L 5 KR 90/09

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 120/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 90/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses steht unter dem Vorbehalt von § 242 BGB.

Die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse verpflichten diese zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Dabei ist bei der Klärung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses für die Behandlung von bei der Krankenkasse Versicherten auf einen beiderseits möglichst geringen Verwaltungsaufwand zu achten und die Durchführung eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens nicht zu erschweren.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. September 2009 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 2.623,62 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung in ihrer Klinik für Frührehabilitation und Geriatrie hat.

Die Klägerin behandelte die 1922 geborene und bei der Beklagten versicherte M. C. (im Folgenden: Versicherte) im Zeitraum vom 5. August bis zum 24. August 2005. Zuvor war die Versicherte bereits vom 3. Juli bis 20. Juli 2005 und dann vom 21. Juli bis 2. August 2005 in der Klinik für Frührehabilitation und Geriatrie der Klägerin stationär behandelt worden. Dieser stationäre Aufenthalt ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Am 14. September 2005 stellte die Klägerin der Beklagten 2.623,62 EUR für die stationäre Behandlung der Versicherten vom 5. August bis zum 24. August 2005 in Rechnung.

Nach Beratung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) (Dr. E.) teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30. September 2005 mit, dass die Rechnung nicht beglichen werden könne. Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung bestehe nur dann, wenn das Behandlungsziel nicht durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Sollten weitere Gründe die Aufnahme nach kurz vorher stationärer geriatrischer Behandlung erforderlich gemacht haben, werde die Übersendung der Arzt- und Entlassungsbriefe beider stationärer Aufenthalte erbeten. Nach sechs Wochen ohne Reaktion werde die Rechnung abgesetzt.

Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 26. Oktober 2005, dass es ihr wegen der personellen Ausstattung nicht mehr möglich sei, die stark anwachsende Zahl der Anfragen der Kostenträger zeitgerecht zu bearbeiten. Vorrangig würden die Fälle vor 2005 bearbeitet. Auf das Anliegen werde unaufgefordert zurückgekommen. Dies geschah in der Folgezeit jedoch nicht.

Am 7. Juni 2007 hat die Klägerin dann vor dem Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung begehrt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer stationären Behandlung vorgelegen hätten. Sie habe ihre Ansprüche formal ordnungsgemäß abgerechnet, weshalb die Beklagte schon deshalb zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Ihr Vortrag reiche nicht aus, den Anscheinsbeweis zugunsten des Krankenhauses, dass die Voraussetzungen der stationären Behandlung vorgelegen hätten, zu erschüttern. Sie sei auch mit ihren Einwendungen ausgeschlossen. Unabhängig davon habe der vorherige stationäre Krankenhausaufenthalt der Versicherten auch keine Änderung erbracht. Durch die zwischenzeitliche ambulante Führung sei es zu keiner Besserung gekommen. Daher sie die erneute Einweisung erfolgt. Die Ruhigstellung der Versicherten mit einem Schmerzmedikament im Rahmen einer ambulanten Behandlung sei nicht ausreichend. Der Gesamtstatus sei zu berücksichtigen. Der Sachverhalt sei durch ein Gutachten auf dem Gebiet der Geriatrie aufzuklären.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 2.623,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 29. September 2005 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung sei die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung aus den von der Klägerin mitgeteilten Daten nicht erkennbar gewesen. Da die Klägerin keine weiteren Unterlagen vorgelegt habe, sei es der Beklagten nicht möglich gewesen, den Fall zu prüfen.

Das Sozialgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten vom Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. T. vom 18. Mai 2009 eingeholt und auf die Einwendungen der Klägerin eine ergänzende Stellungnahme von Dr. T. vom 11. Au¬gust 2009 angefordert.

Mit Urteil vom 23. September 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten für den Zeitraum vom 5. bis 24. August 2005 habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne diese ihren Zahlungsanspruch nicht schon allein aus einer von ihr so genannten "primären Vergütungspflicht" herleiten. In der Pflegesatzvereinbarung 2005 und in der Entgeltvereinbarung 2005 hätten sich die Vertragsparteien darauf geeinigt, dass die übersandten Rechnungen – sofern Leistungspflicht bestehe – spesenfrei und nach Abzug sofort, spätestens jedoch 14 Tage nach Rechnungseingang bei der zuständigen Krankenkasse zu begleichen seien. Diese Vereinbarung habe lediglich eine Regelung über die Fälligkeit von Forderungen enthalten. Sie begründe jedoch nicht eine unmittelbare Zahlungspflicht der Beklagten. Der Zusatz "sofern Leistungspflicht besteht" impliziere, dass eine Fälligkeit erst dann eintrete, wenn Klarheit über die Leistungspflicht der Beklagten vorliege. Die Regelung sei nicht weiter eingeschränkt z. B. dahingehend, dass die Beklagte lediglich auf die Prüfung beschränkt wäre, ob der jeweilige Patient bei ihr Mitglied sei und beispielsweise Beiträge gezahlt seien. Diese fehlende Einschränkung bedeute daher auch, dass es der Beklagten unbenommen sei, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zu überprüfen und aus diesem Grunde bei Verneinung eine Zahlung zu verweigern. Im Übrigen habe die Beklagte in diesem Fall auf die Rechnung der Klägerin vom 14. September 2005 mit Schreiben vom 30. Sep¬tember 2005 reagiert und darauf hingewiesen, die Leistung nicht als stationäre Leistung vergüten zu können. Nach den zwischen den Beteiligten geltenden vertraglichen Regelungen stehe der Beklagten diese Möglichkeit offen. Eine unbedingte Zahlungspflicht auf eine formal ordnungsgemäße Abrechnung unter Beachtung der Grundsätze des § 301 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) sei zwischen den Beteiligten nicht vereinbart.

Die Klägerin habe auch deshalb keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte, weil die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der im Jahr 2005 geltenden Fassung nicht vorlägen. Danach hätten Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sei, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, da das Behandlungsziel durch eine ambulante Krankenbehandlung hätte erreicht werden können. Bei der Versicherten habe im August 2005 ein Verdacht auf Interkostalneuralgie, eine Osteoporose, ein Morbus Parkinson, eine Tachyarhythmia absoluta intermittierend sowie eine Knotenstruma mit szinti¬grafisch kaltem Knoten im Bereich des rechten Schilddrüsenlappens bestanden. Bereits im Zeitraum vom 3. bis 20. Juli 2005 sei die Versicherte stationär in der Abteilung für Innere Medizin in Husum wegen Rückenbeschwerden und dann vom 21. Juli bis 2. August 2005 wegen annähernd gleicher Beschwerden in der Geriatrischen Abteilung der Klägerin in Heide behandelt worden. Die Versicherte sei dann am 5. August 2005 erneut in der Frührehabilitationsstation mit den gleichen Diagnosen und den gleichen Schmerzangaben aufgenommen worden. Der Dokumentation sei zu entnehmen, dass der erneute stationäre Aufenthalt allein auf der Angabe der Versicherten von starken Schmerzen paravertebral links in Brustwirbelsäulenhöhe erfolgt sei. Auf orthopädisch traumatologischem Gebiet habe keine der Untersuchungen ein Ereignis wie z. B. eine Distorsion, eine Prellung oder eine Fraktur gezeigt. Auch im übrigen Aufnahmebefund hätten sich keine Fähigkeits- und Funktionsstörungen auf internistisch allgemeinmedizinischem, neurologischem oder chirurgischem Sektor ergeben, die für sich allein einen erneuten stationären Aufenthalt begründen könnten. Alle gängigen Tests (geriatrische Assessment-Tests), auch psychopathologische Tests, hätten für die 83 jährige Versicherte gute bis sehr gute Werte erbracht. Sie sei bei der Aufnahme auch alltagskompetent und mobil gewesen. Der Pflegebericht habe bereits während der ersten Tage einen unauffälligen Verlauf gezeigt. Zu keinem Zeitpunkt sei ein erhöhter pflegerischer Aufwand notwendig gewesen. Die Schmerztherapie hätte in der Ambulanz weiter optimiert werden können. Auch hätte eine Physiotherapie in der Ambulanz verordnet werden können. Das Sozialgericht hat sich insoweit auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. T. gestützt und ist der Auffassung der Klägerin entgegengetreten, dass dieser nicht die nötige fachliche Kompetenz als Gutachter besäße.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre Be¬rufung, die am 23. Dezember 2009 bei dem Schleswig-Holstein¬ischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Sozialgericht der Klage ohne weitere Beweisaufnahme hätte stattgeben müssen, da die Beklagte ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Beklagte hätte bei Zweifeln über die Erbringung von Leistungen eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einholen müssen. Die Beklagte habe weder hiervon noch von der im Landesvertrag geregelten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Kurzbericht anzufordern. Die Aufforderung der Beklagten, die Entlassungsberichte beider stationären Aufenthalte zu übersenden, sei vom Gesetz nicht gedeckt. Außerdem seien die Sozialdaten auf Aufforderung des MDK direkt an diesen zu übersenden. Eine Anforderung durch den MDK setze allerdings die Einleitung eines Prüfverfahrens durch die Krankenkasse voraus. Dies sei hier nicht erfolgt. Mit der Anforderung von Unterlagen an sich und mit der Weigerung, ein ordnungsgemäßes Prüfverfahren einzuleiten, habe die Beklagte gegen ihre Pflichten verstoßen und ihre Rechte auf Prüfung des Einzelfalls verwirkt. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass das Urteil des Sozialgerichts auf einer rechtsfehlerhaften Beweisaufnahme beruhe, da die Auswahl des Sachverständigen ermessensfehlerhaft gewesen sei. Dieser verfüge nämlich nicht über die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung des geriatrischen Gesamtstatus der Versicherten. Daher sei dieser Gesamtstatus der damals 83 jährigen Versicherten nicht zutreffend gewürdigt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Gutachter eine ambulante Behandlung fordere, die zuvor bereits erfolglos durchgeführt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.623,62 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. September 2005 zu zahlen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vor-bringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Krankenakten der Klägerin und der Ver-waltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn für die Versicherte M. C. bestand vom 5. bis 24. August 2005 keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit.

Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt, denn sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die grundsätzlich bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin als Krankenhausträgerin und die Beklagte als Krankenkasse gleichgeordnet gegenüberstehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 14/07 R m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten. Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs (vgl. BSGE 83, 254, 263) erfolgt.

Der geltend gemachte Vergütungsanspruch der Klägerin stützt sich auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit der entsprechenden Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Er setzt voraus, dass eine Krankenhausbehandlung tatsächlich durchgeführt worden ist (BSG, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05 R) und bei der Versicherten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der entsprechenden Leistungen gegeben sind, d. h. dass eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Sinne des § 39 SGB V bestanden hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 22. März 2006, L 5 KR 60/04). Eine Krankenhausbehandlung ist im Fall der Versicherten durchgeführt worden. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

Weitere Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch ist jedoch, dass bei der Versicherten eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestand, die ihren Sachleistungsanspruch nach § 39 SGB V begründet. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit setzt voraus, dass die Behandlung der Versicherten den Einsatz der besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich macht. Nach § 107 Abs. 1 SGB V sind Krankenhäuser Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, fachlich medizinisch unter ständiger Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen, nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichen Personal sowie Pflege-, Funktions- und medizinisch technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, wobei die Versicherten dort auch untergebracht und verpflegt werden können. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V erfordert es, dass andere Behandlungsformen, insbesondere in Rehabilitationseinrichtungen und im Rahmen einer ambulanten Behandlung, vorrangig durchzuführen sind, wenn sie ausreichen. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistungen durch die Versicherte aber nur dann, wenn ihre Behandlung im Krankenhaus objektiv notwendig ist. Ob dies der Fall ist, ist nicht im Wege einer nachträglichen (ex post) Betrachtung, sondern im Wege einer Vorausschau (ex ante) zu beantworten; es ist damit von dem im Behandlungszeitraum verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des aufnehmenden oder während der Behandlung – behandelnden Krankenhausarztes auszugehen (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 3 KR 40/04 R). So hat das Krankenhaus nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V bei Aufnahme und während der Behandlung des Patienten die Voraussetzungen der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu prüfen. Daraus folgen für den aufnehmenden oder behandelnden Krankenhausarzt jedoch keine Einschätzungsprärogative und kein Beurteilungsspielraum im Sinne eines Entscheidungsfreiraums, der von der Krankenkasse oder dem Gericht nur in vermindertem Umfang kontrolliert werden könnte (Großer Senat des BSG, Beschluss vom 25. September 2007, GS 1/06, NJW 2800, S. 1980). Vielmehr muss die Annahme der Voraussetzungen für die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit objektiv vertretbar sein. Die Vertretbarkeit orientiert sich dabei nicht allein an medizinischen Gesichtspunkten, sondern muss sich auch an dem in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V niedergelegten Wirtschaftlichkeitsgebot ausrichten. Danach müssen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Maßgeblich ist daher, ob es unter medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar war, dass der einweisende oder behandelnde Krankenhausarzt in seiner vorausschauenden Betrachtung die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung annahm (vgl. Urteil des Senats vom 13. Juni 2007, L 5 KR 61/05). Die Notwendigkeit kann unabhängig von der Vertragslage, die nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zwischen den Beteiligten gestaltet wurde, auch nachträglich verneint werden. Jedoch gehen im Rahmen der nachträglichen Überprüfung entstehende Beweisschwierigkeiten zu Lasten der Krankenkasse, wenn die vertraglichen Vereinbarungen von ihr nicht eingehalten worden sind (Urteil des Senats vom 9. November 2005, L 5 KR 57/04).

Hier hatte sich die Beklagte wegen der Besonderheit von zwei kurz aufeinanderfolgenden stationären Aufenthalten der Versicherten vom MDK beraten lassen und dann im Schreiben an die Klägerin vom 30. September 2005 konkret hierauf bezogen ihren Aufklärungsbedarf benannt und um Übersendung der Arzt-/Entlas¬sungsberichte beider stationärer Aufenthalte gebeten. Die Klägerin hat hierauf lediglich mit einem Serienbrief reagiert und ist trotz ihrer Ankündigung in dem Schreiben vom 26. Oktober 2005 nicht wieder auf das Anliegen der Beklagten zurückgekommen, sondern hat am 7. Juni 2007 Klage erhoben.

Vor diesem Hintergrund teilt der Senat nicht die Auffassung der Klägerin, dass der Klage ohne weitere Beweisaufnahme stattzugeben ist, weil die Beklagte kein ordnungsgemäßes Prüfverfahren eingeleitet habe und deshalb mit ihren Einwendungen gegen die Forderung der Klägerin ausgeschlossen sei. Dabei kann offenbleiben, ob es grundsätzlich zutrifft, dass eine Krankenkasse mit inhaltlichen Einwendungen gegen eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen und der Klage des Krankenhauses ohne Beweisaufnahme stattzugeben ist, wenn die Krankenkasse vorher kein ordnungsgemäßes Prüfverfahren durchgeführt hat, weil es hier die Klägerin selbst war, die die Einleitung des Prüfverfahrens durch die Beklagte erschwert hat.

Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung in der ab 1. Dezember 2003 geltenden Fassung können die Krankenkassen bei Zweifeln an der Abrechnung in begründeten Einzelfällen Zusatzinformationen in Form eines Kurzberichts anfordern. Die Beklagte hat hier gegenüber der Klägerin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Begründung der Klägerin dafür haben möchte, dass nach kurz vorher stationärer Behandlung eine erneute stationäre Aufnahme erforderlich war. Ein begründeter Einzelfall lag mithin vor. Korrekterweise hätte sie allerdings einen Kurzbericht anfordern müssen und nicht Entlassungs- bzw. Arztberichte, da auf deren Übersendung kein Anspruch besteht (BSG, Urteil vom 22. April 2009, B 3 KR 24/07 R). Auf Seiten der Klägerin hätte wiederum die Übersendung der (vorhandenen) Entlassungsberichte einen geringeren Aufwand bedeutet, als einen Kurzbericht zu fertigen. Da die Klägerin aber das Anliegen der Beklagten erkennen konnte, hätte sie, wenn sie Bedenken gegen die Übersendung der Entlassungsberichte gehabt hätte, mit einem entsprechenden Bemerken einen Kurzbericht übersenden können. Jedenfalls hätte die Beklagte ihrerseits ein Prüfverfahren erst durchführen können, nachdem die Klägerin ihr die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, zumal die Klägerin angekündigt hatte, sie werde unaufgefordert auf das Anliegen der Beklagten zurückkommen. Die Bedenken der Klägerin gegen die Übersendung von Arzt-/Entlassungsberichten direkt an die Beklagte waren dieser daher nicht bekannt. Außerdem hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, die von der Beklagten angeforderten Berichte im verschlossenen Umschlag zur Weiterleitung an den MDK zu übersenden. Das Bundessozialgericht hat mehrfach entschieden (zuletzt Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 12/08 R), dass der Vergütungsanspruch des Krankenhauses unter dem Vorbehalt des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch steht, dessen Rechtsgedanke auf die Rechtsbeziehungen der Beteiligten einwirkt. Die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse verpflichten diese zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Im Rahmen ihrer wechselseitigen Obhutspflich¬ten sind Krankenhaus und Krankenkasse daher bei der Geltendmachung von Ansprüchen gehalten, auf einen beiderseits möglichst geringen Verwaltungsaufwand Bedacht zu nehmen. Hier hat die Klägerin durch ihr Verhalten die Durchführung eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens zumindest erheblich erschwert, wohingegen die Beklagte der Klägerin gegenüber den konkreten Anlass ("Zweifel im Einzelfall") für eine Überprüfung des Behandlungsfalls angegeben hatte. Da es der Krankenkasse vor Einschaltung des MDK in der Regel am medizinischen Sachverstand fehlt, kommt zunächst durch sie nur eine Plausibilitätskontrolle in Betracht. Diese ergab hier nach Beratung durch den MDK einen weiteren Begründungsbedarf dafür, warum es kurz nacheinander zu zwei stationären Aufenthalten gekommen war. Die Beklagte hat dadurch eine einzelfallbezogene fehlende Plausibilität geltend gemacht, die eine Pflicht auf Seiten der Klägerin zur Abgabe einer Stellungnahme auslöst, z. B. in Form eines Kurzberichts (vgl. BSG, Urteil vom 13. De-zember 2001, B 3 KR 11/01 R).

Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen, obwohl sie im Schreiben vom 26. Oktober 2005 angekündigt hatte, unaufgefordert auf die Anfrage der Beklagten zurückzukommen. Stattdessen hat sie Klage erhoben. Deshalb kann sie der Beklagten nun im Gerichtsverfahren auch nicht vorhalten, dass diese kein ordnungsgemäßes Prüfverfahren eingeleitet hätte. Denn gerade ihr fehlender Bericht hätte dazu dienen sollen, die Entscheidungsgrundlage der Krankenkasse vor weiterer Einschaltung des MDK zu erweitern und konkrete Zweifel auszuräumen. Erst wenn das nicht gelingt, wäre auf der nächsten Stufe der Sachverhaltsaufklärung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten (vgl. zu den wechselseitigen Rechten und Pflichten und den Stufen des Prüfverfahrens o. g. Urteil des BSG vom 22. April 2009).

Im Ergebnis zu Recht ist das Sozialgericht daher davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht mit inhaltlichen Einwendungen gegen den von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch ausgeschlossen ist und dass im gerichtlichen Verfahren durch Beweisaufnahme zu klären ist, ob dieser Anspruch besteht. Diese Klärung hat das Sozialgericht durch das von ihm eingeholte Gutachten nebst ergänzenden Stellungnahmen des Arztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. T. herbeigeführt. Ausführlich und überzeugend hat das Sozialgericht auf dieser Grundlage dargelegt, dass im gesamten strittigen Zeitraum keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit der Versicherten vorgelegen hat und dass das Behandlungsziel durch eine ambulante Krankenbehandlung hätte erreicht werden können. Hierauf verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG und sieht insoweit von der Darlegung weiterer Entscheidungsgründe ab.

Die Berufungsbegründung enthält keine neuen Gesichtspunkte. Mit der angezweifelten Kompetenz des Gutachters hat sich das Sozialgericht ebenfalls zutreffend auseinandergesetzt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Versicherte zum damaligen Zeitpunkt zwar 83 Jahre alt war, jedoch alle geriatrischen Teste gute bis sehr gute Werte ergaben. Daher stand dies nicht im Vordergrund. Das Alter der Versicherten, die erhobenen Befunde und die Art der Behandlung, wie sie sich aus der Krankenakte ergibt, hat Dr. T. berücksichtigt und zutreffend in seine Bewertung einbezogen. Aufgrund seiner umfassenden Fachkenntnisse und seiner vielfältigen Erfahrung hat der Senat keinen Zweifel, dass Dr. T. kompetent darüber befinden kann, ob bei einem älteren Menschen eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Hierüber zu entscheiden, gehört im Übrigen zu den täglichen Aufgaben von Ärzten, ohne dass diese eine besondere geriatrische Fachkompetenz besitzen. Eine spezielle geriatrische Begutachtung ist nach Auffassung des Senats nur dann erforderlich, wenn gerade geriatrische Fragestellungen im Vordergrund stehen. Das war hier jedoch nicht der Fall.

Auf die Frage, ob die Beklagte auch unter den oben genannten Umständen gleichwohl gemäß § 9 Entgeltvereinbarung 2005 und § 9 Pflegesatzvereinbarung 2005 zunächst einmal zur Zahlung 14 Tage nach Rechnungseingang verpflichtet gewesen wäre, kommt es hier nicht an. Dies hätte nur dann Bedeutung, wenn für wenigstens einen Teilzeitraum Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gegeben wäre und sich die Frage der Fälligkeit und Verzinsung dieses Anspruchs stellen würde (vgl. zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten Senatsurteile vom 3. Juni 2010, L 5 KR 28/10 und L 5 KR 29/10). Diese Situation war hier jedoch nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren richtet sich nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Der Streitwert richtet sich nach § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz nach dem Wert des von der Klägerin verfolgten Gegenstands.
Rechtskraft
Aus
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