S 9 P 57/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 P 57/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 P 35/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 4/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Zahlung von Pflegegeld nach Pflegestufe I.

Der 1966 geborene Kläger stellte im Dezember 2011 einen Antrag auf Geldleistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Gutachten des MDK - C. - vom 21.01.2012 ein und lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 27.01.2012 ab, da die Voraussetzungen für die Pflegestufe I, nämlich ein täglicher Hilfebedarf von mindestens 90 Minuten, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssten, nicht vorliegen würde.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14.02.2012 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2012 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus, die Voraussetzungen für die Pflegestufe I seien nicht erfüllt, da nach den Feststellungen des MDK bei der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) kein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten im Tagesdurchschnitt bestehe.

Hiergegen richtet sich die am 26.07.2012 beim Sozialgericht Gießen eingegangene Klage. Mit der Klage begehrt der Kläger die Gewährung von Leistungen nach Pflegestufe I. Der Kläger macht geltend, aufgrund der starken und chronisch fortschreitenden Poliomyelitis und der Wirbelsäulenbeschwerden sowie der dadurch bedingten stark ausgeprägten Schmerzsymptomatik sei er stark pflegebedürftig. Er benötige komplette Hilfe beim Waschen und Anziehen. Zu berücksichtigen sei auch der Hilfebedarf bei der Rasur im Intimbereich und unter den Achseln. Zur Begründung bezieht sich der Kläger auf ein Gutachten von Frau Dr. D. vom 05.08.2008. Sein Gesundheitszustand habe sich seit diesem Zeitpunkt wesentlich verschlechtert. Bereits aus dem Gutachten von Frau Dr. D. ergebe sich, dass er schwerpflegebedürftig sei, er könne nur Wegstrecken von 25 bis 30 Metern ohne Pause zurücklegen. Es bestehe eine Angst- und Depression-Störung. Die vom Gericht eingeholten Gutachten von Frau E. und von Dr. F. seien nicht nachvollziehbar. Sie berücksichtigten nicht den umfänglichen Hilfebedarf. Aus dem Gutachten von Frau Prof. Dr. D. vom 20.02.2015 ergebe sich sein umfänglicher Hilfebedarf, der sich im Bereich der Pflegestufe II bewege.

Die Kammer hat einen Befundbericht von G. vom 8.4.2013 nebst Arztbrief des Kreiskrankenhauses Weilburg vom 18.03.2013, Arztbriefe von Dr. H. vom 21.01.2013, 26.03.2012, 10.11.2011 und 20.9.2011, Ambulanzbrief der Dill-Kliniken vom 07.12.2012, Arztbriefe des Kreisklinikums Siegen vom 10.01.2012 und 15.12.2011, Reha-Entlassungsbericht der Klinik am Park vom 24.09.2012, Arztbrief des Universitätsklinikums Gießen und Marburg vom 24.08.2011 und Arztbrief der Radiologischen Praxis I-Stadt vom 13.02.2013 beigezogen.

Außerdem ist das Zusatzgutachten des Psychologischen Dienstes - Dr. rer. medic. D. vom 05.08.2008 angefordert worden.

Der Kläger bezieht seit 2014 Erwerbsminderungsrente.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 27.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Leistungen aus der Pflegeversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und macht geltend, die vom Gericht eingeholten Gutachten von Frau E. und Dr. F. bestätigten, dass der Pflegebedarf des Klägers unter der Pflegestufe I liegen würde, da für die Grundpflege keine 46 Minuten pro Tag erreicht würden.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Frau E. In ihrem Gutachten vom 28.02.2014 kommt Frau E. zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht vorliegen würden. Der Kläger habe bei der Grundpflege einen Hilfebedarf von 38 Minuten zuzüglich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 60 Minuten pro Tag. Es bestehe ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Duschen viermal wöchentlich von acht Minuten täglich, bei der Ernährung habe der Kläger keinen Hilfebedarf, im Bereich der Mobilität benötige der Kläger Hilfe beim Aufstehen/Zubettgehen zweimal täglich je eine Minute gleich zwei Minuten, zweimal täglich beim Ankleiden des Unterkörpers je vier Minuten, also acht Minuten, beim Entkleiden insgesamt für zweimalige Hilfe vier Minuten pro Tag, beim Stehen und dem Transfer beim Duschen und den Toilettengängen sechsmal täglich Hilfe je eine Minute, also sechs Minuten. Außerdem seien noch Begleitung und Unterstützung beim Gehen ca. 20mal pro Tag, insgesamt zehn Minuten täglich, erforderlich. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten von Frau E., Bl. 91 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen.

Die Kammer hat Frau E. um ergänzende Stellungnahme gebeten. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 132 ff. der Gerichtsakte verwiesen.

Die Kammer hat auf Antrag des Klägers ein Gutachten bei Prof. Dr. D. erstellen lassen. Frau Prof. Dr. D. kommt in ihrem Gutachten vom 20.02.2015 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe II bestehen würde. Frau Prof. Dr. D. hält einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Oberkörpers, der Teilwäsche des Unterkörpers, der Teilwäsche Hände/Gesicht, beim Duschen, beim Baden, bei der Zahn- und Mundpflege, beim Kämmen und beim Rasieren von insgesamt 356,5 Minuten pro Woche, umgerechnet auf den Tag 50,9 Minuten für erforderlich. Nach Ansicht von Prof. Dr. D. bestehe kein Hilfebedarf bei der Ernährung. Es bestehe allerdings ein Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden des Unterkörpers, beim Stehen, Transfer Dusche und WC sowie beim Gehen, insgesamt von 30 Minuten pro Tag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten, Bl. 148 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen.

Die Kammer hat erneut eine Stellungnahme von Frau E. zu dem Gutachten von Prof. Dr. D. vom 24.04.2015, Bl. 182 ff. der Gerichtsakte, eingeholt.

Die Kammer hat den Kläger im Termin am 24.06.2015 angehört und ein Gutachten von Dr. F. vom 07.08.2015 eingeholt. Dr. F. kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Hilfebedarf beim Duschen und Baden von insgesamt 8 Minuten täglich sowie ein Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung nach der Darm- und Blasenentleerung fünfmal täglich mit fünf Minuten erforderlich sei. Für die mundgerechte Zubereitung seien vier Minuten pro Tag erforderlich. Außerdem bestehe ein Hilfebedarf beim An- und Auskleiden von zehn Minuten, beim Stehen von zehn Minuten und beim Aufstehen und Zubettgehen von zwei Minuten. Insgesamt kommt Dr. F. zu einem Hilfebedarf bei der Grundpflege von 39 Minuten pro Tag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten, Bl. 209 ff. der Gerichtsakte, verwiesen.

Die Kammer hat eine weitere Stellungnahme von Dr. F. vom 21.02.2016 angefordert. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 265 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Kammer hat noch die Heilmittelverordnungen von der Beklagten angefordert.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Parteien, wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Pflegegeld nach Pflegestufe I zu.

Gemäß § 14 Sozialgesetzbuch -Soziale Pflegeversicherung- (SGB XI) sind pflegebedürftig Personen, die wegen einer körperlichen oder geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen sind im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, das Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten und die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, das An- und Auskleiden, das Gehen, das Stehen, das Treppensteigen oder das Verlassen und das Wiederaufsuchen der Wohnung und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, das Spülen, das Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (vgl. § 14 Abs. 4 SGB XI). Für die Gewährung von Leistungen sind pflegebedürftige Personen in drei Pflegestufen einzuordnen. Pflegedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen in der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (vgl. § 15 Abs. 1 SGB XI).

Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen, in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen und in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 SGB XI).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Gutachten von Frau E. und von Dr. F. sowie dem Gutachten des MDK im Verwaltungsverfahren fest. Die Gutachten sind nachvollziehbar und geben den Hilfebedarf insgesamt wieder. Der Grundpflegebedarf liegt unter 46 Minuten pro Tag, was erforderlich ist für die Pflegestufe I. Beim Kläger bestehen ein Postpoliosyndrom mit Parese beider Beine, ein Klumpfuß rechts sowie Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und eine Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks bei Supraspinatussehnenruptur rechts sowie ein chronisches Schmerzsyndrom bei Angst und Depression. Frau E. beschreibt in ihrem Gutachten, dass der Kläger manchmal morgens Hilfe benötige beim Aufstehen aus dem Bett. Der Kläger könne Gesicht, Oberkörper und Hände selbst waschen und sich auch die Zähne putzen, sich rasieren und sich kämmen. Die Toilette benutze er alleine, benötige aber manchmal Hilfe beim Aufstehen und Hinsetzen. Hilfe benötige der Kläger beim Anziehen der Unterhose, der Jogginghose und den Socken, während er sich Unterhemd, Pullover und Strickjacke selber anziehen könne. Beim Duschen sitze er auf einem Duschhocker und seine Frau müsse ihm die Sachen zum Duschen anreichen und ihm helfen. Bei der Untersuchung erreichte der Kläger im Sitzen mit den Fingerspitzen etwa den Knöchel. Das Aufstehen aus sitzender Position von der Couch gelang dem Kläger selbständig, indem er sich seitlich auf die Armlehne abstützte und hochdrückte. Die grobe Kraft in den Händen war seitengleich vorhanden und der Schulter-Schürzengriff gelang beidseits gut, der Arm konnte bis 120° abduziert werden. Das Gangbild war rechtsseitig deutlich hinkend. Aus dieser Beschreibung des Hilfebedarfs durch Frau E. ist der von ihr insgesamt ermittelte Hilfebedarf für die Kammer nachvollziehbar. Der Kläger hat keinerlei Funktionseinschränkungen im Bereich der Hände, so dass er keinen Hilfebedarf bei der Nahrungszubereitung und der Nahrungsaufnahme hat. Er kann sich den Oberkörper, Hände und Gesicht entsprechend selbständig waschen und benötigt auch keine Hilfe bei der Zahnpflege und beim Kämmen. Ein Hilfebedarf besteht nur beim Duschen. Ebenfalls besteht ein Hilfebedarf aufgrund der Funktionseinschränkungen beim An- und Entkleiden sowie beim Transfer und Stehen beim Duschen und den Toilettengängen, außerdem ist noch eine Unterstützung beim Gehen erforderlich. Insgesamt ist der von Frau E. ermittelte Grundpflegebedarf von 38 Minuten aufgrund der Funktionseinschränkungen des Klägers zutreffend festgestellt.

Ein Hilfebedarf unterhalb der für die Pflegestufe I erforderlichen 46 Minuten wird auch von Dr. F. in seinem Gutachten festgestellt. Dr. F. kommt zu dem Ergebnis, dass ein Grundpflegebedarf von 39 Minuten besteht, wobei er bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung einen Hilfebedarf von vier Minuten berücksichtigt. Dies ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, da keine Funktionsstörungen der Hände vorliegen. Dr. F. beschreibt eine ausreichende Beweglichkeit der Hände ohne wesentliche Minderung der groben Kraft und der Feinmotorik. Es wurde nur eine leichte Kraftminderung der rechten Hand demonstriert. Das Abspreizen des rechten Armes im Schultergelenk wurde bis etwa 60° möglich demonstriert. Der Nacken- und Schürzenbindergriff wurden rechts nur angedeutet demonstriert, links konnten diese Griffe jedoch ohne Einschränkungen durchgeführt werden. Auch in den Aufzeichnungen seines Hilfebedarfs hat der Kläger für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung keinen Zeitwert angegeben. Die Zeiten für die Hilfe beim Duschen und Baden sind in beiden Gutachten identisch. Dr. F. berücksichtigt nur zusätzlich einen Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung von fünf Minuten pro Tag. Im Bereich der Mobilität unterscheiden sich die zwei Gutachten nur insoweit, dass Frau E. zwei Minuten mehr für das An- und Auskleiden annimmt, dafür aber zehn Minuten für das Gehen und sechs Minuten für das Stehen berücksichtigt, wohingegen Dr. F. zehn Minuten für das Stehen als Hilfebedarf annimmt und dafür keinen Hilfebedarf beim Gehen feststellte. Trotz dieser unterschiedlichen zeitlichen Feststellungen beträgt der Hilfebedarf bei der Grundpflege weniger als 46 Minuten.

Die Kammer folgt nicht dem Gutachten von Prof. Dr. D. Das Gutachten nach § 109 SGG ist für die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar und mit dem im Verfahren eingeholten Gutachten bestätigt Frau Prof. Dr. D. nur das Gutachten, das sie im Jahr 2008 erstellt hat. Bereits im Gutachten von 2008 kam sie zu dem Ergebnis, dass der Kläger stark pflegebedürftig sei. Die Äußerungen damals sind für die Kammer nicht verständlich, da der Kläger bis zum Jahr 2011 als Metallarbeiter ganztags beruflich tätig war. Dem Entlassungsbericht der Klinik Am Park über die Rehabilitationsmaßnahme vom 01.08.2012 bis 04.09.2012 ist zu entnehmen, dass dem Kläger noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, leichte bis mittelschwere Arbeiten von sechs Stunden und mehr, überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen und überwiegend im Sitzen im Dreischichtbetrieb möglich seien. Erwerbsminderungsrente bezieht der Kläger erst seit 2014. In dem Gutachten vom 20.02.2015 bescheinigt Frau Prof. Dr. D. erneut eine starke Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe II). Das Gutachten enthält eine Vielzahl von psychologischen Tests, die für die Frage der Pflegebedürftigkeit aber keine Berücksichtigung finden können. Sie beschreibt eine kurze Wegstrecke von 15 bis 20 Metern, die der Kläger ohne Pause zurücklegen könne. Wenn der Kläger aber 15 bis 20 Meter ohne Pause zurücklegen kann, wie Prof. Dr. D. beschreibt, benötigt er auch keine Hilfebedarf beim Gehen in häuslicher Umgebung, so dass die Feststellungen von Dr. F. zum mangelnden Hilfebedarf beim Gehen von Prof. Dr. D. bestätigt werden. Frau Prof. Dr. D. kommt ebenfalls zu keinem Hilfebedarf im Bereich der Ernährung und auch der Hilfebedarf im Bereich der Mobilität unterscheidet sich nicht von den Feststellungen von Frau E. Allerdings nimmt Frau Prof. Dr. D. einen Hilfebedarf bei der Körperpflege von 50,9 Minuten pro Tag an. Dies ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, da der Kläger bei der Oberkörperwäsche keine Hilfe benötigt sondern nur bei der Unterkörperwäsche. Auch Hände und Gesicht kann er sich selber waschen. Außerdem wird nicht sechs Tage die Woche der Ober- und der Unterkörper gewaschen zuzüglich dreimal Duschen und noch einmal Baden. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Pflegeprotokoll des Klägers, denn der Kläger duscht oder badet oder es erfolgt eine Ganzkörperwäsche erfolgt. Da der Kläger in diesem Bereich aber jeweils nur einen Teilhilfebedarf hat, da er sich den Oberkörper, Gesicht und Hände und auch einen Teil des Unterkörpers selber waschen kann, ist der zeitliche Rahmen, den Prof. Dr. D. angibt, völlig überzogen und sie berücksichtigt nicht, dass der Kläger einzelne Verrichtungen beim Waschen selbst durchführen kann. Auch ist ein Hilfebedarf bei der Zahnpflege, beim Kämmen und beim Rasieren nicht ersichtlich, da der Kläger sowohl seinen rechten Arm noch ausreichend anheben kann, um diese Verrichtungen durchzuführen und auch keine feinmotorischen Störungen der Hände vorliegen.

Für das Verlassen der Wohnung ist ebenfalls kein Hilfebedarf erforderlich, da der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass er regelmäßig, einmal pro Woche, einen Arzt aufsucht und auch seit Ende 2012 keine Krankengymnastik mehr erhält.

Auch das Rasieren des Intimbereichs, das vom Kläger als Hilfebedarf geltend gemacht wird, ist nicht zu berücksichtigen. Unter Rasieren verstehen die Pflegerichtlinien die Rasur des Bartes, aber keine Rasur des Körpers, da üblicherweise nur die Rasur des Bartes zu den täglichen Verrichtungen gehört. Die aus religiösen Gründen vorzunehmende Rasur im Intimbereich gehört nicht zu den üblichen Verrichtungen der Körperpflege und ist daher nicht im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigungsfähig.

Aus den vorgenannten Gründen konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG, die Zulässigkeit der Berufung aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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