L 1 U 8/08

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 15 U 171/06
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 U 8/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Oktober 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers in der Berufungsinstanz. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger am 18. Januar 2006 einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten hat.

Der am 1947 geborene Kläger ist als selbstständiger Unternehmensberater tätig und seit dem 1. Februar 1996 bei der Beklagten freiwillig versichert. Am 18. Januar 2006 erlitt der Kläger einen Unfall, nachdem er vom Spielcasino in T kommend gegen 2:20 Uhr von dem Zeugen Ö vor der Haustür auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgesetzt worden war. Beim Überqueren der Straße wurde der Kläger von einem Lkw erfasst. Er wurde vom Notarzt in die Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus L , eingeliefert und in der Zeit vom 18. Januar 2006 bis 20. Januar 2006 stationär behandelt. In dem Durchgangsarztberichts vom 23. Januar 2006 diagnostizierte Prof. Dr. J ein Schädelhirntrauma, Prellungen an der rechten Schulter und am rechten Knie sowie verschiedene Schürfwunden. Am 3. Februar 2006 zeigte der Kläger bei der Beklagten den Unfall an. In seinen Erklärungen vom 13. Februar 2006 und 10. April 2006 führte der Kläger aus, er habe unmittelbar vor dem Unfall etwa zwei Stunden lang ein Akquisitionsgespräch mit dem Zeugen Ö geführt. Er sei wenige Tage zuvor mit dem Zeugen im Casino zufällig ins Gespräch gekommen, als der Zeuge ihm von beruflichen Zukunftsvorhaben erzählt habe. Er habe die Möglichkeit gesehen, einen Auftrag vom Zeugen zu erhalten und ihm deshalb seine Unterstützung angeboten. Der Zeuge habe ihm in Aussicht gestellt, am Dienstag, den 17. Januar 2006 erneut ins Casino zu kommen und das Gespräch fortzusetzen. Im Rahmen des Treffens in der Nacht auf den 18. Januar 2006 sei es um Vertrauensbildung und darum gegangen, das Interesse des Zeugen für eine Geschäftsidee zu wecken. Dies sei nach seiner Einschätzung auch gelungen, weil der Zeuge sich angeboten habe, ihn nach Hause zu fahren und man auf dem Heimweg das Gespräch fortgesetzt habe. Verabschiedet habe man sich gegen 2.20 Uhr.

Der Zeuge Ö bestätigte mit Schreiben vom 28. Februar 2006, dass er dem Kläger bei einem früheren Treffen gesagt habe, voraussichtlich am 17. Januar 2006 wieder im Casino zu sein. Das Gespräch mit dem Kläger am 18. Januar 2006 habe in der Zeit von ca. 0.30 Uhr bis 2.15 Uhr stattgefunden. Währenddessen habe jeder ein Alsterwasser getrunken. Er sei davon ausgegangen, im Jahr 2006 vermutlich über einen größeren Barbetrag verfügen zu können. Er habe sich deshalb mit dem Kläger über eine Investitionsmöglichkeit bzw. Geschäftsbeteiligung unterhalten. Schriftliche Unterlagen existierten insoweit nicht. Er habe den Kläger im Pkw mitgenommen, da der Wohnort des Klägers auf seinem Heimweg liege.

Außerdem holte die Beklagte Auskünfte beim Casino L -T , der IKK Schleswig-Holstein und der Arbeitsgemeinschaft Lübeck an.

Auf Nachfrage teilte das UKSH mit Schreiben vom 15. Februar 2006 mit, dass die dem Kläger am 18. Januar 2006 entnommene Blutprobe untersucht worden sei und entweder kein oder weniger als 0,1 Promille Alkohol enthalten habe.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 18. Januar 2006 mit der Begründung ab, dass ein Versicherungsfall nicht nachgewiesen sei. Die Folgen der Beweislosigkeit der versicherten Tätigkeit gingen zu Lasten des Klägers.

Dagegen legte der Kläger am 4. August 2006 Widerspruch ein und trug zur Begründung insbesondere vor, bei dem Gespräch mit dem Zeugen Ö am 18. Januar 2006 im Casino habe es sich um das erste verabredete Akquisitionsgespräch gehandelt. Das Treffen zuvor – ebenfalls im Casino - sei rein zufällig gewesen, habe aber beim Zeugen vages Interesse erzeugt und bei ihm zu der Absicht eines Akquisitionsgesprächs geführt, um weiteres Interesse an einer Zusammenarbeit beim Zeugen zu wecken. Dieser habe seinerzeit eine Abfindung in Höhe von 300.000,00 EUR erwartet. Er habe damals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch bezogen. Aufgrund seiner wirtschaftlich schlechten Lage sei er dringend an Aufträgen interessiert gewesen. Er habe das Folgetreffen für den Zeugen Ö so ungezwungen und aufwandfrei wie möglich gestalten wollen und vorgeschlagen, nähere Einzelheiten bei einem nächsten Casino-Besuch zu besprechen. Anlässlich des Treffens am 18. Januar 2006 habe er das Interesse an einer Zusammenarbeit beim Zeugen weiter steigern können, so dass der Zeuge ihn im Anschluss sogar nach Hause gefahren habe. Weder Schriftverkehr noch Gesprächsprotokolle existierten, was in einer solchen Phase üblich sei, weil zu Beginn einer Akquisition die Ungezwungenheit wichtig sei. Als Anlage zu seinem Widerspruch übersandte der Kläger ein von ihm verfasstes Schreiben vom 24. März 2006 an den Zeugen Ö , in welchem er den Inhalt des Gespräches vom 18. Januar 2006 zusammengefasst hatte und den Vorschlag, ein Wettbüro zu eröffnen, konkretisierte.

Die Beklagte holte bei der Tischtennisabteilung des VFL Bad S eine Auskunft ein. Eine Mitarbeiterin der Beklagten legte dazu in einem Vermerk den Inhalt eines Telefonats mit dem Abteilungsleiter der Tischtennissparte beim VfL Bad S , dem Zeugen Ulrich H , nieder. Herr H habe von sich aus erzählt, dass der Kläger und der Zeuge Ö befreundet seien und sich aufgrund gemeinschaftlicher Interessen im Casino T träfen.

Mit Schreiben vom 3. September 2009 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er gegen 20:40 Uhr am 17. Januar 2006 das Casino das erste Mal aufgesucht habe, um sich zu erkundigen, ob der Zeuge Ö bereits eingetroffen sei. Das sei nicht der Fall gewesen. Er habe auf den Zeugen vor dem Casino gewartet. Dieser habe sich nach seinem Eintreffen zunächst beim Spiel zerstreuen wollen, so dass erst nach 24:00 Uhr das gewünschte Akquisitionsgespräch zustande gekommen sei. Ein von der Beklagten an das Casino T gerichtetes Auskunftsersuchen wurde unter Hinweis auf den Datenschutz verweigert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch. Ein Versicherungsfall sei nicht bewiesen. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen des Versicherungsfalls gehöre u. a. die versicherte Tätigkeit. Vor allem Ort und Uhrzeit des Akquisitionsgesprächs ließen an der versicherten Tätigkeit zweifeln. Nach lebensnaher Betrachtung sei ein Casino kein Ort für ein seriöses Akquisitionsgespräch, gerade wenn die Gesprächspartner nur flüchtig miteinander bekannt seien und es um große Geldbeträge gehe. Nach der Lebenserfahrung sei mitten in der Nacht kein erfolgreicher Gesprächsabschluss zu erwarten. Erfahrungsgemäß würden für Geschäftsgespräche und Vertragsabschlüsse andere Tageszeiten gewählt. Ferner werde bezweifelt, dass der Beratungsentwurf vom 24. März 2006 tatsächlich unter diesem Datum verfasst worden sei. Die Gesamtumstände sprächen vielmehr dafür, dass dieses Schreiben erst nachträglich entstanden sei; es könne deshalb nicht als Nachweis dafür herangezogen werden, dass am 18. Januar 2006 ein Akquisitionsgespräch stattgefunden habe. Aus den Ermittlungen ergebe sich vielmehr, dass sowohl der Kläger als auch der Zeuge Stammgäste des Casinos und als Anhänger des Tischtennissports befreundet seien. Daraus folgten weitere Zweifel daran, dass in der Nacht auf den 18. Januar 2006 ein Akquisitionsgespräch tatsächlich geführt worden sei.

Dagegen hat der Kläger am 24. November 2006 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend hat er vorgetragen, dass erfolgreiche Neuakquisitionen meistens auf ungewöhnlichen Wegen zustande kämen. Die Zeiten nach Mitternacht seien vielleicht nicht die Regel, kämen aber gerade in der Anfangsphase einer Akquisition durchaus vor.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 18. Januar 2006 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2007 hat das Sozialgericht den Versicherungskaufmann Heinz–Werner Ö als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom selben Tage hat es die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 18. Januar 2006 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Die Voraussetzungen des Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) seien erfüllt. Der Unfall habe sich bei einer versicherten Tätigkeit ereignet. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe die zum Unfall führende Fahrt des Klägers nach den Gesprächen im Casino T wesentlich betrieblichen Belangen gedient und sei nicht wesentlich in den privatwirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers begründet gewesen. Die Kammer habe keine Zweifel daran, dass der Kläger am 17. Januar 2006 in der Absicht das Casino aufgesucht habe, mit dem Zeugen Ö Geschäftsverbindungen herstellen zu wollen. Der Kläger habe stets angegeben, dass er im Casino Akquisitionsgespräche geführt habe, was von dem Zeugen bereits im Verwaltungsverfahren bestätigt worden sei. Die Angaben des Zeugen korrespondierten mit den umfassenden und nachvollziehbaren Angaben des Klägers zu seinem Interesse an Geschäftsbeziehungen zum Zeugen Ö. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger damals Arbeitslosengeld II bezogen habe und zumindest zeitweise beruflich nicht sehr erfolgreich gewesen sei, sei es verständlich, mit welcher Intensität und Geduld er sich um die Anbahnung der Geschäftsbeziehungen mit dem Zeugen bemüht habe. Bei dem Gespräch mit dem Zeugen sei der Kläger seiner Tätigkeit als Unternehmensberater nachgegangen und habe dementsprechend eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Die Kammer verkenne zwar nicht, dass der Kläger mit dem Besuch im Casino auch private Belange verbunden habe, die dem privatwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen seien, nach Beendigung des Spielens hätten sich Kläger und Zeuge nach übereinstimmenden und widerspruchsfreien Angaben geschäftlichen Aktivitäten zugewandt. Gerade unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Klägers sei es glaubhaft, dass der Kläger in lockerer und ungezwungener Atmosphäre geschäftliche Kontakte zum Zeugen Ö habe knüpfen wollen. Dem stehe nicht entgegen, dass Zeuge und Kläger sich aus gemeinsamen Wettkämpfen bei Tischtennisturnieren gekannt und in der Vergangenheit auch gemeinsam ein Casino besucht hätten. Denn nach übereinstimmenden Angaben seien die Kontakte zwischen beiden nur flüchtig und ohne geschäftlichen Hintergrund gewesen.

Gegen dieses am 27. Dezember 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Januar 2008 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehe, dass der Kläger am 17. Januar 2006 bzw. 18. Januar 2006 während seines Aufenthalts im Spielcasino in T einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Insoweit reiche nicht aus, dass der Kläger und der Zeuge Ö übereinstimmende Aussagen getätigt hätten, um die Zweifel an der versicherten Tätigkeit auszuräumen. Das Zusammentreffen am 17. Ja¬nuar 2006 sei vielmehr nichts anderes als eines der früheren zufälligen oder beabsichtigten gemeinsamen Aufenthalte im Casino in T gewesen, um dort den Abend zu verbringen und zu spielen. Beide hätten sich seit vielen Jahren gekannt. Sie seien zusammen auf Tischtennisveranstaltungen gewesen, hätten früher gegeneinander gespielt, duzten sich und seien aus diversen Spielcasinobesuchen so gut bekannt, dass sie die Spielgewohnheiten des jeweils anderen gekannt hätten. Z. B. seien sie gemeinsam zu einem Black-Jack-Turnier ins Spielcasino Sa gefahren. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass unter Berücksichtigung dieser Art und Anzahl von Zusammentreffen die Kenntnisse voneinander bis Mitte Januar 2006 nur rudimentär geblieben sein sollten. Zudem habe der Kläger den Zeugen Ö im Regressfragebogen als "Bekannten" bezeichnet. Nur weil der Kläger und der Zeuge Ö einander vertraut gewesen seien, habe es dazu kommen können, dass der Zeuge den Kläger gefragt habe, wie dieser nach Hause komme, um ihm dann anzubieten, ihn mitzunehmen. Auch der Umstand, dass der Kläger den Zeugen Ö im Schreiben vom 24. März 2006 durchgehend gesiezt habe, spreche dafür, dass das Schreiben lediglich zu dem Zweck verfasst worden sei, der Beklagten gegenüber den Nachweis zu erbringen, dass Schriftverkehr stattgefunden habe und der Kontakt zwischen Kläger und Zeuge lediglich ein förmlicher sei. Zudem werde nach lebensnaher Betrachtung nach Mitternacht in einem Spielcasino nicht mehr über Geldanlagen über einen Betrag in Höhe von 300.000,00 EUR verhandelt. Ferner sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger den angeblichen Arbeitsunfall weder der Beklagten noch den erstbehandelnden Ärzten unverzüglich gemeldet habe. Der Durchgangsarzt habe seinen Bericht erst am 23. Januar 2006 erstattet, die Unfallanzeige des Klägers datiere erst auf den 2. Februar 2006.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2006 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die zum Unfall führende Fahrt in der Nacht zum 18. Januar 2006 habe in engem inneren Zusammenhang zu der davor ausgeführten versicherten Tätigkeit gestanden. Liege eine Tätigkeit - wie hier - vor, die sowohl betrieblichen Zwecken als auch privaten Interessen des Versicherten dienen könne, so bestehe der Versicherungsschutz auch dann, wenn die Tätigkeit dem Betrieb zwar nicht überwiegend, aber dennoch wesentlich zu dienen bestimmt gewesen sei. Wesentliche betriebliche Interessen lägen vor, wenn die Tätigkeit hypothetisch auch ohne einen privaten Zweck vorgenommen worden wäre. Das sei vorliegend der Fall. Zutreffend gehe das Sozialgericht davon aus, dass die Beweisaufnahme ergeben habe, dass er das Treffen vom 17. Januar 2006 nur deswegen vereinbart und durchgeführt habe, weil er mit seinem Kunden Ö geschäftliche Aktivitäten habe aufnehmen wollen. Das Treffen habe mithin wesentlichen betrieblichen Interessen gedient, so dass auch die Anfahrt sowie die zum Unfall führende Rückfahrt dem berufsgenossenschaftlichen Versicherungsschutz unterlägen. Unerheblich sei, ob oder wie oft er und der Zeuge Ö zufällig gleichzeitig im Casino gewesen seien. Selbst wenn beide dort zeitgleich anwesend gewesen sein sollten, spreche nichts dafür, dass sie sich dort überhaupt getroffen oder auch nur gesehen hätten. Er habe den Arbeitsunfall auch unverzüglich gemeldet; insoweit habe er die behandelnden Ärzte gebeten, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Unmittelbar nachdem ihm die Formularunfallfragebögen zugesandt worden seien, habe er die entsprechende Anzeige erstattet. Der Kläger hat die Auskunft des Casino T vom 5. Januar 2010 eingereicht.

Der Senat hat Auskünfte des Casino T vom 13. Juni 2008, 11. Januar 2010 und 14. Januar 2010 eingeholt und in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2010 Herrn Heinz–Werner Ö sowie Herrn Ulrich H als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Januar 2010 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Sozialgericht hat die auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage zutreffend nicht als Leistungsklage, sondern als Feststellungsklage gewertet. Diese richtet sich nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weil mit der Klage die Feststellung erreicht werden soll, dass das im Streit befindliche Ereignis ein Arbeitsunfall ist (vgl. BSG SozR 2200 § 55, Nr. 35, S. 67 ff).

Arbeitsunfälle sind gemäß 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem geprüft wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – 2 RU 16/04 – SozR 4-2700 § 8 Nr. 10 m. w. N.). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zurzeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck seines Handelns im Vordergrund. Maßgebliche Frage ist dabei, ob die zum Unfall führende Verrichtung wesentlich dazu bestimmt war, dem Unternehmen zu dienen, wobei alle entscheidenden Einzelheiten in der Person des Handelnden und im Arbeitsvorgang sowie das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14 Rdn. 13 bis 15 m. w. N.). Dient die Tätigkeit sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken (sog. gemischte Tätigkeit), besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen Interessen gedient hat; sie braucht ihnen nicht überwiegend gedient zu haben (BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 2 RU 3/93 -). Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist dabei, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSGE 20, 219). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen. Es muss also sicher feststehen, dass eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze befand sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf dem Rückweg von einer versicherten Tätigkeit. Denn der Zweck des Casinobesuchs des Klägers am 17./18. Januar 2006 diente im Wesentlichen betrieblichen Interessen.

Nach Auffassung des Senats ist bewiesen, dass der Kläger am 17. Januar 2006 den Zeugen Ö bei dessen Eintreffen im Casino gegen 22 Uhr angesprochen hat, um mit diesem das ca. eine Woche zuvor verabredete Beratungsgespräch zu führen. Des Weiteren steht fest, dass der Zeuge Ö nach seinem Eintreffen nicht sogleich bereit gewesen ist, sich mit dem Kläger zusammenzusetzen, sondern zunächst Black Jack gespielt hat. Nachdem der Zeuge Ö sein Spiel beendet hatte, haben sich dieser und der Kläger nach Mitternacht abseits der Spieltische an einen Besuchertisch gesetzt und dort das Akquisi–tionsgespräch geführt. Diese Feststellungen trifft der Senat aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen Ö , der die schlüssigen Angaben des Klägers im Wesentlichen bestätigt hat.

An der Glaubwürdigkeit des Zeugen Ö bestehen keine Zweifel. Der Kläger und der Zeuge kennen sich zwar aufgrund sportlicher Aktivitäten als Tischtennisspieler. Sie haben nach übereinstimmenden Angaben auch auf Turnieren und Meisterschaften gegeneinander gespielt. Darüber hinaus sind der Kläger und der Zeuge Ö im Jahre 2002 gemeinsam mit dem Auto zum Spielcasino nach Sa gefahren, um dort ein Turnier zu bestreiten. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Kläger und der Zeuge Ö derart mit einander befreundet sind, dass der Zeuge an dem Ausgang des Verfahrens ein bestimmtes Interesse haben könnte und insofern falsche Angaben gemacht hat. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht, dass er auch auf Nachfrage des Gerichts und der Beteiligten detailreich geantwortet hat. In Fällen, in denen er sich nicht erinnern konnte, brachte er dies sofort zum Ausdruck. Der Senat hatte nicht den Eindruck, dass der Zeuge lediglich mit dem Kläger Abgesprochenes aussagte, sondern vielmehr von eigenem Erlebten berichtet hat. Ewas anderes lässt sich auch nicht aus dem schriftlichen Vermerk einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 25. August 2006 über ein Telefonat mit dem Zeugen H herleiten. Der Zeuge H hat lediglich bestätigt, dass der Zeuge Ö in der Vergangenheit gelegentlich bei Punktspielen auf den Kläger getroffen sei. Darüber, ob die Beiden darüber hinaus privat bekannt oder befreundet sind, konnte der Zeuge keine Angaben machen.

Auch die vom Casino T eingeholten Auskünfte über die Anwesenheitszeiten des Klägers und des Zeugen Ö lassen keine Rückschlüsse darauf zu, dass diese in der Vergangenheit gemeinsam gezielt das Casino aufgesucht hätten. Im Jahr 2005 und Januar 2006 ist die Anwesenheit des Zeugen Ö an 96 Tagen, die des Klägers an 15 Tagen vermerkt, wobei die Uhrzeiten nicht erfasst sind. Die Beiden waren zwar an sieben übereinstimmenden Tagen im Casino. Ob sie sich dort zur selben Zeit aufgehalten und gemeinsame Aktivitäten entfaltet haben, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Auch der Zeuge H hat lediglich bekundet, dass er nach Erhalt des Schreibens von der Beklagten Erkundigungen eingeholt habe und ihm dabei zugetragen worden sei, dass Kläger und Zeuge Ö am 17./18. Januar 2006 und auch schon vorher gemeinsam im Casino gewesen seien. Auch finden sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger am 17. Januar 2006 mit dem Zeugen Ö das Black Jack-Spiel aufgenommen hat. Nach den Auskünften des Casinos vom 11. und 14. Januar 2010 hat der Kläger das sog. "Große Spiel", zu dem auch Black Jack zählt, am 18. Januar 2006 erst um 0.46 Uhr betreten. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers und des Zeugen Ö , dass diese nach Mitternacht abseits der Spieltische das Gespräch geführt haben.

Ebenso hat der Zeuge glaubhaft dargelegt, dass er tatsächlich einen Grund für ein Akquisitionsgespräch gehabt hat. Nach seinen Bekundungen stand er in Verhandlungen mit seinem Arbeitgeber über ein vorzeitiges Ausscheiden, da dieser im Rahmen von Strukturmaßnahmen älteren Arbeitnehmern den Abschluss von Aufhebungsverträgen angeboten habe. Dabei habe er versucht, einen Abfindungsbetrag in Höhe von 300.000,00 EUR zu erzielen. Deshalb sei er sich zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dem Kläger relativ sicher gewesen, das Unternehmen, bei dem er tätig sei, zu verlassen. Für die Richtigkeit dieser Angaben sprechen die im Termin vorgelegten Unterlagen des Arbeitgebers des Zeugen. Auch der Zeuge H hat erklärt, Kenntnis über einen Aufhebungsvertrag und die Zahlung einer Abfindung gehabt zu haben.

Dagegen, dass ein Akquisationsgespräch stattgefunden hat, spricht nicht, dass am 18. Januar 2006 keine Geschäftsunterlagen erstellt worden sind und dass der Kläger vom Zeugen Ö keinen Auftrag erhalten hat. Denn diese Vorgehensweise entspricht einer Vertragsanbahnung. Auch Ort und Zeit des Gesprächs schließen eine versicherte Tätigkeit nicht aus. Denn es widerspricht nicht der Lebenserfahrung, dass in der Anfangsphase einer Akquisition durchaus ungewöhnliche Umstände gegeben sein können. Denn Kundenwerbung – auch in Gestalt des Sponsorings – gehört grundsätzlich zu den Tätigkeiten, die dem Versicherungsschutz unterfallen (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 8. November 2007 – L 2 U 73/07, m.w.N., zitiert nach juris). Die Bejahung eines Zusammenhangs mit der unternehmerischen Tätigkeit kommt bei der Teilnahme an einer privaten Veranstaltung nur dann in Betracht, wenn der Unternehmer an einer privaten Veranstaltung in der festen Absicht teilnimmt, die Gelegenheit zu nutzen, um bestimmte, sein Unternehmen betreffende geschäftliche Angelegenheiten zu besprechen. Die Hoffnung, bei einer privaten Veranstaltung werde sich die Möglichkeit ergeben, Geschäftsbeziehungen zu pflegen oder anzuknüpfen, stellt ebenso wenig einen Zusammenhang her, wie der Umstand, dass "man sich sehen lässt", um nicht vergessen oder bekannt zu werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 1981 – 8/8a RU 58/80 – SozR 2200 § 584 Nr. 57). Hier war aufgrund des Vorgesprächs, das der Kläger und der Zeuge Ö ca. eine Woche vor dem 17. Januar 2006 geführt hatten, eine hinreichend konkrete Verabredung für die Fortsetzung eines geschäftlichen Gesprächs getroffen worden, die mehr als eine bloße Hoffnung für das Ergeben einer Möglichkeit zur Anknüpfung von Geschäftsbeziehungen darstellt. In der Situation des Klägers, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezog, war es nachvollziehbar, dass er sich auf den Terminvorschlag des Zeugen Ö eingelassen hat, das Gespräch nach dem Tischtennistraining am darauf folgenden Dienstag im Casino, und auch erst nach dem Black Jack-Spiel des Zeugen fortzuführen. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger und der Zeuge Ö etwa eine Woche vor dem 17. Januar 2006 im Rahmen einer zufälligen Begegnung im Casino die vage Verabredung für den 17. Januar 2006 getroffen haben. Nach der Auskunft des Casinos waren beide sowohl am 11. und 12. Januar 2006 und wieder am 18. Januar 2006 dort anwesend.

Da sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Kläger nach Beendigung des Beratungsgesprächs im Casino gespielt hat, diente der Casinobesuchs des Klägers am 17./18. Januar 2006 im Wesentlichen betrieblichen Interessen. Dass der Kläger nach seinem Eintreffen am 17. Januar 2006 gegen 21 Uhr am Automaten gespielt hat, sowie die Tatsache, dass er vor diesem Abend öfters das Casino aufgesucht hat, gibt dem Geschehen nicht die wesentliche Handlungstendenz, sondern ist in dem Gefüge der Gesamtumstände von untergeordneter Bedeutung. Der Senat ist vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger das Gespräch mit dem Kläger im Casino auch geführt hätte, wenn er nicht die Gelegenheit gehabt hätte, selber zu spielen. Aus diesen Gründen hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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