S 14 AL 201/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 AL 201/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 6/18 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 14/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X gegen die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 30. Juli bis 31. Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 2.945,54 EUR.

Der 1968 geborene Kläger war seit dem 3. Januar 2014 arbeitsunfähig erkrankt. Seine Krankenkasse gewährte ihm Krankengeld zunächst bis zum 10. Februar 2015. Für den Zeitraum vom 11. Februar bis 6. März 2015 gewährte die Krankenkasse Übergangsgeld. Ein weitergehender Krankengeldanspruch des Klägers für den Zeitraum vom 7. März bis 20. März 2015 wurde mangels Mitwirkung des Klägers nicht ausgezahlt. Die Aussteuerung des Klägers erfolgte zum 8. April 2015.

Bereits am 15. März 2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten (Agentur für Arbeit B.) und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 16. März 2015 forderte die Beklagte den Kläger daraufhin auf, sich ärztlich begutachten zu lassen, um das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Hinblick auf die Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III prüfen zu können. Eine Reaktion des Klägers erfolgte zunächst nicht.

Einen Tag nach seiner Kontaktaufnahme mit der Beklagten beantragte der Kläger am 16. März 2015 bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover (DRV) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Im Zeitraum vom 26. März bis zum 23. Juli 2015 war der Kläger zwischenzeitlich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Nürnberg inhaftiert.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 lehnte die DRV die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente unter Verweis auf das Fehlen einer Mindestversicherungszeit ab. Dabei stellte die DRV fest, dass der Kläger ab dem 3. Januar 2014 voll erwerbsgemindert sei. Hiergegen legte der Kläger am 4. Juni 2015 Widerspruch ein, der letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2016 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die DRV führte zur Begründung aus, der Kläger sei aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden (wiederkehrende depressive Störung, mittelgradige Episode, Panikstörung, Atherosklerotische Herzkrankheit, chronische Virushepathitis und Opiatsubstitution) zwar seit dem 3. Januar 2014 voll erwerbsgemindert und könne nur noch unter drei Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Er erfülle jedoch nicht die allgemeine Wartezeit, da er lediglich 18 Kalendermonate mit Beitragszeiten aufweisen könne. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien daher nicht erfüllt.

Am 30. Juli 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten (Agentur für Arbeit Nürnberg) erneut die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei gab der Kläger an, seit dem 3. Januar 2014 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Zudem könne er aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt Beschäftigungen aufnehmen. Eine Vorlage oder ein Hinweis auf den Bescheid der DRV vom 12. Mai 2015 oder das laufende Widerspruchsverfahren erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 12. August 2015 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage weitergehender Unterlagen auf, um über seinen Antrag auf Arbeitslosengeld entscheiden zu können.

Ab dem 1. August 2015 bezog der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Fürth Stadt. Das Jobcenter machte diesbezüglich einen Erstattungsanspruch bei der Beklagten geltend.

Laut Gutachten nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit Fürth vom 13. August 2015, Dr. C., bestand bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch ein Leistungsvermögen des Klägers von täglich weniger als drei Stunden. Dies gelte für einen Zeitraum von über 6 Monaten, jedoch nicht auf Dauer. Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Falles nach § 145 SGB III lägen vor. Mit Schreiben vom 2. September 2015 forderte die Beklagte den Kläger daraufhin auf, beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Rehabilitationsleistungen oder auf Erwerbsminderungsrente zu stellen.

Zugleich bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 2. September 2015 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 300 Tagen ab dem 30. Juli 2015 in Höhe von 23,92 EUR. Der Arbeitslosengeldanspruch wurde dabei für den Zeitraum vom 30. Juli bis 31. Oktober 2015 im Hinblick auf den Erstattungsanspruch des Jobcenters zunächst nicht ausgezahlt.

Mit Änderungsbescheid vom 21. September 2015 zahlte die Beklagte dem Kläger sodann für den Zeitraum vom 30. Juli 2015 bis 31. Juli 2015 23,92 EUR täglich, für den Monat August 2015 7,28 EUR täglich sowie für den Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 28. Mai 2016 in Höhe von 23,92 EUR täglich.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2015 bewilligte die Beklagte nunmehr bereits ab dem 1. August 2015 Arbeitslosengeld in Höhe von 23,92 EUR täglich. Der Erstattungsanspruch wurde nunmehr nur noch im Rahmen der Auszahlung berücksichtigt. Zugleich teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 2016 mit, dass er für den Monat August 2015 Arbeitslosengeld erhalten habe. Aufgrund der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers sei sein Anspruch in Höhe von 499,00 EUR bereits erfüllt, so dass er in diesem Umfang keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld habe.

Am 22. Oktober 2015 erfuhr die Beklagte, dass ein Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente mit Bescheid vom 12. Mai 2015 abgelehnt worden war. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zu einer Aufhebung des ihm ab dem 30. Juli 2015 gewährten Arbeitslosengeldes in Höhe von insgesamt 2.200,64 EUR an. Da dem Kläger seit Ablehnung seiner Erwerbsminderungsrente bekannt gewesen sei, dass er ab dem 3. Januar 2014 voll erwerbsgemindert war, müsste ihm bekannt gewesen sein, dass er von Beginn an keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2015 hob die Beklagte sodann die Bewilligung des Arbeitslosengeldes an den Kläger zunächst mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. November 2015 mangels Verfügbarkeit ganz auf.

Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2015 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 30. Juli 2015 auf und forderte die Erstattung von 2.200,64 EUR an überzahltem Arbeitslosengeld sowie die Erstattung von 646,83 EUR an Kranken- und von 98,07 EUR an Pflegeversicherungsbeiträgen, insgesamt damit 2.945,54 EUR. Das an die Adresse D Straße in D-Stadt gerichtete Schreiben kam mit dem Vermerk, Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln, an die Beklagte zurück.

Mit Schreiben vom 17. September 2016 wendete sich der Kläger unter Angabe seiner neuen Adresse in der A-Straße in A-Stadt an die Beklagte (Agentur für Arbeit Fürth) bezüglich der geltend gemachten Rückzahlungsforderungen. Der Kläger bat, die Forderung nochmals an ihn zu schicken, da er keine Unterlagen mehr habe. Mit Schreiben vom 27. September 2016 übersandte die Beklagte daraufhin eine Kopie des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 14. Dezember 2015.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 teilte der Kläger mit, er sei mit der Rückforderung nicht einverstanden, da aufgrund seines Widerspruchs im Rentenverfahren erst am 6. April 2016 festgestanden habe, dass seine Rente abgelehnt werde. Bis dahin habe er Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Insofern bitte er auch um Nachzahlung für den Zeitraum vom 31. Oktober 2015 bis zum 6. April 2016.

Die Beklagte legte das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X aus und lehnte die Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2015 mit hier gegenständlichem Bescheid vom 13. Oktober 2016 ab. Die Überprüfung habe ergeben, dass weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, noch das Recht falsch angewendet wurde. Hiergegen legte der Kläger am 14. Oktober 2016 Widerspruch ein und wiederholte sein Vorbringen, er habe sogar bis zum 6. April 2016 Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte erneut aus, beim Bescheid vom 14. Dezember 2015 sei weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden, noch das Recht falsch angewendet worden.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 1. November 2016 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.

Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, er habe erst durch den Widerspruchbescheid der DRV vom 6. April 2016 endgültig keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gehabt. Daher habe er bis zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dementsprechend bestehe kein Rückforderungsanspruch der Beklagten und ihm stehe ein weitergehender Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum vom 1. November 2015 bis zum 6. April 2016 zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 13. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 14. Dezember 2015 aufzuheben, sowie den Bescheid vom 30. Oktober 2015 insoweit abzuändern, als sein Arbeitslosengeld erst ab dem 7. April 2016 aufgehoben wird.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, der Kläger habe von Beginn an keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen schon seit Antragstellung nicht verfügbar gewesen im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 SGB III. Auch die Anwendbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III scheide aus, da der Rentenversicherungsträger bereits zuvor mit Bescheid vom 12. Mai 2015 die volle Erwerbsminderung des Klägers aus medizinischer Sicht bestätigt habe. Der Kläger habe dies bei Antragstellung auch gewusst, so dass er zumindest grob fahrlässig hätte erkennen können, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht bestand.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Überprüfungsbescheid vom 13. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da auch der zur Überprüfung gestellte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2015 rechtmäßig war. Der Kläger hatte insbesondere bereits ab Antragstellung am 30. Juli 2015 keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Insofern kann vorliegend auch dahingestellt bleiben, ob der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2015 dem Kläger bereits im Dezember 2015 oder erst auf seine schriftliche Nachfrage Ende September 2016 bekannt gegeben wurde. In letzterem Fall wären das Schreiben des Klägers 10. Oktober 2016 als Widerspruch sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2016 als Widerspruchsbescheid zu qualifizieren, gegen den mangels zutreffender Rechtsfolgenbelehrung zulässigerweise innerhalb der Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG Klage erhoben wurde.

§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht vor, dass, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Bei Erlass des vom Kläger zur Überprüfung gestellten Bescheides vom 14. Dezember 2015 wurde weder das Recht unrichtig angewandt, noch wurde von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2015 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 30. Juli 2015 auf und forderte die Erstattung von 2.200,64 EUR an überzahltem Arbeitslosengeld sowie die Erstattung von 646,83 EUR an Kranken- und 98,07 EUR an Pflegeversicherungsbeiträgen, insgesamt damit 2.945,54 EUR. Ermächtigungsgrundlage für die rückwirkende Aufhebung des Arbeitslosengeldanspruchs ist § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X.

§ 45 Abs. 1 SGB X sieht vor, dass soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf.

Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Vorliegend war die Bewilligung von Arbeitslosengeld zu Gunsten des Klägers ab dem 30. Juli 2015 bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Bewilligungsbescheides vom 2. September 2015 rechtswidrig, denn der Kläger war von Beginn an nicht arbeitslos.

Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Nach § 138 Abs. 1 SGB III ist arbeitslos, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und
1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Die Verfügbarkeit wird in § 138 Abs. 5 SGB III konkretisiert. Danach steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Der Kläger stand zu keinem Zeitpunkt den Vermittlungsbemühungen der Beklagten im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III zur Verfügung, da er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, im Sinne des § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben zu können. Wie die DRV bereits mit Bescheid vom 12. Mai 2015 festgestellt hatte, war der Kläger vielmehr aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden an fünf Tagen in der Woche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sei. Die DRV bestätigte damit das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für die Bestimmung der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 137 SGB III bzw. der objektiven Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 SGB III nicht darauf an, ob auch die weitergehenden Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vorlagen. Denn neben den gesundheitlichen Voraussetzungen setzt dies auch das Vorliegen der einschlägigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen voraus, an denen es vorliegend ausweislich des Widerspruchsbescheides der DRV vom 6. April 2016 fehlte. Maßgeblich für die Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III ist alleine, ob der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden kann. Nur wer auf dem Arbeitsmarkt überhaupt Verwendung finden kann, soll die Versicherungsleistung erhalten können (Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 138 SGB III, Rn. 17). Denn das mit der Arbeitslosenversicherung versicherte Risiko ist die Arbeitslosigkeit, nicht das Risiko einer gesundheitlichen Erwerbsminderung, welches durch die Rentenversicherung abgedeckt wird.

Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der sog. Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III. Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist.

Zwar steht vorliegend wohl allein die volle Erwerbsminderung des Klägers seiner Arbeitslosigkeit entgegen, jedoch war die verminderte Erwerbsminderung bereits vor dem 30. Juli 2015 durch die DRV festgestellt worden. Eine Ungewissheit über das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers lag gerade nicht vor, so dass die Anwendbarkeit des § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III von vornherein tatbestandlich ausscheidet.

Der Kläger kann sich auch nicht im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB X auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides berufen. Vielmehr hat der Kläger zur Überzeugung der Kammer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er bereits einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG vom 25. April 1990 - 7 RAr 20/89 - und vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273).

Vorliegend erhielt der Kläger den ablehnenden Rentenbescheid der DRV vom 12. Mai 2015 bereits vor Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 2. September 2015. Denn der Kläger hatte bereits am 4. Juni 2015 bei der DRV Widerspruch gegen die Ablehnung der Erwerbsminderungsrente erhoben, d.h. er hatte Kenntnis vom Inhalt der Ablehnung und damit auch davon, dass die DRV die volle Erwerbsminderung aus medizinischer Sicht bereits ab dem 3. Januar 2014 anerkannt hatte. Es hätte sich dem Kläger daher aufdrängen müssen, dass seine gesundheitliche Leistungsfähigkeit nicht ausreichend war, um den Anforderungen an die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung gerecht werden zu können. Über die konkreten Anforderungen war der Kläger durch Aushändigung des Merkblattes für Arbeitslose informiert worden. Zudem war dem Kläger wohl bereits bei seinem früheren Kontakt mit der Beklagten im März 2015 die Relevanz seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit vermittelt worden. Dementsprechend hatte er unmittelbar nach dem Kontakt seinen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gestellt. Soweit der Kläger irrig annahm, dass nur die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente einen Leistungsbezug von Arbeitslosengeld ausschließen würde, so wäre dieser Irrtum durch die Kenntnisnahme des ihm zur Verfügung stehenden Informationsmaterials sowie im Wege einer Beratung durch die Beklagte zu vermeiden gewesen. Das Gericht hat auch unter Berücksichtigung der Art der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers keine Anhaltspunkte dafür, dass in seiner Person ausnahmsweise Gründe vorliegen, die eine subjektive Fahrlässigkeit im vorliegenden Fall auszuschließen vermögen.

Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X wurde eingehalten. Ein Ermessen der Beklagten lag nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III nicht vor. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung.

Da dem Kläger das Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 30. Juli bis 31. Oktober 2015 bei Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides bereits ausgezahlt worden war, trat eine Überzahlung in Höhe von 2.200,64 EUR ein. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Höhe der Überzahlung sind weder vorgetragen worden noch für die Kammer ersichtlich. Die Erstattung des überzahlten Arbeitslosengeldes folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Ermächtigungsgrundlage für die Erstattung der für den Zeitraum vom 30. Juli bis 31. Oktober 2015 zu Unrecht gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 646,83 EUR bzw. 98,07 EUR ist § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III. Anhaltspunkte für ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis im Rückforderungszeitraum, das ggfs. zu einer Befreiung des Klägers von der Ersatzpflicht nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III führen könnte, liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die Rechtsfolgenbelehrung folgt aus §§ 143, 144 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass der streitige Arbeitslosengeldanspruch die Berufungssumme von 750,00 EUR übersteigt.
Rechtskraft
Aus
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