L 5 P 55/10

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 2 P 15/09
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 P 55/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Als Anhaltspunkt des Zeitaufwands für die gedankliche Erarbeitung eine gerichtlichen Gutachtens durch den Sachverständigen ist pro Seite des Kernbereichs etwa eine Stunde zu veranschlagen.
2. Eine Umrechung auf eine Standardseite mit einer bestimmten Zahl von Anschlägen findet nicht statt. Entscheidend ist der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Inhalt des Gutachtens zum Ausdruck kommt.
Die Entschädigung des Antragstellers für die Erstattung des Gutachtens vom 15.6.2011 wird auf 1.295,32 EUR festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Antragsteller ist durch Beweisbeschluss des Senats vom 2.5.2011 zum Sachverständigen ernannt worden. Für die Erstellung seines Gutachtens hat er einen Betrag von 1.438,12 EUR verlangt. In seiner Rechnung hat er folgende Zeitangaben für die Bearbeitung des Gutachtensauftrags gemacht:
- Aktenstudium 2 Stunden
- Untersuchung 1,5 Stunden
- Auswertung der Befunde 1 Stunde
- Abfassung und Beurteilung 7,4 Stunden
- Diktat und Korrektur 2 Stunden 10 Minuten
- Fahrzeit wegen Untersuchung 4 Stunden
Insgesamt hat der Sachverständige einen Zeitaufwand von 18 Stunden angegeben. Als Stundenfaktor hat der Antragsteller 60,-- EUR angesetzt.
Außerdem hat der Antragsteller geltend gemacht:
- Porto und Telefon 10,-- EUR
- Schreibgebühren 19,50 EUR
- Fahrtkosten 99,-- EUR
Die Kostenbeamtin des LSG hat die Entschädigung auf insgesamt 1.295,32 EUR gekürzt. Sie hat von dem vom Antragsteller angegebenen Zeitaufwand von insgesamt 18 Stunden zwei Stunden abgezogen, da Befunde nicht auszuwerten und für die Abfassung und Beurteilung des Gutachtens 6 Stunden ausreichend gewesen seien.
Mit Scheiben vom 27.6.2011 (beim LSG eingegangen am gleichen Tag) hat der Antragsteller richterliche Kostenfestsetzung beantragt und zur Begründung vorgetragen: Er räume ein, dass ein Zeitaufwand für die Auswertung von Befunden nicht angesetzt werden könne. Dagegen beanstande er die Kürzung des Zeitaufwandes für die Abfassung und Beurteilung. Der Kernbereich des Gutachtens umfasse einen Text von 13.344 Anschlägen. Auszugehen sei jedoch in diesem Zusammenhang von 1.800 Anschlägen pro Seite (Hinweis auf Hessisches LSG 11.4.2005 - L 2/9 SF 82/04; Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 21. Auflage, § 8 Rn 25.6). Umgerechnet hierauf ergäbe sich vorliegend in Bezug auf die Abfassung und Beurteilung eine Seitenzahl von 7,4 Seiten. Deshalb sei insoweit ein Zeitaufwand von 7,4 Stunden zu entschädigen.

II.
Die Entscheidung über den Antrag ergeht durch den Berichterstatter (§ 4 Abs 7 Satz 1 JVEG). Die Voraussetzungen für eine Übertragung auf den Senat (§ 4 Abs 7 Satz 2 JVEG) sind nicht erfüllt.
Der Antrag auf richterliche Festsetzung der Entschädigung ist nach § 4 Abs 1 Satz 1 JVEG zulässig, aber nicht begründet. Die Festsetzung der Kostenbeamtin ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 8 Abs 1 Nr 1, Abs 2 iVm § 9 Abs 1 JVEG erhalten Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und der Entschädigung für den sonstigen Aufwand (§ 8 Abs 1 Nr 2 - 4 JVEG) ein Honorar für ihre Leistungen, das sich nach Stundensätzen bemisst. Gemäß § 8 Abs 2 JVEG wird das Honorar für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war, anderenfalls zur Hälfte. Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 JVEG wird das Honorar für jede Stunde mit einem Stundensatz nach den Honorargruppen M1 bis M3 multipliziert.
Umstritten ist zwischen dem Antragsteller und der Kostenbeamtin lediglich der für die Abfassung, dh die gedankliche Erarbeitung des Gutachtens, benötigte Zeitaufwand. Zur Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden ist nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten Stunden abzustellen. Die erforderliche Zeit ist vielmehr nach einem objektiven Maßstab zu bemessen. Deshalb kommt es auf den Zeitaufwand an, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Der Zeitaufwand für die gedankliche Erarbeitung beträgt in der Regel pro Seite des Kernbereichs des Gutachtens etwa eine Stunde (zu alledem LSG Rheinland-Pfalz 17.5.2002 - L 2 B 150/01; 25.11.2002 - L 2 B 117/02).
Der Kernbereich des vom Antragsteller erstatteten Gutachtens besteht aus dem Teil "IV. Epikrise", der einen Umfang von knapp sechs Seiten hat. Dies spricht dafür, dass der von der Kostenbeamtin insoweit für die Abfassung und Beurteilung in Ansatz gebrachte Zeitaufwand von sechs Stunden zutreffend ist. Die tatsächliche Seitenzahl der gutachtlichen Beurteilung ist nicht auf die Seitenzahl umzurechnen, die sich ausgehend von Standardseiten mit einer bestimmten Zahl von Anschlägen pro Seite ergäbe. Eine in der Sozialgerichtsbarkeit allgemein anerkannte Standardseite mit einer bestimmten Anschlagszahl gibt es nicht. So geht das Hessische LSG (23.11.2010 - L 2 SF 335/09, juris) von einer Standardseite von 1.800 Anschlägen aus, während das LSG Schleswig-Holstein (17.7.2009 - L 1 SF 30/09 KO) eine solche von 2.000 Anschlägen und das LSG Baden-Württemberg (6.9.2007 - L 12 R 2084/08 KO-B) eine solche von 2.700 Anschlägen annimmt. Entscheidend ist im Übrigen, dass die Zugrundelegung der Anschlagszahl einer Standardseite im vorliegenden Zusammenhang, bei dem es nicht um das Diktat und die Korrektur, sondern um die gedankliche Erarbeitung des Gutachtens geht, eine mathematische Genauigkeit vorspiegeln würde, die es hier naturgemäß nicht geben kann. Denn die Seitenzahl des Kernbereichs des Gutachtens kann ohnehin nur als Anhaltspunkt für die insoweit gerechtfertigte Stundenzahl dienen. Ansonsten würde der Sachverständige, dessen gutachtliche Beurteilung umständliche und ausschweifende Ausführungen enthält, gegenüber demjenigen bevorzugt, dem es gelingt, die wesentlichen Punkte gedrängt zusammenzufassen. Letztlich maßgebend ist der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der vornehmlich im Inhalt des Gutachtens zum Ausdruck kommt (LSG Rheinland-Pfalz 25.11.2002 aaO).
Auch im Interesse einer praktisch handhabbaren und möglichst einfachen Verfahrensgestaltung für die Kostenbeamten ist unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte für den Regelfall von der tatsächlichen Seitenzahl des Kernbereichs des Gutachtens auszugehen. In begründeten Ausnahmefällen kann hiervon abzuweichen sein. Dies kann der Fall sein, wenn die tatsächliche Seitenzahl des Kernbereichs des Gutachtens ersichtlich nicht den Umfang der gedanklichen Arbeit des Gutachters widerspiegelt.
Ausgehend hiervon hat die Kostenbeamtin im Fall des Antragstellers zutreffend sechs Stunden für die gedankliche Erarbeitung der gutachtlichen Beurteilung zugrunde gelegt. Zum einen weicht die Anschlagszahl je Seite nicht erheblich vom Üblichen ab, wie aus dem Gutachten ersichtlich ist. Entscheidend kommt hinzu, dass nach der Schwierigkeit der Beweisfragen und der Komplexität des medizini¬schen Sachverhalts für einen Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung sechs Stunden völlig ausreichend waren, um das Gutachtensergebnis gedanklich zu erarbeiten. Es handelte sich um eine Beurteilung in der sozialen Pflegeversicherung mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, die keine umfangreichen Überlegungen notwendig machte; die Durchsicht von Literatur war - abgesehen von den Begutachtungsrichtlinien für die soziale Pflegeversicherung - nicht erforderlich.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs 8 JVEG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 4 Abs 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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