderlichen Begründung dieser Entscheidung (§ 35 SGB X) fehlt. Diese ist im Verhältnis zum Beigeladenen zu 1 als drittbetroffenem Konkurrenten insbesondere wegen des Beurteilungsspielraums erforderlich, den der Antragsgegner bei Erteilung der Anstellungsgenehmigung hat. Nach § 40 Abs 1 Bedarfsplanungs RL gelten für die Anstellung von Ärzten in MVZ bei angeordneten Zulassungsbeschränkungen die §§ 24 und 25 Bedarfsplanungs RL mit bestimmten Maßgaben entsprechend. Deshalb ist für die Anstellungsgenehmigung ein Versorgungsbedarf erforderlich (vgl § 24 Bedarfsplanungs RL), für dessen Bestimmung den Zulassungsgremien, wie sonst in Zulassungssachen (vgl BSG 9.2.2011 B 6 KA 7/10 R, juris), ein Beurteilungsspielraum obliegt. Dies impliziert, dass die Zulassungsgremien den Versorgungsbedarf eingehend begründen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beurteilungsspielraum des Antragsgegners vorliegend auf Null reduziert ist (vgl Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 113 Rn 207), sind nicht ersichtlich. Das Begründungserfordernis ist auch nicht dadurch entfallen, dass der Antragstellerin die Anstellungsgenehmigung im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilt wurde. Denn durch diese Verfahrensweise darf, wie bereits dargelegt, die Rechtsposition des Beigeladenen zu 1 als Drittbelasteter im Hinblick auf Art 12 GG nicht geschmälert werden. Dies führt nicht dazu, dass der Abschluss gerichtlicher Vergleiche in derartigen Fällen praktisch unmöglich wäre. Denn die Begründung kann in solchen Fällen auch nachträglich erfolgen (§ 41 Abs 1 Nr 2, Abs 2 SGB X), zB in einem Ausführungsbescheid nach dem Vergleichsabschluss. Ob bei völlig fehlender Begründung deren Nachholung während des Gerichtsverfahrens, unter Umständen auch in einem Schriftsatz, möglich ist (zu Ermessensentscheidungen vgl LSG Rheinland Pfalz 23.9.2010 L 5 KR 121/09, juris Rn 26), kann im Rahmen der vorliegenden Entscheidung offenbleiben. Denn der Antragsgegner hat die notwendige Begründung bisher nicht nachgeholt. Zulässig dürfte nach Auffassung des Senats jedenfalls ein nachträglicher Bescheid des Antragsgegners sein, in welchem dieser die Anstellungsgenehmigung begründen und der nach §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG Gegenstand des beim SG Mainz anhängigen Hauptsacheverfahrens werden würde. Ein solcher Bescheid ist aber bisher nicht erlassen worden.

6. Es spricht auch vieles dafür, dass der Beigeladene zu 1 durch die Anstellungsgenehmigung in eigenen Rechten betroffen ist, dh dass eine reale Konkurrenzsituation zwischen ihm und der Antragstellerin hinsichtlich der Leistungen besteht, welche der Arzt PD Dr S im Falle der Anstellungsgenehmigung erbringen wird. Denn ins Gewicht fallende Überschneidungen zwischen dem Behandlungsspektrum des PD Dr S und demjenigen des Beigeladenen zu 1 (vgl BSG 17.6.2009 aaO, juris Rn 25) liegen unter Berücksichtigung der geringen Entfernung zwischen D und M auf der Hand. Selbst wenn es aber insoweit weiterer Feststellungen des SG im Hauptsacheverfahren bedürfte, weist jedenfalls vieles auf eine erhebliche finanzielle Betroffenheit des Beigeladenen zu 1 durch die Genehmigung der Anstellung von PD Dr S hin.

Im Hinblick auf diese Umstände und wegen der verfassungsrechtlichen Rechtsposition des Beigeladenen zu 1 nach Art 12 GG ist dessen Interesse an der aufschiebenden Wirkung nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand höher zu bewerten als das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Ein etwaiges öffentliches Interesse an der Anstellungsgenehmigung erscheint, soweit es im vorliegenden Zusammenhang überhaupt berücksichtigungsfähig ist, nicht als so gewichtig, dass es eine andere Eilentscheidung rechtfertigen könnte.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Bei einer defensiven Konkurrentenklage ist das dem Begehren zugrundeliegende wirtschaftliche Interesse kaum zu beziffern. Deshalb ist auf den Regelstreitwert des § 52 Abs 2 GKG zurückzugreifen. In Anlehnung an den in Zulassungssachen für die Streitwertbestimmung zugrundezulegenden Zeitraum von drei Jahren (vgl BSG 1.9.2005 6 KA 41/04 R, juris) ergibt sich im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 12 Quartalen x 5.000, EUR = 60.000, EUR. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Erfolg der Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache verbunden wäre, weil sie ein auf der Anstellung des PD Dr S beruhendes Honorar nicht zurückzahlen müsste, ist als Streitwert vorliegend 1/3 des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens angemessen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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