L 1 U 2/07

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 4 U 127/04
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 U 2/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bereits mit seiner Bekanntgabe entfaltet ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gemäß § 39 Abs. 1 SGB X
materielle Bindungswirkung.
Er kann selbst dann nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X aufgehoben werden, wenn formelle Bestandskraft im Sinne einer Unanfechtbarkeit noch nicht eingetreten ist.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 2. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt für die Folgen eines Arbeitsunfalls die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H.

Die am 1943 geborene Klägerin war als Küchenhilfe bei der T beschäftigt. Am 18. September 2002 erlitt sie auf dem Weg zur Arbeit als Fahrradfahrerin einen Unfall. Noch am Unfalltag wurde sie stationär in die Neurochirurgische Klinik des Westküstenklinikums H aufgenommen, wo sich röntgenologisch eine Schädelfraktur links temporal okzipital, eine Felsenbeinlängsfraktur links, ein Subduralhämatom links sowie eine Kontusionsblutung links temporal nachweisen ließen. Es erfolgte im Rahmen einer Craniotomie eine Hämatomausräumung. Am 2. Oktober 2002 wurde die Klägerin in die Klinik für Frührehabilitation und Geriatrie verlegt, wo sie zunächst stationär und vom 19. November 2002 bis zum 22. Januar 2003 teilstationär in der Tagesklinik behandelt wurde.

Am 1. November 2003 erlitt die Klägerin erneut einen Unfall, als ihr beim Hochsteigen der häuslichen Treppe schwindlig wurde und sie gegen das Treppengelände schlug. Hierbei erlitt sie eine Nasenbeinfraktur, die operativ versorgt wurde. Der Arzt für Chirurgie Dr. L wertete dieses Geschehen in seinem Durchgangsarztbericht vom 6. November 2003 als Folge des Arbeitsunfalls vom 18. September 2002.

Zur Feststellung der Unfallfolgen zog die Beklagte Berichte des Durchgangsarztes des Westküstenklinikums H , des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. S und zwei Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sa bei. Außerdem holte die Beklagte Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. L , des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. S und des Facharztes für Nervenheilkunde und physikalische und rehabilitative Medizin Dr. Dr. W ein.

Der Arzt für Chirurgie Dr. L beschrieb zusammenfassend in seinem Gutachten vom 10. März 2004 wiederkehrende Schwindelattacken, wiederkehrende bohrende Kopfschmerzen, einen Hörverlust beidseits, Ohrgeräusche links, Geschmacks- und Geruchsverlust, Störungen der räumlichen Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses, Narbenbildung und Taubheitsgefühl der linken Körperhälfte und eine Schiefstellung der Nase bei knöchern vollständig verheiltem Nasenbeinbruch. Eine wesentliche Änderung sei nicht mehr zu erwarten. Nach einer ergänzenden Stellungnahme Dr. L vom 15. April 2004 waren unfallchirurgisch für die Hirnleistungsschwäche eine MdE von 60 v. H., für wiederkehrende Kopfschmerzen und Schwindelattacken eine MdE von 40 v. H., insgesamt eine MdE von 70 v. H., unter Berücksichtigung des HNO-ärztlichen Fachgebietes eine Gesamt-MdE von 90 v. H. festzusetzen.

In dem Gutachten nach Aktenlage vom 6. Mai 2004 widersprach der Arzt für Nervenheilkunde Dr. Dr. W der Einschätzung der Höhe der MdE durch Dr. L. Er nahm auf nervenärztlichem Fachgebiet eine MdE von 60 v. H. an, aufgrund der Überschneidungen mit den Unfallfolgen auf anderen Gebieten schlug er eine Gesamt-MdE von 80 v. H. vor.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin als vorläufige Entschädigung eine Rente in Höhe von 80 v. H. vom 19. März 2004 bis auf Weiteres. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde anerkannt ein Zustand nach Schädelhirntrauma 3. Grades mit wiederkehrenden Schwindelattacken und Kopfschmerzen, eine Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus links, Geschmacks- und Geruchsverlust, Störungen der räumlichen Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses, Narbenbildung und Taubheitsgefühl an der linken Kopfhälfte sowie eine Schiefstellung der Nase. Nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden eine beginnende Schwerhörigkeit rechts und ein Tinnitus rechts.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 1. Juni 2004 Widerspruch, mit dem sie die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und einer MdE von 100 v. H. begehrte. Nach Einholung einer Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. B wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2004 zurück.

Daraufhin hat die Klägerin am 2. Dezember 2004 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben. Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 4. Januar 2005 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 80 v. H. gewährt. Hiergegen hat die Klägerin am 7. Januar 2005 Widerspruch erhoben. Mit Bescheid vom 9. Februar 2006 hat die Beklagte ab 1. März 2006 die Rente auf 60 v. H. gemindert, weil die Unfallfolgen sich wesentlich gebessert hätten. Dieser Bescheid wurde als mitangefochten bezeichnet.

Zur Klagebegründung hat die Klägerin das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sa vom 1. Dezember 2005 zur Akte gereicht, in dem die Höhe der MdE aus neurologisch psychiatrischer und neuropsychologischer Sicht auf 70 v. H. geschätzt wurde.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Novem¬ber 2004 und den Bescheid vom 4. Januar 2005 abzuändern sowie den Bescheid vom 9. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des am 18. September 2002 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente nach einer MdE vom 100 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Das Sozialgericht hat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F vom 9. Januar 2006 sowie ein neuropsychologisches Zusatzgutachten des Neuropsychologen PD Dr. phil. Ba eingeholt. Nach Einschätzung der Sachverständigen bestanden zum Zeitpunkt der Untersuchung weder auf der Ebene der geäußerten Beschwerden noch der berichteten und plausiblen Tages- und Lebensgestaltung oder der Ebene des klinischen Befundes Störungen in einem Ausmaß, wie sie Dr. Sa und nach ihm nach Aktenlage Dr. Dr. W bewertet haben. Die Auswirkungen der Hirnleistungsstörungen hätten sich derart gebessert, dass jetzt für die Folgen des Hirntraumas lediglich noch eine Teil-MdE von 40 v. H. und nicht mehr von 60 v. H. anzunehmen sei. Diese beziehe fortbestehende neuropsychologische Defizite nach einer Teil-MdE von 20 v. H. ein und trage außerdem der anhaltenden zentralvegetativen Störung mit Kopfschmerzen und Schwindel sowie der Persönlichkeitsänderung Rechnung. Die Gesamt-MdE sei auf 60 v. H. festzusetzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2007 hat das Sozialgericht nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere des Gutachtens Dr. F , sei die MdE zu Recht zunächst vorläufig und dann mit Bescheid vom 4. Ja¬nuar 2005 endgültig auf 80 v. H. festgesetzt worden. Aufgrund einer deutlichen Besserung der neuropsychologischen Defizite sei auch die Herabsetzung der MdE auf 60 v. H. durch Bescheid vom 9. Februar 2006 zu Recht erfolgt.

Gegen diesen der Klägerin am 9. Januar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich ihre Berufung vom 11. Januar 2007. Zur Begründung macht sie geltend, die bei ihr vorliegenden Unfallfolgen insbesondere auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet seien vom Sozialgericht nicht hinreichend gewürdigt worden. So leide sie unfallbedingt an einer Schwerhörigkeit rechts und einem Tinnitus rechts.

Die Klägerin beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 2. Januar 2007 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 und den Bescheid vom 4. Januar 2005 abzuändern, sowie den Bescheid vom 9. Februar 2006 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des am 18. September 2002 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H. ab dem 19. März 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat Behandlungs- und Befundberichte der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. D vom 7. Mai 2007, des Arztes für Hals-Nasen-Ohren¬heilkunde Dr. S vom 6. Juni 2007 und des Arztes für Chirurgie Dr. L vom 7. Juni 2007 eingeholt. Außerdem hat der Senat die Klägerin durch den Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Dr. La begutachten lassen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das zur Akte gereichte Gutachten vom 13. November 2007 verwiesen.

Die die Klägerin betreffenden Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 v. H.

Zu Recht hat die Beklagte der Klägerin zunächst als vorläufige Entschädigung mit Bescheid vom 26. Mai 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2004 und dann als Dauerrente mit Bescheid vom 4. Januar 2005 eine Verletztenrente nach einer MdE von 80 v. H. gewährt. Da der Bescheid vom 4. Januar 2005 die umstrittenen Bescheide abgeändert hat, ist er – entgegen der Rechtsmittelbelehrung – Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden (§ 96 Sozialgerichtsgesetz SGG).

Unstrittig hat die Klägerin einen Wegeunfall gemäß § 8 Abs. 2 Ziff. 1 des 7. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) erlitten. Im Streit steht lediglich die Höhe der aus den verbliebenen Unfallfolgen resultierenden MdE und damit die Höhe des Rentenanspruchs nach Maßgabe des § 56 SGB VII. Gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Liegen unfallbedingt Beeinträchtigungen mehrerer Körperteile und Organe vor, ist eine Gesamt-MdE zu bilden. Hierbei dürfen die einzelnen MdE-Ansätze nicht schematisch zusammengerechnet werden. Vielmehr ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit vorzunehmen (s. BSG, Urteil vom 15. März 1979, 9 RVS 6/77). Im hier zu entscheidenden Fall hat die Klägerin durch den Unfall am 18. September 2002 eine Schädelfraktur links okzipital, eine Felsenbeinlängsfraktur links, eine traumatische Subakromialblutung sowie eine Kontusionsblutung links temporal erlitten. Als Unfallfolgen sind die in den Bescheiden vom 26. Mai 2004 und vom 4. Januar 2005 aufgeführten Gesundheitsstörungen auf neurologisch psy¬chiatrischem und auf hals-nasen-ohrenärztlichem Gebiet ver¬blieben.

Die MdE aufgrund dieser Unfallfolgen betrug zunächst 80 v. H ... Auf neurologisch psychiatrischem Fachgebiet bestanden anlässlich der Begutachtung durch Dr. Sa am 7. Januar 2004 eine erhebliche Hirnleistungsstörung mit Verminderung der selektiven Aufmerksamkeit und des Kurzzeitgedächtnisses, erhebliche Defizite der räumlichen Wahrnehmung, eine Verminderung der Aufmerksamkeitsspanne sowie eine Einschränkung der Gedächtnisfunktion. Diese Leistungsbeeinträchtigungen wurden sowohl vom Gutachter Dr. L als auch vom Prüfarzt Dr. Dr. W zutreffend mit 60 v. H. bewertet. Die Beeinträchtigungen auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet sind sowohl von Dr. S als auch von Dr. B nachvollziehbar mit einer Teil-MdE von 25 v. H. bewertet worden. Die Beklagte hat auch zu Recht die Gesamt-MdE auf 80 v. H. festgesetzt. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Prüfarztes Dr. Ha und des Gutachters Dr. Dr. W. Danach ist aufgrund der überschneidend aufgeführten Unfallfolgen der Einschätzung Dr. L nicht zu folgen, wonach die Gesamt-MdE auf 90 v. H. festzusetzen ist. Der Sachverständige Dr. F hat sich dieser Auffassung im Rahmen einer nachträglichen Auswertung der aktenkundigen Befunde angeschlossen, weil diese bei der verbliebenen Fähigkeit zur Lebensgestaltung zwar eine deutliche, aber doch submaximale Beeinträchtigung belegen.

Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, als weitere Unfallfolgen eine Schwerhörigkeit rechts und einen Tinnitus rechts anzuerkennen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) geht der Senat davon aus, dass diese Gesundheitsstörungen auf dem rechten Ohr in dem geschilderten Ausmaß nicht bestehen. Sowohl der behandelnde Arzt Dr. S als auch der Sachverständige Dr. La haben ausgeführt, dass vor dem Hintergrund einer fehlenden Compliance und Verdeutlichungstendenzen sich eine unfallbedingte Schwerhörigkeit und ein Tinnitus auf dem rechten Ohr nicht wahrscheinlich machen lassen. Dr. S hat in seinem Gutachten vom 10. April 2004 zur Objektivierung der im Tonaudiogramm bei der Prüfung des rechten Ohres unzuverlässigen Angaben weitere Untersuchungen durchgeführt. Die Hirnstromaudiometrie (BERA) zur Hörschwellenbestimmung korreliert links mit den Angaben im Tonaudiogramm, rechts war eine sichere Auswertung aufgrund mangelnder Compliance nicht möglich. Die DPOEA (Dispositionsprodukte otoakustischer Immissionen) waren jedoch rechts normal. Dr. S hat daraus den Schluss gezogen, dass auf dem rechten Ohr maximal ein Hörverlust von ca. 35 Dezibel vorliegen kann. Die Angaben im Sprachaudiogramm entsprechen einem solchen Hörverlust. Auch bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. La stimmen Sprachaudiogramm und Tonaudiogramm nicht überein. Im Tonaudiogramm waren die Angaben insgesamt unsicher bei deutlichem Aggravationsverdacht. Auch Dr. La hat deshalb eine Schwerhörigkeit und einen Tinnitus nicht als Unfallfolge berücksichtigt. Der Senat schließt sich dieser Einschätzung an.

Die Beklagte hat auch zu Recht mit Bescheid vom 9. Februar 2006 wegen einer wesentlichen Besserung in den gesundheitlichen Verhältnissen die MdE mit Wirkung ab 1. März 2006 herabgesetzt und die Rente entsprechend neu berechnet.

Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des Herabsetzungsbescheides ist § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X), der die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung bei Änderung der Sach- und Rechtslage regelt. Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass der Dauerrentenbescheid vom 4. Januar 2005 bei Erlass des Änderungsbescheides noch nicht formell bestandskräftig war, da er gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist: Während die formelle Bestandskraft eines Verwaltungsaktes erst mit dessen Unanfechtbarkeit eintritt, entfaltet er gemäß § 38 Abs. 1 SGB X in materieller Hinsicht bereits mit seiner Bekanntgabe Bindungswirkung in dem Sinne, dass eine Aufhebung nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erfolgen kann (BSG, Urteil vom 30. Ja¬nuar 1996, 4 RA 16/95). Ein entsprechendes Regelungssystem findet sich in den §§ 44 ff SGB X.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine Verschlimmerung oder Verbesserung von Unfallfolgen bedeutet nur dann eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X, wenn sich hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 v. H. senkt oder erhöht (§ 73 Abs. 3 SGB VII). Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch einen Vergleich der zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes maßgeblichen Befunde mit denjenigen zu ermitteln, die zum Zeitpunkt der geltend gemachten Änderung vorliegen.

Ein Vergleich der dem Bescheid vom 4. Januar 2005 zugrundeliegenden gesundheitlichen Verhältnisse mit den Feststellungen Dr. F s in seinem Gutachten aus dem Januar 2006 zeigt eine deutliche Besserung der Unfallfolgen, insbesondere der neuro¬psychologischen Defizite. Die Klägerin selbst hat anlässlich der Begutachtung durch Dr. F angegeben, unter der fortbestehenden neuropsychologischen Behandlung im Reha-Zentrum H sei es zu einer Besserung gekommen. Die von Dr. Sa in seinem Gutachten vom 7. Januar 2004 beschriebenen erheblichen Defizite der visuell räumlichen Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses konnten in diesem Ausmaß nicht mehr festgestellt werden. Die Klägerin ist nunmehr in der Lage, ein Gespräch zu führen und sich auf Themenwechsel einzustellen. Die von Dr. Sa beschriebene "ausgesprochene Schwerfälligkeit" besteht in diesem Umfang nicht mehr. Insgesamt haben sich die unfallbedingten Hirnleistungsstörungen derart gebessert, dass für die Folgen des Hirntraumas nunmehr eine Teil-MdE von 40 v. H. anzunehmen ist. Bei unverändertem Befund der Unfallfolgen auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet ist seit der Begutachtung durch Dr. F am 13. Dezember 2005 die Gesamt-MdE mit 60 v. H. zu bemessen.

Der Senat folgt bei dieser Beurteilung den Sachverständigen Dr. F und Dr. La. Die Sachverständigen haben die vorhandenen Vorbefunde und Gutachten ausgewertet und einer kritischen Würdigung unterzogen. Darüber hinaus haben sie die Klägerin untersucht und sich so ein Bild des Ausmaßes und der Schwere der Unfallfolgen gemacht. Die Ausführungen der Sachverständigen sind für den Senat schlüssig und überzeugend. Er hat deshalb keine Bedenken, sie seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen.

Nach alledem ist die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved