L 5 KR 50/09

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 229/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 50/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 20. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für mehrere konduktive mehrfachtherapeutische Förderungen nach Petö durch die Beklagte.

Der 1982 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger leidet an den Folgen einer Nierenerkrankung mit notwendiger Nierentransplantation, Rachitis sowie an einer Tetraparese. Er ist in die Pflegestufe 3 eingestuft.

Am 20. Februar 2006 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Kostenübernahme für eine Petö-Therapie für 28 Therapieeinheiten à 60 Minuten zu jeweils 60,00 EUR ein. Eine ärztliche Verordnung war dem Antrag nicht beigefügt. Die Beklagte hatte zuvor bis ins Jahr 1999 hinein die Kosten für diese Therapie gezahlt. In der Folgezeit reichte der Kläger eine Rechnung des "S. f. S. Hilfe für das hirnverletzte Kind e. V." aus H. über 210,00 EUR für 3 1/2 Therapiestunden im März 2006 ein. Mit Bescheid vom 27. Juli 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Gemeinsame Bundesausschuss habe entschieden, dass die Petö-Therapie nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen sei. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 5. August 2006 und machte geltend, die Petö-Therapie sei sinnvoll und in der Vergangenheit auch bezahlt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Therapie sei ein von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossenes Heilmittel, daher könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen.

Hiergegen hat der Kläger am 10. Oktober 2006 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben (S 1 KR 133/06). Zur Begründung hat er dargelegt, dass die Petö-Therapie in Deutschland in der Vergangenheit beachtliche Erfolge erzielt habe, so auch in seinem Fall.

Am 19. Februar 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen erneuten Antrag und reichte eine Rechnung vom 23. Februar 2007 über 2.412,00 EUR ein, der Berichte über den Behandlungsverlauf beigefügt waren. Diese Therapie wurde vom 11. bis 23. Februar 2007 in Pinneberg von der Dipl.-Konduktorin B. K. aus B. durchgeführt. Auch insoweit liegt keine ärztliche Verordnung vor. Mit weiterem Bescheid vom 13. April 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, den Widerspruch vom 25. April 2007 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2007 aus den gleichen Gründen wie zuvor zurück. Hiergegen hat der Kläger am 5. Juli 2007 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben (S 1 KR 163/07).

Einen weiteren Antrag des Klägers vom 28. Juni 2007 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2007 ab. Dieser Antrag betraf wiederum eine Petö-Therapie durch die Dipl.-Konduktorin B. K., für die ebenfalls keine ärztliche Verordnung vorliegt. Die Durchführung erfolgte vom 13. bis 24. Juni 2007 in P. und es wurden Kosten in Höhe von 2.552,00 EUR geltend gemacht. Zur Begründung seines Widerspruchs vom 3. August 2007 reichte der Kläger ein Attest ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger am 23. Okto¬ber 2007 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben (S 1 KR 233/07).

Mit Beschluss vom 31. Januar 2008 hat das Sozialgericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006, den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die seit März 2007 (gemeint ist wohl März 2006) entstandenen Kosten für die Petö-Therapie zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass sie die begehrten Leistungen nicht erbringen dürfe, da die konduktive Förderung nach Petö nicht zu den verordnungsfähigen Heilmitteln im Sinne der Heilmittel-Richtlinien zähle. Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass die Therapie beim Kläger gewirkt habe.

Mit Urteil vom 20. Februar 2008 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Petö-Thera¬pien habe. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte dürften neue Heilmittel nur verordnen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben habe. In seiner Sitzung vom 21. Dezember 2004 habe der Gemeinsame Bundesausschuss beschlossen, die Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) in der Fassung vom 1. Dezember 2003/16. März 2004 wie folgt zu ändern: "Die Anlage der Heilmittel-Richtlinien nicht verordnungsfähiger Heilmittel im Sinne dieser Richtlinien wird wie folgt geändert: Im Abschnitt A Maßnahmen, deren therapeutischer Nutzen nach Maßgabe der BUB-Richtlinien nicht nachgewiesen ist, wird angefügt: 12. konduktive Förderung nach Petö". Zur Begründung habe er darauf hingewiesen, dass für dort näher genannte Indikationen, u. a. der Athetose (Syndrom mit langsamen, bizarr geschraubten Bewegungen vor allem an den distalen Extremitätenabschnitten; tritt sowohl bei willkürlichen als auch bei unwillkürlichen Bewegungen auf) keine aussagefähigen Studien zum Nachweis des therapeutischen Nutzens gefunden worden seien. Außerdem müsse die Steuerung der Versorgung (pädagogische, medizinische, soziale Intervention) in kompetenter Hand liegen (z. B. Pädiater, Neuropädiater, auch bei der ärztlichen Leitung in sozial pädiatrischen Zentren oder interdisziplinären Frühförderungsstellen), um den betroffenen Personen einen bestmöglichen Umgang mit den vorhandenen Behinderungen und eine weitgehende Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen. Notwendige medizinische oder nichtmedizinische Interventionen müssten, um einer Förderung weiterer Störungen der Körperfunktionen oder Strukturfehlentwicklungen oder Störungen der Aktivitäten vorzubeugen, aufeinander abgestimmt sein. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses sei es der Beklagten verwehrt, die vom Kläger aufgewendeten Kosten für die Petö-Therapie zu übernehmen, auch wenn sie dies in der Vergangenheit getan habe. Daraus, dass zu einem früheren Zeitpunkt in gleicher Lage Kosten übernommen worden seien, folge keine Verpflichtung, diese vom Gesetz nicht gedeckte Praxis fortzusetzen. Die konduktive Förderung nach Petö sei seit 2004 von der Verordnung als Heilmittel ausgeschlossen.

Gegen dieses den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 27. Mai 2008 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass dem Sozialgericht zwar zuzugeben sei, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Anerkennung der Petö-Therapie als Heilmittel abgelehnt habe. Das Sozialgericht sei jedoch die Gründe der Ablehnung schuldig geblieben. Studien im In- und Ausland hätten nachgewiesen, dass die konduktive Förderung nach Petö anerkannter Stand der Wissenschaft sei. Die ablehnende Heilmittel-Richtlinie sei rechtswidrig, sie verstoße gegen § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V, denn die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses beruhe nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, und die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit seien nicht nachgewiesen worden. Insbesondere habe der Bundesausschuss eine Studie der Universität M. nicht berücksichtigt. Außerdem verstoße die Heilmittel-Richtlinie gegen Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip). Sie sei unverhältnismäßig und lasse nicht erkennen, dass sie die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausreichend berücksichtigt habe. Darauf, dass keine ärztliche Verordnung für die in Anspruch genommenen Therapien vorliege, komme es nicht an. Von ihm könne nicht verlangt werden, dass er einen Vertragsarzt zur Verordnung eines Hilfsmittels dränge, welches der Gemeinsame Bundesausschuss ausdrücklich als nicht verordnungsfähig deklariere. Außerdem habe er nicht gewusst, dass eine Verordnung in jedem Fall erforderlich sei. Er rügt insoweit einen Beratungsfehler der Beklagten. Er sei davon ausgegangen, dass eine Verordnung wegen der Leistungsbewilligung der Beklagten in der Vergangenheit nicht nötig sei. Eine Verordnung sei auch deshalb hier nicht zwingend, weil die Voraussetzungen für eine Verordnung auf der Hand lägen. Da die Abrechnung erst nach Leistungserbringung erfolge, hätte der Antrag auf Kostenerstattung auch nicht vor Beginn der Therapie gestellt werden können. Das Stellen eines Antrags auf Kostenübernahme vor Therapiebeginne wäre eine bloße "Förmelei" gewesen, weil beiden Seiten – spätestens nach Ablehnung des ersten Antrags – klar gewesen sei, dass die Beklagte keine Kosten für die Petö-Therapie mehr übernehmen werde. Außerdem hätten Mitarbeiter der Beklagten jeweils vor Therapiebeginn gegenüber der Mutter des Klägers mündlich eine Kostenübernahme abgelehnt.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 20. Feb¬ruar 2008 aufzuheben, 2. den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2006, den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die seit März 2006 entstandenen Kosten für die Petö-Therapie in Höhe von 5.174,00 EUR zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die vom Kläger genannten Studien bei seiner Beschlussfassung ausdrücklich genauso berücksichtigt habe wie die Belange Behinderter. Der Hinweis des Klägers auf eine Kostenübernahme durch ausländische Versicherungsträger überzeuge nicht, da dort andere gesetzliche Bestimmungen gelten würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ist statthaft.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es die Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten bestätigt, denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte konduktive Förderung nach Petö.

Nach der Regelung des § 13 Abs. 3 SGB V knüpft der Erstattungsanspruch an einen bestehenden Sachleistungsanspruch des Versicherten an, an dem es hier fehlt. Einem derartigen Anspruch steht entgegen, dass es an einer ärztlichen Verordnung der Therapie fehlt und dass der Gemeinsame Bundesausschuss keinen Beschluss über die Anwendbarkeit der Therapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gefasst hat (so bereits Urteil des Senats vom 20. November 2008, L 5 KR 51/08).

Versicherte haben nach § 32 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit diese nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Dessen Ausschlussgründe liegen hier nicht vor. Die konduktive Förderung nach Petö ist ein Heilmittel (Bundessozialgericht, Urteil vom 3. September 2003, B 1 KR 34/01 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 1). Trotz der Einbindung pädagogischer Behandlungsanteile handelt es sich um eine medizinische Behandlung, denn die Behandlungsrichtung orientiert sich an den in § 27 SGB V genannten Zielen. Da die Therapie nicht durch Ärzte, sondern auf deren Verordnung durch nichtärztliches Fachpersonal, die so genannten Konduktoren, durchgeführt wird, ist die Therapie ein Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V. Heilmittel im Sinne des Gesetzes sind alle persönlichen medizinischen Dienstleistungen, die von nichtärztlichen Leistungserbringern im Sinne des § 124 SGB V erbracht werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juni 2001, B 3 KR 3/00 R, SozR 3-2500 § 33 Nr. 412). Dass hier mehrere Fachdisziplinen bei der Förderung zusammenwirken, schließt deren Qualifizierung als Heilmittel nicht aus. Der Rahmen und die Form der Leistungserbringung sind dabei unerheblich. Maßgeblich ist allerdings, dass das Heilmittel unter der Aufsicht des verordnenden Arztes durchgeführt wird.

Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es für alle drei streitigen Behandlungsabschnitte der konduktiven Förderung nach Petö. Die Versorgung mit einem Heilmittel setzt regelmäßig nach §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V die Verordnung durch einen zugelassenen Vertragsarzt voraus. Demgemäß bestimmt Ziffer 9 Abs. 1 Satz 1 der Heilmittelrichtlinien, die ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V haben, dass Heilmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nur auf Verordnung durch einen Vertragsarzt abgegeben werden dürfen. Diese Richtlinien sind für die Ärzte, die Krankenkassen und die Versicherten bindend. Daran fehlt es hier, denn es liegt keine ärztliche Verordnung vor. Selbst wenn man ausnahmsweise eine Verordnung nicht als erforderlich erachtete (dazu Henke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 73 Rz. 20), würde es an der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Definition des Heilmittelbegriffs entwickelten Notwendigkeit einer Überwachung des nichtärztlichen Fachpersonals durch Ärzte fehlen. Keiner der den Kläger behandelnden Ärzte hat die hier streitigen Therapien überwacht.

Der Rechtsauffassung des Klägers, dass die Beklagte ihn über das Verordnungserfordernis hätte beraten müssen, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Beklagte hatte die Kostenübernahme für die Therapien aus anderen Gründen abgelehnt. Daher bestand kein Beratungsbedürfnis über weitere Ausschlussgründe. Im Übrigen kennt der Kläger schon aufgrund der vielfältigen über Jahre hinweg in Anspruch genommenen anderweitigen Therapien die Notwendigkeit der Verordnung bzw. Überwachung durch einen Arzt. Deshalb ist ihm auch bekannt, dass eine Verordnung nicht für eine unbegrenzte Zeit Wirkung entfaltet, sondern sich immer nur auf eine konkrete Anzahl von Therapiestunden/Anwen¬dungen bezieht und nach deren Erfüllung gegebenenfalls erneuert werden muss. Schon deshalb durfte der Kläger aus einer Leistungsbewilligung der Beklagten in der Vergangenheit nicht zulässigerweise den Schluss ziehen, für weitere gleichgeartete Therapien in der Zukunft sei keine Verordnung mehr erforderlich. Die Notwendigkeit einer Verordnung entfällt auch nicht deshalb, weil in diesem Fall – wie der Kläger meint – die Voraussetzungen für eine Verordnung "auf der Hand gelegen" hätten. Es mag Fälle geben, in denen die Voraussetzungen für eine Verordnung "auf der Hand liegen", wie z. B. beim Ersatz einer zerstörten Brille. Ob in derartigen Fällen auf das Erfordernis einer Verordnung verzichtet werden kann, mag dahinstehen, weil hiermit verglichen im Falle des Klägers die Voraussetzungen für eine Verordnung gerade nicht "auf der Hand liegen". Das kann immer nur dann angenommen werden, wenn die Versorgung mit gerade diesem Heilmittel/Hilfsmittel auch von einem Laien als notwendig erachtet werden würde. Beim Kläger mit seinem komplexen Krankheitsbild und der Vielzahl von möglichen Therapieformen ist das sicher nicht der Fall. Die behandelnden Ärzte wären nicht gehindert gewesen, die konkrete Indikation im Fall des Klägers durch eine privatärztliche Verordnung auch eines vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossenen Heilmittels zu bestätigen.

Unabhängig davon besteht der Anspruch auf Kostenübernahme für die Petö-Therapie jedoch auch dem Grunde nach nicht. Versicherte haben im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung keinen unbegrenzten Anspruch auf Heilmittelversorgung. Nach § 138 Abs. 5 SGB V dürfen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor deren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB V Empfehlungen über die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Die vom Kläger in Anspruch genommene strittige Therapie ist ein neues Heilmittel im Sinne dieser Vorschrift. Denn eine Behandlungsmethode ist in diesem Sinne immer dann neu, wenn sie bei Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 1989 noch nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war und seitdem nicht einbezogen worden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 36/00 R, SozR 3-2500 § 138 Nr. 2 – zur Hippo-Therapie). In erster Linie geben die früheren Beschlüsse des Bundesausschusses den Umfang der vertragsärztlichen Versorgung zu Beginn des Jahres 1989 wieder. Unmaßgeblich ist es, ob die Therapiemethode in anderem Rahmen der Krankenbehandlung, in Krankenhäusern oder Rehabilitationseinrichtungen angewandt wurde, sondern es ist maßgeblich auf den Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abzustellen. An einem positiven Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über den therapeutischen Nutzen der Behandlungsmethode fehlt es. Im Gegenteil hat der Ausschuss mit Beschluss vom 21. April 2004 die Behandlungsmethode in der Liste der nicht zu Lasten der vertragsärztlichen Versorgung durchzuführenden Behandlungsmethoden unter Buchstabe A Ziffer 12 der Anlage zu Ziffer 32 der Heilmittelrichtlinien als Maßnahme eingestuft, deren therapeutischer Nutzen nach Maßgabe der BUB-Richtlinien nicht nachgewiesen ist. Maßgeblich für die Anwendbarkeit einer Behandlungsmethode ist jedoch nicht ein Ausschluss, sondern die Regelung des § 138 Abs. 5 SGB V erfordert eine positive Beschlussempfehlung des Ausschusses, ohne die die Maßnahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durchgeführt werden darf. Die Norm stellt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2002, a.a.O.). Indem es an einem derartigen Beschluss fehlt, besteht keine Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers.

Einen Verstoß der Heilmittelrichtlinien gegen § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V oder Verfassungsrecht vermag der Senat nicht zu erkennen. Für einen Verstoß gegen Verfassungsrecht fehlt jeder Anhaltspunkt. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre dies hier jedoch nicht entscheidungserheblich, weil der geltend gemachte Anspruch schon wegen der fehlenden ärztlichen Verordnung nicht gegeben ist. Dass die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse beruhe, hat der Kläger nicht plausibel dargelegt. Insbesondere trifft sein Vortrag insoweit nicht zu, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine Studie der Universität München nicht berücksichtigt habe (siehe Seite 10 des im Internet veröffentlichten Abschlussberichts zur konduktiven Förderung nach Petö vom 18. Mai 2005). Dass die Kosten für die Petö-Therapie möglicherweise im Ausland von der dortigen Krankenversicherung übernommen werden, ist rechtlich unerheblich, da dies durch hier nicht geltendes Recht begründet wäre. So geht auch das Bundessozialgericht im Urteil vom 29. September 2009 (B 8 SO 19/08 R) davon aus, dass es sich bei der Petö-Therapie um ein nicht anerkanntes und ausgeschlossenes Heilmittel im Sinne des SGB V handelt (siehe Pressebericht).

Allein schon aus diesen Gründen hat die Berufung keinen Erfolg, sodass der Senat weitere dem geltend gemachten Anspruch des Klägers entgegenstehende Gründe nicht mehr eingehend geprüft hat. So sind erhebliche Zweifel daran angebracht, ob es sich insbesondere bei der aus Ungarn zur Therapie angereisten Konduktorin um eine zugelassene Leistungserbringerin im Sinne von § 124 SGB V handelt. Ebenso brauchte der Senat nicht zu ermitteln, ob eine Kostenübernahme der Beklagten mündlich vor Therapiebeginn durch Mitarbeiter der Beklagten abgelehnt wurde. Könnte der Kläger dies nicht beweisen, würde sein Anspruch auch an den Voraussetzungen der zweiten Fallalternative des § 13 Abs. 3 SGB V scheitern. Der Wortlaut der Norm ("dadurch") macht deutlich, dass zwischen der Leistungsablehnung des Versicherungsträgers und den entstandenen Kosten ein Ursachenzusammenhang bestehen muss, der dann fehlen würde. Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch im Sinne des § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V voraus, dass der Versicherte die Krankenkasse einschaltet und deren Entscheidung abwartet, bevor er sich die Leistung besorgt. Denn die Regelung stellt in dem Sachleistungssystem des SGB V den Ausnahmefall dar und gibt einen Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung nur dann, wenn sich das Leistungssystem der Krankenversicherung im Einzelfall als mangelhaft erwiesen hat (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Sep¬tember 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22, bestätigt zuletzt durch Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 8/06 R; Urteil des Senats vom 27. Juni 2007, L 5 KR 5/07). Das ist dann nicht der Fall, wenn die Leistung zunächst in Anspruch genommen und die Rechnung erst im Anschluss an die Therapie vorgelegt wird. In dem o. g. Urteil vom 14. Dezember 2006 hat das Bundessozialgericht erneut ausgeführt, dass der Beschaffungsweg selbst dann zwingend ist, wenn eine Entscheidung der Beklagten zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bereits absehbar und die Ablehnung voraussehbar gewesen wäre. Der Beschaffungsweg muss auf jeden Fall eingehalten werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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