L 5 KR 81/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 278/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 81/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben einen Anspruch auf Diagnostik mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie, wenn die herkömmlichen Untersuchungsverfahren keine Ergebnisse (positiv oder negativ) zeigen.

Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (06.12.2005, 1 BvR 347/98), dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit vorliegt.

Ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Aufnahme einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in die Anlage B der BUB-Richtlinie steht einem Leistungsanspruch dann nicht entgegen, wenn sich der Beschluss auf einzelne, andere Erkrankungen bezieht. (Abgrenzung gegenüber BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R).
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Positronen-Emissions-Tomographie in Höhe von 896,15 EUR zu erstatten. Sie hat dem Kläger die ihm zur Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für eine Positronen-Emissions-Tomogra¬phie (PET).

Der 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei ihm besteht ein onokozytäres Schilddrüsenkarzinom. Dieses war im Januar 2002 operativ behandelt worden. In der Folgezeit stiegen die Tumormarker an, ohne dass mit der Jod-Ganzkörperszintigraphie oder durch die übliche Stufendiagnostik mittels Sonographie, Thoraxröntgenologie, Computertomographie des Thorax und des Schädels, Skelettszintigraphie oder Technetium-99m-Isonitrile-Ganzkörperszintigraphie auffällige Befunde erhoben werden konnten. Auf Veranlassung des behandelnden Arztes Priv. Doz. Dr. S vom W klinikum H stellte sich der Kläger daraufhin nach Rückfragen bei den Universitätskliniken Wa und H am 7. April 2004 in der Universitätsklinik U zur Durchführung einer PET vor. Nach Aussage von Priv. Doz. Dr. S wurde dort die PET bei größtmöglicher Erfahrung am kostengünstigsten angeboten. Zuvor setzte der Kläger sich mit der Beklagten wegen der Kostenübernahme in Verbindung, deren Mitarbeiterin ihm die mündliche Auskunft erteilte, die Kostenübernahme werde abgelehnt werden, er müsse gegen die Entscheidung dann Widerspruch einlegen. Durch die Untersuchung wurden ein Lokalrezidiv an der Lendenwirbelsäule und eine Lymphknotenmetastase nachgewiesen, die in der Universitätsklinik H operativ entfernt wurden. Die Kosten für die Untersuchung beliefen sich ausweislich der Rechnung des Universitätsklinikums U vom 22. Juni 2004 auf 896,15 EUR. Am 8. Juli 2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen entsprechenden Kostenübernahmeantrag. Den ablehnenden Bescheid vom 20. Juli 2004 begründete die Beklagte damit, dass die PET nach den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Seinen Widerspruch vom 5. August 2004 stützte der Kläger auf eine Stellungnahme von Priv. Doz. Dr. S vom 2. August 2004, der darauf hinwies, dass die PET die einzige Untersuchungsmethode zu Erkennung des Lokalrezidivs und der Lymphknotenmetastase gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2004 zurück, in dem sie ergänzend ausführte, dass die PET zwar im Rahmen stationärer vertragsärztlicher Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden könne, jedoch erfolge die Abrechnung im Rahmen der allgemeinen Pflegesätze und unterliege daher anderen rechtlichen Beurteilungskriterien.

Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 23. September 2004 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und sich auf die Rechtsprechung zum Systemversagen des Leistungsrechts bezogen. Danach seien auch die Kosten einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode von der Krankenkasse zu übernehmen, wenn diese allgemein anerkannt sei und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Wirkungszusammenhang zur Krankheit bestehe. Dem Bundesausschuss habe nur ein eingeschränktes Diagnosespektrum bei seiner ablehnenden Beschlussfassung über die PET zugrunde gelegen. Seine Erkrankung sei davon nicht erfasst. Die Untersuchung sei außerdem unaufschiebbar gewesen. Dr. S habe sie als lebensnotwendig bezeichnet, und es habe Eilbedürftigkeit bestanden.

Die Beklagte hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend ausgeführt, es fehle an dem für eine Kostenerstattung erforderlichen Leistungsantrag. Gründe für eine Unaufschiebbarkeit der Leistung seien nicht zu erkennen.

Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundunterlagen von dem praktischen Arzt Dr. R und von Priv. Doz. Dr. S eingeholt. Mit Urteil vom 16. August 2006 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung seien nicht erfüllt. Der Kläger habe das hierfür erforderliche Verfahren nicht eingehalten. Er habe nicht zunächst einen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt und deren Entscheidung abgewartet. Die Voraussetzungen für einen Eilfall oder für eine Unzumutbarkeit lägen nicht vor. Unabhängig davon bestehe kein Leistungsanspruch, da der Gemeinsame Bundesausschuss die PET in der BUB-Richtlinie als in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassene Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingestuft habe. Diese Entscheidung sei für die Verwaltung und die Gerichte bindend. Für die Behandlung des Klägers habe es eine medizinische Standardtherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gegeben.

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 5. September 2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die am 27. September 2006 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Er schildert die Kontakte mit der Mitarbeiterin der Beklagten vor Durchführung der Untersuchung. Im Übrigen stützt er sich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der in bestimmten Fällen auch ohne eine Zulassung der Behandlungsmethode ein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse bestehe. Ohne die PET wären die Metastasen im Rückenwirbel nicht gefunden worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Positronen-Emissions-Tomographie in Höhe von 896,15 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich weiterhin auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, der Kläger erwähne erst im Berufungsverfahren das vermeintliche Telefonat. Dies müsse weitergehend ermittelt werden.

Der Senat hat Beweis erhoben und die Mitarbeiterin der Beklagten M als Zeugin vernommen. Ihm haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte vorgelegen. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die ablehnenden Bescheide der Beklagten bestätigt. Diese sind fehlerhaft, denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Kostenerstattung.

Das Recht der sozialen Krankenversicherung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) vom Grundsatz des Sachleistungsprinzips geprägt. Das bedeutet, dass die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen erhalten, soweit im SGB nichts Abweichendes geregelt ist. Als entsprechende abweichende Regelung, die Grundlage für eine Kostenerstattung ist, greift § 13 Abs. 3 SGB V ein. Danach erhalten Versicherte die Kosten erstattet, die ihnen für eine selbstbeschaffte Leistung dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder dass sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die ärztlichen Voraussetzungen der ersten Fallalternative, einer unaufschiebbare Leistung, liegen nicht vor. Eine Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne besteht bei Notfällen im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar ist (BSG, Urteil vom 20. Oktober 1972, 3 RK 93/71, BSGE 35, 10 zu § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO) oder in anderen vergleichbaren dringlichen Bedarfslagen, die keinen Aufschub dulden (BSG, Urteil vom 18. Mai 1978, 3 RK 11/77, BSGE 46, 179). Ein derartiger Notfall liegt hier nicht vor. Er würde voraussetzen, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, den regulären Beschaffungsweg einzuhalten. Wie unten ausgeführt wird, hat er ausreichend Zeit gehabt, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, sodass diese Regelung hier ausscheidet.

Jedoch liegen die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V vor, da die Beklagte den Anspruch des Klägers zu Unrecht abgelehnt hat. Bereits der Wortlaut der Regelung ("dadurch") macht deutlich, dass zwischen der Leistungsablehnung und den entstandenen Kosten ein Ursachenzusammenhang bestehen muss. Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3, 2. Alternative SGB V voraus, dass der Versicherte die Krankenkasse einschaltet und deren Entscheidung abwartet, bevor er sich die Leistung besorgt. Denn die Regelung stellt in dem Leistungssystem des SGB V einen Ausnahmefall dar und gibt einen Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung nur dann, wenn sich das Leistungssystem der Krankenversicherung im Einzelfall als mangelhaft erwiesen hat (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das ergibt sich aus der Stellungnahme der Zeugin M vom 18. Januar 2007, deren Inhalt sie in ihrer Vernehmung durch den Senat bestätigt hat. Danach hat sich der Kläger vor Durchführung der PET mit der Zeugin wegen der Kostenübernahme in Verbindung gesetzt. Die Beklagte hat intern eruiert, ob die Untersuchungsmaßnahme eine Kassenleistung sei, und dies gegenüber dem Kläger verneint. Dies bedeutete die Ablehnung der Kostenübernahme. Die Zeugin hat den Kläger darüber hinaus über den Rechtsweg und in dem Zusammenhang über das Widerspruchsverfahren informiert. Die Anfrage des Klägers beinhaltete den Antrag auf die Leistung. Dieser muss nicht formgebunden, insbesondere nicht schriftlich eingehen. Auch die Ablehnung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V muss nicht in schriftlicher Form erfolgen. Nach § 33 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden; ein mündlicher Verwaltungsakt ist nur im Falle eines berechtigten Interesses und auf unverzügliches Verlangen schriftlich zu bestätigen. Auch die mündliche Ablehnung der Kostenübernahme stellt daher einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Der Kläger hat somit den erforderlichen Verwaltungsweg für die Kostenübernahme eingehalten.

Die Leistungsablehnung durch die Beklagte erfolgte zu Unrecht. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegenüber dem Krankenversicherer einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 Nr. 1 insbesondere die ärztliche Behandlung. Allerdings besteht dieser Krankenbehandlungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht in unbegrenztem Maße. Vielmehr durchzieht das Leistungssystem ein so genanntes gesetzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Nach § 135 Abs. 2 Satz 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in den entsprechenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V im Rahmen eines festgelegten Verfahrens Empfehlungen über die Ausgestaltung der Methode abgegeben hat. Um eine derartige neue Untersuchungsmethode handelt es sich bei der PET. Eine Untersuchungsmethode ist in diesem Sinne immer dann neu, wenn die Methode (noch) nicht in das Regelungssystem der vertragsärztlichen Abrechnung aufgenommen ist; dies ist hier nicht der Fall, da der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) hierüber keine Abrechnungsziffer enthält. Die in diesem Fall erforderliche positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V liegt nicht vor. Damit zählt die PET grundsätzlich nicht zum Leistungsinhalt der GKV. Diese Grundsätze, die für die Behandlungs- und Untersuchungsmethoden aufgestellt worden sind, gelten gleichermaßen für eine Therapie mit Rezepturarzneimitteln (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R, SGb 2007, § 287).

Verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG können aber in Ausnahmefällen dazu zwingen, dass die Kosten auch derartiger, grundsätzlich vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossener Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Arzneimittel gleichwohl zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherer zu übernehmen sind. Die Versicherten haben in den Fällen einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch gegenüber den Krankenversicherern, wenn sie sich die Leistungen selber beschaffen müssen (BSG, Urteil vom 7. No¬vember 2006, B 1 KR 24/06 R, NJW 2007, Seite 1385). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 6. De¬zember 2005 (1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) Leitlinien aufgestellt, in welchen Fällen derartige Leistungsausweitungen des grundsätzlich begrenzten Leistungskatalogs der GKV vorzunehmen sind. Dies ist der Fall, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: - Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. - Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. - Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Diese Voraussetzungen sind im Fall der PET für den Kläger erfüllt. Hierzu trifft der Senat folgende Feststellungen:

Die bei dem Kläger vorliegende Erkrankung ist zumindest eine lebensbedrohliche Erkrankung. Der Kläger leidet an einem onokozytären Schilddrüsenkarzinom, wegen dessen er bereits vor der PET operativ behandelt worden war. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erwägung, dass ein derartiges Karzinom ohne eine adäquate Behandlung einen infausten Verlauf nimmt. Der Kläger bedurfte dringend einer entsprechenden Therapie.

Für diese Krankheit stand eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es hier nicht um eine Behandlung der Erkrankung, sondern um die Diagnostik geht. Grund für die Durchführung der PET war die Lokalisierung weiterer Rezidive und Metastasen. Bei dem Kläger war dies auf andere Weise als durch die PET nicht möglich. Dies ergibt sich aus den Arztunterlagen von Privatdozent Dr. S vom W klinikum H. Dieser hat in seinen Arztbriefen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Tumormarker anstiegen, ohne dass der medizinische Grund hierfür erkannt werden konnte. Das bedeutet, dass zwar ersichtlich war, dass die Erkrankung rezidivierte und Metastasen bildete, es konnte aber nicht festgestellt werden, wo sich diese befanden. Hintergrund war die Tatsache, dass die Metastasen bei der Jod-Ganzkörperszintigraphie nicht angereichert wurden und deshalb durch diese Methode nicht nachzuweisen waren. Es wurden mehrere Kontrolluntersuchungen mit Ultraschall, Technetium-99m-Isonitrile-Szintigraphie, Computertomographie an Hals und Thorax sowie Knochenszintigraphie durchgeführt, ohne dass ein auffälliger Befund erhoben werden konnte. Dies hat Dr. S in seinem Befundbericht vom 20. März 2006 geschildert. Auch nach Rücksprachen mit den Universitätskliniken Wa und H konnten Alternativen für die Diagnostik nicht benannt werden.

Die PET ist zwar nicht nur als neue Untersuchungsmethode nicht anerkannt. Vielmehr hat der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 26. Februar 2002 positiv entschieden, dass sie kein Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (Nr. 39 der Anlage B zu den BUB-Richtlinien). Allerdings orientierte sich diese Beschlussfassung nicht daran, dass die Methode nicht erfolgversprechend sei; vielmehr führte der Ausschuss in seiner Begründung aus, dass andere, herkömmliche und kostengünstigere Methoden vorhanden seien, denen gegenüber die PET kein aussagekräftigeres Untersuchungsmittel darstelle. Der Ausschuss führte hierzu aus, die PET beinhalte keinen additiven oder substitutiven Nutzen gegenüber herkömmlichen Methoden. Diese für den Regelfall anzunehmenden Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da – wie Privatdozent Dr. S dies geschildert hat und wie er in dieser Annahme durch die Auffassungen der Universitätskliniken in H und Wa bestätigt wurde – eine Untersuchungsalternative hier nicht bestand.

Darüber hinaus lag auch eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf einen Erkenntnisgewinn vor. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Untersuchungs- nicht aber um eine Heilungsmethode gehandelt hat. Bei Untersuchungsmethoden ist die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen besonders deutlich zu belegen, da bei der Untersuchung der erzielte Erfolg präzise nachvollzogen werden kann. Der Fall des Klägers zeigt dies. Erst durch die PET konnten das Lokalrezidiv an der Lendenwirbelsäule und die Metastase an den Lymphknoten erkannt werden, die sich durch die herkömmliche Diagnostik nicht darstellen ließen. Bei der Heilbehandlung kann regelmäßig der Ursachenzusammenhang zwischen einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode und einem gleichwohl eingetretenen Behandlungserfolg regelmäßig nicht mit einer derartigen Eindeutigkeit festgestellt werden. Allerdings rechtfertigt das nachträglich im Einzelfall eingetretene Ergebnis nicht ohne Weiteres die Annahme der vom BVerfG aufgestellten dritten Voraussetzung. Vielmehr muss die nicht ganz fernliegende Erfolgs¬aussicht unabhängig vom Fallbezug allgemein anzunehmen sein. Dies ist hier jedoch der Fall, wie sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 ergibt. Denn in dem Ergebnis der Überprüfung zum Nutzen, zur Notwendigkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Ausschlusses ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Methode sich grundsätzlich als ein vielversprechendes Verfahren darstelle. Diese Feststellung stützt sich auf randomisierte Studien, die der Ausschuss eingesehen hatte (Siebelink und andere, 2001), im Rahmen derer die PET mit anderen Methoden verglichen wurde. Das Ergebnis der Studie führte zwar zu der Einschätzung, dass die PET diesen anderen Vergleichsmethoden nicht überlegen sei. In diesem Zusammenhang geht es aber nicht um eine Überlegenheit der PET gegenüber den anderen, im Rahmen der GKV anerkannten Methoden, sondern um "die nicht ganz fernliegende Aussicht auf Erfolg". Ein derartiger Wirkungsgrad ist in der Begründung des Gemeinsamen Bundesausschusses jedoch dargelegt. Angesichts der Begründung des Ausschusses, im Rahmen derer die Studien einbezogen wurden, sieht der Senat keinerlei Veranlassung, seinerseits im Wege der Begutachtung die Tatsachen aufzuklären und die Ergebnisse derartiger Studien einzuholen. Das Verfahren und das materielle Anspruchskonzept des § 135 SGB V mit dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bringt es mit sich, dass der Senat auf die Prüfungsergebnisse des Ausschusses zurückgreifen kann.

Die Voraussetzungen, die das BVerfG für die Anwendung nicht zugelassener Untersuchungsmethoden im Rahmen der GKV zugelassen hat, sind damit erfüllt. Dem steht nicht der ablehnende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 entgegen. Allerdings hindert ein negativer Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach dem Urteil des BSG vom 7. November 2006 (B 1 KR 24/06 R, a. a. O.) die Anwendbarkeit einer zwar grundgesetzlich gestützten, im Leistungssystem des SGB V aber nicht vorgesehenen Untersuchungsmethode. Dieser Gesichtspunkt führt hier jedoch nicht zu einem Ausschluss des Verfahrens. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss lediglich eine eingeschränkte Beschlussfassung getroffen hat. Die Entscheidung orientierte sich an der Untersuchungssubstanz 18-F-Fluordeoxyglucose, die allein als Untersuchungssubstanz für die PET arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Die Zulassung des Medikaments seinerseits beschränkt sich auf fünf Indikationen:

1. Erkennung von vitalem Myokardgewebe bei Patienten mit coronarer Herzerkrankung und eingeschränkter regionaler oder globaler linksventrikulärer Punktion. 2. Lokalisation epileptogener Zonen für die chirurgische Behandlung der Epilepsie. 3. Rezidiverkennung von Gliomen bei hohem Malignitätsgrad (III und IV). 4. Beurteilung der Dignität peripherer Lungenrundherde bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist (z.B. transthorakale Punktion). 5. Erkennung von Adenokarzinomen des Pankreas.

Keine dieser Indikationen ist hier einschlägig. Wie oben ausgeführt, ist unter den vom BVerfG genannten Voraussetzungen eine erweiterte Anwendbarkeit nicht nur von Untersuchungsmethoden, sondern auch von Arzneimitteln zulässig (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R). Das heißt, dass unter den erweiterten Voraussetzungen auch Arzneimittel, die bei der Untersuchung zur Anwendung kommen müssen, außerhalb des regulären Leistungskatalogs der GKV angewandt werden können. Zu der Indikation, die bei dem Kläger besteht, hat der Gemeinsame Bundesausschuss folglich keine Entscheidung getroffen, sodass hier keine einen Leistungsanspruch ausschließende Aufnahme in den Negativ-Katalog der BUB-Richtlinien vorliegt. Auch dieser Gesichtspunkt hindert die Kostenübernahme daher nicht.

Insgesamt kommt der Senat somit zu der Überzeugung, dass die erweiternden Voraussetzungen für eine Kostenübernahme der Untersuchungsmethode im Rahmen der GKV vorliegen, sodass der Anspruch des Klägers begründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, da der Senat die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu Grunde gelegt hat.
Rechtskraft
Aus
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