L 5 KR 95/10 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 295/10 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 95/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Frage, ob § 23b der Psychotherapie - Richtlinie eine absolute Grenze der Behandlungsstunden enthält.
2. Auch der Anspruch eines Versicherten auf Fortsetzung einer tiefenpsychologischen Behandlung kann eine
besondere Eilbedürftigkeit bewirken und in Verfahren des einsweiligen Rechtsschutzes eine anschließende
Prüfung notwendig machen, bzw. bei deren Unmöglichkeit eine Entscheidung nach Folgenabwägung.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts L. vom 17. Mai 2010 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Kosten für die Fortsetzung der tiefenpsychologischen Psychotherapie der Antragstellerin bei dem Diplom-Psychologen E. B. vorläufig für weitere 25 Sitzungen zu übernehmen. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin es ablehnt, ihr die Kosten für die Fortsetzung der Psychotherapie über 100 Stunden hinaus zu übernehmen.

Die 1975 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragstellerin leidet an einer Borderline-Persönlich¬keitsstörung. Unter anderem erfolgte eine tagesklinische Behandlung im Klinikum N. O., H., und im Jahre 2005 eine stationäre Behandlung in der Fachklinik S.

Im Januar 2006 beantragte der Diplom-Psychologe und psychologische Psychotherapeut E. B. die Kostenübernahme für eine ambulante Psychotherapie im Kostenerstattungsverfahren. Dies hätten die Behandler der Fachklinik S. empfohlen, eine stationäre Traumatherapie sei noch kontraindiziert. Nach Einholung von Gutachten des M. D. der K. (MDK) Nord (H.) übernahm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8. September 2006 die Kosten für zunächst 25 Sit¬zungen nach der Gebührenziffer 35200 der Ersatzkassen-Ge¬bühren¬ordnung. Anschließend kam es zu weiteren Bewilligungen, jeweils empfohlen vom MDK.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2009 wies der Psychologe B. darauf hin, dass demnächst 100 Stunden Psychotherapie absolviert seien und eine Weiterbewilligung beantragt werde. Aufgrund von Art und Schwere der extrem ausgeprägten Störungen sei nach wie vor von einem längeren Therapieprozess (über mehrere Jahre) auszugehen. Eine positive Entwicklung bleibe deutlich erkennbar. Eine Behandlungskontinuität sei dringend erforderlich.

Der die Antragstellerin behandelnde Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Ka. von der Psychiatrischen Institutsambulanz der A.-Klinik H.-Ha. attestierte am 17. Juni 2009, dass eine Beendigung der psychotherapeutischen Kontakte die erhebliche Gefahr einer Exazerbation der psychischen Symptomatik mit einem erheblichen Risiko suizidaler Krisen und der daraus resultierenden Notwendigkeit akutstationärer psychiatrischer Behandlung berge. Angesichts einer massiven psychischen Symptomatik mit rezidivierenden erheblichen Stimmungstiefs, inneren Anspannungs- und Unruhezuständen, einer massiv reduzierten psychischen Belastbarkeit auf dem Hintergrund einer komplizierten Vorgeschichte sei aus psychiatrischer Sicht neben der ambulanten Behandlung in der hiesigen Ambulanz die Fortsetzung der engmaschigen ambulanten psychotherapeutischen Behandlung bei Herrn B. dringend erforderlich. In einem ärztlichen Attest vom 18. Juni 2009 bestätigte die Internistin Dr. W., dass die Antragstellerin dringend weitere Psychotherapie benötige. Das Krankheitsbild erfordere eigentlich eine längerfristige stationäre Behandlung, auf die sie sich aber nicht einlassen könne. Die Therapiemaßnahmen hätten jetzt zu einer geringen Besserung geführt. Ein Abbruch hätte fatale Folgen. Daneben lag der Antragsgegnerin eine sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie – Sozialmedizin – F. Sa. bereits vom 9. März 2009 (MDK Nord-H.) vor, in dem dieser die Übernahme der Kosten 20 weiterer Einheiten empfahl und ergänzend ausführte, dass damit die Vorgabe von maximal 100 Stunden, die die Psychotherapie (PT)-Richt¬linie vorsehe, ausgeschöpft sei. Bei bislang guter Mitarbeit der Versicherten und weiteren nachweisbaren Behandlungserfolgen, die sich laut Therapeut auch darin zeigten, dass seit längerem auf stationäre Behandlung verzichtet werden konnte, könne unter Umständen ein Abweichen von der PT-Richtlinie in diesem Fall künftig gerechtfertigt sein. Bei Verlängerungsantrag werde um entsprechende Verlaufsmitteilung gebeten.

Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des MDK Nord (L.) ein und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2009 ab. Auf den Widerspruch der Antragstellerin hin holte die Antragsgegnerin eine weitere Stellungnahme des MDK Nord ein. Darin kam Dr. Kb. am 10. Dezember 2009 zu der Einschätzung, dass eine weitere Kostenübernahme der ambulanten Psychotherapie nicht zu empfehlen sei. Mit weiterem Bescheid vom 13. Januar 2010 lehnte daraufhin die Antragsgegnerin erneut eine Weiterbewilligung der Kostenübernahme ab. Den Widerspruch der Antragstellerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2010 zurück.

Die Antragstellerin hat am 17. April 2010 beim Sozialgericht L. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die sofortige Kostenübernahme weiterer psychotherapeutischer Stunden bei dem Psychologen B. beantragt und darauf hingewiesen, dass diese Behandlung notwendig und erforderlich sei. Es sei mit den Grundrechten aus Art. 2 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bestehe. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, auf die sich die Antragsgegnerin berufe, seien für die Beteiligten nicht bindend. Zudem sei der Gemeinsame Bundesausschuss nicht demokratisch legitimiert. Die Gutachter des MDK seien befangen und nicht ausreichend qualifiziert. Sie, die Antragstellerin, sei nicht in der Lage, die streitige Therapie auf eigene Kosten durchzuführen. Sie beziehe eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (bis August 2011) mit einem monatlichen Zahlbetrag von 523,95 EUR und verfüge über kein Vermögen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund. Bisher sei nicht nachgewiesen, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage sei, die Therapie zumindest vorläufig auf eigene Kosten durchführen zu lassen. Im Übrigen stelle eine auf Dauer angelegte Psychotherapie keinen Notfall dar. Ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe könnten im Rahmen einer Krisenintervention genutzt werden. Ein Anordnungsanspruch liege ebenfalls nicht vor. Der MDK habe eine Bewilligung über die bisherigen 100 Sitzungen nicht befürwortet. Diese Einschätzung sei für sie, die Antragsgegnerin, richtunggebend. Der in Bezug genommene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 finde auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, da es sich nicht um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden handele.

Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 17. Mai 2010 verpflichtet, die Kosten für die Fortsetzung der Behandlung durch den Diplom-Psychologen B. vorläufig und bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der medizinischen Notwendigkeit der Fortsetzung der Behandlung, wie sie an den Arztberichten deutlich werde. Die Antragstellerin sei auch nicht in der Lage, die damit einhergehenden Kosten zu übernehmen. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen werde. Zwar bestimmten die Pt-Richt¬linien in § 23b Abs. 1 Nr. 8, dass eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie höchstens 100 Stunden umfassen dürfe. Diese Begrenzung gelte jedoch nicht ausnahmslos, wie sich aus der Verwendung der Formulierungen "grundsätzlich" und "in der Regel" ergebe. So habe es offensichtlich auch der MDK-Gut¬achter F. Sa. gesehen, der eine Verlängerung über 100 Stunden als möglicherweise gerechtfertigt angesehen habe. Entgegen seiner Bitte habe die Antragsgegnerin jedoch mit der weiteren Begutachtung nicht ihn, sondern den MDK Nord in L. betraut. Dass die Pt-Richtlinien keine absolute Obergrenze enthielten, ergebe sich auch daraus, dass eine grundsätzliche Begrenzung einer Behandlung der gesetzlichen Krankenversicherung fremd sei.

Gegen den ihr am 25. Mai 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, eingegangen beim S.-Holsteinischen Landessozialgericht am 4. Juni 2010. Zur Begründung trägt sie vor: Eigentlich benötige die Antragstellerin eine längerfristige stationäre Behandlung, wie sich aus dem Attest der Hausärztin Dr. W. ergebe. Damit dürfte die Fortsetzung der Psychotherapie unzweckmäßig sein. Es sei nicht erkennbar, warum es der Antragstellerin unzumutbar sein solle, die Entscheidung in der bereits anhängigen Hauptsache abzuwarten. Die Verschlimmerung der psychischen Symptomatik mit dem Risiko suizidaler Krisen sei nicht mit einer unverzüglichen Weiterbehandlung bei Herrn B. zu begegnen, sondern mit den Möglichkeiten ärztlicher oder psychotherapeutischer Hilfe im Rahmen einer Krisenintervention. Zudem stehe auch die stationäre bzw. teilstationäre Krankenhausbehandlung zur Verfügung.

Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts L. vom 17. Mai 2010 ist im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Der Senat teilt dessen Auffassung, dass die Voraussetzungen für die beantragte einstweilige Anordnung erfüllt sind. Die Antragstellerin hat sowohl den Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Zutreffend gibt das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die hierfür maßgebende Norm, wieder. Danach reicht es nicht allein aus, dass ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung glaubhaft gemacht wird (Anordnungsanspruch), sondern es muss noch die Eilbedürftigkeit hinzu kommen, die es im Rahmen des Anordnungsgrundes ermöglicht, vorgezogen vor ein Hauptsacheverfahren eine gerichtliche Entscheidung über eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme zu erhalten. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch hat das Sozialgericht mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG verweist, bejaht. Zur Ergänzung und im Hinblick auf das Vorbringen im Beschwerdeverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Ob die Antragstellerin die Voraussetzungen für einen Behandlungsanspruch in der begehrten Form nach dem SGB V erfüllt, vermag der Senat in der Kürze der ihn für eine Entscheidung im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu beurteilen. Zeitaufwändiger Ermittlungen bedarf es hinsichtlich der Frage, an welcher Krankheit die Antragstellerin konkret und seit wann leidet, welche medizinischen Maßnahmen bisher im Einzelnen durchgeführt wurden und mit welchem Ergebnis. Daran werden sich die durch einen Sachverständigen im Rahmen eines Gutachtens zu beantwortenden Fragen anschließen, welche Behandlungsmaßnahmen indiziert sind und ob dies insbesondere für die streitgegenständliche ambulante Behandlung gilt. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage "besserer" Therapieansätze, z. B. im stationären Bereich, zu beantworten sein. Rechtlich stellt sich die Frage, ob die Pt-Richtlinien in § 23b eine absolute Grenze enthalten. Dagegen spricht, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, die Formulierung in Satz 2 des Abs. 1, der mit der Formulierung beginnt, dass folgende Höchstgrenzen "grundsätzlich" einzuhalten sind. In diesem Zusammenhang weist das Sozialgericht zutreffend darauf hin, dass mit dem Wort "grundsätzlich" ein Normgeber zum Ausdruck bringt, dass Ausnahmen zulässig sind. Darüber hinaus stellt sich die rechtlich zu beurteilende Frage, ob die Pt-Richtlinien, sollten sie gleichwohl eine absolute Grenze enthalten, rechtmäßig sind. Zwar finden sie in § 92 Abs. 6a des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) ihre Grundlage auch hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs, wenn es in Satz 1 u. a. heißt: "In den Richtlinien ist insbesondere das Nähere über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln." Zutreffend weist das Sozialgericht jedoch darauf hin, dass eine absolute quantitative Beschränkung einer Behandlung der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich fremd ist und § 27 SGB V dem Versicherten Anspruch auf Krankenbehandlung uneingeschränkt gibt, wenn sie notwendig ist. Zwar vermag der Senat der Antragstellerin nicht darin zu folgen, dass dem Gemeinsamen Bundesausschuss grundsätzlich die Legitimation zur Normsetzung fehlt. Bedenken an der Legitimation bestehen allerdings dann, wenn eine solche absolute Grenze durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gezogen wird. Hierzu könnte allein der originäre Gesetzgeber aufgerufen sein.

Allerdings spricht nach dem Akteninhalt Überwiegendes dafür, dass ein Behandlungsanspruch der Antragstellerin besteht. Das folgt aus den Stellungnahmen der die Antragstellerin behandelnden Ärzte. Soweit die Antragsgegnerin dem entgegen hält, dass Dr. W. eine stationäre Behandlung vorrangig für notwendig ansieht, übersieht sie, dass die Antragstellerin zu einer solchen nicht bereit ist. Das MDK-Gut¬achten des Dr. Kb. vom 10. Dezember 2009, auf das die Antragsgegnerin verweist, überzeugt nicht. Ihm fehlt bereits eine Begründung für die Einschätzung des Gutachters, eine Verlängerung der ambulanten Psychotherapie nicht zu empfehlen. Darüber hinaus erschließt sich dem Senat nicht, wie Dr. Kb. ohne Untersuchung der Antragstellerin eine solche Stellungnahme abgeben kann.

Das BVerfG hat in mehreren Beschlüssen (vgl. etwa Beschlüsse vom 19. 3. 2004 - 1 BvR 131/04 = NZS 2004, 527 und 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927) entschieden, dass Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stelle, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigt wären. Solle sich eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in solchen Fällen an der Erfolgsaussicht der Hauptsache orientieren, müsse die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, wie es grundsätzlich im Eilverfahren geschieht, sondern abschließend geprüft werden. Dies gelte insbesondere, wenn das Verfahren nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zu führen sei, was im Sozialrechtsstreit der Fall ist (§ 103 SGG). Einer solchen umfassenden Sachverhaltsaufklärung stehen hier im Eilverfahren jedoch die genannten zeitlichen Schwierigkeiten entgegen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin geht der Senat von einer besonderen Eilbedürftigkeit im Falle der Antragstellerin aus. So weist die Hausärztin Dr. W. auf "fatale Folgen eines Abbruchs der Therapiemaßnahmen" hin und Dr. Ka. auf die erhebliche Gefahr einer Exazerbation der psychischen Symptomatik mit einem erheblichen Risiko suizidaler Krisen durch Beendigung der Psychotherapie. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf mögliche Krisenintervention überzeugt nicht. So gilt es bereits, solche Krisen im Vorfelde zu vermeiden. Außerdem verkennt die Antragsgegnerin in dieser Argumentation das Risikopotential solcher Krisen, dem im schlimmsten Falle durch eine Krisenintervention nicht mehr begegnet werden kann.

Da nach dem Dargelegten in diesem Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sachlage nicht möglich ist, bedarf es nach der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) einer Folgenabwägung. Hierbei sind nach der zitierten Rechtsprechung (zu weiterer sozialgerichtlicher Rspr. s. Plagemann - Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht- § 47 Rz 65, 102) die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend in die Abwägung einzubeziehen, denn "die Gerichte müssen sich schützend vor die Grundrechte des Einzelnen stellen". Diese Abwägung führt aus dem oben Dargelegtem zu einer für die Antragstellerin positiven Entscheidung. Sie hat darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage ist, die Kosten der Behandlung zu tragen. Eine Anordnung gegen Sicherheitsleistung kommt damit nicht in Betracht. Da die Gerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG besonders zum Grundrechtsschutz des Einzelnen aufgerufen sind, hier insbesondere zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, muss der Umstand, dass die Antragsgegnerin bei einem für die Antragstellerin negativen Ausgang des Hauptsacheverfahrens nur wenig Aussicht auf Rückzahlung der in Ausführung dieses Beschlusses aufzuwendenden Zahlungen hat, hinter den Interessen der Antragstellerin zurücktreten.

Der Senat hat allerdings die Verpflichtung der Antragstellerin zur Kostenübernahme anders als das Sozialgericht auf 25 Sit¬zungen beschränkt. Es ist nicht auszuschließen, dass nach Abschluss dieser Therapie und gegebenenfalls zwischenzeitlicher Einholung eines Gutachtens das Sozialgericht einen besseren Überblick über die medizinische Situation hat und gegebenenfalls zu einer anderen Entscheidung kommen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht geboten, da der Antragstellerin ohnehin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von der Antragsgegnerin erstattet werden.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.

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Rechtskraft
Aus
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